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«Küt»»i II»».
Nr. 213
Montag den 13. September 1V2V
S 4 . Sahrzmrr
Der Wirtschaftskampf um Südamerika.
)V.)V. Vor dem Kriege gehörte Südamerika zu unseren zukunftsreichsten Absatzgebieten. Vom Gesamtwert der südamerikanischen Einfuhr entfielen im Jahre »913 auf Deutschland 18,3*/°, »909: 16,6°/°; Großbritannien: 27,7°/°, »909: 30,7*/°; Ver. Staaten: 16,2°/°, 1909: »4°/° und Frankreich: 8,6°/», 1909: 9.2°/°. Auch als Abnehmer südamerikanischer Rohstoffe und Nahrungsmittel spielten wir eine bemeikens- werte Rolle im Wirtschaftsleben Lateinamerika?. Im letzten Friedensjahre .betrug unser Anteil am Gesamtwert der süd- amerikanischen Ausfuhr: 13,7°/°, 1909: 13°/». Hier haben die Kriegsoechältnisse einen für uns nachteiligen Wandel geschaffen. Unser zwangsweises Fernbleiben hat anderen Wettbewerber». vor allem den Ver. Staaten und auch Japan, einen erheblichen Vorsprung gegeben, dessen Einholung durch unsere Volkswirtschaft von größter Bedeutung ist. Die Nähe Nordamerikas macht es diesem sehr leicht, den Ausfall an deutschen Waren durch eigene Erzeugnisse zu ersetzen. Welcher Art die Entwicklung während der Kriegsjahre war, zeigt die folgende Uebersicht über die Einfuhr der Ver. Staaten nach den drei lateinamerikanischen A-B C Staaten im Zeitraum 1913—1919. Zum Vergleich sind für 19l3 auch die deutschen Einfuhrwerte hinzugekügt (in Dollar zu 4,20 Friedensparität).
Einfuhr
nach aus Deutschland aus den Ver. Staaten
1913 1913 1918
in Millionen Mark in Millionen Dollar
Argentinien 692 55.0 156.0
Brasilien 57.0 50.0 115.0
Chile 29.6 16.6 54.0
Der Bezug dieser drei Siaaten an nordamerikanischen Waren hat sich demnach während des Krieges mehr als verdreifacht. Wer aber inehr verkauft, kauft auch mehr, das ist eine alte Regel. Entsprechend hat denn auch die Ausfuhr aus den A B-C Staaten nach Nordamerika während des Krieges eine Zunahme erfahren, dse die Einfuhrsteigerung sogar noch übertrifft. Die nordamerikanische Union hat den Wert des benachbarten Wirtschaftsgebietes sehr wohl erkannt und eine großzügige Werbearbeit getrieben, einen guten Teil ihrer Kapitalüberschüsse dorthin geleitet und ihre Absicht kundgegeben, die erste Stelle im südamerikanischen Wirtschaftsleben einnehmen zu wollen. Leicht wird Onkel Sam die Verwirklichung dieser Absicht allerdings nicht gemacht. Großbritannien sucht einen Vorrang in Südamerika auf jeden Fall zu behaupten; wo es während des Krieges Boden verloren Hot, da ist es in heißem Weltkampf bemüht, daS Verlorene einzuyolen. Das zeigt die Entwicklung des englischen und uordameiikanischen Außenhandels mit Argentinien.
Wert der Ein- und Ausfuhr:
19,3 1917 1918 ».Halbjahr 1919
in Millionen Dollar
mit Großbritannien 25, 201 347 144
„ Ver. Staaten 83 228 221 85
Die britischen Handelsbeziehungen haben demnach wieder einen erheblichen Vorsprung vor dem amerikanischen Wettbewerber erlangt. Ein Zeichen dafür, daß die Grundlage des unionistischen Handels mit der lateinamerikanischen Schwester keineswegs so unerschütterlich ist, als es angesichts der außerordentlichen Anstrengungen zur Eroberung des sttd- amerikanilchen Marktes den Anschein hatte. Diese Tatsache wird von allen Landeskennern bestätigt. Solange die europäischen Waren fehlten oder knapp waren, mußte man mit den aus dem Norden kommenden vorliebnehmen. Seitdem sich di« Südamerikaner wieder aus den alten Bezugsgebieten versorgen können, gehen sie von den amerikanischen und japanischen Ersatzwaren allmählich wieder ab. So herrscht auch unzweifelhaft eine sehr starke und erfreuliche Nachfrage nach deutscher Qualitätsware. Unsere Volkswirtschaft wäre in der Lage, dort anderweitig erlittene Verluste wettzumachen und daheim Beschäftigung und Verdienst zu schaffen. Diese Möglichkeit wird uns aber in steigendem Maße verschlossen durch die unsicheren Verhältnisse infolge dauernden Steigens der Selbstkosten und die Unmöglichkeit zu festen Terminen zu liefern wegen der herrschenden Arbeitsunruhe. Die deutsche Ware ist eben nicht mehr wettbewerbsfähig. Ungezählte Millionen sind unserer Industrie auf diese Weise bereits entgangen, zum Schaden der Arbeiterschaft.
