Teile 7 — Nr. 71
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Veronika
Skizze von Fritz H e l k e-Duisburg
Sie war groß, blond und von knabenhafter Schlankheit. Den Rainen Veronika trug des Schulmeisters einzige Tochter wie einen Schild von gutem Adel.
Es war eine böse Zeit, in die ihre blühende Jugend fiel. Vor Wochen hatten sie unten im Süddeutschen eine blutige Schlacht geschlagen. Mit Windeseile durchraste die Hunde das Land: Des Königs Armee sei in flüchtende Trümmer zersprengt und des fremden Eroberers wilde Soldateska folgte der fliehenden Truppe auf dem Fuße.
Er war mürbe geworden, der Bürger, zu lange schon stöhnte und wand er sich unter der Geißel des Krieges. Freund und Feind wurden kaum noch unterschieden, denn es kam wohl vor. daß es die versprengten, ausgehungerten Preußentruppen nicht besser trieben als die Soldaten des Franzosenkaisers. Träge Ergebung in scheinbar Unvermeidliches griff allenthalben Platz.
Der Schulmeisters schöne Veronika war still und seltsam unberührt durch all die Greuel der Zeit gegangen. Nur manchmal, wenn sie Zeugin wurde, wie Männer und Burschen sich gar zu stumpf und willenlos dem fremden Joch beugten, stand ein Glanz stillen Verwunderns im Blau ihrer Augen.
In jenen Tagen geschah es. daß zur Nachtzeit an die Pforte des Schulhauses gepocht wurde. Der Lehrer wollte nicht öffnen. Wer hatte in diesen Zeitläuften nächtlicherweile an fremde Häuser zu klopfen! Veronika jedoch, hastig und plötzlich seltsam erregt, verwies ihm seine Furcht. Der alternde Alaun, der die Zeit und ihre Wirren nicht begriff, starrte in rarlosem Staunen auf diese Tochter, die zeit ihres Lebens wie ein geschäftiger Schatten durchs Haus gehuscht war und kaum je eine eigene Meinung verraten hatte. Das Mädchen flammte; ein heimliches Beben war in der Stimme; ein glimmender Funke stand hell und blitzend in den Augen: Veronika schritt zur Tür, die flackernde Kerze in der erhobenen Rechten. Zitternd folgte ihr der geängjtigte Vater.
Ein Reiter stand vor dem Tor, die Hand am Zügel seines Pferdes. Als der Kerzenschein sein Gesicht traf, sah Veronika, daß dieses Antlitz jung, bleich und verwildert war. Blondes Lockengespinst fiel unter der breitschirmigen Mütze in die hohe weiße Stirn, unter der ein paar flackernder, schreckhaft geweiterter Augen standen. War es des Mädchens seltsame Schönheit, die ihm die Sprache verschlug? Er rang nach Worten, sein Atem ging keuchend. Jetzt erst sah Veronika, daß er blutete. Sie trat beiseite und gab den Weg frei. „Kommt herein", sagte sie, „so eilt Euch doch! Vater, wollet Euch um des Herrn Pferd kümmern!"
Der Schulmeister, von der Tochter herrischem Willen bezwungen, gehorchte zitternd. Das Mädchen folgte dem Fremden in die Stube. Hier sah Veronika, daß er die Uni-
forrm eines preußischen Reiteroffiziers trug und an der rechten Schulter blessiert war.
Sie nahm sich nicht Zeit, ihn näher zu betrachten. Einen Augenblick nur schlug sie vor seinem bewundernden Blick die Augen nieder und errötete leicht. Dann riß sie mit hastigen Griffen den Kleiderschrank auf und warf wahllos die einzelnen Teile eines Männeranzuges heraus. „Schnell", sagte sie, „so zögert doch nicht. Sicher ist man Euch aus den Fersen. Ihr müßt die Uniform vom Leibe bekommen. Oder hindert Euch die Wunde?" Der Fremde machte keine Anstalten, der Aufforderung zu folgen. Sein entzückter Blick haftete noch immer auf der schlanken Mädchengestalt der Veronika, die bereits, als habe sie nie etwas anderes getan, mit sicheren Schnitten den Aermel von der blessierten Schulter trennte. So traf sie der hereinkommende Vater.
