Donnerstag, 7. Dezember 1933

197. Jahrgang

Nr. 286

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das Neueste in Kürze

Zur Bereinigung der aus den kirchenpoli­tischen Kämpfen entstandenen Konfliktfälle hat das geistliche Ministerium einen Schlich­tungsausschuß eingesetzt.

Die Deutsche Arbeitsfront wird die Rechts­beratungsstellen im Reiche übernehmen.

Zum Chef des SS.-Stabes ist der SS.- Gruppenführer Teidel-Dittmarsch ernannt worden.

Zwei Bahnarbeiter wurden aus der Strecke LeipzigPlauen von einem Eilzug überfah­ren und getötet.

Der italienisch-sowjetrussische Freund­schaftsvertrag wird im Laufe des Dezember ratifiziert werden.

Im Reichstagsbrandprozeß wurde heute die Beweisaufnahme abgeschlossen und die . Verhandlung aus Mittwoch, den 13. Dezem­ber, vertagt.

Mrigenspie!

! um die Saar

Die Saarfrage niiuini in der öffentlichen Disknsswn der ehemaligen Ententemächte, je näher der Abstimmnngstermin heranrückt, einen immer breiteren Raum ein. Paris be­müht sich, das politische Moment der Saar- irage möglichst zu leugnen, und die Debatte ans bas rein wirtschaftliche Gebiet zu drän­gen. Ferdinand de B r i n o n. der jüngst ^ vom Reichskanzler Adolf Hitler empfan­gene französische Außenpvlitiker, schlug in diesem Sinne kürzlich vor, inan möge sich vor allem über den Rückkauf der Saarkoh­lengruben mit Deutschland unterhalten.

Die Intrigen, die ungehindert der wirt­schaftlichen Färbung ins rein Politische hin­überspielen. sind zwar sehr fein gesponnen. ' aber doch nicht so fein, daß man nicht die i ohnmächtige Wut der Pariser Scharfmacher ! dahinter fühlt, die ihre Felle an der Saar davonschwimmen sehen. So vermutet man mit Recht, daß eine Meldung desEvening ! Standard", der davon spricht, fremde Trup- ! Pen im Saargebiet zu stationieren, um es der Regierung zu ermöglichen, sich durchzu- ! setzen, aus der Negierungskommission selbst / stammt. Das englische Blatt schreibt davon, daß unter der scheinbar ruhigen Oberfläche m den Dörfern und Städten an der Saar gewaltige Spannungen bestünden. Die Saar- ^ regten,ng hätte daher die Absicht, bei dem Bölkerbnndsrat auf der nächsten Jannar- sitznng die Besetzung durch fremde Truppen zu beantragen.

Tie Gerüchte um eine beabsichtigte Be­lebung des Saargebietes durch fremde Trup­pen wurden bisher nicht sonderlich ernst ge­nommen. Man sah in ihnen eine Art Kinder­schreck. durch den die nationalsozialistische Propaganda unterdrückt werden sollte. Wenn jetzt ein englischer Journalist, der gut infor­miert sein dürfte, diese Absicht als etwas Vorliegendes meldet, so ist diesmal die Sache ernst. Es bleibt allerdings die Frage offen, ob sich die französischen Intriganten darüber klar sind, daß eine Stationierung von Trup- s Pen fremder Nationalität einen eklatanten ; Bruch des Saar-Statuis bedeuten würde. W dem auch der Völkerbund, mag er auch noch so sehr im Pariser Fahrwasser segeln, heute nicht mehr seine Zustimmung zu geben wagen wird.

