Frankreich und die befreiten Gebiete.

WTB. Paris, 8. Juli. In der gestrigen Kammer- sitzung hat der ehemalige Minister Loucheur bei der Bera mng des Budgets der befreiten Gebiete erklärt, es habe sich eine Legende gebildet, daß es möglich gewesen wäre, sofort von Deutschland lO oder 15 Milliarden zu erlangen. Ja, man hätte Papiermark haben können, mit denen sich hätte die Deputiertenkammer tapezieren lassen. Anstatt besten habe man mögliche Lieferungen von Deutschland ins Auge gefaßt. Wenn andere Werte vorhanden gewesen wären, so hätte man sie genommen. Der Abgeordnete Louis Martin sagte, der Oberste Rat habe großes Unrecht begangen, den Goldvorrat der Reichsbank abwandern zu lasten, nicht nur um Deutschland zu ernähren, sondern auch um ausländische Kaufleute zu bereichern. Dieses Gold hätte den Beschädig ten der Kampfzone gehören müssen. Loucheur stellte weiter fest, daß die befreiten Gebiete von Deutschland noch gar nichts erhalten hätten Loucheur griff dann scharf den Engländer Keysnes an, der behauptet habe, Frankreich über' treibe seinen Schaden und verdopple die Ziffern. Das Un­glück sei, daß Keysnes gewisse Mitglieder der englischen Re­gierung überzeugt habe. Man müsse die falschen Ideen von Keysnes zerstören.

Der Prozeß der uugarischeu Rote« Armee

Bon unserem Sonderberichterstatter

eVLO Wien. 6. Juli. Am vorigen Sonnabend hat vor dem Budnpester Regterungsgericht der Prozeß gegen den irüherön Generalstabschef der ungarischen Roten Armee be gönnen. Angeklagt ist Aurel Stromfeld, der eigentliche Führer der Armee der Räterepublik. -

Aurel Stromfeld war während des Krieges Oberst im österreichischungarischen Generalslab In der ersten Karolyi- schen Revolution spielte er bereits eine große Rolle, und zwar wurde er mit der Leitung einer Abteilung des unga­rischen Kriegsministeriums betraut. Mitte Mai 1919 über nahm er die Führung der Roten Armee. Nach dem Sturz der Räteregierung wurde er verhaftet; das Ergebnis eines eingeleiteten Enllastungsverfahrens war aber derart, daß die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft notwendig erschien. Außer ihm standen zahlreiche frühere Generalstabsoffiziere im Dienste der Roten Armee und eben unter seiner Führung konnte sie zahlreiche Erfolge erringen. Bon Interesse ist der Umstand, daß nackt dem Sturz der Räterepublik fast sämtliche Mitglieder des Roten Generalstabes in den Reihen der weißen Armee zu finden waren. Wie diese Tatsache zu er­klären ist. steht heute noch nicht fest. Stromfeld behauptet hartnäckig, daß er nur unter dem Druck des Terrors ge­handelt habe.

Der Prozeß gegen Stromfeld wird etwa 10 bis 12 Tage dauern, es sind über 50 Zeugen geladen.

Am Sonnabend, den 3. Juli, hat ein Senat des Buda pester Gerichtshofes einen anderen wichtigen, acht Tage dauern den Prozeß beendet. Gegenstand der Verhandlungen war die von der Räteregierung beabsichtigte Unterdrückung der Gegenrevolution in den Gebieten zwischen der Donau und der Theis. Angeklagt waren die politischen Beauftragten Anton Prasser. Franz Boros, Fritz Köver, Franz Budai und Eugen Rieß. Sämtliche Angeklagte wurden des Aufruhrs und Mordes für schuldig erkannt. Die elfteren drei wurden zum Tode durch den Strang, die letzteren zwei zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. ^ 8.

Württembergische Politik.

Fachmann oder Politiker.

