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Nr. 244
Gegründet 1827
Dienstag, den 18. Oktober 1932
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Popen über Wirtschaftsfragen
Paderborn, 17. Oktober.
Im Schützenhof sprach am Sonntag vormittag Reichskanzler von Papen vor etwa 6900 maßgebenden Wirtschaftsführern, Vertretern der Industrie, des Handels, des Handwerks, der freien Berufe aus dem Wirtschaftsgebiet Westfalen, Hessen-Nassau, sowie von zehn westdeutschen Industrie- und Handelskammern. Der Reichskanzler wurde bei seinem Erscheinen im Saal mit stürmischem Beifall empfangen. Der Reichskanzler führte aus-
Unser Programm ist keineswegs für die „Großen" bestimmt. Gerade die mittleren und kleinen Betriebe werden durch die Maßnahmen der Reichsregierunq gefördert und gestützt werden, denn was wir wollen, ist ausgesprochene Mittelstandspolttik, ist ein wirtschaftlicher Wiederaufbau auf breitester Grundlage. Machen wir uns doch endlich einmal frei von dem Gedanken , klassenmäßiger Bevorzugung", der sinnlos und verderblich ist in einem Augenblick, da es gilt, alle wichtigen Kräfte der Nation in einer letzten Anstrengung zusammenzufassen, um die furchtbare Not unserer Zeit zu überwinden.
Die Arbeiten müssen produktiv sein, sie dürfen Währung und Kredit nicht aufs Spiel setzen. Di» bisherigen Wirt- schaftsmaßnahmen der Reichsregierung sind Aebergangsmaß- nahmen für eine Zeit von zwölf Monaten. Die Ausgabe, das ganze deutsche Wirtschaftsleben wieder flottzumachen, läßt sich auf keine andere Weise lösen als auf diejenige, die wir gewählt haben. Auch die öfftnttiche Hand wird durch die Erteilung von Aufträgen katkräsäg an der Wirtschcrfts- belebung Mitwirken. Diese Auftragserteilung soll sich insbesondere auch, soweit praktisch durchführbar, auf die mittleren und kleinen Betriebe erstrecken, denn das ist Mittelstandspolitik der Tat.
Wir stehen erst am Anfang der von uns erstrebten Befestigung der Wirtschaft. Dennoch: Goschäftsbelkbung und eine fühlbare Entlastung des Arbeiksmarktes sind schon ein- getrekcn. Seit der Verkündung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Reichsregierung ist der Kurs der Wert- papiere an den Börsen um etwa 15 v. H. d. h. um rund 2Z( Milliarden Mark gestiegen. Dabei bandelt es sich nicht um spekulative, sondern um reine Anlagekäufe, zu deren Finanzierung im Kasten verborgene Noten, der Erlös von ausländischen Effekten und dergleichen gedient haben. Namentlich von den notleidenden Finanzen der Städte und der Gemeinden gilt es, daß sie nur von unten herauf durch die natürliche Besserung der Wirtschaft und besonders der Arbeitslage entlastet werden können.
Da diese Besserung nur langsam emkreien kann, hat sich der Reicksfinanzminister schon jetzt entschlossen, die monak- liche Ausschüttung für die Wohlsahrtshilfe an die Gemeinden im Oktober von 50 aus 60 Millionen, im November um weitere 5 Millionen zu erhöhen.
Zu den Teilen des Wirtschaftsprogramms der Reichs- regierung, die am meisten angefeindet, gehört die sogenannte Lohnsenkungsverordnung vom 5. September. Ich habe den Eindruck, als ob die Schwierigkeiten sich heute durch verständnisvolles Zusammenwirken von Unternehmer und Arbeiterschaft bereits zum größten Teil gelöst haben. Ich glaube allerdings, auch von den Kreisen der Unternehmer sollte dadurch zur Befriedung beigetragen werden, daß die vielfach noch in der Wirtschaft gezahlten überhöhten Gehälter leitender Persönlichkeiten dem heutigen Notstand angepaßt werden. Nur die Aussicht auf eine friedliche Durchführung des Wirtfchafisplans gibt der Reichsregierung auch die Möglichkeit, die Arbeitslosenunterstützung für den Winter, sowie soziale Leistungen zu erhöhen. Das Reichskabineft hak vorgestern die nötigen Beschlüsse gefaßt. Sie werden in den nächsten Tagen veröffentlicht werden.
