Nagolder Tagblatt »Der Kejeüi'chakter
Leite 2 — Nr. 44
Aufhellung eines E i n b e i r s k a n d i d a t e n abgesehen worden ist. Die von einem Teil der Berliner Abcndpresse gebrachte Meldung, daß die Deutschnationalen und der Stahlhelm gemeinsam nunmehr für eine Kandidatur des Stahlhelmführers Düsterberg eintreten werden, eilt, wie von unterrichteter deutschnationaler Seite mitgeteilt wird, den Tatsachen voraus. Eine Entscheidung darüber ist vor heute abend, vielleicht sogar vor morgen nicht zu erwarten.
Ueber die Behauptung, daß die Nationalsozialisten Hitler ausstellen werden, war von nationalsozialistischer Seite noch keine Be st ä t i g u n g zu erlangen.
Kundgebungen der Eisernen Frons
Berlin, 22. Febr. 3>n ganzen Reich fanden am Sonntag Kundgebungen der ..Eisernen Front" statt. Zn einer Führerbesprechung erklärte ReichstagSabg. Künstler <Soz.), die Eiserne Front siehe von heute ab kampfbereit. Die Zeit des Redens und der Geschäftsordnnngsdebatten fei für die Republikaner vorbei. Kein Angriff finde die Eiserne Front" in Zukunft unvorbereitet. Wenn Hitler zur Macht komme — ganz gleich ob auf legalem oder illegalem Weg — bedeute das für die „Eiserne Front" die Kriegserklärung.
In den Versammlungen traten die Redner der Eisernen Front für dis Kandidatur Hindenburg ein.
Für die Hindenbura-Kcmdidntur wurde ein Kuratorium gebildet, in das auch Graf Westarp einaetreieu ist.
Die französische Abrüstungsabordnung
Paris, 22. Februar. Die französische Abrüstun-gsabord- nung wird sich wie folgt zusammensetzen: Vorsitzender T a r- d i e u, stellv. Vorsitzender Senator Paul-Boncour, mistige Mitglieder: Abg. F a b r y, Justizminister Rennau d, Verteidigungsminister P i e t r i, D u m o n t, D u- mesnil und Giguour. Stellvertreter: Massig!!, Moysset und Ändert. TarLieu wird an der ersten Sitzung des Hauptausschusses der Konferenz am Mittwoch nachmittag teilnehmen.
Trotzki die Sowjetsiaaksbürgerschaft aberkannt
Moskau, 22. Febr. Das Präsidium des Zentralvoll. Zugsausschusses entzog 37 Emigranten, die im Besitz von Sowjetpässen im Ausland leben, darunter Trotzki, wegen gegenreolutionärer Tätigkeit die Sowsetstaatsbürgerschakt und verbot ihnen die Einreise in dis Sowjetunion.
Trauerfeierlichkeiten in Sybillenvrt
Breslau, 22. Februar. In Schloß Sybillenort wurde am Sonntag ein katholischer und «in evangelischer Trauergottesdienst für den verstorbenen König Friedrich August abgshalten. Nachmittags fand auf dem Schloß eine Trauerfeier statt. Der Sohn Kronprinz Georg nahm in der Tracht eines Jesuitenpaters die Einsegnung der Leiche vor, worauf Kardinal Bertram die Gedächtnisrede über die Brbelworte hielt: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Abends begaben sich die Angehörigen nach Dresden. Die Leiche wurde mit Kraftwagen nach Breslau und von da mit der Bahn nach Dresden überführt.
Reichswehrminister Grüner hat die Beteiligung der Reichswehrkompagnie in Uniform an den Beisetzungsfeierlichkeiten am Dienstag nicht genehmigt-
Wiirllemberg
Stuttgart. 22. Februar.
Arbelksmarktlage im Arbeitsamksbezirk Stuttgart. Am 15. Februar 1932 standen in der Arbeitslosenunterstützung 10 086 männliche und 2365 weibliche Personen, zusammen 12 451 Hcwptunterstützungsempfänger gegen 11533 am 30. Januar. In der Krisenunterstützung standen 9820 männliche und 1737 weibliche Personen, zusammen 11557 Hauptunterstützungsempfänger gegen 10 448 am 30. Januar. Insgesamt ergeben sich 24 008 Unterstützungsempfänger. Davon entfallen auf Groß-Stuttgart 15 462. Stellensuchende überhaupt waren 47 530 vor- qemerkt.
