sei. Die Sächsischen Serumwerke hatten auch mit und ohne Mitwirkung Erzbergers niemals mehr an Zucker erhalten, als das ihnen Anstehende Kontingent. Erzberger sei für die Serumwerke in keiner Weise geschäftlich tätig gewesen. Als die Tatsache zur Sprache kam, daß Erzberger seine beiden Anteilscheine über pari verkauft habe, erklärte der Zeuge Erfurt auf Befragen des Vorsitzenden, daß Erzberger keinerlei Vorteile hatte? die nicht durch die Sache begründet waren. Es seieu ihm auch keine gewährt worden, um etwas zu er­reichen, oder weil etwas erreicht war. Die Sitzung wird auf Donnerstag vertagt.

Vermischtes.

Ein Zeichen der Zeit. Die Forchheimer Weberei (in Bayern) läßt gegenwärtig Hemden anfertigen aus Mili­tärzwiebacksäckchen, in denen die Soldaten ihre eiserne Brot­ration aufbewahrt hatten. Für ein Hemd werden etwa 50 solcher Säckchen benötigt.

Grippeepidemie in Oberschlesien. Breslau. 3. Febr. Wie die Schlesische Zeitung meldet, tritt die Grippe in Ober­schlesien epidemieartig auf. In einzelnen Orten kann die große Zahl der Todesopfer nur unter erheblichen Schwierig­keiten beerdigt werden.

Die Sommerzeit in Frankreich. Paris, 4 Febr. Die französische Kammer hat in ihrer gestrigen Sitzung den Gesetzentwurf über die Sommerzeit, die frühestens am 15. Februar eingeführt werden kann, angenommen und sich auf Donnerstag vertagt. An diesem Tage werden die Interpel­lationen über die auswärtige Politik der Regierung verhan­delt werden.

Warum wieder eine neue deutsche Rechtschreibung?

Der bereits gemeldete Beschluß eines von der Reichsregie­rung einberufenen Sachverständigenausschusses bezüglich der durchgreifenden Reform der Rechtschreibung bezieht sich auf die phonetische (d. i. lautgemäße) Schreibweise. Alle großen Buchstaben, alle Dehnungsvokale, und Doppelkonso­nanten sollen dabei wegsallen. Als Grund für die Zweck­mäßigkeit dieser Rechtschreibung geben die Verteidiger die geistige und gehirnliche Entlastung der Jugend" an. (Der Bayr. Kurier" bemerkt in satyrischer Weise zu diesem Be­schluß :dan füll man so recht, das in deutschland äles nei ist! ortografische feler gibt es nicht mer, genau wi vor 77 jaren. unsere fugend wird dis neie leben ool schönheit und würde zu schäzen wissen!")

Aus Stadl und Bezirk.

Nagold den 5. Februar 1S20.

Kirchenkonzert. Sonntag, .8. Febr., nachm. V2S Uhr. Cantaten von I. S. Bach: 1. Bleib bei uns; 2. Du Hirte Israel.

August Halm nenut einmal Bach den größten Melvdiker. Dieses Urteil, so befremdend es auf den ersten Augenblick wirkt, wird uns verständlich, sobald wir uns klar machen, daß wir den Begriff der Melodie von den Unberufenen über­nommen haben, die darunter das leichtest Faßliche, Angenehme und Belanglose verstehen. Sobald wir aber mit dem Wort Melodie andere Vorstellungen, nämlich die eines sorgfältig organisierten musikalischen Gebildes, der weit und kühn ge­wölbten Bogen, des großen Atems, der höchsten Lebenskraft, der ausgeprägten Physiognomie und des innigsten Ausdrucks verbinden, dann allerdings hat Halm recht, dann ist Bach einer der größten, wo nicht der größte Melvdiker. Ja noch mehr: Halm hat damit das Wesentlichste von Bach gesagt; die Pflege der Melodie war Bachs eigentlicher Beruf. Das Kunstwerk, diesen Beruf zu üben, fand Bach in der Fuge. In der Fuge ist nämlich alles Melodie, auch der Baß und die Mittelstimmen: in ihr ist die hohe Zeit der Melodie. Die mittleren und unteren Stimmen werden nicht geknechtet durch die führende, sondern führen ein Leben gemäß ihrer eigenen Individualität im Dienste des Ganzen, nämlich eben der Fuge, in der die Melodie zum wohlbehaustesten, kompli­ziertesten, gewagtesten, reichsten, blühendsten, lebensfreudigsten, bis zum wahrhaften Rausche sich steigernden Dasein empor­gedeiht. ,

