Nr. 155

Samstag, 7. 3uli 1934

108. Jahrgang

er GeseUsrhakter

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Eines der wichtigsten Ereignisse der zu Ende sehenden Woche ist die zwischen der deutschen und der englischen Regierung getroffene Vcr- ruwcnung über den Zinsendienst für lang- und mittelfristige Ausländsanleihen. Ter Erfolg, den die deutsche Regierung mit diesem Abkom­me-: erzielt hat, besteht zunächst einmal darin, dar zum erstenmal klar ausgesprochen wird, das ein Land, welches bei dem gegenwärtigen oblägen '.Rangel an Gold- und Devisenreserven von Deutschland Zondcrvortcile für sich bean­sprucht, auch L o n d e r l e i st u n g e n bieten muß. Bisher verlangte neben Amerika auch England stets deutsche Zinszahlungen ohne irgendeine Kompension. Nachdem die Gold- und Devisenreserve der Reichsbank, die Ende 1933 noch rund 400 Millionen RM. betragen hatte, sich durch fortgesetzte Verluste bis auf etwa 76 Millionen verringert hat, ist auch diesem Land klar geworden, daß Deutschland nur mit solchen Ländern Sonderabmachungen treffen staun, die ihm von sich aus ebenfalls Entgegen­kommen zeigen. England bietet dieses Entgegen­kommen dadurch an, daß es ein freundschaft­liches späteres Abkommen über den Waren­verkehr in Aussicht stellt. Der deutsch-eng­lische Güteraustausch ist sehr erheblich. Im . Gcsamta-chenhandel Dei't'^''-"^" britische Imperium eine bedeutende Rolle. Jn-

- solgedessen ist dieses englische Zugeständnis für ^ Deutschland außerordentlich wichtig. Es wird

chon in dem vorliegenden Abkommen ansdrück- ich betont, daß auch diese spätere Bereinba- § inng über den Warenverkehr im Geiste -gegenseitigen V e r st ä n d n r s s e s ge- s troffen werden soll. Außerdem erkennt Eng- ! land ausdrücklich und amtlich an, daß die deut­schen Zahlungen nur geleistet werden können, wenn die Waren- und Dienstebilanz aktiv ist. Das ist gegenwärtig noch nicht der Fall. Im Jahre 1933 hatte Deutschland noch einen Aus­fuhrüberschuß von 668 Millionen RM., wäh­rend sich in den letzten fünf Monaten 1934 ein ! Einfuhrüberschuß von 178 Millionen i RM. ergab. Dieser Einfuhrüberschuß wurde ! durch die Bilanz des Reise- und Schiffahrts- s Verkehrs usw. nicht ausgeglichen. Die ausdrück- i liche englische Feststellung über die notwendige ! Aktivität der Zahlungsbilanz zur Transferie- s rung von Auslandsschulden stellt eine Anerken­nung des von jeher vertretenen deutschen Standpunktes dar. Auf die noch schwebenden Verhandlungen mit der Schweiz und mit Holland kann diese englische Anerkennung nicht ohne Rückwirkung bleiben. Die Vernunft hat sich in England zweifellos auch deshalb durchgesetzt, weil sich die britische Regierung Amerika gegenüber heute in einer ähnlichen Lage wie Deutschland mit seinem Auslands­zinsendienst befindet. In der englischen Note vom 4. Juni hat die britische Regierung gegen die Wiederaufnahme der Kriegsschuldenzahlun­gen ähnliche Argumente vorgebracht, wie wir sie seit langen Jahren in unserem Reparations-

- kampf immer wieder der Welt äußerten, leider ! so lange ohne Erfolg.

Dieser Erfolg wurde in dem direkten deutsch- mglischen Transferabkommen durch eine ! 'rcundschaftliche Haltung Englands erreicht. Deutschland hat der englischen Regierung in dem Abkommen zugesagt, die Coupons der Dawcs- und Ljounganleihe zu honorieren. Die Coupons der Dawesanleihe werden am 15. Ok­tober 1934, die Coupons derZjounganleihe wer­den am 1. Dezember 1934 fällig. An diesen bei­den Terminen erfolgen Zinszahlungen, nicht wie bisher am 15. jeder. Monats. Diese Zah­lungen erfolgen auch nur für britischeIn- h,aber dieser Anleihestücke.