Arbeitsmarkt des Landesarbeitsamts Südwestdeutschland.
Am 15. Februar 1932 standen in der versicherungsmäßigen Arbeitslosenunterstützung 125574, in der Krisenfürsorge 89298 Personen. Die Gesamtzahl
der Unterstützten stieg um 899l oder uni 4.4 v. 5z. von s 205 878 aus 214 872 Personen <175 459 Männer, 39 413 j Frauen): davon kamen aus Württemberg 94 152 gegen > 89162, und aus Baden 120720 gegen 116716 am 3l. Januar 1932. Im Gesamtbezirk des Landesarbeitsamts Südwestdeutschland kamen am 15. Februar 1932 auf 1000 Einwohner 42,7 Hauptunterstützungseinpfänger in der Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge gegen 41,1 zur gleichen Zeit des Vorjahrs. Die Gesamtzahl der bei den wiirttem- bergischen und badischen Arbeitsämtern verzeichneteu Arbeitsuchenden belief sich am 15. Februar auf 350169 Personen <279 013 Männer und 71156 Frauen): aus dis württem- bergischen Arbeitsamtsbezirke kamen davon 148 881 und auf die badischen 201 288. Die Gesamtzahl der als arbeitslos anzusehenden Personen betrug 339 155, wovon 142 549 aus Württemberg und 196 606 auf Baden entfielen.
Die Nationalsozialisten zum Angriff bereit. In vier nationalsozialistischen Amiswaltertagungen, die an de» letzt n Sonntagen in Balingen, Ulm, Schwäbisch Hall und ges: rn in Stuttgart obgehalten wnrden, auch Gauleiter Murr di« letzten Anordnungen für den bevorstehenden Endkampf. Ueberall konnte er, wie der „NS.-Kurier" berichtet, von der: Unterführern Las Gelöbnis unwandelbarer Treue entgegennehmen, so daß er Adolf Hitler melden konnte: Der Gau Württemberg-Hohenzolleru der NSDAP, steht zum Angriff bereit. Er erwartet nur noch den letzten Befehl feines Führers, dem er in unerschütterlichem Vertrauen folgen wird.
Vom Schwäbischen Silcher - Duett. Das Schwäbische Silcher-Duett veranstaltete vor einigen Tagen seinen 1000. Volkslieder-Abend. Auch in Stuttgart traten die Künstler in den letzten Wochen mit größten Erfolgen auf. Der Leiter des Unternehmens, der frühere bekannte Baritonist und Bühnensünger Franz Jäger, hat sich auch als Dichter und Schriftsteller einen geachteten Namen errungen.
Einbruch im Lalharinenhofpital. In der Samstagnachi versuchten Einbrecher im Kassenraum des Verwaltungsgebäudes des Katharinenhospitals den Kasfenschrank gewaltsam zu öffnen, was ihnen jedoch nicht gelang. Unverrichteter Dinge mußten die Einbrecher wieder abziehen.
Frecher Raub. Am Samstag abend bei Geschäftsschluß betrat ein junger Mann eine Konditorei in der Jmmen- hoferstraße, raffte von den ausgelegten Schokoladetaseln usw. zusammen, was er fassen konnte und rannte zur Türe hinaus. Che die Verkäuferin sich von ihrer Ueberrafchung erholte, war der Täter davon, verfolgt von einigen Passanten, denen es leider nicht gelang, den Mann zu fassen-
Tübingen. 22: Februar. Der amerikanische Botschafter in Berlin Ehrendoktor von Tübingen. Am heutigen Tag jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag des nordamerikanischen Freiheitskämpfers George Washington. Aus Anlaß dieses Gedenktags ist dem amerikanischen Botschafter in Berlin, Fr. M. S a ckett, die Würde eines Ehrendoktors der Staatswissenschaften verliehen worden. Der feierliche Akt der Promotion wird in persönlicher Anwesenheit des Botschafters in Verbindung mit der Rek- toratsübergabe am 25. April erfolgen.
Neckarsulm. 22. Februar. Aufsehenerregende Verhaftung. Großes Aufsehen erregte hier, so berichtet das „Neckar-Echo", die Kunde, daß der städtische Gasmeister Hagmaier von hier plötzlich verhaftet und an das Landgerichtsgefängnis Heilbronn eingeliefert wurde. Es wird ihm zur Last gelegt, größere Veruntreuungen begangen zu haben. Angeblich soll es sich um etwa 17 OM Mark handeln.