r Stuttgart, 8. Juli: Von der Landesdienststelle für das Rentenversorgungswesen wird uns geschrieben: Zur Beur teilung der Behauptung, daß die Berufung des derzeitigen Vorstandes der Landesdienststelle für das Rentenversorgungs­wesen zu unhaltbaren persönlichen und dienstlichen Verhält­nissen geführt habe, werden folgende Feststellungen gemacht: 1. Regierungsrat Roßmann hat bei seinem Dienstantritt im Versorgungsamt Stuttgart 14060 Rückstände übernommen. Durch die von ihin getroffenen Maßnahmen ist diese Zahl innerhalb zweier Monate auf 8000 reduziert worden, ob­wohl die Zahl der Eingänge sich nicht vermindert hat. Die Ersparnisse der Reichskasse, die auf diese Weise erzielt wurden, sind auf etwa 100 OM ^ zu berechnen. Vom neuen Reichs­arbeitsminister wurde dieses Ergebnis als eine glänzende vorbildliche Leistung bezeichnet, die bisher bei keinem der 24 Versorgungsämter im Reich erzielt wurde. 2. Durch sozialverständige Behandlung des Personals wurde eine Steigerung der Arbeitsstunden um rund SM im Monat er­zielt. 3. Die Kriegsbeschädigten- u. Kriegsteilnehmeroerbände ohne Unterschied der Richtung haben ihre Befriedigung über die fortschreitende Gesundung des württ. Versorgungswesens zum Ausdruck gebracht, die seit dem Amtsantritt des neuen Vorstands zu erkennen ist. 4. Die Vertrauensleute aller im Bersorgungswesen beschäftigten Gruppen von Angestellten u. Beamten haben dem AmtSoorstand wiederholt und unauf­gefordert ihre Genugtuung über die sachkundige und unpar­teiische Amtsführung zum Ausdruck gebracht.

Der Krawall von Blaubeureu.

r Ulm, 8. Juli. Bei der Vernehmung der Angeklagten berief sich Eckert auf die vergeblichen Vorstellungen beim Oberamt. Er habe bei der Durchführung der Kundgebung Ruhe und Ordnung verlangt und von dem Umzugsverbot keine Kenntnis gehabt. Uhlmann will sich anständig benom­men haben. Koch behauptet, er sei selbst von jungen Bur­schen geschlagen worden. Humpp behauptet, er sei mit zum Oberamt gedrängt worden. Auf der Treppe habe er gehört: .Platz, der Herr Oberamtmann kommt", worauf dieser an ihm vorbeigeflogen sei. Bischof, der geschrien hat, man solle den Oberamtmann hängen, er müsse verrecken, will mit keiner bösen Absicht zur Demonstration gekommen lein. Der kom muniftische Werner leugnet die Aeußerung, es gelte, gegebe­nenfalls über die Leichen der Bürger hinwegzugehen. Eckert bestreitet die Absicht, das Gas und Wasserwerk abzustellen und verwahrt sich gegen den Vorwurf der Führerschaft; er behauptet, das Vorgehen des PolizeiwehrhauptmannS Hin ricks sei taktlos gewesen. Eckert erhält übrigens von Ober amtmann Rilling kein schlechtes Zeugnis. Der mißhandelte Oberamtmann Nagel ivar in seinen Mitteilungen über den Verlaus der Demonstration zurückhaltend.

Zum Streik der Angestellten.

r Stuttgart» 8. Juli. Ein Sonderfall gibt dem Aktions ausschuß der ausständigen Angestellten bei den Versorgungs- nnd Lazacettbehörden Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß die Versoranngsbehörden, deren Angestellte sich wegen Lohn streitigkeiten zur Zeit im Ausstand befinden, nicht in Ver­bindung mit denLebensmitteloeriorgungssteNen (Kommunal verbünde, Lebensmirtelämrer usw.) gebracht werden dürfen. Die in Betracht kommenden Versorgungsüehörden haben sich lediglich mit Renten .Lazarelleinweisungs- und Kunstglieder- beschaffungsangelegenheiten zu befassen und stehen bloß mit Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen rn engerer Be­rührung.

Der Deutsch-nationale Handlungsgehilfenverband zum Streik.