Darauf kam der Kanzler auf einen offenen Brief der Verbandspräsidien der katholischen Arbeitervereine zu sprechen, demgegenüber er feststellte, daß es eine völlig falsche Darstellung der Tatsachen sei, wenn in diesem Brief behauptet werde, die Reichsrsgierung hätte sich das Ermächtigungsgesetz geben lassen, um den in 60 Jahren aufarrich- teten Arbeiterschutz abzubauen: „Ich habe oft und wiederholt erklärt, daß dieses Ermächtigungsgesetz ausschließlich bestimmt ist. den wirtschaftlichen Apparat der sozialen Ein- richtunoen der Armut der heutigen Zeit anzupasfen. Ich muß es deshalb als im höchsten Grad bedenklich bezeichnen, wenn hier von verantwortlichen geistlichen Leitern der katholischen Arbeiterschaft der Eindruck erweckt wird, als seien wir daran, auch die Wohlfahrt aus dem Staat überhaupt zu vertreiben. Aus diesem offenen Brief spricht ein so krasses Verkennen der Absichten und Auswirkungen, die der W'.rjschaftsplan der Reichsregierung gerade in sozialer Hinsicht baden soll und haben wird, daß ich diese Verfälschung der Bestrebungen der Reichsregierunq nicht scharf genug zurückweisen kann.
Dis Einfuhrkontingentiernng erhöht nicht die Vreise» wie
dies jede Zollerhöbung tut. sondern sie soll dazu dienen, den Absatz heimischer Erzeugnisse in den Vordergrund zu stellen. Sie ist also diejenige Form der Einfuhrregelung, welche den Verbraucher am wenigsten trifft und die nationale Produktion stützt. Das trifft um so mehr zu, als die Art d-r Kontingentierung den ieweiliaen Ernte- und Marklverh": --
nissen Rechnung kragen soll. Außerdem' wird für dis Arbeitslosen auch in diesem Winter die bisherige Frifch- fleischverbilliguna Lurchaesübrt werden. Daß unsere Kon- ttngentierungsvläne im Ausland auf Schwierigkeiten stoü-n würden, damit mußten wir rechnen. Auch die deutsche , Wirtschaft hat sich schon mit ausländischen Kontingenten ob- ! finde« müssen. Sie hat es getan, ohne jemals M Boykott- ^ Maßnahmen zu schreiten.
! .. Ausdrücklich muß ich Gerüchten enkgegenkrelen. als
könnte unsere konkingenti--runasvoiftik möglicherweise uncke e Währung gefährden. Eine solche Gefahr liegt nicht vor und sie ist auch von keiner Stelle behauptet worden, die für die Währung die Verankwortunq trag!.
Wenn es auch gelungen ist, binnen kurzer Zeit über fünf Milliarden Mark ausländisches Leihkapital zurückzuzahlen — ein Zeichen der ungebrochenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands — so ist ein abermaliger Abzug fremder Gelder doch gegenwärtig nicht möglich. Es muß daher erwartet werden, daß über das Bestehen des Stillhalteabkommens hinaus das Ausland die von ihm nach Deutschland geliehenen Gelder konsolidieren läßt. Wir werden ferner vor allem auf der Weltwirkschastskonferenz daraus h'inwirken, daß in den Gläubigerlcindern die Erkenntnis immer mehr LurchDringt: der Schuldner kann seine Verbindlichkeiten nur durch Zählung in Waren erfüllen.
Seit der notwendig gewordenen Einsetzung eines Reichskommissars für Preußen ist die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer Reichsreform auf dem Marsch. Schon im gegenwärtigen Uebergangsstadium haben sich die Vorzüge einer engen Zusammenarbeit zwischen Reich und Preußen handgreiflich erwiesen. Selbstverständlich beabsichtigt die Reichsregierung, da sie auf föderalistischem Boden steht, keine Reichsreform ohne die Erhaltung der Selbständigkeit der preußischen Willensbildung durchzuführen, auf welche auch die anderen Länder mit Recht Wert legen. Es ist nötig, daß wir uns rasch für eine neue bessere Form der Skaaksführung entschließen.
