Me- sch^..freundliche Kreise des 'Auslandes sind seit langem bemüht, der in weiten Schichten unseres Botkes herrschenden Not durch Werke der Nächstenliebe zu steuern. An erster Stelle stehen in dieser Beziehung unsere Nachbarländer Dänemark, Fii land, Holland, Norwegen, Schweden und die Schweiz. Die warmherzige fürsorgliche Aufnahme, die den Kindern unseres Volkes seit Jahren in diesen Ländern monale lang bereitet wird, verfolgt ein Ziel, das über die Not des Tages hinansgeht und uns Deutschen ganz besonders am Herzen liegen muß. Gleichen Zwecken dient die Hilfsiäligkeit der Quäker. Auch andere Kreise in den Bereinigten Staaken entfalten weitgehende Hilsstätigkeit in der Form von Liebesgaben und Geldüberweisungen. Tarkräsrige, von warmer Sympathie getragene Hilfe kam auch von den Staaten Südamerika. Das Gefühl der Dankbarkeit für all diese menschenfreundlich. Hilfe wird im deutschen Volke, das schwer um sein Dasein ringt, nicht erlöschen. Ich möchte das Weihnachtsfest nicht vor übergehen lasten, ohne diesem Gefühl weiterhin Ausdruck zu geben, und ich bitte Sie Herr Reichskanzler, allen beteiligten Stellen den warmen bleibenden Dank des deutschen Volkes zu übermitteln, gez. Ebert. — Der Reichskanzler har veranlaßt, daß den beteiligten Stellen des Auslandes und den inländischen Hauptftellen des ausländischen Hilfswerkes der in diesem Schreiben ausgedrückte Weihnachtsdank des deutschen Volkes übermittelt wird.
Au» Stadt und Bezirk.
Nagold, den 28 Dezember.
* Prüfung für d«u ärztlichen Staatsdienst. Infolge der im Jahr 1920 abgehaltenen Prüfung für den ärztlichen Staatsdienst wurden als befähigt erkannt: vr. meci. Rudolf Schleich, praktischer Arzt in Calw; vr. meci. Eugen Schnitzler. Stabsarzt a. D. in Calw.
-cl. Turnverein. Ein genußreicher Abend war die Weihnachtsfeier des Vereins für die überaus zahlreich erschienenen Mitglieder. Reiche Abwechslung brachte das Programm, sowohl in den meisterhaft vorgesührten Theaterstücken »Am Bärenkestel im Wildbachgrund", und im schwäbischen Schwank »D'Mainntour". da sowohl die ernsten Episoden des elfteren, als auch die von Humor sprudelnden Szenen des zweiten Stücks vorzüglich gegeben wurden. Prachtvoll wirkten sowohl die geschmackvoll zusammengestellten Pyramiden, als auch die Marmorgruppen, welche mancher Zuschauer mit solchen vom Bildhauer gehauenen Standbilder nicht zu unterscheiden vermochte. Die frische Gesänge der Sängerriege umrahmten die Feier, wo insbesondere die bei den Chöre mit Sopransolo großen Beifall ernteten. Möge dem Verein auch das neue Jahr Mitglieder und insbesondere die ^Jugend zuführen, damit sie an Geist und Körper erzogen und gestählt werden »Gut Heil"!
* Z«m Lohnabzug. Privatpersonen, die Näherinnen. Schneiderinnen oder Stickerinnen beschäftigen, machen sich als Arbeitgeber der Steuerhinterziehung mitschuldig, wenn sie den beschäftigten Personen bei der Zahlung des Arbeitslohns nicht die Steuerkarte einfordern und die fälligen Marken einkleben.
* Steoerkarte« zum Einkommensteuergesetz. Nach einer Bekanntmachung des Ministeriums des Innern müssen neue Steuerkarten am Schluffe des Kalenderjahrs 1920 nur insoweit ausgestellt werden, als die Steuerkarten der Arbeitnehmer bereits vollständig aufgebracht sind.
* Bersütterung von Hafer. Bisher war die Verfütte rung des selbstgebauten Hafers ohne Beschränkung steigegeben in den Voraussetzungen, daß die über den Eigenbedarf hinaus geerntete Menge alsbald zur Deckung des öffentlichen Bedarfs abgeliefert oder auf Bezugsschein verkauft wird. Da diese Voraussetzung sich nicht erfüllt hat, wird zur Dek- kung des dringendsten Bedarfs Sine Mindestmenge auf die einzelnen Länder umgelegt. Um diese Umlage sicher zu stellen, wird die bisher unbefchränkte Erlaubnis zur Bersütterung im eigenen Betrieb insoweit eingeschränkt, als zur Erfüllung der Mindestablieferungsfrist erforderlich ist.