r Stuttgart, 8. Juli. Weil allgemein in der Oeffemlich- keit die Meinung vorherrscht, die Arbeitsleistung der Ver­tragsangestellten im Versorgung?' und Lazm rnwesen. die in den Ausstand getreten sind, sei nicht so, daß ste eine höhere Gehaltszahlung rechtfertige, und daß die höher bezahlten An gestellten von Industrie u. Handel weit intensiver arbeiten, übersendet uns der Deutsch-nationale Handlungsgehilfenver- band aus unbeteiligten Kreisen eine Zuschrift, worin es heißt: Es leuchtet unmittelbar ein, daß, wenn etwa 60 MO versorgungSberechtigre Kriegsbeschädigte durch ein Personal von eiw.a 1200 Leuten fortlaufend versorgt werden, >o setzt das immerhin eine persönliche und sachliche Arbeit voraus, die ohne Ueberlreibung respektabel genannt werden muß. Der neue Reichstarif verpflichte! außerdem sämtliche Angestellten zu Ueberstunden ohne Anspruch auf Entschädigung. Nicht selten haben Angestellte ihre Mittagspause u. sonstige freie Zeit zur Erledigung der gehäuften Arbeit benutzt. Be­greiflich ist andererseits. daß die Arbeitskraft und Arbsits- freudlgkeit der Angestellten durch die übermäßige Verzögerung des Reichseinheitstarifs nicht gehoben nun de. Mit Ausnahme des Kriegerbundes haben sich sämtliche Kriegsbeschädigten­organisationen ans die Seite der Bsrtragsangestelllen ge­schlagen, in der Ueberzeugung, daß die Angestellten ihre Pflicht getreulich erfüllt haben und in der Erwartung, daß entsprechend entlohnte Angestellte viel hingebender für das materielle Wohl der Kriegsbelchädiglen arbeiten, als unge­nügend Bezahlte.

Aus Stadl und Bezirk

Nagold, den lO Juli 1920

Elsenbahnassistentenprüfung Bei der im Mai und

Juni ds. Js. abgehalrenen Eisenbahnassistentenprüfung sind u. a. nachstehende Kandidaten für befähigt erkannt worden und in das Verhältnis von Elsenbahnpraktikanten l. Klasse erngetrsten: Dinkelmann, Theodor von Gaugenwald OA. Nagold; Hagenlocher, Karl von Mötzingen. Hsrrenberg: Mitschelen, Albert von Wart ON. Nagold : Schweizer, Paul von Rohrdorf OA. Horb.

* Blumentag. Auf den morgen stattfindenden Blnmen- tag zu Gunsten unserer Kriegsgefangenen machen wir noch­mals aufmerksam. Jeder gebe reichlich

* Tierseuchenftaud. Nach den amtlichen Berichien er­streckte sich am l. Juli die Maul- und Klauenseuche in Württemberg aus 62 Obecämter mit 663 Gemeinden und 9254 Gehöften. In der zweiten Hälfle des Juni wurden neu verseucht 156 Gemeinden. Am stärksten betroffen ist noch immer der Jagstkceis, dann folgen Donau und Neckarkreis. Die Schafräude herrscht in l8 Obecämtern und 33 Gemein­den, davon neu in drei Gemeinde». Dis Schweinestuche ist in zwei Gemeinden neu aufgetreten.

* Bezug von Brenntorf. Die Abgabe von Torf erfolgt bekanntlich bezugsscheinfrei. Eine Anrechnung von Torf aus Kohlen ufw. ist nicht in Aussicht genommen. Damit die Zeit vor der Ernte zur Abfuhr der trockenen Torfmengen voll ausgenützt werden kann, liefern die oberschwäbischen Torf­absatzgenossenschaften bis zum 15. August erstklassigen Hand­stichtorf zu dem ermäßigten Einheitspreis von 12 frei Eisenbahnwagen der Abgangsstation. Nach dem 14 8- treten die amtlichen Höchstpreise wieder in Kraft. Das Landes­brennstoffamt vermittelt Bestellungen auf Torf.

* Zur Kohlenversorgung Süddeutschlands. Der Reichs - kohlenkommissar hat zur besseren Aüsnützung der Rheinwasser- straße und stärkeren Heranziehung der Strecke für dieKohlen- versorgunft Süddeutschlands einen besonderen Beauftragten bei der Rheinschiffahrt und den Generalbetriebsleitungen Süd und West bestellt, der für möglichste Ausnützung dieser Zn- fuhrlinien zwecks Kohlenversorgung Süddeutschlands wirken und eine möglichst zweckmäßige Verwendung und Zusammen­fassung der Transportmittel erzielen soll. Dadurch ist zu hoffend daß die Kohlenversorgung Süddeutschlands von der Ruhr aus besser wird und daß es insbesondere gelingt, die nach den Erfahrungen des letzten Winters so dringend not­wendige Sommerbelieferung des verkehrsungünstig gelegenett süddeutschen Gebietes durchzuführen. DasNeue Tagblatt" bemerkt dazu, daß der Beauftragte der tatkräftigen Unterstüt­zung der württembergischen amtlichen Stellen sicher sein darf.

* Herabsetzung der Benzin- und Petroleumpreise. Der Grundpreis für das Kilo Benzin ist auf 6.35 ^ herab­gesetzt worden, nachdem er schon am 16. Juni von 8 55 auf 7.93ermäßigt war. Der Preis für das Kilo Benzin wird jetzt für Verbraucher (einschießlich Unkosten) 8 be­tragen. Der Petroleumpreis wurde von 5.50 auf 4.45

pro Liter ab Laden des Händlers ermäßigt.