Auf der gleichen Linie liegen die Bemü­hungen des Quai d'Orsay, den Vatikan dazu tu veranlassen, ein eigenes Saarbistum zu errichten und so das Saargebiet aus den / deutschen Bistümern Trier und Speyer her- - auszulösen. Der Papst scheint allerdings daraus nicht so zu reagieren, wie man es sich i an der Seine wünschte. Denn die der Re- i Berung nahestehende Presse ergeht sich in wütenden Ausfällen gegen den Vatikan, der ! nicht dazu bereit erkläre, den bestehen- heu Zustand noch vor dem Volksentscheid zu ^ andern und Hitler Schwierigkeiten zu i wachen. Die Wut ist so groß, daß man oft s alle Regeln des politischen Anstandes der ' »acholischen Kirche gegenüber über Bord

wirfi uno wüste Drohungen gegen ihr höch­stes Haupt ausspricht. Wenn solche Intrigen natürlich im ersten Augenblick die Lage an der Saar zu verwirren scheinen, in ihrer tatsächlichen Auswirkung laufen sie daraus

London, 6. Dez. Reuter meldet aus Rom: Der Faschistische Große Rat beschloß in einer Sitzung, an der Mussolini und alle Mitglie­der teilnahmen, in den frühen Morgenstun­den, daß Italiens fortgesetzte Mitgliedschaft beim Völkerbund abhängig sein solle von einer radikalen Reform dieser Einrichtung, die in der kürzest möglichen Zeit in seiner Verfassung und seinen Zielen durchgeführt werden solle.

Mit Bezug auf die Kriegsschuldenzahlung an Amerika beschloß der Große Rat, eine Summe von 1 Million Dollar zu zahlen als Beweis des guten Willens in Erwartung einer endgültigen Regelung.

Italiens Borstotz gegen den Völkerbund

(Von unserer Berliner Schrift- lei t u n g)

kk. Berlin, 7. Dezember.

Der einem Ultimatum gleichkommende Be­schluß des Faschistischen Großen Rates, eine Reform des Völkerbundes zu verlangen, be­herrscht die Politische Lage. Insbesondere in Frankreich, dessen neueste Regierung sich ebenfalls auf die Nölkerbundspolitik festge­legt hat, ist die Erregung der politischen Kreise über die italienischen Forderungen außerordentlich groß. Für Frankreich ist der Völkerbund seit seinem Bestehen der Rah­men gewesen, der das Gefüge des Versailler Vertrages Zusammenhalten mußte. Nur mit Hilfe des Völkerbundes, in dem Frankreich mit Großbritannien und seinen osteuropäi­schen Trabantenstaaten die unbestreitbare Borherrschaft innehatte, konnte Frankreich sich jeder Aenderung der Verträge von 1919 widersetzen.

Und nun greift Italien nicht nur deu Völ­kerbund selbst, sondern auch den für Frank­reichheiligen" Versailler Vertrag an. Das Verlangen Italiens, den Völkerbund vom Rahmenwerk des Versailler Vertrages zu befreien, bedeutet ja nichts anderes als die Bereitschaft zur früheren oder späteren Revision des Vertra­ges selbst.

Das erscheint Frankreich untragbar. Es kennt keine andere Politik als die, wie Mus­solini sie nannte, desglücklich Besitzenden" gegen dieBesitzlosen". Und es gibt keine den: gegenwärtigen System in Frankreich entspringende Regierung, die es wagen würde und könnte, eine andere als diese Politik zu vertreten. Tie französische Presse schreit bereits aus; eine große Pariser Zeitung fordert ganz offen die brüske Zurückweisung des italienischen Verlangens. Es dürfe keine Trennung des Völ­kerbundpaktes vom Versailler Vertrag geben, ebensowenig wie ein Verhandeln über die Völkerbunds­satzungen gestattet werden dürfe, da ein solches Frankreichs Gesolgschaftsstaaten von der gleichwertigen Mitbestimmung im Völkerbund ausschlicßen würde.

Die englische Presse verhält sich zu­rückhaltender. Der deutsche Schritt am 14. Oktober hat die Erkenntnis auch in Eng­land verbreiten helfen, daß Mächte zweierlei Rechts in Europa ein Unding sind. Der Austritt Italiens aus dem Völker­bund, der bei Ablehnung der italienischen Forderungen wohl unvermeidlich sein dürfte, würde, darüber ist man sich klar, das end­gültige Ende des Völkerbundes selbst sein.