* Der wilde Handel. Man schreibt uns: Immer hört man von dem Unfug des wilden Handels u. dergl. Jetzt treiben vielfach Leute einen schwunghaften Handel mit Lebensund Futtermitteln, die vor dem Kriege nicht daran dachten. Besonders hat es der Handel mit Hafer manchem Händler angetan, sich damit zu beschäftigen. Der Hafer ist ja bekanntlich in diesem Jahr wieder beschlagnahmt, aber der Aufkauf
8E Bon Natur besitzen wir keine Fehler, die nicht zu 8 8 Tugenden und keine Tugenden, die nicht zu Fehler 8 « werden können. Goethe. »
Im Schatten der Schuld.
6) Original-Roman von Aanna Förster.
Nachdem stch Renate mit Linas Hilfe der Reitstiefel entledigt und sie gegen leichte Pantöffelchen vertauscht hatte, ließ sie stch ein Tischen vor dar mit einem weißen Fell bedeckte Ruhebett rücken und darauf dar Tablett hinstellen. Al» sie sich gerade recht bequem hinlegen und dem Mädchen nur noch sagen wollte, daß sie sie nun nicht mehr brauche, da fiel ihr Blick auf deren sonst frisches rotwangiges Gesicht, das verweint aussah.
»Fehlt Ihnen etwas, Lina? Haben Sie Kummer?"
So fragte sie in ihrer natürlichen, herzlichen Art, die ihr stets gleich daS Vertrauen und die Zuneignng der Leute gewannen, denn jeder fühlte, daß sie nicht hochmütig, sondern voll Verständnis. Klugheit und Güte war.
Lina antwortete nicht, sondern brach in lautes, heftiges Weinen aus. Da erschrak Renate ernstlich. Sie stand auf, trat zu dem Mädchen hin und sagte sanft:
„So, nun sagen Eie mir. warum Sie weinen, wer hat Ihnen etwas zu Leid getan? Oder was ist die Ursache Jbres Kummers?"
Da rief das Mädchen unter Schluchzen:
»Ich soll fort, gnädiges Fräulein, wo ich doch gnädige« Fräulein so verehre und wo ich doch so gerne blieb, wenn ich mich auch zu Tode fürchtete. Und Frau Möller sagt, es ser nicht wahr, aber ich habe es doch ganz deutlich gehört, und eS spukt hier im Schlöffe, da» sagen alle andern auch. Bloß Frau Möller will es nicht wahr haben, und sie sagt.
enn Sie das Ausbleiben des
.,Gesellschafters"
vermeiden wollen.
dann bestellen Sie sofort bei Ihrem Postamt oder beim Post boten für das l. Vierteljahr 1921
ist bestimmten Händlern, die die Handelserlaubnis zum Handel mit Lebens und Futtermitteln haben, gegen Bezugsscheinausstellung überlassen Die würn. Landesgetreidestelle behält sich aber vor. die Ausfuhr des in Württemberg aufgekauften Hafers von ihrer Erlaubnis zu genehmigen. Nun muß es aber doch im höchsten Grade befremden, wenn diese Stelle an Personen, die gar keine entsprechende Handelserlüubnis besitzen und auch noch nie mit Hafer gehandelt haben, Aus fuhrerlaubnis eiteilt. Das sollte einfach nicht Vorkommen.
* Weingeschäst. Wie aus der Pfalz berichtet wird, ist die Nachfrage noch Wein in letzter Zeit wieder etwas bester geworden. Die Einlegerungen sind sehr groß. Die Eigentümer geben nickt gern ab, weil ihnen die nngsbotenen Preise nicht genügen und sie kein Geld nötig haben. An der Oberhardr kamen Abschlüffe Kn 7 300—10 000 an der Unterhardt zn 9 500—14 000»^ und an der Mittleren Hardr bis zu 20000 für 1000 Liier zustande. Mehr qefragt sind 1919er Weine, die bei Händlern, Spekulanten u. Winzern in beträchtlichen Mengen auf Lager sind. Die Pfälzer Wein berge stehen im Holz sehr gut.