E * Die Zuckersteuer. Der Ertrag der Zuckersteuer, der im Reichshaushaltsplan für l9l9 auf 180 Millionen veran­schlagt war, hat in den >0 Monaten vom t. April 1919 bis Ende Januar 1920 nur 140,25 Millionen erbracht, sodaß es für das ganze Rechnungsjahr um einige Millionen zurückbleibt.

* Was soll aus der Invalidenversicherung werden? Durch das kürzlich veröffentlichteGesetz über Abänderung der Leistungen und der Beiträge in der Jnvalidenverstche rung" vvm 20 Mai 1920 werden die Renten sowie die Ver­sicherungsbeiträge zwar erhöht, aber eine durchgreifende Bes serung bringt dies den Stempel eines Berlegenheitserzeug- nisses nur zu deutlich an der Stirn tragende Gesetz nicht, weder für die Versicherten noch für die Bersicherungsansta! ten. Die Bedürfnisse der höher gelohnten Arbeiter bleiben nach wie vor unbefriedigt. In der höchsten Lohnklasse, die bei einem Jahresarbeitsverdienst von N50 beginn«, wer den demnächst fast alle Versicherungspflichtigen vereinigt

sein, auch die. welche lOOcv F6 und mehr in: Jahre ver­dienen, Und was bietet das Gesetz an Leistungen? Nach Erhöhung der Rentenzulagen dem, der die Wartezeit in den , untersten Lohnklassen mit Zahlung von im ganzen etwa 40 vollende!, hat, eine Rente von jährlich rund 480 also das Zwölffache der gezahlten Beiträge, dem, der 30 Jahre lang in der höchsten Lohnklnsie im ganzen etwa 550 ^ beigesteuert hat, eine Rente von noch nicht MO kaum ein Zehntel vvu dem was er vielleicht zuletzt verdiente. Eine so eingerichtete Versicherung kann berechtigten Anfor­derungen nicht genügen. Zur Deckung der erhöhten Zulagen sind die Wvchenbeiträge in den einzelnen Lvhilkla^en um 72 bis 90 erhöht worden, während nach den Berechn»« gen der Versicherungs Sachverständigen die Erhöhung mehr als 150 betragen müßte. DaS neueVerlegsuheitsgeletz" kann daher nicht als ein Abschluß, sondern nur als bescher dene Abschlagszahlung zur Abhilfe der angendlicklichen Not läge der Versicherten wie der Versicherungsanstalten äuge sehen werden, das baldmöglichst durck ein dauernd befriedi­gende Verhältnisse schaffendes Gesetz ersetzt werden muß. Der neugewähtie Reichstag wird sonnt eine seiner dringend sten Aufgaben darin zu erblicken haben, daß durch eingreifen­de Aenderunge», insbesondere durch weitere Erhöhung der Beiträge, durch Aussetzung höherer Lobnklassen und Einführung höherer Renten für höher aelohnke Versicherte -nwas Befrie­digendes geschaffen wird. Dabei muß auch dis Verschmelzung der Angestelltenverstcherung mit der Invaliden Versicherung in Erwägung gezogen werden, zumal durch die Einführung der Rentenzulagen die in der Versicherung verbliebenen Ar beiter zugunsten der ans der BersichernngSpflicht ausgeschie- denen Angestellten, welche d,e Versicherung freiwillig fon- setzen, mit rund einer Milliarde belastet werden

««- de« Adrige» WürttemBerg.

Salzstetten, 8. Juli. Den Bemühungen der Landjäger Ratgeber von hier und Stik in Horb gelang es, die Täter ausfindig z» machen, welche in Grüninelistctten junge Bäume abrissen und Hopfenpflanzen abschnikten. und dadurch einen Schaden von einigen taufend Mark verursachten.

r Tübingen» 9. Juli. Der Schlosser Adolf Grünen wald von Srammheiin bei Lndwigsburg. der wegen des Raubmords in Oeschelbronn allein vor Veit Geschworenen stand, nachdem sein Genosse Oster freiwillig aus dem Leben geschieden war, wurde wegen schweren Raubs zu >5 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt.

r Stuttgart, 9. Juti. Bingerpartei und Bauernbund haben folgenden Antrag eingebrachr: Der Landtag wolle beschließen, das Swisministerimn zu ersuchen, vei der ReichS- regrernng Ervebungen über die Notlage der Kleinrentner zu beantragen un^ diese aufzufordern, zur Linderung der Notlage die erforderlichen schritte einzuleiten.