Man ist daher der Auffassung, daß man znmindestens ans die italienischen Wünsche einzngehen versuchen müste.

hinaus, die Situation in erfreulicher Weise zu klären und auch dem letzten unserer saar­deutschen Volksgenossen zu zeigen, auf wessen Seite das Recht steht.

! In G e n f rechnet man mit einer S a b o- : tage der Verhandlungen über den italie- ! nischen Reformplan. Es zeigen sich ja schon > eine Reihe von Ansätzen hiezu. So verhan­delte Mittwoch der Präsident der Abrüstungs­konferenz Henderson in Paris mit dem französischen Außenminister Paul-Bon- c o u r.

Aus einer vom französischen Außenmini­sterium herausgegebenen amtlichen Mittei­lung geht hervor, daß vor allem dieN ü tz- lichkeit der Arbeiten" der in Genf noch tagenden Unterausschüsse der Ab­rüstungskonferenz festgestellt wurde. Frank­reich halte nach wie vor an seinem Kontrollvorschlag fest. Aus dieser Mitteilung spricht deutlich das Bestreben, von der Nichtgleichberechtigung Deutschlands zu retten, was eben noch zu retten ist.

Und doch liegt die Lösung der Frage, ob

lung wurden die letzten 12 Zeugen geladen. Insbesondere sollen diese Zeugen darüber gehört werden, inwiefern die früher ver­nommenen Zeugen ihre Angaben wahrheits­gemäß gemacht haben. Zunächst werden einige Aktenstücke verlesen, worauf Dimitrofs heftige Angriffe gegen die deutsche Presse richtet. Nachdem ihm der Vorsitzende das Wort entzogen hat, macht Dimitrofs weiter erregte Zurufe nach dem Richtertisch hin. Der Vorsitzende bemerkt, daß Dimitrofs beim nächsten geringsten Anlaß aus der Sitzung ausgeschlossen werden soll.

Die Beweisaufnahme wird dann mit der Anhörung der medizinischen Sachverständi­gen fortgesetzt, lieber die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten Lubbe erklärt Geheimrat Dr. Bonhoeffer- Berlin, daß es sich um einen zu Disziplinverstößen nei­genden Menschen handelt, der, eingeengt durch kommunistische Gedankengänge, ein ge­wisses Geltungsbedürfnis zeigt. Bei seinem Verhalten zu Beginn der Leipziger Ver­handlung handelte es sich um einen Zu­stand, der aus der bewußten Zurückhal­tung, die bei ihm eine Rolle spielt, hervor­geht, und durch einen körperlichen Schwäche­zustand noch kompliziert wurde, der sich dann im Laufe der Berliner Verhandlung behoben hat. Der Sachverständige kommt zu dem Er­gebnis, daß sich k e i n e A n h a l t s p n n k t e dafür ergeben, daß van der Lubbe bei Be­gehung der Tat geisteskrank war oder den 8 51 für sich in Anspruch nehmen könnte.

Der.Borsitzende fragt den Sachverständi­gen, wie er sich den plötzlichen Wandel in der Haltung van der Lübbes während des Prozesses erkläre. Ter Sachverständige ant­wortet. die Haltung van der Lübbes sei nicht die eines Geisteskranken, man könne auch nicht von Verstellung im gewöhnlichen Sinne sprechen, vielmehr sei es eine bewußte Zurückhaltung und Trotzreaktion. Obermedi­zinalrat Dr. Schütz-Leipzig vertritt die Ansicht, daß das Zustandsbild des Angeklag­ten während der Verhandlung im wesent­lichen eine Verteidigungshaltung war, die der Angeklagte am 28. November eben gewechselt habe.