Tie britischen Besitzer sonstiger deutscher Ausländsanleihen fallen unter das Angebot der

- Reichsbank in der kürzlich stattgefundenen Ber- liner Transferkonferenz vom 29. Mai ds. Js. In diesem Abkommen schlug die Rcichsbanl eine sechsmonatige völlige Transfereinstelluno vor. Ab 1. Januar 1935 soll die Zahlung in Form von 3prozentigen Fundierungsbonds, die per 1. Januar 1945 fällig sind, geleistet werden. Außerdem wurde von der Reichsbank ein Bar- zahlungsangebot für diese Fundierungsbonds und die fällig gewordenen Zinsscheine in Höhe von 40 Prozent des Nominalbetrages gemacht, wobei sich die Reichsbank für den Fall weiter­hin beengter Devisenlage ein Knndigungsrechi Vorbehalten hat. Die dadurch eingesparten 61 Prozent der Zinsnominale sollen für di« deutsche Exportförderung verwandt werden.

England lrhnt Frankreichs MdnisplSne ab

iei in der Lage, diese bereits tiefe Kluft zu überbrücken.

Abkürzung der Londoner Begegnung

i

! London, 6. Juli.

! Zu dem bevorstehenden Besuch des sran- ! zösischen Außenministers Barthou in j London macht der Mitarbeiter desDaily : Telegraph" folgende Feststellungen:

- Barthou habe beschlossen, bereits am kom­menden Dienstag anstatt erst am Mittwoch ! wieder von London abzureisen. Der Grund ! hierfür sei, daß der Pariser englische Bot- § schafter Sir Georg Clerk dem französischen > Außenminister bereits mitgeteilt habe, daß ! die englische Politik gegenwärtig endgültig weitere Verpflichtungen aus dem Festlande ablehne. Dies bedeute 1., daß England den von Barthou vorgeschlagenen Pakten der gegenseitigen Unterstützung von Osteuropa, dem Balkan und Mittelmeer nicht beitreten könne und sich möglicherweise nicht einmal veranlaßt sehen werde, eine platonische Zu­stimmung zu ihnen auszudrücken; 2., daß England an seinen bestehenden Verpflichtun­gen unter den Locarnovertrag bezüglich Westeuropa festhalte und gegenwärtig nicht bereit sei, sie auszudehnen oder zu ändern. Demgegenüber habe Frankreich weiterhin nicht die Absicht, irgendeiner allgemeinen Ab­rüstungsvereinbarung zuzustimmen, die eine deutsche Aufrüstung und die deutschen Gleich­berechtigungsansprüche sanktionieren würde.

- schlagenen Aenderungell anzunehmen. Aus I der Antwort der französischen Regierung sei damals klar hervorgegangen, daß e- keine Garantien für die Durchführung einer Ab- rüstungskonvenlion gebe, die es nach Pariser Auffassung Frankreich ermöglichen würben, einem sofortigen, beschränkten deutschen Auf­rüsten zuzustimmen.

Eden beschäftigte sich ferner mit dem noch zu erwartenden Bericht des Genfer Ausschus­ses für die Fragen der Durchführungsgaran.

! rren. Er vetonte, man dürfe nicht allzu große i Hoffnungen daraus setzen, daß dieser Bericht erheblich zur Lösung der augenblicklichen Schwierigkeiten beitragen werde. Denn wäh­rend die französische Regierung es bisher ständig abgelehnt habe, einer mäßigen deut- scheu Wiederaufrüstung zuzustimmen, habe es die deutsche Negierung andererseits nicht weniger klar gemacht, daß sie nicht einer Konvention zustimmen werde, die ihr dies i nicht zugcstehe. Keinerlei Sicherheitsgarantis. die eine britische Rcaieruna macken könnte.

Schlechte Aussichten sür Barche« in Lenden

Kein Krieg mehr für England!"

eg. London, 6. Juli.

Herr Barthou, der am Sonntag in London eintreffen wird, kann jetzt schon den die zwar nicht offiziellen, aber hauptsächlichen Ziele seiner Reise betreffenden Akt daheim lassen, es sei denn, daß sich die Regierung Großbritanniens über die so ziemlich ein­mütige Stimmung des Landes hinwegsetzen wollte. Jedenfalls hal die Absage des Lord­siegelbewahrers Eden an die französischen BündniZPläne eine stärkere Wirkung hervor- gerusen als die schauerlichenEnthüllungen" des alten Deutschenseindes Steeds, der, von keinem Wissen, wohl aber von senilem Haß belastet, im Jnieresse des französischen Generalstabes Phantasien über einen Balte- rienangrifs auf die Londoner Untergrund­bahn veröffentlichte und damit den 1914 stehen Gebliebenen das Gruseln lehren wollte..