T«geS'Ne«igkeiten.
61 deutsche Zeitungen verböte».
^"lrn, 12. Sept. Aus Straßburg wird verschiedenen Abendblättern gemeldet, daß in dem von den Franzosen besetzten Gebiet zur Zeit 61 deutsche Zeitungen verboten sind.
Die verhaßten italienischen Besatzungstruppen.
. 12. Sept. Im Kreise Ratibor sind die Polen
damit beschäftigt. Unterschriften für eine Eingabe auf Entfernung der italienischen Besatzungstruppen zu sammeln: Dort operieren sie auch mit dem Märchen, daß die von den Polen besetzten Teile Oberschlesiens bereits der polnischen Republik einverleibt seien, und daß auch das übrige Ober- schlesien ohne Abstimmung an Polen fallen werde.
Um Eupen und Malmedq.
Brüssel, 12. Sept. Das Blatt Demi6ce Heure meldet, daß die belgische Regierung eine Note an den Völkerbund richten werde, in der der deutsche Einspruch bezüglich der Rückkehr von Eupen und Maimedy an Belgien zurückgewiesen wird. Die Note schließt mit der Erklärung, daß Belgien entschlossen sei, von Deutschland die gewissenhafte Erfüllung seiner Vertragspflichten zu fordern.
Eisenbahn- und Fährdienst über die Nordsee.
London, 12. Sept. In diesem Monat werden Abgeordnete aus Schweden nach London kommen, um mit dem englischen Jndustriellen-Bund über einen Eisenbahn- und Fährdienst über die Nordsee zu verhandeln. Die Vorteile eines solchen Dienstes für den englisch-schwedischen Handel sollen genau untersucht werden. Die Kaufmannschaft weist darauf hin, daß ein solcher Fährdienst die Verbindung zwischen beiden Ländern sehr beschleunigen würde.
Fiume im Rausch.
Fiume, 12. Sept. Die Proklamierung der italienischen Regentschaft des Quarnero erfolgte unter der begeisterten Teilnahme der Bevölkerung von Fiume und Umgebung. Nachdem der feierliche Akt der Jtalienisierung der Stadt Fiume zu Ende war. trug die Menge d'Annuncio im Triumph durch die Straßen der Stadt und rief ihn zum ersten Regenten der Stadt aus. Die aus diesem Anlaß gehaltenen Feierlichkeiten dauerten drei Tage.
Italienischfeindliche Agitation.
Triest, 12. Sept. (Stefani.) Trotz Beschwichtigungsbemühungen seitens der sozialistischen Führer ist die Ruhe noch nicht wieder hergestellt. Die Zeitungen stellen eine italienischfeindliche Agitation durch slavische Stadtfremde fest. Der Stadtteil San Giacomo wo die Tumulte am heftigsten waren, wird zum größten Teil von Slaven bewohnt.
Australiens Berteidiguugspolittk.