Die Verhandlung wendet sich darnach der in den letzten Tagen aufgeworfenen Frage zu. ob das im Reichstagsgebäude verwendete

s Nch Frankreich wirklich der immer deutlicher sich abzeichnenden Isolierung aussetzen will, oder nicht, einzig und allein bei der französischen Regierung. DaS wurde auch in der am Mittwoch stattgesun- denen Unterredung des britischen Botschaf­ters Sir Eric Phipps mit dem deutschen Reichskanzler sestgestellt. über die vom eng­lischen Reuterbüro folgende Mitteilung aus­gegeben wurde:

. . die deutsche Regierung wart« jetzt auf einen Schritt der neuge» bildeten französischen Negierung in der Frage der Verhandlungen, da sie de« Standpunkt vertrete, daß die kürzlichen Be­sprechungen zwischen dem deutschen Reichs­kanzler und den, französischen Botschafter in Berlin eine Antwort der sranzösi- scheu Negierung erforderten."

Frankreich, dessen finanzielle und inner­politische Krise auch durch das jüngste Ver­trauensvotum der Kammer für das Kabi­nett E b a u t e in v s nicht beseitigt ist. wird sich also in kürzester Frist entscheiden müssen welchen Weg es gehen will: Tie von Adolf Hitler und von Mussolini v o r g e z e i ch n e t e n Straßen der Verhandlungen auf der Grund­lage der Gleichberechtigung oder den der Politischen Vereinsamung durch halsstarriges Festhalten am Vertragswerk von Versailles, das von allen Völkern Euro­pas bereits als die hauptsächlichste Unruheauelle erkannt ist.

Putzmittel die Ausbreitung deS FruerS im Plenarsaal begünstigt haben könne. Der als Zeuge dazu vernommene Hausinspektor Sceranowitz bekundet, daß zum letzten­mal im Plenarsaal die Tische und Stühle mit dem Putzmittel im Herbst 1981 abgerie­ben worden seien Heiterkeit).

Der Zeuge überreicht dem Vorsitzende« ein Stück Holz, das er auf der einen Seite mit der Sangajol-Bohnermasse eingerieben hat. Er erklärt dazu, er habe an beiden Seiten Brandproben gemacht und dabei habe sich herausgestellt, daß die mit dem Sangajol eingeriebene Seite viel schwerer an­brannte als die andere. (Erneute Heiterkeit.)

Der Sachverständige Dr. Schatz sagte aus, es sei völlig abwegig, anzunehmen, daß sich durch den ständigen Gebrauch des Putzmittels auf den Möbeln eine Kruste ge­bildet habe. Versuche hätten bestätigt, daß schon nach 3V- Stunden von dem Putzmittel überhaupt keine nennenswerte Rückstände mehr vorhanden seien. Im übrigen verbleibe er unverändert bei seinen früher abge­gebenen Gutachten bestehen.

Auch die vom Sachverständigen vorgenom­menen Brandproben zeigen, daß die mit dem Putzmittel gestrichenen Holzstücke kein Feuer fangen.

Ter Techniker Krüger, der dann als Zeuge vernommen wird, bekundet, daß das Haustelephon im Reichstagsgebäude immer funktioniert habe.

Nach Vernehmung weiterer Zeugen, die jedoch keine wesentlichen Bekundungen mehr machen können, erklärt der Vorsitzende, daß die Beweisaufnahme beendet sei, wenn keine Beweisanträge mehr gestellt werden. Rechts­anwalt Dr. Sack erklärt, daß er und der Angeklagte Torgler auf jeden weiteren Be­weisantrag verzichteten. Das Gericht zieht sich dann zurück, um über den Zeitpunkt der Plädoyers Beschluß zu fassen.

Nach längerer Beratung teilt der Vor­sitzende mit, daß die Beweisaufnahme bis auf das Schlußgutachten, das Dr. Schatz über diePeter"-Ouittungen vor den Plädoyers erstatten will, geschlossen ist.

Der Vorsitzende beraumt die nächste Sitzung ans Mittwoch, den 13. Dezember, vormittags 10 Uhr, an.

Aalte« siik radikale Merbaadsresam

Ein scharfer Beschluß des Großen Faschistischen Rates

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Van der Lubbe voll verantwortlich / Der medizinische Sachverständige

äußert sich

Leipzig, 6. Dez. Für die Miitwochverhand-