Der Zentrumsabgeordnete Prälat Dr. Schreiber hat in einem Brief an den Reichskanzler klar ausgesprochen, der Staat müsse wissen, daß er auch jenseits der parlamentarischen Regierungsform Existenzrechke in sich krage, wenn parlamentarische Lösungen bei Gewaltregungen des politischen Radikalismus sich als äußerst schwierig erweisen. Dies entspricht auch dem Standpunkt der Regierung.
Die „Anonymität der politischen Verantwortung", ebenso aber auch die „Anonymität der wirtschaftlichen Verantwortung" müssen beseitigt werden. Die Reichsregierung ist es dem Volk schuldig, daß die heimlichen und unsichtbaren wirtschaftlichen Machteinflüsse durch sichtbare persönliche Verantwortlichkeiten erseht werden. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe für die Zukunft, von deren Lösung es letzten Endes abhängen werde, wo die Grenze zwischen der Staatssührung und der Privatwirtschaft zu ziehen ist.
Der Kanzler schloß seine mit stürmischem Beifall aufgenommene Rede mit den Worten: In dieser Notzeit ist nur eine politische Weltanschauung berechtigt: der Glaube an das deutsche Volk, der Glaube an unser deutsches Recht. Ihm gelten in dieser Stunde alle unsere Kräfte, unser Denken, Handeln und unser Gebet: »Mit Hindenbura für ein neues Deutschland!"
CM
Leipzig, 17. Okt. Nach zweitägiger Unterbrechung wurde heute die Verhandlung in dem Verfassungsstreit Preußen gegen das Reich wieder ausgenommen. Ministerialdirektor Dr. Brecht führte in seinem Schlußbericht aus, Artikel 48 Absatz 1 (Plichtverletzung Preußens) sei Lei der Einsetzung des Reichskommissars nicht anwendbar gewesen. Absatz 2 fei Mvar anwendbar, aber nicht so, wie es geschehen sei. Bei allen Vorwürfen des Reichs gegen Preußen hätten sich die Tatsachen anders dargestellt. Es hätten nur Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung getroffen werden dürfen. Die Ehre Preußens müsse von dem Vorwurf der Pflichtverletzung gegen das Reich befreit werden.
Ministerialdirektor Dr. Gottbeiner, der für das Reich das Wort ergriff, erklärte u. a.: Die Reichsregierung nehme für sich und für den Herrn Reichspräsidenten in uneingeschränktem Maße in Anspruch, daß sie sich bei den Maßnahmen vom 20. Juli von dem Willen Hobe leiten lassen, dem Wohl des deutschen Volks zu dienen, Schaden von ihm abzuwenden, und zwar im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen und mit verfassungsmäßigen Mitteln. Die Zustände in Preußen seien so schlimm geworden — in Altona allein gab es an jenem Sonntag 16 Tote —, daß der Reichspräsident und die Reichsregierung ohne Zögern die Sicherheit dafür schaffen mußten, daß Preußen in den Stand gesetzt werde, seinen Pflichten gerecht zu werden. Die größte der preußischen Regierungsparteien, die Sozialdemokratie, habe immer wieder die lebhaftesten Versuche gemacht, mit den Kommunisten eine Einheitsfront nicht nur gegen die Nationalsozialisten, sondern auch gegendie Reichsregierung zu bilden. Wenn der Reichsvräst-
Die in Umlauf gesetzten Behauptungen, die Reichsregierung und die preußische Regierung beabsichtigen, das Pen- sionsdiensialker herabzusehen, werden amtlich als plumpe Wahlmache bezeichnet.
Der frühere Reichskagspräsident Lobe veröffentlichte im „Vorwärts" einen „Offenen Brief" an den Reichspräsiden, ten. in dem er gegen die Versassungsreformpläne der Reichs- regierung Widerspruch erhob. Nach amtlicher Mitteilung wird Reichspräsident v. Hindenburg den Brief nicht beantworten. Es sei möglich, daß der Reichskanzler in einer feiner nächsten Reden auf den Offenen Brief Löbes ein- gehen werde.