„Ihr habt da eine wackere Tochter", sagte der Offizier, aus seiner Versunkenheit ausschreckend, dann aber, wie in plötzlichem Erschrecken „Ich werde euch Angelegenheiten machen. Die Franzosen verfolgen mich. Ich bin von meiner Schwadron getrennt worden und wollte mich zu Eneisenau nach Kolberg durchschlagen. Dabei ritt ich geradewegs in eine französische Streifpatrouille hinein und konnte nur mit knapper Not entkommen. Die Wunde hat nichts zu bedeuten". Veronika war schon beschäftigt, sie zu verbinden! Der Himmel möchte wissen, woher Sie so schnell das Verbandszeug genommen hatte.
Sorglick prüfte sie noch einmal ihr Werk, dann eilte ste zur Tür. „Helft dem Herrn in die Kleider, Vater!" sagte sie. „Ich will derweil Ausschau halten." Ehe noch ein Wort des Widerspruchs laut werden konnte, war sie in der regnerischen Oktobernacht verschwunden. Hastig kleidete der Offizier, den seine Wunde nur wenig.hinderte, sich um; der Schulmeister saß wie gelähmt im Sessel, nichts begreifend. Das Werk gedieh auch ohne sein Zutun. Er spürte dem Rätsel nach, das da plötzlich die stille Tochter umgab, und fand keine Erklärung.
Da war Veronika schon wieder. Soeben fuhr der Ossi-
Rsn stsrksL KsÄ
ist unser- gutes kgelweiLfstilTsg. ks ir-sgi 6sn LOkv/er'stsn fLdfei mit LOtlv»e,si6n Cepack sut cien scklsciitestsn Wegen der spislenä
— - _ Ieictstemt.sufunctcisnnoekis1v»erstsunliek
billig, kstslog 130 mit neuesten ^r-sislisten, sueti über- ^LluiiLsctiinen uncl sllem 53t>553cirude^ür- senken sn jsclsn gcstis unc! sfsnko. Visbe^ über- V» Million t-cielweiLr-äciss sckon geliefert. Oss konnten wir- vvolil nimmsk-mskn wenn unser- LcisiweiLr-scj nickl gut uncl billig wsr-.
küslEiSZ DsMer. vsutteli IVslieaders 33
-^etrt billigerepreise-
k
psteM-kLMS
Kork L
StuttAsrt, Rün>A8tr.4 (Universum) relekon 28826. 2SMr. Nrsrcls Oenaus ^clresse beacblenk
z
_ Samstag, den 23. Mä rz 1933.
zier in des Schulmeisters hechtgrauen Frack. Das Kleidungsstück krachte in allen Nähten und die Aermel waren entschieden zu kurz. Was machte es! Sie ergriff ihn, den wortlos Folgenden, am Arm, führte ihn durch das Hinterzimmer, über den Hof, durch den Hausgarten bis an das Erenzsließ wies ihm dort in kurzen Worten den Weg, den er nehmen müsse, um sicher zu entkommen. Der Offizier, dem dies alles ein Wunder dünkte, der Worte vernahm, ohne ihren Sinn zu verstehen, wollte den Engel, der ihm da plötzlich gesandi worden, zurückhalten, er vergaß Gefahr und Wunde und redete sinnlose Worte. Sein Eifer prallte wirkungslos an Veronika ab. die offenbar nicht begriff und nur ein Ziel kannte. „So eilt doch, eilt!" wiederholte sie nur immer wieder und rang beschwörend die Hände.
Der Mond brach durch das Gewölk und tauchte die schweigende Landschaft in fließendes Silber. Für Sekunden stand Veronikas Antlitz in gleißendem Licht. Der Offizier sah das fanatische Leuchten in ihren Augen. Wie unter der Einwirkung eines suggestiven Befehls folgte er der beschwörenden Geste und stürzte wortlos davon in die Nachi. Veronika eilte ins Haus zurück. Hier fand sie den Vater vor den blutbefleckten Uniformfetzen sitzend. Er starrte sie wortlos an. Sie las eine bange Frage im Blick seiner guten Augen. Da spürte sie, wie das aufgestaute Gefühl in ihr zusammenbrach. Sie kniete nieder und bettete das blonde Haupt auf seinem Schoß.
Vor den Fenstern erscholl Pserdegetrappel, Stimmengewirr. Es riß sie hoch. Die Uniform! dachte sie. Wenn sie
hereinkommen und sie finden--. Aber ste hatte nicht die
Kraft, aufzustehen und die Tuchfetzen zu entfernen. Möchten sie sie finden, da ihr Träger gerettet war. Sie kamen nicht herein. Warum hätte sie gerade hier den Flüchtling vermuten sollen? Fluchend und polternd ritten sie vorüber.