Löst sich nun in der Fuge für das Instrument das Ich Bachs rein in der Musik auf, so kommt in den Cantaten auch seine Eigenart zum Wort. Redet er dort ausschließlich zur Sache, so'spricht er hier auch von Persönlichen*. Gerne greift er dabei ein Thema aus der christlichen Symbolik auf, daS auf biblische Wendungen und Erzählungen zurückgeht und im Laufe der Jahrhunderte in kirchlichen Handlungen, Gebräuchen und Reden die mannigfaltigste Ausgestaltung erhalten hat. So ist die zweite der Cantaten ein großes Pastorale, eine Hirtenmusik. Aber gleich im ersten Chor ist der Charakter des Beschaulichen entschieden hinübergewendet ins Majestätische.Du Hirte Israel, erscheine, der du sitzest über Cherubim!" singen viele Stimmen zumal. Und aus liebend bewegter Art geht die Musik mit dem Einsatz des Chores mehr und mehr in Schwung, Glanz, Pracht und Prunk über, während in der späteren Baß-ArieBeglückte Herde" wirkliche Hirtenmusik zu Tage kommt.

Der Abend", so lautet das Thema der andern Cantate. Wieder liegt der Schwerpunkt in dem ersten Chor. Ein Emmaus, wie eS die Protestanten nach Luthers Tod oder im 30-jährigen Krieg erlebten, oder wie es heute im weitesten Sinne Ereignis werden kann, ist hier der Gegenstand der Musik.

Bachs Musik ist schwer und erschließt sich erst bei wie­derholtem Hören. Wir möchten nicht versäumen, zu dem Bortrag, der heute im Seminar über die Cantaten gehalten wird und zu der Hauptprobe (Samstag 4 Uhr in in der Kirche) einzuladen.

Das Programm wird im Konzert wohl vergrößert wer­den. In Aussicht genommen sind dazu Lieder und eine Cello-Sonate von Bach (Herr Pfarrer Gutscher).

* Volkshochschule. Kunstgeschichte-Kurs Freitag, 6- Febr. 6^/r Uhr: Deutsche Baukunst des Mittelalters. Pfr. Decker.

* Hauptversammlung des Homöopath. Vereins Nagold in derLinde". Der Vorsitzende berichtet zuerst über eine Sitzung des erweiterten Landesausschusses vom vorig. Jahr: Neue Ziele, neue Wege und neue Pflichten in unserem Lan­desverband. Es folgt der Bericht deS Schriftführers Lenz, des Rechners Holländer, u. des Büchereivernzalters W. Kapp. Die beiden erstgenannten, die schon etwa 25 Jahre dem Verein treue Dienste geleistet haben, wurden geehrt durch

s. Uebergckbe je eines Arzneibuchs von Hering Hähl und eines blühenden Blumenstocks. Apotheker Schmrd berichtet über eine wichtige Neuerung, nämlich die Einrichtung einer be­sonderen Abteilung für Homöopathie in seiner Apotheke, so daß man künftig die hoi». Arzneien in Originalpackung haben kann. Es folgt sodann der an gekündigte Vortrag über die Grundzüge der Homöopathie", das Nehnlrchkeits- gesetz, die homöopathische Arzneilehre nnd erst als letztes, nicht als wichtigstes, die homöopathische Gabenlehre. Zur Erklärung der Wirkung winziger Gaben wurden 3 Theorien herangezogen: 1. die physikalische Erklä rungs­weise v. Prof. Doppler in Prag, wonach die Wirkungen eines Stoffs« nicht von der Größe seines Gewichts, sondern von der Ausbreitungsfläche der Atome und von der Aufsaugungsfähigkeit des Körpers gegenüber den kleinsten Teilen abhängig ist: 2. die chemische Erklärungs­weise 0. Prof. Dirchow, wonach durch die Gegenwart ho­möopathischer Mittel im Körper chemische Prozesse in dem­selben erregt werden: 3. die N e u r a l a n n ly se von Dr. Gustav Jäger, durch die er nachwies, daß auf allerkleinste Gaben, Seren Vorhandensein auf keinem Wegs mehr nach­zuweisen ist. doch die Nerven des Menschen noch reagieren. In den Bereinigten Staaten von Amerika, wo zahlreiche homöopatische Heil- und Lehranstalten teils von privaten, teils aus öffentlichen Mitteln erbaut wurden und sich einer jährlichen staatlichen Unterstützung erfreuen, wurde eine vergleichende Statistik über die Erfolge der homöo­pathischen und allopathischen Heilweise ausgestellt, bei der die Homöopathie äußerst günstig abschneidet. Nach diesem in das Wesen der Homöopathie einführenden Vortrage, sollen praktische Vorträge folgen (auch aus der Naturheilkunde) z.