Rotterdam, 12? Sept. Einer Reuter-Meldung aus Melbourne zufolge hielt Hughes im Abgeordnetenhaus eine Rede über die Verteidigungspoitik der australischen Regierung. Es sei für die australische Politik eine Lebensfrage, Australien für die Europäer zu erhalten. Die Verteidigung der neuen Gebiete iu der Südsee sei eine ernste Angelegenheit. Die nationale Sicherheit Australiens fordere es, daß es einen Teil der Verantwortlichkeit des Imperiums der See auf sich nehme. Schlachtschiffe seien immer noch der Hauptbestandteil der Verteidigung zur See. Infolge der äußeren Umstände müsse man sich jedoch vorläufig auf leichtere Kreuzer und andere leichtere Schiffe beschränken. Der Redner sagte, er hoffe auf einen Plan für eine Reichsflotte, zu der alle Dominions beitragen würden. Die Luflstreit- kräfte würden in Bereitschaft gebracht unter Aussicht eines Rates, in dem Heer und Flotte vertreten sind. Für das Flugzeugwesen werden 60000 Pfund Sterling zur Verfügung gestellt werden.
Der rebellische Kronprinz.
Konstantinopel, 12. Sept. Der Kronprinz, der nach Anatolien zu entfliehen versuchte, wurde unter starke Bewachung gestellt. Diese Nachricht verursachte in allen Kreisen große Unzufriedenheit, da der Kronprinz seine Neigung zu den Rebellen nie verborgen hat.
Aaland und Völkerbund.
Kopenhagen, 13. Sept. „Svenska Tidningen" verzeichnet die Meldung, daß Aaland für eine Reihe von Jahren dem Völkerbund unterstellt und von einem englischen Kommissar verwaltet werden soll. Falls diese Meldung wirklich auf Wahrheit beruhen sollte, so bedeute dies, wie das Blatt betont, nur eine maskierte englische Annexion Aalands. Hiermit könne sich aber weder Rußlano noch Schweden einverstanden erklären.
Unveränderte Lage im engl. Bergarbeiterstreik.
Amsterdam, 12. Sept. Wie der Telegraaf aus London meldet, ist in der Bergarbeiterkrise eine Aenderung nicht ein- getreten. In RegiernngskreUen weist man darauf hin, daß neue Vorschläge von Seiten der Bergarbeiter kommen müßten. In Beantwortung einer Anfrage sagte der Präsident des Gewerkschaftskongresses, die Erklärung der Regierung habe an der Lage nichts geändert und nicht die mindeste Hoffnung auf irgend eine Regelung gegeben. Damit die Bergarbeiter die Antwort der Regierung in Erwägung zögen, müßte etwas ganz anderes darin stehen.
Erste Versammlung der Ostvölker.
Moskau, 12. Sept. In Baku fand am 2. September die erste Versammlung der Ostvölker statt. Sinowjew, Bela Kun und die Vertreter der kommunistischen Internationale des Westens nahmen an den Besprechungen teil. Zum Ehrenvorsitzenden wurde Lenin gewählt. Ehrenmitglieder wurden u. a. Trotzki und Bela Kun. Der Vorsitzende der Versammlung hielt eine Rede, welche lebhafte Sympathie für die Sowjetmacht und Drohungen an die Adresse der Feinde der Arbeiter heroorriei.
Handelsvertrag zwischen Frankreich und Polen.
Paris, i». Sept. Journee Industrielle meldet, daß zwischen Frankreich und Polen ein Handelsvertrag abgeschlossen wurde. Polen liefert an Frankreich hauptsächlich Holz, Zucker und Flachs und erhält von Frankreich Textilwaren und metallurgische Erzeugnisse. Außerdem machen sich die beiden Länder bedeutsame Zollzugeständnisse.
Noch kein Waffenstillstand.
Paris, 12. Sept. „Havas" berichtet aus Warschau: In einem Radiogramm an Ttschitscherin teilte der polnische Außenminister mit, daß die polnische Delegation mit Vollmachten zum Abschluß eines Waffenstillstandes und der Fliedenspräliminarien, eventuell des Friedens, vom 12. Sept. ab in Danzig zur Abfahrt nach Riga bereit sein werden.
Basel, 12. Sept. „Daily Mail" meldet aus Riga: In den VorsriedenSverhandlungen hat Polen die Forderung der russischen Delegation, alle polnischen Truppen hinter die polnisch-russische Grenze zurückzuführen, abgelehnt. Der erwartete Waffenstillstand tritt daher nicht in Kraft.
Wraugels Sieg über die Roten Truppeu
London, 11. Sept. Die „Times" melden aus Konftan- tinopel, daß laut Berichten aus Sewastopol die Truppen des Generals Wrangel. die aus Kuban zurückgezogen waren, in Stärke von 200000 Mann nach der Küste zurückgekehrt seien. Die Roten Truppen, die den Dnjester überschritten hätten, seien vollkommen geschlagen worden und hätten nur noch den Brückenkopf von Pauschany, den die Truppen WrangelS umzingelt haben, im Besitz.