Der Vater strich sacht über der Tochter blonden Scheitel. „Warum tust Du das?" fragte er leise. -- Sie grub ihren Kopf fester in seinen Schoß. „Ich weiß es nicht", hauchte sie. Der Schulmeister bewegte sinnend den Kops. „Vielleicht müssen die Frauen zu Taten schreiten", sagte er, „da die Männer in Preußen zu Weibern wurden."
Witzecke
„Schämst du dich nicht, dich von dem jungen Amerikaner küßen zu lassen?"
„Weiß du, er bat mich auf englisch darum, und ich wollte ihm gern zeigen, daß ich seine Sprache verstehe."
„Wollen wir mal verheiratet spielen?" fragt der kleine Mar.
„Nein",. entscheidet Hilde, „Mutti hat gesagt, wir sollen nicht immer zanken."
„Ich schlafe in der kältesten Nacht bei offenem Fenster", brüstet sich Knulp.
„Stimmt ja gar nicht", entgegnete sein Freund Knaps. „Wie ich gestern nacht unter deinem Fenster vorbeiging, war es zu."
„So, und wer sagt dir, daß gestern die kälteste Nacht war""
Du sollst. nur eins Oo uTiusuchLl-Zvsti'sidwLSOsti.u s ksul'sn! l'lrsoäor Lcknchch g srl: , X.LirLleisl.17
11
Der Festplatz des 15. Deutschen Turnfestes
Der Festplatz.
des 15. Deutschen Turnfestes befindet sich auf dem Wasen bei Cannstatt. Er ist 850 000 Quadratmeter groß und wird durch eine neugebaute, 36 Meter breite Straße, die Wernerstraße, in zwei Teile geteilt, auf der Neckarseite liegt die große Festwiese 410X290 Meter groß, umsäumt von den Zuschauerwällen der Haupttribüne, und der 396 Meter langen Stehtribüne, auf denen insgesamt etwa 240 000 Zuschauer Platz haben. An die Festwiese schließen sich die Spielfelder für Handball,
Fußball, Faustball und Schlagball an mit den dazugehörigen Zelten und einem Zuschauerwall für 20—25 000 Zuschauer. Der freie Raum am Neckar wird das Feld abgeben für das große Zeltlager der Jugend.
Jenseits der Wernerstraße liegen die Mehrkampfplätze für Männer und Frauen mit einem Flächenraum von 140 000 Quadratmetern. Zelte für Wettkampf-, Umkleide-, Verpflegungs- und Sanitätszwecke in einer Länge von 1800 Metern und einer Breite von 30 Metern umgeben sie.
Rund 200 Bahnen für Lauf-, Spruno- und Wurfübungen stehen zur Verfügung.
Die Hauptkampfbahn in der Mitte weist die neuzeitlichsten Einrichtungen in der Anlage des Rennovals wie der Tribüne auf. Die Tribüne ist mit freitragendem Dache ohne störende Säulen gebaut. Die Kampfbahn bietet etwa 45 000 Zuschauern Raum. Inmitten der angrenzenden Tennisplätze liegen zwei Turnierfelder mit Wällen für etwa 5000 Zuschauer. Den Abschluß nach der Wernerstraße zu bildet ein Verwaltungsgebäude für die Festleiter.
Am Haupteingang zwischen dem Postgebäude und' dem Eingangsgebäude, das den Vorplatz in einem Viertelkreis umzieht, erhebt sich ein 40 Meter hoher Fahnenturm mit Aussichtsplatte. Zehn Zelte von je 4000 Quadratmetern Grundfläche bilden das Verpflegungsdorf, in dem gleichzeitig etwa 80 000 Besucher verpflegt werden können. In dem Vorraum befindet sich die Straßenbahnharfe für die von Cannstatt herkommenden Linien.. Die nach rechts hin verlaufende Straße führt über die neuerbaute Neckarbrücke zu den Vororten Gaisburg und Gablenberg. In dem freien Raum nach dem Vordergründe zu ist Raum für etwa 15 000 Autos.
Neckarauswärts bei Untertürkheim befindet sich die Badeinsel, aus der die turnerischen Schwimmwettkämpfe abgewickelt weroen. Drei 100 -Meter-Bahnen, Sprungbecken und ein neuer Sprungturm sowie alle für die Abwicklung der Wettkämpfe erforderlichen Anlagen werden im Juli verfügbar sein.