Sogar im Unterhaus hat der Arbeiter-

Was wird aus der SA.?

Unterredung mit dem Chef des Stabes

Auch Eden lehnk die Uebernahme neuer l Sicherheiksgarankien noch einmal ab

Nachdem das Abrüstungsproblem schon seit einiger Zeit in der Versenkung verschwun­den war. wurde die Frage am Donnerstag von dem Lordsiegelbewahrer Eden zum Gegenstand einer Rede gemacht, die beson­deres Gewicht erhält, wenn man sie im Zu­sammenhang mit dem bevorstehenden Besuch Barthous in London liest.

Dieser Besuch des französischen Außenmi­nisters in Begleitung des französischen Ma­rineministers hatte in den letzten Tagen zu den verschiedensten Kombinationen veran­laßt, unter denen an erster Stelle die Mög­lichkeit eines englisch-französischen Bündnis­ses stand. Während von britischer Seite der­artigen Vermutungen nachhaltig entgegen­getreten wurde, zeigte Paris nicht dieselbe Energie in der Ableugnung solcher Absichten. Unter diesen Umständen ist Edens Erklärung gegen neue britische Bindungen von beson­derer Wichtigkeit.

In seiner in Stoke gehaltenen Rede be- z schästigte sich Eden mit der Sicherheits­frage.

Wir stehen zu den Locarnoverträgen", er­klärte Eden,aber wir sind nicht bereit, die Bindungen, die wir in die­sen Verträgen eingehen, aus andere Teile Europas auszu­dehnen, an denen wir nicht so stark inte­ressiert sind." Am 10. April habe, so führte Eden weiter aus, die britische Regierung in Paris angefragt, welche Durchführungs- garaniien es der französischen Regierung er­möglichen würden, das Memorandum der britischen Regierung mit den vom deutschen Reichskanzler im Gespräch mit Eden vorge-

Erne Losung des Transferprobtems fm lange Sicht kann nur erreicht werden, wenn Deutschland die Möglichkeit gegeben wird, seine Warenausfuhr erweitern. In dem jetzt abgeschlossenen Abkommen mit Eng­land wird diesem Gesichtspunkt zum erstenmal Rechnung getragen. No cp vor einigen Wochen hatten sich die Vertreter der ausländischen Gläubiger in Berlin nur als Interessenten ge­fühlt und ihre Aufgabe darin gesehen, auf dem beschränkten finanztechuischen Felde soviel als ^möglich für ihre Mandanten herauszuholen. Jetzt wird endlich zum erstenmal die Behand­lung der Angelegenheit auf ein wirtschaftliches Gleis geschoben und damit hoffentlich die erste Grundlage für eine Gesundung der deutschen Wirtschaft und der Weltwirtschaft geschaffen Nur auf diese Weise wird erreicht werden kön­nen, daß Deutschland seine politischen Schulden, denn darum handelt es sich im Grunde, infolge der unsinnigen Reparations- Wirtschaft nach dem Kriege, begleichen kann.

Berlin. 6. Juli.

Ter Chef des Stabes der SA-, Viktor Lutze, wurde von einem Vertreter desAn­griff" über die Zukunft der SA. befragt:

Mein Chef des Stabes, wußten Sie ebenso wie der Führer, Hermann Göring. Dr. Goebbels und einige andere aus der Umgebung des Kanzlers schon vor Wochen von der bevorstehenden Rebellion der ehemaligen SA.-Führer?"

Ich erfuhr von dem verräterischen Treiben Röhms und seiner Umgebung erst, als sich die Lage wirklich zugespitzt hatte. Ich wurde dann als einer der ältesten L>A.-Führer Deutschlands, der übrigens auch schon seit langem Front gemacht hatte gegen die Linie der obersten SA.- Führung, vom Führer hinzugezogen, um bei der Niederschlagung der Rebellen mit­zuwirken. Zu dem Kreis der Vertrauten und Freunde Röhms gehörte ich nie."

Kam die ehrenvolle Berufung zum Chef des Stabes der SA. sür Sie überraschend?"