* Warnung für Landwirte. In letzter Zen wurde für eine angeblich neu? umwälzende Erfindung in der Landwirt schaft Reklame gemacht, die ermöglichen sollte, den natürlichen Dünger vollkommen mühe- und kostenlos zu vermehren und die Einnahmen und Ernte mehr als zu verdoppeln. Eine Anwendung künstlicher Düngemittel würde in Zukunft überflüssig. Das Recht zur Benützung dieses Verfahrens würde an jedermann, der vorher 1.50-^6 einschickle, abgegeben Der Verband badischer laudwirlschaftl. Genossenschaften in Karls ruhe hat die Sache uniersucht und festgestellt, daß Max Cohn, früher Schneidergehilse, jetzt Kaufmann, der auf den Leim seiner Reklame hereinfiel, einen mit der Maschine geschriebenen Zettel, aus, dem eine Anweisung zur Anlage einer Dünger - stätte und Jauchegrube stand, übersandte. Das war in Wirk lichkeit die „Cohn'sche DüngerknlMl". Der Landwirt wurde um 1.50 erleichtert.
* Billiges Porto für Nenjuhrpostkarten. Der Schutz verband für die Postkarlenindustrie e. V. macht darauf auf merksam, daß ans Neujahr zum Drucksachenporto von 10 ^ BnstchtS- nntr Bildpostkarten, Besuchskarten mit handschriftlichen Zusätzen versandt werden können, die den Namen. Stand und Wohnort nebst Wohnung des Absenders, sowie außerdem Hörstens fünf Worte enthalten dürfen, in denen gute Wünscht Glückwünsche oder andere Höflichkeitsformeln zum Ausdruck gebracht werden.
* Preisermäßigung. Der Kupferblech Verband hat den Grundpreis für Kupferblech von 2 990 auf 2 940 für den Doppelzentner ermäßigt. — Der Verein Deutscher Nietensab rikanten hat die Preise für Kupfer- und Messtngnieten von 48—50 auf 42—44 das Kilo und den Aufschlag auf die Stückpreise von 800 auf 650°/» ermäßigt.
* Württembergischer Beamlenbund An Stelle des bisherigen Verbands württ. Beamten-, Lehrer- und Unter beamtenvereine wurde am 18. d. M. der würlt. Beamtenbund gebildet. Diese Umbildung war durch die Unmöglichkeit der Beibehaltung eines engen Zusammenschluffes von Beamten, die in ihren Hauptzielen grundsätzlich verschiedener Auffassung sind, geboten. Der würlt. Beamtenbund stellt einen Zusammenschluß der württembergischen Beamtenvereinigungen nach gewerkschaftlichen Grundsätzen dar; er bildet
ich sei ein verdrehtes Ding und soll am liebsten wieder auf mein Dorf zurückgehen."
Immer von Schluchzen unterbrochen hatte das Mädchen diese Sätze hervorgestammelt. Renate war zuerst ganz sprachlos. Dattn hätte sie am liebsten laut aufgelacht. Für ihre junge, gesunde Natur, ihren angeborenen Mut war schon der Name „Spuk" etwas Lächerliches. Ein Phantastegebilde! Vorspiegelungen eines trüben, kranken oder eines ganz roh- naioen Gemüts! In Wirklichkeit gab es doch so etwas nicht, selbst in den ältesten Schlössern nicht.
Doch das Mädchen vor ihr sah so blaß und verängstigt aus, ihre gutmütigen blauen Augen hatten einen so verzweifelten Ausdruck, daß sie ihrem Verlangen, sie einfach aus zulachen, nicht nachgab, um sie nicht zu kränken. Sie setzte sich einfach auf das Ruhebett, trank einen Schluck von dem heißen Tee und sagte dann in beruhigendem Tone:
»Frau Möller meint es nicht so schlimm, Lina. Wenn Sie ihr gehorchen, werden Sie schon hierbleiben dürfen. Aber," so fragte sie jetzt, »was ist das eigentlich mit der Spukgeschichte, von der alle reden? Und was haben Sie ge-, hört, das Flau Möller nicht wahr haben wollte?"