V das nächste Mal:Welche Heilmittel uns die Küche bietet" oderWas tut man, bis der Arzt kommt" u. s. .w. (Die Mitglieder werden gut dran tun, wenn sie bei den Vorträgen sich Notizen machen.) X.

* Häutediebstahl. In der vorvergangenen Nacht wur­den aus'der Halle einer Gerberei auf der Insel neun halbe zum Trocknen aufgehängke Häute im Werte von 9000 Mark von -noch unbekannten Tätern gestohlen.

* Verbilligung des Schuhwerks? Der Reichsrat hat nach monatelangem Zögern endlich dem Ersuchen der Natio­nalversammlung vom 19. August vor. Js. nachgegeben, eine Verordnung zu erlaffen, durch die zur Verbilligung des Schuh- werks den minderbemittelten Volksklassen 60 Prozent vom Konjunkturgewinn der den an der Lederzivangswirtschaft be­teiligten Kreisen aus der Aufhebung der Zwangswirtschaft für Häute, Leder, Schuhe u. s. w zufließen mußte, für die Reichskasse eingezogen werden sollte. (Hoffentlich geschieht dies auch recht schleunig.)

* Erzeugerpreise und Ablieferungspflicht. Wie das

Schwarzwälder Volksblatt" in Horb meldet, haben im Er­nährungsministerium zu Stuttgart Verhandlungen stattge­funden, die ihren Grund hatten in den Wünschen der württ. Landwirtschaft hinsichtlich der Einflußnahme auf die Gestal­tung der Produktionspreise für das kommende Versorgungs­jahr und auf die Festsetzung der abzuliefernden Mengen. Es wurde vorgeschlagen, daß solche Besitzer, die bei zahlreicher Familie einen sestzusetzenden Höchstkomplei von Grundu. Boden bewirtschaften man denkt dabei an Güter bis zu 3 Hektar von jeder Ablieferungspflicht befreit bleiben sollen. Was die Preis­festsetzung anbetrifft, so wurde vorgeschlagen, Mindestpreise festznsetzen, die sich dürch Teuerungszuschläge stets den übrigen im Wirtschaftsleben für Bedarfsartikel geltenden Preisen an­schließen. Ernährunqsminister Graf ist zu Besprechungen nach Berlin gesahren. Er hat versichert, daß er gerne von , dxn ihm sehr sympatischen Vorschlägen Gebrauch machen werde.

* Sparprämienanleihe. Von zuständiger Stelle wird darauf hingewiesen, daß Anträgen auf Löschung von Schuld­buchforderungen und Ausreichung von Schuldverschreibungen zur Bezahlung von Sparprämienanleihe nur dann noch statt­gegeben werden kann, wenn sie in der allernächsten Zeit bei der Reichsschuldenverwaltung entgehen.

* Die Haferumlage. Auf die Anfrage des Abg. Strobel vom 19. November v. Js. hat das Württ. Ernährungsmini­sterium am 23. Januar mitgeteilt:daß die Haferumlage für Württemberg für die Ernte 1919 nach mehrmaligen schrift­lichen und mündlichen Vorstellungen in Berlin von ursprüng­lich 444 350 62. auf 268 000 62. herabgesetzt worden ist, was einem Durchschnittssoll von 2,6 62. auf das Hektar entspricht. Die vorläufige Umlage der Landesgetreidestelle mußte, da mit dem Ausschreiben der Lieferungen nicht länger mehr zu­gewartet werden konnte, und die zuletzt zugestandene Er­mäßigung des Lieferungssolls für Württemberg um 176350 62. nur schrittweise hat erreicht werden können, zunächst von einem höheren Gesamtbetrag ausgehen. Die vorläufige Um­lage ist sodann Mitte Dezember v. Js. von der Landesge­treidestelle unter Zuziehung von Vertretern sämtlicher land­wirtschaftlicher Vereinigungen und Verbände nachgeprüft und dem tatsächlichen Lieferungssoll angepaßt worden. Nach dieser endgültigen Umlage, bei der der Ertrag, die Viehhaltung und die letztjährige Aufbringung mit berücksichtigt worden ist, beträgt das höchste Ablleferungssoll und zwar nur in 3 Be­zirken 4 62. auf das Hektar.