3m Lager der internierten Russen.
Ein Bild grenzenhasten Elends bietet sich einem dar, wenn man in Lützen sich zum Lager der internierten Russen begibt, mit deren Abtransport nun endlich begonnen wurde. Dis ganze Umgebung wird wie befreit aufatmen, wenn die „Soldaten" der roten Armee nicht mehr hier interniert sind. Denn abgesehen von der ständigen Seuchengefahr, die dieser Haufen vollständig körperlich verwahrloster Menschen bildete, lockte die Anwesenheit der Russen eine Menge landfremden uud lichtscheuen Gesindels an, teils von natürlicher Sympathie instinktmäßig Hingetrieben, teils um mit den nach Waren und Nahrungsmitteln heißhungerigen, Geschäfte zu machen. Eine unerhörte Spekulation hat da eingesetzt, die an die schlimmsten Zeiten mancher Berliner Schieberstrabe erinnert, wo offensichtlich gestohlenes und geplündertes Gut vertauscht, verkauft, vergaunert wird.
An der Hauptstraße liegen hinter einem unabsehbaren Stacheldrahtverhau die Gestalten bolschewistischen Elends. Ausgehungert, zerlumpt, barfuß, physisch und psychisch vollständig zermürbt. Für ein Pfund Brot — nicht etwa Weißbrot, sondern schlechtes Brot aus schwarzem Kleienmehl — werden bis zu 50 geboten. Alles starrt vor Schmutz. Elend und Unordnung, wohin das Auge blickt. Alle sind teilnahmslos, apathisch. Nach und nach beginnt Ein und der Andere zu erzählen. Stockend, sich umsehend, den Platz wechselnd. Die Furcht vor dem Terror der bolschewistischen Kommissäre, die sie seit Monaten, seit Jahren umgeben, durch ihre Spitzeln belauschen, sitzt ihnen noch so in den Knochen, daß sie nur ungern und stockend von dem RäteparadteS erzählen, dem sie das Kriegsglück entrissen.
Alle sprechen den Wunsch aus zu arbeiten, zu arbeiten unter menschlichen Bedingungen, um Lebensmittel zu erhalten. Als Propagandisten für Sowjetrußland dürsten diese Menschen wohl kaum mehr vorzusehen sein. Von den 600000 überzeugten Kommunisten, von denen Alfons Goidschmidt gefaselt, ist keiner dabei. Fast alle sind sie zwangsweise zur Armee gepreßt worden, um für ein System zu kämpfen, das sie selbst verabscheuen. Viele haben Frauen und Kinder seit Monaten nicht gesehen, haben von ihnen nichts mehr gehört; denn in der allgemeinen Desorganisation in Rußland scheint auch die Post völlig zu versagen. Sie sprechen nicht gern von ihnen und ihres Landes Elend, sie sind zu müd, zu abgestumpft und schauen trostlos die spanischen Reiter, die Drahtverhaue an. hinter die sie der „Freiheitswahn" ihrer Kommissär« geschickt.
Kleine Nachrichten.
Berlin. Die Rechtsparteien geben bekannt, daß sie seit der Reichstagswahl stets den Standpunkt vertreten haben, daß die Neuwahlen in Preußen, sobald als irgend möglich, spätestens im Monat November statifinden müssen
Paris, 11. Sept. Wie „Petit Parisien" aus Marseille meldet, wird hier ein Schiff erwartet, das 15 Notabeln aus dem Libanon mitbringt, die der General Gouraud wegen ihrer Haltung gegen Frankreich auSgewtesen hat. Die No tabeln werden iu Ajaccio interniert werden.
Paris. Nach einer Havas-Meldung auS Belgrad har Pasilsch sein Skubschtina-Mandat niedergelegt. Ueber die Gründe dieses aussehenerregenden Schrittes sei noch nichts bekannt.
Warschau, 11. Sept. Nach einer Mitteilung des polnischen Ministeriums des Aeußern ist in Warschau nach längeren Besprechungen zwischen Vertretern der interalliierten Kommission und Polen ein Uebereinkommen unterschrieben
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