Verlegen Köderte daS Mädchen mit der Antwort. Doch ihr Vertrauen zu dem gnädigen Fräulein war so groß und sie fing an zu erzählen:
„In den Gemächern, wo der selige Graf wohnte und gestorben ist, und die nun verschlossen sind, so daß keiner von uns je drin war, da spukt eS. Seit er tot ist, soll er im Sterbezimmer umgehen. Der alle Vollmer hat ihn so oft des NachtS hinter den Vorhängen als Schatten vorübergleiten sehen, immer mit einem Licht in der Hand, als suche er etwas. Und dann haben andere Diener erst ein Stöhnen und Seufzen in seinem Arbeitszimmer gehört, immer frühmorgens wenn sie an den Räumen vorbeigingen, um vorne ihre Arbeit zu verrichten. Jo, und heute morgen, da habe ich es auch gehört."
DaS letzte sagte daS Mädchen mit leiser Stimme, ganz furchtsam und noch nachträglich entsetzt. Renate hatte ihr
zugleich das Lundeskarrell Württemberg d s Deutschen Beamtenbundes. Der Bund nennt sich politisch und religiös neutral; er bezweckt die Förderung der allgemeine» rechtlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Angelegenheiten der württembergischen öffentlichen Beamten des Reichs, Staats und der Gemeinden. Mit den Beamtenvereinignugen, die dem Württ. Beamtenbund nicht angchöre», arbeitet der Bund — wie bisber — in Form einer Arbeitsgemeinschaft in gemeinsamen F ügen zusammen. Bei der Gründungs Versammlung wählten die Vertreter von 20000 organisierten Beamten des Reichs, Staats und der Gemeinden in vor läufiger Weise die Veibandsvorsitzenden Löchner, Ossterle und Westtzrmayer zn Vorsitzenden mit gleichen Rechten und den Geschäftsführer des würlt Notariaisverems Brodhag zum Gsschäslsfüvrer. Die Geschäftsstelle des wür l. Beamten blindes befinde: sich om läufig in Stuttgart. Olgastraße 4 III. Sämtliche Anschriften sind an diese Adresse zu richten.
* Januar Grosststen-Sondermefse der Edelmetall-Industrie. Als erste der Messen und Ausstellungen, die im Laufe des kommenden Jahres im Stuttgarter Hondelshof stattfinden, ist vom 9. bis 14. Januar die Wiederholung der Grossisten-Svndermesse der Edelmetall!:,dustris festgesetzt. Im Laufe des Januar wird außerdem eine Hmansstellung (lk und 17. Januar) und eine Spielwarenausstellung (vom 29. Januar bis 6. Februar) staufinden. Am 15. uni> 16. Febr. folgt eine Sckuhmesse, hierauf vom 28. Februar bis 8. März eine Möbel-Ausstellung und ooM 12.—21. März die Wiederholung der in Fachkieisen bereits weithin bekannten Jugosi Edelmeiall-Jndustrie. Die Grossisten Sonde: messen erfreuen sich immer weiteren Wachstums, es haben für Januar über 125 Fabrikanten der verschiedensten Fachzweige Räume belegt, auch die als Einkäufer in Betracht kommenden deutschen Grossisten und Exporteure, sowie ausländischen Einkäufer haben in großer Zahl Einkäuferkarten bestellt
* Eine Berkehrserleichterung. Die Beschränkung, wo nach iür den Verkehr al s und nach fremden Ländern Post- auflräge und Nachnahmen auf eingeschriebenen Briessenvun- gen vorübergehend nur bis 100 oder den Gegenwert von 100 zugelasse! waren, ist aufgehoben worden. Ferner wird bei der Annahme von gewöhnlichen und telegraphischen Postanweisungen nach dem Ausland der Nachweis über .Inhalt und Zweck des Geschäfts, aui das sich die Zahlung bezieht, fortan erst bei Beträgen von 3000^ an gefordert.