Ja, das war schon eine Ueberraschung für mich. Ich hatte niemals daran ge­dacht, daß ich einmal Chef des Stabes werden würde, vor allem deswegen nicht, weil ich auch nicht den Ehrgeiz hatte, es zu werden."

Glauben Sie, daß die Verräter mit ihren verbrecherischen Plänen bei der SA. irgend­wie Aussicht ans Erfolg gehabt hätten, wenn der Führer dem Spuk nicht im letzten Augenblick ein jähes Ende gemacht hätte?"

Ter Chef des Stabes erklärt mit aller Entschiedenheit, daß kein SA.-Mann zu dem Verräter Röhm gestan­denhätte. BeidemganzenSpuk handelte es sich lediglich um eine reine Führer-Revolte. Und auch von den Führern war es nur ein ganz kleiner Kreis, der die Rebellion mit­machen wollte.

Es ist also tatsächlich so, daß der einfache und unbekannte SA.-Mann und seine Füh­rer nicht von dem seit Wochen vorbereiteten verräterischen Unternehmen der obersten Führerclique wußten, und daß sie infolge­dessen keineswegs belastet sind?"

Nein, die SA. braucht sich wirklich nicht zu schämen, weil ein kleiner Kreis ihrer bisherigen Führer zu Verrätern wurde. Sie sollte von denen nur mißbraucht wer­den, steht aber heute makellos da. Mit Stolz kann ich sagen, daß die gesamte SA. sauber ist und demnächst wieder mit er­hobenem Haupt das Braunhemd tragen kann.

Der Führer steht selbstverständlich treu zu ihr und liebt sie. Wäre sein Verhält­nis zu ihr auch nur ein bißchen getrübt, er hätte sie ja auslösen können. Oder er j

yütte nicht die alte Garde damit beaus- rragt, dorr, wo noch etwas faul sein sollte, für gründliche Säuberung zu sorgen."

Auf die Frage, ob von der ehemaligen obersten SA.-Führung unzuverlässige Ele­mente von den Kommunisten. Sozialdemo, kraten. Teutschnationalen und aus dem Stennes-Lager in der SA. ausgenommen worden sind, erklärt der Chef des Stabes, daß er dies nicht unbedingt bejahen möchte. Er sei allerdings der Meinung, daß einige der nun qerickitcten früheren SA.-TMu-pr h>,>

Ausnahme solcher Elemente gewünscht hät­ten, um dadurch Unzufriedene in der SA. zu sammeln.

Wie wird sich nun in Zukunft das Ver­hältnis zwischen der SA. und den Schutzstaf­feln gestalten?"

Es soll wie bisher zwischen diesen bei­den Formationen ein rein kameradschaft­liches Verhältnis herrschen. Beide werden auch künftig getrennt ihren Ausgaben nachgehen und sie getrennt zu lösen haben."

lieber dieNeuorganisation der S A. kann der neue Chef des Stabes heute natürlich noch keine näheren Angaben machen. Er gibt allerdings mit aller Be­stimmtheit seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß eine Neuorganisation durchgesührt werden muß und durchgeführt werden wird, weil sie eben unbedingt notwendig ist. Ob in diesem Zuge eine zahlen- mäßige Verringerung der Sturmabteilungen erfolgen wird, ist nicht ganz ausgeschlossen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Chef des Ltabes, Lutze, aus den braunen Forma­tionen ein unbedingt sauberes und was in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist ein Politisch zuverlässi­ges Instrument der Bewegung zu machen entschlossen ist.

Wird dann zukünftig jeder SA.-Mann Mitglied der NSDAP, sein müssen?"

Ich bin der Meinung, daß es auf die Tauer unumgänglich sein wird, daß der SA.-Mann, in erster Linie aber der SA.- Führer, Parteigenosse ist. Schließlich muß er, wenn er Garant einer Weltanschauung sein will, dieser nationalsozialistischen Be­wegung mit Haut und Haar verschrieben sein. Der von dem früheren Stabschef ver­liehene Ehrendolch darf nach Entfernung des Namens des Verräters wieder getra­gen werden; genau so, wie alle SA.-Män- ner ihren Dienstdolch tragen dürfen. Die Entscheidung darüber, ob die alten Kämp­fer für ihre Verdienste einen Ersatz sür den Ehrendolch erhalten, der dann von Adolf Hitler selbst und nicht wieder vom Chef des Stabes verliehen wird, liegt beiny Führer selbst."