Nellmersbach OA. Waiblingen, 22. Febr. Diamantene Hochzeit. Die Bauerseheloute Christian Baun feierten am Sonntag, 14. Februar, das Fest ihrer diamantenen Hochzeit. Baun ist 87 Jahre, feine Frau 81 Jahre alt. Aus diesem Anlaß übergab ihnen Bürgermeistex Schneider namens des Staatspräsidenten eine Ehrenurkunde mit dem üblichen Geldgeschenk.
Böblingen, 22. Februar. Mutiger Lebensretter. Der siebenjährige Sohn des Dipl.-Jngenieurs Rebmann war beim Schlittschuhlaufen auf dem unteren See eingebrochen und versank unter dem Eis. Der 16jährige Obersekundaner Paul H e n g st b e r g e r, Sohn des Rechtsanwalts Hengstberger, hatte den Mut. unter dein Eis schwimmend den Knaben zu suchen, und konnte ihn, selbst aufs äußerste erschöpft, glücklich reiten. Die Wiederbelebungsversuche waren von Erfolg.
Dienstag, den 23. Februar 1932,
Eßlingen, 22. Febr. S e m e st e r s ch l u ß der Höheren M a s chi n e n b a u s ch u l e. Bei der Schlußprüft':; der Höheren Maschinenbauschule haben 78 Kandidaten die. Befähigung zur Ausübung des Jngenieurberuss erworben, und zwar 55 von der Maschinenbauabteilung und 23 von der Elektrotechnischen Abteilung. Das neue Semester beginnt am 15. März.
Zöppritz-Prozetz
Ellwangen, 22. Februar. Nach zweitägiger Unterbrechung wurde im Prozeß Zöppritz am Montag vormittag die Beweisaufnahme fortgesetzt. Der nochmals vernommene Bankdirektor Bitte! von der Deutschen Bank, Filiale Heidenheim, gab dem Gericht davon Kenntnis, daß Dr. Zöppritz sich Konsul Federer von der Diskontobank gegenüber geäußert habe, die Firma Zöppritz habe bei der Deutschen Bank keinen Kredit in Anspruch genommen. Weiter habe sich Dr. Zöppritz Konsul Federer gegenüber dahin ausgesprochen, daß seine Firma im Jahr 1928 einen sehr guten Erfolg mit einem voraussichtlichen Gewinn von 5—600 000 Mark erzielt habe. Als durch Konsul Federer die Sprache auf den Zusammenbruch des Bankhauses Löwenberg gekommen sei, habe Dr. Zöppritz in Abrede gestellt, bei Löwenberg einen Verlust erlitten zu haben. Da diese Angaben nicht unwesentlich sind, gab das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, Konsul Federer darüber als Zeugen zu hören, statt.
Es folgte die Vernehmung des Angeklagten zu dem Abschnitt „SchweizerVolksdank St. Galle n". Einen Betrug zum Nachteil der Bank sieht die Anklage darin, daß Dr. Zöppritz diese Bank unter Angabe falscher Bilanzposten im März 1928 zur Einräumung eines Barkredits von 300 MO Franken bestimmt haben soll, und nachdem dieser Kredit im März 1929 auf 500 000 Schweizer Franken erhöht worden war, durch Irreführung mittels einer in ähnlicher Weise wie bei der Notenbank gefälschten Bilanz per 31. Dezember 1928 eine weitere Erhöhung des Kredits um 300 000 Franken auf 800 000 Schweizer Franken im Juni 1929 erreicht zu haben. Außerdem soll Dc. Zöppritz bei den mündlichen Verhandlungen den gesamten Finanzwechsel- umlauf und die Uebereignung sämtlicher Maschinen an Mainz verschwiegen haben. Entgegen den getroffenen Abmachungen wurden der Volksbank fortlaufend in großer Zahl Finanzwechsel eingercicht, denen der Anstrich von Warenwechseln gegeben wurde. Der gesamte Betrag der für eigene Zwecke venvendeten Finanzwechsel betrug zur Zeit der Zahlungseinstellung rund 1,5 Millionen Reichsmark.
Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, die Wechselverpflicb» tungen mit der Volksbank hätten sich von Anfang an c Kunden- und Warenwechsel zu beschränken gehabt, erklärte der Angeklagte, sämtliche der Volksbank eingereichten Wechsel hätten „kommerziellen" Charakter gehabt. Darüber befragt, was darunter zu verstehen sei. gab der Angeklagte zum allgemeinen Erstaunen an, es habe ihnen eine Handels- oder Geschäftsbeziehung zugrunde aeleaew
Aus Stadt und Land
Nagold, den 23. Februar 193tT Humor ist der Schwunmgürtel aus dein Strome des Lebens. Wilhelm Raube.
In der Passionszeit
Es geht in die Passionszeir. Sechs Passionssonntage werden gezählt. Der letzte leitet dann die Karwoche ein. Vielleicht liegt das manchem meilenfern, der, von der Wirrsal und Not des Alltags umfangen, nur eben die nächsten wirtschaftlichen Dinge zu überdenken pflegt. Aber es gibt doch auch Millionen Menschen, die gerade inmitten der gegenwärtigen Not nach einer inneren Erhebung und Tröstung verlangen. Es gibt immer noch Christenmenschen, denen das Leid des Lebens durch das Leiden des Einen von Nazareth geadelt und verklärt wird. Man horcht doch noch auf, wenn die kirchliche Verkündigung von dem Mann mit der Dornenkrone redet, der so schlicht und groß seinen Dulderweg ge- gangen ist. Man bekommt wieder einmal ein Gefühl für den eigenen tiefen Sinn seines Kreuzes. Die alten Passions- lieder erweisen sich als noch längst nicht veraltet.
George Washington
i Zu seinem 200. Geburtstage am 22. Februar 1932).
Bon Walter Bloe in.
Die Völker der Alten Welt können, wie ihre Dynastien, von sich rühmen, daß sie „von Gottes Gnaden" sind. Daß ihre Anfänge nicht aus die Entschlüße der nationalen Mas- senseele oder einzelner ihrer Führerpersönlichkeiten zurück- zusühren sind. Daß vielmehr ihr Werden und Wachsen sich den Gesetzen der außermenschlichen Natur entsprechend im Dunkel der Urgeschichte, fast des llnterbewußtseins vollzogen hat. Ganz anders steht es um die Nationen der Neuen Welt. Sie wurden gewollt und geschaffen von großen Einzelmenschen, welche die Notwendigkeit und die Möglichkeit der Entstehung eines neuen Volkes vor sich sahen, noch ehe dieses Volk vorhanden war oder gar von sich selber wußte, sich selber wollte. Die erste Nation, welche auf diese moderne bewußte, willensbedingte Art entstand, sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Einzelmensch aber, der diese Nation in allmählich immer klarer sich durchringender Erkenntnis ihrer Daseinsmöglichkeit, lange vor ihrem wirklichen Entstehen, geschaut, gewollt, beschlossen und dann auch erzwungen hat. ist (steorge Washington, dessen 200, Geburtstag die Union in diesen Tagen begeht.
An diesem Feste nimmt das deutsche Volk aufrichtigen und freimütigen Anteil. Die Bürger der transatlantischen Republik stammen zu wenigstens einem Zehntel aus deutschem Blut. In dem großen Befreiuiigsringen. das ibr die Unabhängigkeit vom Mutterlands Britannien erkämpfte, haben deutsche Führer und Mitkämpfer zu vielen Tausenden ruhmvollen Anteil genommen, an ihrer Spitze jener Baron Steuben, der die amerikanische Miliz der Befreiungsheere zu einer kampfkräftigen Armee im europäischen Sinne umschuf.
Die militärische und politische Bedeutung der Washingtongestalt ist nur in ihren Erundzügen in den allgemeinen Wissensbestand der Gebildeten übergegangen. Man weiß, daß George Washington der Führer der Amerikaner in ihrem Nevolutionskriege gegen England und dann, nach
erkämpfter Unabhängigkeit, der erste Präsident der Union ! war. Mit diesen zwei Tatsachen ist das Wissen der weitaus ! meisten Menschen um Washingtons Person und Leistung erschöpft. Nur die ganz wenigen, die sich eingehender mir ! seiner Geschichte beschäftigt haben, kennen den krausen und ! verzwickten Verlauf seines von weitem betrachtet so gradlinigen Schicksalsweges. Und noch viel geringer ist die Zahl der Wissenden, die heute schon die Washingtongestalt in ihrer menschlichen Größe, Tiefe und vorbildlichen Leuchtkraft begriffen haben.