Die Grüne Front hat in einem Telegramm an den Reichskanzler die sofortige Einstellung der konkingenkis- rungsverhandlungen gefordert. Zur Begründung führen die Unterzeichner Brandes, Graf Salckreukh, Hermes und Fehr u. a. aus, daß eine weitere Verzögerung der Durchführung der Kontingentierung das Vertrauen der Landwirtschaft in die Entschlossenheit der Reichsregierung, gerade dex bäuerlichen Landwirtschaft zu helfen, zerstören müßte.
Gegenüber einer Zeilungsmeldung, daß gegen den Oberbürgermeister und Reichstagsabgeordneten Dr. Adenauer- Köln ein Dienststrafverfahren eingeleitel sei, weil er mit parteipolitischer Hilfe durch Dr. Klepper ein Gefälligkeitsdarlehen von 12 Millionen Mark für die Stadt Köln erwirken wollte, während die Gelder der Preußenkasse als Zenlralgenossenschaskskasse nur für landwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stünden, wird von seiten der preußischen Regierung mitgeteilt, daß von der Absicht eines Verfahrens gegen Adenauer nichts bekannt sei.
Der Vorstand des Amtsgerichts Roltalmünster (Niederbayern) hat Selbstmord verübt, nachdem in der Amtsgerichtskasse Unregelmäßigkeiten entdeck! worden waren.
Der Franzose Avenol ist am Montag vom Völkerbundsrat in geheimer Sitzung zum Generalsekretär gewählt worden. Die Wahl muß durch die Völkerbundsversammlung im November bestätigt werden.
Die Völkerbundsversammlung in Genf hielt am Montag vormittag ihre Schlußsitzung ab.
Der Londoner „Star" glaubt zu wissen, die deutsche Reichsregierung habe einen durch Einfachheit sich auszeichnenden Abrüslungspkan ausgearbeitet, nach dem alle Angriffswaffen abgcschaffi und die Mächte ausgefordert werden sollen, einer Gleichheit der Verteidigungswaffen zuzustimmen. Die Entscheidung, welche Waffen Angriffs- und welche Verteidigungswaffen seien, würde Deutschland den Beschlüssen der anderen Mächte überlassen.
Das rumänische Kabinett Vajda ist zurückgetreten.
denk deshalb am 20. Juli die in Preußen führenden Männer vorläufig durch andere Persönlichkeiten ersetzte und ihnen die notwendigen Machtmittel übertrug, so entspreche dies in einem Fall so außergewöhnlicher Not unbedingt dem Willen und Wortlaut der Verfassung. Der Reichskanzler war grundsätzlich bereit, mit den anderen sechs Ministern zusammenzuarbeiterr, das sei ihm aber von diesen unmöglich gemacht worden.
Prof. Heller, Vertreter der SPD., erklärte, nach seiner Auffassung lassen sich die Maßnahmen der Reichsregierung sachlich nicht rechtfertigen. Prof. Peters, Vertreter der Zentrumsfraktion, erklärt, von den Vorwürfen gegen die sechs Minister sei nur noch die Verweigerung der Mitarbeit übrig geblieben.
Der Vorsitzende warf die Frage auf. weshalb die Fraktionen die Klagebefugnis gegen das Reich in Anspruch neb- Professor Heller antwortete, weil die Fraktionen Bestandteile des Landesparlaments seien.
Neue Nachrichten
Kein neuer englischer Schritt
Berlin, 17. Okt. Gegenüber von irrigen Zeitungsmeldnn- gen wird amtlich festgestellt, daß von der englischen Regierung in betreff der Viermächtekonserenz keine erneute Anfrage seit dem deutschen Bescheid in der vergangenen Woche erfolgt ist. Es sind seitdem auch keinerlei Verhandlungen mehr geführt worden. Wenn in der Presse der Gedanke erwogen wir-, daß Mac Donald an eine Zusammenkunft zu zweien mit dem Reichskanzler oder dem Reichsaußenminister denke, so halte man eine derartige Zusammenkunft für sehrunwahrscheinlich. Es scheine, daß eine endgültige Klärung der Frage nicht vor Mitte November zu erwarten ist.
Milderung von Härten für Kriegsbeschädigte
Berlin» 17. Okt. Der Herr Reichspräsident empfing heul» den Vorstand des Reichsausschusses der Kriegsbeschädigten-