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Mit den illustrierten Beilagen .Unsere Heimat". .Die Mode

.Feierstunden" vom Tag»".

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Mit der landwirtschaftlichen Wocheubeila,,: »Haus-, Sorten- und Landwirtschaft"

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Nr. 32

Gegründet 1827

Dienstag, den 9. Februar 1932

Fernsprecher Nr. 29

106. Jahrgang

Eröffnung der Hauptansfpräche

Gens. 8. Febr. Die Aussprache über die allgemeine Ab­rüstung hat heute vormittag begonnen. Die Vertreter sind vollzählig anwesend. In der ersten Reiche vor dem Präsi- denitentrsch hat Reichskanzler Dr. Brüning Plast genom­men.

Um 10.15 Uhr erteilt der Vorsitzende Henderson dem Vertreter Großbritanniens, Außenminister Simon, das das Wort.

Der englische Standpunkt

Für den Konventionsentwurf und Höchstzifferri

Sir John Simon führte aus: Die Generationen, die den Krieg mit vollem Bewußtsein erlebten, fangen an, den­jenigen Platz zu machen, für die der Krieg nur noch eine Srndheikserinnerung ist. Es sei deshalb jetzt höchste Zell, die Abrüstung zu fördern. Die Rüstungen der Staaten wei­sen große Unterschiede auf. Die einen seien vertraglichen Beschränkungen unterwarfen, während für die anderen nur ihre eigene Auffassung, ihre Bedürfnisse und Verpflichtungen oder die Ansprüche ihrer öffentlichen Meinung maßgebend seien, ohne andere vertraglichen Beschränkungen als jenen Abcüstungsartikel des Völkerbundspaktes. Infolgedessen trete eine zunehmende Meinungsverschiedenheit hervor. Um weitere Verwicklungen zu vermeiden, sei notwendig, auf ver­nünftigen Grundsätzen den Begriff eines Stichtags einzu­rühren, damit die Ausgabe der künftigen Abrüstung in wirk­samer Weise gemeinsam unternommen werden könne. Die Behauptung, daß der Friede der Welk durch Vorbereitung für den Krieg gesichert werden muß, finde keinen Glauben mehr. Ein höher Rüstungsstand sei kein Ersatz für Sicher­heit. Im besten Fall schasse er den Schein der Sicherheit aus der einen Stelle, während er gleichzeitig an einer ande­ren Stelle das Gefühl der Ansicherhell verschärfe. Die Sicherheit, die wir uns als Ideal vorgesetzt haben, ist Sicher­heit für alle, und Sicherheit für alle hängt maßgebend von der Rüftungseinschränkung ab. Rüstungen sind das An­zeichen eines ungesunden Zustands.

Die Einschränkung der Rüstungen durch internationale Vereinbarungen sei nur auf zwei Wogen möglich, die ein­zeln oder gleichzeitig beschritten werden können. Das eine sei die Methode der Festsetzung von Höchstgrenzen, das andere sei der vertragliche Ausschluß gewisser Werkzeuge oder Methoden. Für beide Behandlungsarten sei als weitere Garantie eine internationale Autorität erforderlich, die sicher­stellt, daß diese Beschränkungen nicht überschritten werden, indem sie Uebertretungssälle feststellt, und dadurch einen wirksamen Druck der übrigen Welt auf die Vertragsbrüchigen Staaten herbeiführt. England sei für diese Behandlungs­arten und werde sein Möglichstes tun, um eine Durchführung zu sichern. Beide Methoden seien in dem Sonvenkionsentwurf (des Volkerbunds ausschusses) enthalten, der nach Ansicht der britischen Regierung vorbehaltlich eingehender Prüfung jedes einzelnen Artikels die beste Grundlage der weiteren Arbeit bilde.

Die britische Regierung habe die Frage der Höchsiziffer eingehend geprüft. Sie hatte eine weitgehende Herabsetzung der Rüstungen der Welt etwa im Ausmaß von 25 v. H. für einen ausgezeichneten Gedanken. Psychologisch fei es aber richtiger, von vornherein ein Höchstmaß zu bestimmen, das nicht überschritten werden dürfe. Der Zweck der gegen­wärtigen Arbeit sei doch, soweit als möglich nicht nur eine Begrenzung, sondern eine Herabsetzung der Rüstungen vor­zunehmen.