* Bier aus Bayern. Das am 19. November in Mün chen aeiroffene Abkommen über die Regelung der Ausiuhr von Bier aus Bayern nach den anderen deutschen Ländern bestimmt u. a.: Die Bierausfuhr bayiiicher Brauereien in die ciußerbayrischen Länder wird für die Zeit vom l. Januar bis 30 September 1921 aus eine Höchsimenoe von 600000 ftl festgesetzt. Der Mindestpreis ist bei der Lieferung nach außerbayrischen Ländern auf. 160 pro Hekrolicer beim Wirt festgesetzt
* Neue Reichsdanknoten. In der nächsten Zeit werden neue Reichsbanknoien zu 100, 50 und 10 Mark ausgegeben. Die Banknote zu 100 ^ ist auf weisem Papier mit natür iichen Wasserzeichen und Faserstreifen von kupferbrauner Farbe im Buchdruck hergestellt und 10 8 zu 16,2 cm groß. Im unteren Abschnitt!: befinden sich die bräunlichroieu Konlroll st"inpel mit der Umschrift Reichsbankdirekiorium. in der Mille der Reichsadler, der auf der Brust die Zahl >00 trägt. Die Note zu 50 ist 10 : 15 cm groß. Das Papier enthält ein natürliches Wasserzeichen, das die Zahl 50 nr zwei ver schiedenen Stellungen zeigt. Die Note zu 10 ist 8,4 : 12,6 cm groß und auf Wasserpapier mir kupferbraunen Fasern gedruckt. Die beiden Kontrollstempel in brauner Farbe enthalten in der Milte den Reichsadler, fei ner in lateinischen Buchstaben das Wort Reichsbankdirektorimn sowie die Zahl 10.
* Die alten Retchsgrenzen im Schulatlas. Der preußische Unterrichtsminister ist vom Allgemeinen Deutschen Schulverein darauf aufmerksam gemacht worden, daß in der neuen Auflage von Schulotlanten die durch den Versailler Vertrag dem Deutschen Reich entrissenen Gebiete nicht als vorher zu ihm gehörig bezeichnet und die alten Reichsgrenzen nur teilweise angegeben sind. Er Hot gebeten, die uns durch den Versailler Frieden entrissenen Gebiete als bis da hin zum Reich gehörig kenntlich zu machen. Der preußische Unterrichtsminister hat die Neueinführurig von Atlanten nunmehr davon abhängig gemacht, daß diese in der gewünschten Ärt ausgeführt sind.
mit Interesse zugehört. Jetzt dachte sie im stillen, daß die Leute ein altes Schloß doch immer mit Spukgestalten bevölkern müssen. Nicht einmal die Giaüesruhe gönnen sie dem verstorbenen Grafen, da muß er nun nachts und sogar am Morgen in seinen früheren Gemächern herumspazieren, stöh neu und meine harmlose Lina erschrecken.
Es kostete sie wirklich Mühe, nicht zu lächeln u. ernst zu sagen:
»Sie haben stch gewiß getäuscht, Lina, und irgend ein knarrendes Geräusch für ein Stöhnen gehalten. Man bildet sich etwas leicht ein, besonders abends, aber auch frühmorgens, wenn man vielleicht noch etwas verschlafen ist."
Aber Lina beharne fest auf ihrer Meinung.
»Nein, gnädiges Fräulein," antwortete sie, »es war sechs Uhr, und ich als Landmädchen bin schon um fünf Uhr stets munter und habe ganz ausgeschlafen. Es hat ganz gewiß in den Zimmern gestöhnt, so als ob jemand gräßliche Schmerzen hätte und verzweifelt wäre."
Renate sah ein. daß sie dem Mädchen das, was so fest in ihrer Einbildungskraft lebte, nicht würde ausreden können. Sie nahm stch jedoch fest vor. diese Spukangelegenheit aufzuklären. damit solche Märchen nicht weiter verbreitet würden. DaS Schloß war wirklich schon verrufen genug, weil ihre Großmutter ganz einsam lebte und weder Besuche machte, noch solche empfing. Nicht einmal ihre Freundm Anneliese von Lowitz durfte sie zu stch einladen. Das hatte Frau von Nehrtng gleich streng untersagt.
Erst heute, nach der Unterredung mit dem Grafen von Hollwangen und den Worten Frau Möllers, erschien ihr dieses Verbot in einem andern Licht — bisher hatte sie stets geglaubt, ihre Großmutter sei durch den Tod ihres Sohnes so menschenscheu geworden, daß sie keine fremden Menschen mehr sehen könne. Aber eS war doch auffallend, daß man auf Lowitz das alles selbstverständlich fand, daß Anneliese nie den Wunsch geäußert, die Freundin zu besuchen, wo sie doch so an ihr hing! In D. —, wo sie einfach genug wohnten, da kam sie doch so oft zn ihr, wenn sie eS nur er möglichen konnte. (Fortsetzung folgtz.