Das Gesamtbild wird beherrscht von dem Württemberg, auf dem einst die Stammburg des Hauses Württemberg stand.
Betr. Festkartcn zum Deutschen Turnfest.
Die Festkarten sind das Rückgrat des ganzen finanziellen Ausbaues des Deutschen Turnfestes. Es ist darum von größter Bedeutung, daß jeder Turner, auch die in der Nähe der Feststadt oder in der Stadt selbst wohnenden, Festkarten und zwar zum verbilligten Preise noch vor dem 1. April lösen. Mit der Festtarte sind so viele Vorteile verbunden (ermäßigte Eisenbahn- und Straßenbahnfahrten, Unterkunft, Eintrittspreise, Verpflc-
. ö.'M T
gungskarten u. a. mehr), daß es sich schon aus diesem Grunde sehr bezahlt macht, wenn eine Festkarre gelöst wird. Es steht heute schon fest, daß Tages- und Dauerkarten für die Festtage zusammen teurer sind, als die Festkarte, so daß für Turner, welche, keine Festkarte lösen, nur Nachteile damit verbunden sind. (Siehe auch heutige Anzeige).
Vorarbeiten zum 15. Deutschen Turnfest.
Die Turnwarte- und Vorlurnerschule für den Bezirk Nagold, welche am Sonntag vormittag in der S e m i n a r t u r n h a l l e in Nagold abgehalten wurde, war recht gut besucht. Sie galt der Kleinarbeit und im besonderen der Festfreiübungen, die Männerturnwart Pantle eingehend einübte. Im Anschluß folgte die Belehrung im Vereinswetturnen und der Körperschule. Gaujugendturnwart Eehring Calw gab die Richtlinien für das Jugendtreffen beim deutschen Turnfest bekannt und streifte hierbei das kommende Jugendtreffen auf Hohennagold. Eauoberturnwart Großma n n ermunterte die Turnwarte, dafür Sorge zu tragen, daß möglichst alle Vereine das Deutsche Turnfest besuchen. Er schilderte die Abwicklung der Kreisvorführung und des Vereinswetturnens, ermahnte die Turner, alles daran zu setzen damit auch der lt. Kreis Schwaben einen ehrenvollen Platz einnimmt. Männerturnwart Pantle fand richtige Worte den Turnwarten aufzugeben für ein echt turnerisches Benehmen während des Turnfestes besorgt zu sein. Eau- frauenturnwart Schnauffer Liebenzell war im Traubensaal
mit den Turnerinnen beschäftigt. Es wurden ebenfalls die Freiübungen und der Chorfesttanz ourchgenommen. Es kann ohne Ueberhebung gesagt werden, daß in den Vereinen schon tüchtig gearbeitet wurde. Vorhandene kleinere Fehler können noch verbessert werden. Die nächste Versammlung im Bezirk Enz findet am nächsten Sonntag in der Turnhalle in Calmbach statt. Sch.
Der 11. Kreis Schwaben.
der Deutschen Turnerschaft weist einen erfreulichen Fortschritr >n der Mitgliederbewegung trotz der Not der Zeit auf. Die Be- standserhcbung vom 1. Januar 1933, die jetzt abgeschlagen ist. ergab eine Gesamtzahl von 92 585 Vereinsangehörigen; das bedeutet einen Zuwachs von 3131 Mitgliedern oder 3,5 Prozent. Dadurch ist der Höchststand von 1930 wieder erreicht worden. Da in diesem Jahre in Stuttgart das 15. Deutsche Turnfest stattfinden wird, so ist zu erwarten, daß die Ausstrahlungen seiner Werbekraft dem schwäbischen Turnkreis auch in diesem Jahr noch einen weiteren Zuwachs bringen werden. — Am Freitag, den 7. April tagen in Stuttgart der Wirtschaftsausschuß und der Vorstand der Deutschen Türnerschaft, während der Hauptausschuß der DT. am Sonntag, den 8 ., eventl. auch am 9. April zu einer wichtigen Sitzung zusammentritt. Hierbei steht das Deutsche Turnfest im Vordergrund der Beratungen. Nicht weniger als 28 Tagesordnungspunkte stehen zur Behandlung. Außerdem findet eine nichtöffentliche Sitzung des Hauptausschusses statt. Sch.