Die am Freitag veröffentlichten französischen Vorschläge werden mit eingehendster und wohlwollendster Aufmerksam­keit von der britischen Abordnung geprüft werden. England werde jedoch für alle Aenderungen eintreien, die sich nach sorgfältiger Prüfung als zweckmäßig und brauchbar er­weisen und wirklich zu Rüstungseiuschränknngen beitragen. Das Gewissen der Sulturwelt werde erst dann zur Ruhe kommen, wenn alle Praktiken, die dem Menschlichkeiks- empfindea ins Gesicht schlagen, verboten werden. Aehnliche Erwägungen seien auch für die Tauchboote maßgebend. Die Abschaffung der Tauchboote, das wolle er nicht verheim­lichen, würde im Interesse Englands liegen, aber nicht im ausschließlichen Interesse. Der englische Vorschlag werde nicht im Interesse der englischen Kampfstärke, sondern im Inter­esse der Menschlichkeit und des dauerhaften Friedens gemacht. Die Verträge von Washington und London müssen nach Auf­fassung der britischen Regierung bis zu ihrem Ablauf im Dezember 1SZ6 unangetastet bleiben. England sei für die Einsetzung einer ständigen Abrüstungskommission: es ver­lange die Abschaffung des Gas- und chemischen Kriegs, ebenso die Abschaffung der Tauchboote und solche Verbote oder Beschränkungen, die geeignet sind, die Angrisfsfähigkeil zu schwächen und dadurch die Angriffe zu beseitigen.

Während der Rede und besonders an deren Schluß wurde Sirnon wie üblich lebhaft Beifall geklatscht.

Tardieu verlangt Bölkerbundsgarantie fvr die Sicherheit Frankreichs

Nach der Übertragung der Rede Simons ins Fran­zösische bestieg der französische Kriegsminister Tardieu

Me Rednertribüne. Tardieu betonte zu Anfang seiner Aus­führungen, die Aufgabe der Konferenz, eine Beschränkung und Herabsetzung der Rüstungen vorzubereiten, könne nur unter vier Bedingungen erfolgen: Zunächst müsse die Sicher­heit vorhanden sein, die Durchführung gemeinsamen Vor­gehens müsse gewährleistet sein, die geographische Lage und diebesonderen Verhältnisse" müssen berücksichtigt werden.

Die Bedingungen, unter denen eine Beschränkung und Herabsetzung der Rüstungen erfolgen könne, seien je nach den Umständen verschieden: Gleichberechtigung bedeute nicht Gleichmacherei (iäsntits).

Sicherung des Friedens und Herabsetzung der Rüstungen

> seien nur möglich, wenn ein allgemeines internationales s Sicherhells- und Garantiesystem, das für alle Staaten ver-

> biudlich sei, eingeführt werde. Dieser Aufgabe dienen die von der französischen Abordnung vorgelegten Vorschläge.

Der Artikel 8 des Völkerbundspaktes behandle nicht nur die Regelung der Rüstungsfrage, sondern auch die Schaf­fung von Sicherheit durch Zusammenwirken. Der Artikel 8 sei ein unteilbares Ganzes. Eine Beschränkung und Herab­setzung der Rüstungen sei nur möglich, wenn gleichzeitig der nach französischer Auffassung erforderliche Ausbau der Sicherheiksorganisation des Völkerbunds erfolge. Frank­reich, das bereits eineHerabsetzung seiner Rüstungen" vorgenommen habe, sei bereit, für eine ganz bestimmte Zeit eine Begrenzung seines augenblicklichen Rüstungsstands ohne besondere Bedingungen anzunehmen.