Württ. Landtag.

r Stuttgart, 9. Jnti. Vor der Forrsetzuna der General debatte zur Thronrede gab Staatspräsident Dr. Hieber in der hsungen Vormittagssitzung die Erklärung ab, das Staats- Ministerium habe auf die Bitte der Reichsregiernng um Siel lungnahme zu dem feindlichen Ultimatum in Spaa einmütig geantwortet, daß ein Verzicht auf die Polizei u. Einwohner wehr unmöglich sei, weil dies gleichbedeutend mit der Auf löstmg jeder staatlichen Ordnung wäre. Bezüglich der Reichs wehr werde die Entscheidung der Rerchscegierung überlassen. Sodann wandte sich namens der Sozialdemokratie Keil mit einer ausführlichen Polemik gegen Bazille und bestreitet, daß die Wähler gegen das demokratisch parlamentarische Regie rungssystem Stellung genommen hätten. Der Landtag habe schon im Augenblick seines Zufaminemretens nicht mehr dem Volkswillen entsprochen. Seine Partei werde der neuen Re­gierung kühl, nüchtern u. sachlich gegenüberstehen. Bald werde eine neue Bolksenticheidung kommen. Die soz. demokr. Beamten dürften nicht zurückgedrängt werden. Den Selbstkostenpreisen der Landwirtschaft seien die Steuerleistungen zugrunde zu legen. Redner kritisierte scharf den früheren Eruährungsminister Graf und die Erhöhung der Milchpreise. Gegen die Ein­setzung des Untersuchungsausschusses sei nichts einzuwenden, wenn er auch in die Zeit vor der Revolution Einbück nehme. Vizepräsideni Dr. Roth teilte einen Abänderungsantrag der USP. mit, wonach der Untersuchungsausschuß auf die Zeit vom l. Aug. l9l4 an zurückgreifen soll. Namens der deutsch­demokratischen Partei stellte sich Schees vollkommen auf den Standpunkt des Regierungsprogramms, verlangte eine bessere . Einfühlung der Beamten in die neuen staatlichen Verhäli- ! nisse, einen baldigen Erlaß des Valksabstrmmungsgesetzes, eine Stärkung der Gemeindeverwaltungen, Maßnahmen ge­gen die Arbeitslosigkeit, Bekämpfung der Wohnungsnot u. Aufhebung der Zwangswirtschaft außer für Getreide u. Milch. Dann setzte sich der demokratische Redner mit der Rechten auseinander, wobei es zu leidenschaftlichen Zusammenstößen kam. Seine Partei habe das Opfer gebracht, sich an der Staatsregierung zu beteiligen, Bazille aber habe die Staats­autorität untergraben. Die Sozialdemokraten würden hof­fentlich bald wieder die Verantwortung mittragen. Es müsse eine neue Autorität des Staates geschaffen und der Sinn für ! Gesetzlichkeit gestärkt werden. Um Uhr wurde abgebrochen. Fortsetzung 5 Uhr nachm.

Abendfitzung.

Stuttgart, 9. Juli. Die Abendsitzung wurde um 5 Uhr ! eröffnet. Präsident Walter erteilt auf Grund des Steno­gramms dem Abg. Dr. Roth, der vormittags nach Verlesung ! eines Wahlflugblattes, worin die Demokratie als Partei der - Wucherei und'Schieber bezeichnet war, sehr richtig gerufen § hatte, einen Ordnungsruf.

! Frau Klotz (BP.) verliest eine kleine Anfrage betreffend ! das Konservatorium für Musik, das durch die ehrenvolle Be ^ rufung Pauers an die Hochschule für Musik in Berlin von , einem schweren Verlust bedroht sei,

' Kullminister Dr. Hieber: Ich habe mich, als ich von ! dem Rufe hörte, sofort und zwar brieflich schon am 28, Mai j an Professor Pauer gewandt, dann auch mündlich und mit : Pauer eingehend die Verhältnisse des hiesigen Konservatoriums ' besprochen Die Schule ist eine private, unter einem Kura- ' torium stehende Anstalt, die vom Staat -und von der Stadt Stuttgart mit jährlichen, neuerdings wesentlich erhöhten und für beide Teile gleichgemachten Beiträgen unterstützt wird.