Sohn einer seit hundert Jahren in der britischen Kolonie Virginien ansässigen englischen Patriziersamilie, die allerdings in jüngster Zeit durch unglückliche Spekulationen des Vaters verarmt war, wählt der junge George das bescheidene Amt eines Landmessers. Als im Jahre 1753 der erste zufällige Zusammenstoß zwischen der englischen und der französischen Interessensphäre in dem noch uner- schlossenen Kontinent sich auswirkt, fällt das Auge des britischen Gouverneurs wohlwollend auf die sechs Fuß lange Gestalt des einundzwanzigjährigen Jünglings, und ohne jede militärische Vorbereitung sieht sich George Washington zum Major in der britischen Kolonialarmee ernannt und mit höchst delikaten militärischen und politischen Sonderaufträgen betraut. Er greift sie herzhaft, aber oft recht tapsich an, binnen weniger Wochen ist sein Name in zwei Erdteilen bekannt, allerdings mehr infolge seiner Entgleisungen als seiner Erfolge. Im Verlause des ersten siebenjährigen Krieges, den England auf dem Boden seiner dreizehn amerikanischen Kolonien aussechten muß, wird Washington immer wieder, wie während seines ganzen späteren militärischen Lebens zwischen Erfolg und Niederlage hin und wider geschleudert. Der Krieg endet nach unendlichen Wechselfällen mit einem weltgeschichtlichen Ergebnis, denen Riesenmaß zu den winzigen Abmessungen und bizar- : reu Erscheinungsformen der vorausgegangenen Kämpfe in ! gar keinem Verhältnis steht, bis zur endgültigen Vertrei- ! bung Frankreichs vom amerikanischen Kontinent. In diesen Kämpfen hat Washington sich immerhin die Anfänge militärischer Erfahrungen und den Ruf eines tapferen Soldaten erworben.
Er hat schon immer eine glückliche Hand in Boden- l
^ transaktionen bewiesen. Nun gelingt ihm die erfolgreichste Spekulation seines Lebens: Er heiratet seine berühmte j Martha, die reichste Witwe in den Staaten, wird Groß- l grundbesitzer, Viehzüchter, Tabakbauer und lebt 17 Jahre j lang auf seinem Landsitz Mount Vernon. Die getreue Nachbildung dieses Herrensitzes bildete im vergangenen Sommer einen der Hauptanziehungspunkte der Pariser Kolonialausstellung.
Aber eines Tages wird Cincinnatus vom Pfluge geholt. Zwischen dem Mutterlande jenseits des Ozeans und seinen 13 Kolonien am Ostrande des jungen Erdteils ist ein peinlicher Konflikt ausgebrochen. Durch Zölle, Steuern und jede Art von drückenden Abgaben beutet England seine Kolonien rücksichtslos aus, ohne ihnen das weiß begehrte Recht der Vertretung im britischen Parlament einzuräu- men. Der Druck wächst, die Spannung steigert sich, schon ist das erste Blut geflossen. Ein Kongreß der Kolonien tritt in Philadelphia zusammen ,der Revolutionskrieg wird beschlossen, wer soll Führer sein? Aller Augen richten sich auf den Gutsherrn von Mount Vernon, und unversehens sieht er sich an der Spitze der „Armee der Freiheit". Ein zweites siebenjähriges Ringen beginnt, an Wechselfällen, Enttäuschungen, schwersten Rückschlägen nicht ärmer als jenes erste. Käme nicht Europa zu Hilfe — schickte nicht Frankreich erst seinen Lafayette, dann seinen Rochambeau und seinen de Trasse mit sechstausend Mann und einer Armada, stellte nicht das sriderizianische Preußen wenigstens seine Disziplin und seine Taktik zur Verfügung — der Freiheitsrausch der dreizehn Republiken müßte kläglich in sich zusammenbrechen. So aber gelingt das tollkühne Wagnis. Englands Kampfkraft erlahmt, schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine widerspenstigen Kolonien aus dem Verbände des Königreiches zu entlaßen. Washington verabschiedet sich von seinen Offizieren und hängt den lorbeerbekränzten Degen an die bildergeschmückte Wand seines Arbeitszimmers im friedlichen Mount Vernon.
Die Ruhe währt nicht lange. Die 13 und nunmehr frei gewordenen Staaten sind nach dem Krieg in einer schauerlichen Wirtschastszerrüttung zurückgeblieben und ringen l vergeblich um die neue politische Form. Der Kampf Aller