Die Rüstungen lasten schwer auf der Bevölkerung Frank­reichs. Im Vergleich zum Jahr 1913 habe Frankreich seine aktiven Mann'schastsbestände um ein Viertel, die Zahl seiner Einheiten um die Hälfte und die Dienstzeit um zwei Drittel gekürzt, im Gegensatz zu anderen Staaten, die ihre Rüstun­gen verstärkt hätten. Im Jahr 1919 hätten Großbritannien und die Vereinigten Staaten in einer feierlichen Erklärung anerkannt, daß Frankreichs Sicherheit ungenügend sei. Das französische Volk wolle nichts anderes als den Schutz und die Sicherheit seiner Grenzen. Frankreich habe stets eine großmütige Gesinnung (!) gezeigt, so z. B. als es im Jahr 1930, 5 Jahre vor dem im Versailler Vertrag festgesetzten Tennin, ein Pfand aus seiner Hand gegeben habe (Rhein­landräumung). Die französische Abordnung sehe die An­nahme ihres Programms als eine wesentliche Voraussetzung für drastische Schritte Frankreichs in der Abrüstungsfrage an. Ein Abkommen ohne Organisierung der Sicherheit wäre eine brutale und ungerechte Prämie für die Zahl und die Technik.

Der Völkerbundsstaat bedeutet Auflösung des britischen Reichs

London, 8. Febr. Zum französischen Vorschlag sagt Times", es sei zwar ein ernster Versuch, den Frieden und die internationale Sicherheit zu fördern, aber im Fall einer Meinungsverschiedenheit zwischen demneuen Ueber- staat" und Washington könnte eine gefährliche Lage ent­stehen. Ein derartiger Versuch würde auch die britischen Dominien unter eine zentrale Macht bringen, zum Verfall des britischen Reichs führen. Die Nationen könnten nur veranlaßt werden, ein neues Gesetz anzuerkennen und durch­zuführen, wenn ein Apparat zur Revision des internationa­len Rechts und zur Vertragsrevision geschaffen werde.

Roch entschiedener in der Ablehnung äußert sichMor- ningpost", die sagt, daß der Plan die Sache des Friedens nicht fördere. Es sei schließlich kein Unterschied, ob man von den Flugzeugen des Völkerbunds oder von den Flug­zeugen einer einzelnen Nation zusammengeschossen werde.

Daily Telegraph" urteilt, der Plan habe trotz vieler anziehender Einzelheiten nicht mehr Aussicht auf Annahme durch' Großbritannien, als das Genfer Protokoll oder Briands Alleuropaplan.

Die Katze aus dem Sack gelaffen

Paris, 8. Febr. Das «Journal des Debüts" schreibt offen: Genug mit zwecklosen Redereien über die zukünftigen Zeiten, über die allgemeine Verbrüderung und über die Ab­schaffung der Waffen. Was wollen praktisch die puritani­schen Rationen, die immer nur von Abrüstung reden? Und was wollen die Nationen mit Hintergedanken, die nur die Schwächung der Heere bei den andern verlangen? Die französische' Abordnung sagt ihnen, daß, wenn sie zu einem Ziel gelangen wollen, sie einer Art Preisgabe ihrer Souveränität zustimmen müssen. 3a vder Nein? So wenig­stens verstehen wir den Sinn dieser Initiative."

DerTemps" drückt sich etwas vorsichtiger aus. da er als halbamtliches Matt natürlich nicht zugeben darf, daß der französische Vorschlag ein Äluff ist.

Brüning in Genf

Genf, 8. Febr. Reichskanzler Dr. Brüning ist gestern in Gens eingetroffen und hat gegen Abend dem Präsiden­ten der Abrüstungskonferenz Henderson einen Besuch abgestattet. Gleichzeitig halte Staatssekretär v. Vülow

Tagesspiegel

Der Skahlhelm und der Vorstand des Deutschen Reichs­kriegerbunds kyffhäuser, sowie andere deutsche w^rpolitisch« Vereinigungen haben an die Abrüstungskonferenz Tele­gramme gerichtet, in denen der Konventions-Entwurf als ein Instrument der Verewigung der Wehrlosigkeit Deutscksiands entschieden abgelehnt und die volle Gleichberechtigung ver­langt wird. Aehnliche Telegramme sind von den österreichi­schen, ungarischen und bulgarischen Fronkkämpferbünde« nach Genf gesandt worden.

Vor dem Berliner Schnellrichker Hallen sich am Monkag 7 Studenten wegen des Studenkenkrawalls am 4. Februar der die zweitägige Schließung der Universität zur Folge Halle, zu verankworlen.