* Der freie Goldhandel verboten. Das deutsche Aus­führungsgesetz zum Friedensvertrag verbietet den freien Goldhandel ausdrücklich und stellt ihn unter Strafe. Es bindet ihn an die Genehmigung des Reichswirtschaftsministeriums. Die Reichsbank ist allein berechtigt zum Erwerb der Gold­münzen. Der Silberhandel, wenn er nicht zu Ausfuhrzwecken betrieben wird, unterliegt keiner Beschränkung. Wie Berliner Blätter berichten, soll gegen alle Göldmünzen-Ankäufer straf­rechtlich vorgegangen werden. Besondere gesetzliche Maß­nahmen werden erwogen.

* Brennstoffe für Hochwafserbeschädigte. Auf die deutsch­demokratische Anfrage wegen Austrocknung der vom Hoch­wasser überschwemmten Wohnungen hat das Arbeitsmini­sterium geantwortet, das Landesbrennstoffamt habe bereits die Kommunalverbände zur Kohlenverteilung an Hochwasser­beschädigte aufgefordert. Die Kohlen wurden, weil es an Brennholz mangelt, durch das Staatsministerium vom Reichs­präsidenten und dem Reichskanzler telegraphisch angefordert, worauf der Reichskommissar sofort einen Sanderzug mit Braun­kohlenbriketts nach Württemberg «blassen wollte, aber durch den Eisenbahnerstreik daran verhindert wurde. Darauf wurde

! zugesllgc, daß einzelne Wagen UNI Briketts tkk die Kurszüge eingestellt werden; der Eingang ist aber bis jetzt sehr spär- j lich. Den am meisten geschüdigen Bezirken und Gemeinden hat das Landesbrennstoffamt aus den ordentlichen Eingängen für Hausbrand bis jetzt 31 Wagen mit 475 Tonnen' zuge­wiesen Die weitere Verschlechterung der Kohlenzufuhr hat eine stärkere und raschere Hilfeleistung verhindert.

* Ein Verzeichnis über die vom Württ. Landes ver- wertungsaml zum Verkauf gelangenden gebrauchten Textil-, Kürschnerei und Sattlerwaren und Me t a l l a u s r ü st u » g s g e g e n ft ä n d e (siehe Bekannt­machung in Nr. 27 desGesellschafters" vom 3. 2.) liegt in der Geschäftsstelle des Gesellschafters sowie im Oberamt zur unentgeltlichen Einsichtnahme auf.

Wildberg, 4. Febr. Der hiesige Militär- u. Veteranen Verein hielt am Sonntag den l. Febr. seine jährliche Gene ralversammlung im Gasthaus zumHirsch" hier ab. Vor­stand Proß begrüßte die Kameraden, entwarf ein Bild des Friedensuertrags und bat um treues Zusammenhalten zum Aufbau des deutschen Reiches. Dann erteilte Vorstand Proß dem Schriftführer Herrmauu das Wort zum Rechenschaftsbe­richt. Derselbe führte aus, daß der Verein ein Ehrenvor- ! stand 7 Ehrenmitglieder 61 aktive und 13 passive Mitglieder ! zählt. Durch Wegzug gingen ab 3, durch den Tod l Mit- . glied. 10 Mouatsversammlnugen und 5 Ausschußsitzungen ; wurden 1919 abgehalteu. 16 Bittgesuche wurden erledigt,

. die den Bittstellern 486^ von verschiedenen Kassen einbrachlen. Der Kassenbericht des Kassier Eberhard lautete nach Abzug der jährlichen Kosten, Kassen bestand 83 53 L und ange­

legt in der Darl.-Kasse 150 Zwei weitere Mitglieder wurden in den Ausschuß gewählt Wilhelm Rothsuß z. Traube ^ und Johannes Schund früherer Feldwebel. 5 .neue Mitglie­der wurden heute in den Verein ausgenommen, in den letzten Monaten 7 Mitglieder,, lauter Kriegsteilnehmer. Vorstand Proß verlas die ihm vom Bundespräsidium übersandten Schriftstücke, daß der Verein den Kriegsbeschädigten, den Kriegerwikwen und Waisen mit Rät und Tar helfen u. sie zum. Beitritt als außerordentliche Mitglieder ohne Zahlung auffordern solle. Wir möchten hier an dieser Stelle die Kriegs­beschädigten, Kriegerwikwen und Waisen darauf aufmerksam machen nnd sie zum Beitritt in den Verein auffordern um ihre Interessen wahren zu können.