Wecken des Berliner Studenkenkrawalls wurden zwei Studenten, zu je 8 Monaten, einer zu 5, zwei zu 4 Monaten Gefängnis und zwei zu 4 Wochen Hafk verurteilt.

Die Voss. Zlg. will wissen, einem Einbürgerungsgesuch Hitlers würden keine Hindernisse mehr enkgegenftehen. Der bayerische Ministerpräsident Held hat sich seither ent­schiede» gegen die Einbürgerung ausgesprochen.

In Berlin kam es am Samstag und Sonntag zu zahl­reichen Zusammenstößen zwischen Ralionalsozialisten und Stahlhelmern mik Reichsbannerleuken und Kommunisten. Ein ISjähriger Rationalsozialist ist an den erlittenen Ver­letzungen gestorben. Line nationalsozialistische Kundgebung im Sportpalast wurde von der Polizei aufgelöst.

Die allgemeine Aussprache aus der Abrüstungskonferenz wurde nach der Rede Tardieus auf Dienstag vertagt.

Der litauische Gouverneur vom Memel, Merkys, hat dem Präsidenten des memettändischen Landtags, v. Dressier, vor­geschlagen. eine Persönlichkeit aus den Kreisen der Land­lagsmehrheit zu benennen, die ein neues Direktorium bilden solle. Dressier hat sich feine Stellungnahme hiezu Vorbehal­ten. bis er mik den beiden Mehrheiksparkeien Rücksprache gehalten habe.

Merkys hak unter neuer Verletzung des Memekstaluks das Direktorium auf eigene Faust gebildet.

Der neue Anschlag Litauens gegen die Selbstverwaltung des Memellands hat die dortigen Bestrebungen für ein« Volksabstimmung verstärkt.

Mussolini hak vorgeschlagen, dem Papst am 11. Februar «inen Besuch abzustatten.

Bei dem Grubenunglück bei Marchienne wurden wei­ter zwei Lebende und 12 Leichen geborgen.

Durch einen Wirbelfiurm kamen auf -er französische» Insel Reunion südöstlich von Madagaskar 45 Menschen m»S Leben.

Die Zahl der Einzeichnungen für Hindenburg hat bis heute a<«er,d die Zahl von einerMillion überschritten.

Me Deutschen Professoren der Tungschi-Aniversitäk und ihre Familien befinden sich iu Sicherheit dank dem Ent­gegenkommen des chinesischen Kommandanten, der ihnen Kraftwagen zur Verfügung stellte.

D^ Chinesen haben am Monkag einen japanischen An­griff auf Schapei zuruckgeschlagen.

Unterredungen mit dem englischen Außenminister Simo» wird dem it>alienischen Außenminister Grandi.

Der Reichskanzler wirb in der Konferenz eine Rebe Hol­ken, deren Einzelheiten jedoch erst sestgestellt werden, wenn der französische und der englische Vertreter sich heute über die französische Denkschrift geäußert haben werden und man ein Bild vom Geist der Verhandlungen gewinnen kann. Am Dienstag abend wird der Kanzler wieder abreisen, da am Mittwoch eine w i ch t i g e K a b i n e t t s s i tz u n g stalt- sinden soll.

Um 7.30 Uhr empfing der Reichskanzler die Vertreter der deutschen Presse und um 10 Uhr veranstaltete die deutsche Abordnung in ihrem Hotel einen Empfang, zu dem Vertreter der deutschen Kolonie, die deutschen Beamten beim Völkerbund und die deutschen Pressevertreter geladen waren.

Der Gewaltstreich in Memel

Königsberg, 8. Febr. Der litauische Gouverneur in Memel, Merkys, hat, wie bereits gemeldet, den verfas­sungsmäßig vom Memel-Landtag gewählten Landespräsi­denten Böttcher am Samstag verhaften und in eine Kaserne «insperren lassen, nachdem Böttcher sich geweigert hatte, der Aufforderung des Gouverneurs bezw. der Re­gierung in Kowno, zurückzutreten, Folge zu leisten. Der Anlaß soll sein, daß Böttcher an einer wirtschaftlichen Kon­ferenz in Berlin ceilgenommen habe.

Die deutsche Abordnung im Völkerbundsrat hat beim Generalsekretär eine Beschwerde gegen die

Die Abrüstungs-Konferenz