Wildberg, 3 Febr. Als erster unserer so lange in . französischer Gefangenschaft zurück gehaltenen Landsleute kehrte gestern Paul Pf 0 st, Sohn des Wagners G. Pfost, in die ' . Heimat zurück. Um 11. Sept. 1914 ist er bei St. ge­fangen worden und ist» während dieser langen Zeit in sechs ' verschiedenen Lagern herumgekommen. Viel Schweres hat er erlebt, denn die Behandlung war sehr schlecht. Zuletzt war er im Kriegsgebiet beschäftigt. Namentlich hat er unter den miserablen Unterkünften gelitten. Meist lag er nur auf wenig Stroh, lange Zeit ohne Teppich, und daher mag es gekommen sein, daß er sein Gehör ganz verloren hat. Möge er sich ini Elternhaus non allen Leiden nnd Strapazen recht erholen, daß er sich seiner Wiederkehr recht erfreuen u. mit Lust seine Arbeit wieder aufnehmen kann.

A«S dem übrigen Württemberg.

Der badische Finanzminister über den Wiederaufbau.

r Stuttgart, 2. Febr. Auf dem gestrigen Katholikentag war auch der badische Finanzminister M. Wirth anwesend und hielt in der RoUschiihbahn eine von erschütterndem Ernst getragene Rede. Ec sühne etwa aus : Wir haben viel verloren und doch können wir noch mehr verlieren. Das letzte Wort im großen Krieg der Völker ist noch nicht ge sprochen. Wir müssen den sozialen Volksstaat nufbauen in jahrelanger Arbeit. Am wenigsten kann eine Rälediktatur mit asiatischer Wildheit uns das Mittel geben, zum Wieder­aufbauen ; sie kann nur den letzten Rest des Kapitals zerstö­ren. Nicht das Kapital an sich ist der Feind des Volkes, sondern der Geist, der das Kapital mißbraucht h^t. Nur eine Revolution der Gesinnung kann uns vor dem letzten Zusammenbruch retten, es gelte den christlichen Eigeutums- begriff durchzuführen, nach dem der Mensch nnr Verwalter des Eigentums, Gott aber der Eigentümer selbst ist. Jeder Mißbrauch .des Eigentums ist Diebstahl. Das Eigentumsrecht ist beschränkt durch den Dienst an der Allgemeinheit,, wie dies in der neuen Verfassung medergelegt ist. Der alten liberalen Auffassung des Wirtschaftslebens hat man damit ein Ende gemacht. Es wird soviel geschimpft über die Re­gierung. Wir müssen der Regierung helfen, das ist christliche Pflicht der Nächstenliebe. Die nächsten Wochen und Monate bringen die Entscheidung, ob unser Volk weiterleben kann oder ob der egoistische Geist die letzten Reste von Staat und Wirtschaft zertrümmern kann. Nur Liebe u. verständnisvolle Arbeit kann unser Volk zu neuem Leben führen; wir Katho­liken wollen Zusammenhalten und mit Mut in die Zukunft sehen. (Beifall.)

r Stuttgart, 4. Febr. Der Landtag wird am 11. Febr. nachmittags seine Vollsitzungen wieder aufnehmen. Es wird ihm sofort der Entwurf eines neuen Schulgesetzes zugehen, durch das eine Angleichung einzelner Bestimmungen an die Verfassung stattfindet. Das Schulpatronat wird abgeschafft, die 8jährige Schulzeit wieder allgemein eingeführt werden, die Schulgeld- und Lernmittelfreiheit sollen allenthalben durchgeführt, die Entlohnung der Fachlehrerinnen, deS Ab- teilungsimterrichts, der Fortbildungsschulen neu geregelt werden. Die bedeutsamste Bestimmung ist aber die Auf­hebung der Verpflichtung des Lehrers zur Erteilung des Re­ligionsunterrichts und die Befreiung der Schüler von der Verpflichtung, den Religionsunterricht besuchen zu muffen. Im Zusammenhang, damit steht die Befreiung des Lehrers vom Organistendienst, Leichensingen usw. Der Entwurf bringt auch eine neue Zusammensetzung des Ortsschulrats, und stellt Grundsätze auf über die Organisation der Ober­schulbehörde.

r Stuttgart, 4. Febr. Die Rheinisch-Westfälische Zeitung beschuldigt die württembergische Regierung Kohlenverschie­bungen nach der Schweiz zugelaffen zu haben. ES handle sich dabei mn Kohlen, die für die Versorgung der württ. Verbraucher bestimmt war insgesamt um 3000 Tonnen. Der Kohlenhändler soll angeblich 125 Franken für die Tonne Vergütung erhalten haben, wovon er einen Betrag von 70 Franken für die Tonne an die württ. Regierung ablieferte. Die Ausfuhr soll unter Umgehung des Reichskohlenkommis-