er OeseUfctiackter
Amts - und Änzery evlatt tkr
Mit den illustrierten Beilagen „Feierstunden" „Unsere Heimat". „Die Mode vom Tage".
Bezugspreise: Monatlich einschl. Träger- lohn ^ r.50: Einzelnummer ro Pfennig. Erscheint an jedem Werktage« Verbreitetste Zeitung im Oberamts-Bezirk » Schrift- leitung, Druck und Verlag von G. W. Zaiser (ZM. Karl Zaiser) Nagold. Marktstraße 14
KenGverumtsvezüVMusold
Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage: »Hans-, Karten- und Landwirtschaft"
Anzeigenpreise: t spaltige Borgis-Zeile oder deren Raum20 ^.Familien-Anzeigen 15 ^ Reklamezeile Sv Gammel-Anzeigen 50"/o Aufschlag » Für das Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Ausgaben und an besonderen Plätzen, wie für telefon. Aufträge und Chiffre- Anzeigen wird keine Gewähr übernommen
Telegr.-Ädresse: GeseUschafter Nagold. — In Fällen höherer Gewalt besteht kern Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung des Bezugspreises. -- Pvstsch.Kto. Stuttgart SU»
Ur. 12
Gegründet 1827
Samstag, den 16. Januar 1932
Fernsprecher Nr. 29
106. Jahrgang
Neuer Vorstoß Mussolinis
Rom. 15. Jan. Auf seinen ersten Aufsatz im „Popolo d'Jtalia" (der in unserem Blatt kurz wiedergegeben worden ist. D. Schr.) ließ Mussolini gestern in demselben Blatt einen zweiten folgen, der sich an die Vereinigken Staaken wendet.
Er ist auf den Satz eingestellt: „Europäer, vergebt euch eure Schulden, damit die Amerikaner euch die Schulden vergeben!"
In dem Aussatz heißt es: s
„Die große Glocke der Wirklichkeit läutet zwischen den ! beiden Usern des Atlantischen Ozeans Alarm. Heute gibt es nur einen Weg. aus der Lage, die so viele Ruinen in der > Welt aufhäuft, herauszukommen: nämlich mit dem Schuldenerlaß zwischen den europäischen Staaten zu beginnen. Die Kette der Reparationsverpflichtungen ist aus folgenden Gliedern zusammengestellt: Deutschland schuldet den verschiedenen Ländern laut dem Sxnaer Schlüssel. Italien und Frankreich schulden an England. England. Italien und Frankreich sind Schuldner der Vereinigten Staaten. Wir wollen die kleineren Staaten auslassen und diejenigen Länder im Augenblick nicht beachten, die weder zahlen können noch zahlen werden, weil sie bereits zusammengebrochen sind.
Es ist kein Zweifel, daß es ein einziges Land gibt, das niemand etwas schuldet und das der Gläubiger aller ist. Das sind die Vereinigken Staaken. Die Sachlage kompliziert das Problein keinesfalls, sondern vereinfacht es nur. Daß man über kurz oder lang die deutschen Reparationen streichen muß, ist eine Behauptung, die allgemein anerkannt worden ist. Es ist jetzt nur noch übriggeblieben, die Methode für eine solche Lösung festzulegen. Es gibt zwei Möglichkeiten. Man sagt, daß für eine Streichung der deutschen Reparations- ichiilden erst eine Aufgabe ihrer Forderungen seitens der Vereinigten Staaten und Englands notwendig sei; andere behaupten, daß erst die deutschen Reparationen gestrichen werden müßten, und daß dann die Vereinigten Staaten und England auf ihre Ansprüche verzichten würden. Aber die Art und Weise, dieses Problem anzufassen, ist ja schon f-estgel-egt morden. Die Frage, ob die erste ober die zweite Methode angewandt werden soll, steht nicht mehr offen.
Deutschland hat soeben amtlich durch seine Botschaft e r die Welt davon in Kenntnis gesetzt, daß es weder heule noch morgen, noch irgendwann seine Reparationsschulden bezahlen könne. Dieses ist eine neue Tatsache; es ist mehr als eine neue Tatsache, es ist eine vollendete Tatsache. Als solche ist sie auch als unabänderlich zu betrachten, denn es ist anzunehmen, daß Deutschland sich ganz bewußt über die Folgen eines solchen Schritts war. England hat durch feinen Finanzminister ebenfalls die Welk davon benachrichtigt, daß es nichts gegen eine radikale Lösung der Frage haben würde. Frankreich findet in der noch nicht festgelegten Haltung der Vereinigten Staaken dieser Frage gegenüber den Grund für seine Unnachgiebigkeit.
Die Zeit der Ruhrbesetzungen ist vorbei. Glaubt ihr, daß die Vereinigten Skaalen Europa zwingen würden, den verderblichen Kreislauf, den die Lausanner Konferenz jetzt endgültig brechen soll, wieder nen erstehen zu lassen? Gegenüber einem Willensakt ganz Europas, das durch den gegenseitigen Erlaß der Schulden beweisen würde, daß es die Unterscheidung zwischen Siegern und Besiegten überwunden habe, würden die Vereinigken Staaten nicht den Mul haben, auf ihrem Schein zu bestehen, schon weil moralische Gründe einen großen Einfluß auf sie ausüben. Sie würden sich weigern, in der Geschichte als die einzigen, die alleinigen, die dauernden und die jahrhundertelangen Kriegsgewinnler zu gelten.
Außer moralischen Gründen treiben die Amerikaner auch materielle Gründe dazu, diese Rechnungsführung des Kriegs abzuschließen. Schon das einjährige Moratorium hätte zu einer Wiederbelebung der Welt geführt, wenn es nicht unter den Wasserstrahlen jener kleinlichen Künstler der Prozedur, die die französischen Juristen, die Ratgeber der Staatsfinanz, nun einmal sind, erloschen wäre. Durch einen Schuldenerlaß würden die Vereinigten Staaten nicht nur nichts verlieren, sondern auf einem andern Weg gewinnen, was sie formell ausstreichen. Es ist ausgeschlossen, daß sie zu feindseligen Handlungen auf ökonomischem und geldlichem Gebiet schreiten. Die Weltwirtschaft ist solidarisch. Wer sie in irgendeinem Punkt des Globus verletzt, verwundet sich selbst. Die Welt bat die Vereinigten Staaten notwendig, aber die Vereinig- üi^Staaten bedürfen auch stärker denn je Europas und der
Der erste Schritt muß in Europa geschehen. Man kann nicht verlangen, daß die Vereinigten Staaten den ersten Schritt tun. Europa muß die Vereinigten Staaten vor eine vollendete Tatsache stellen, ebenso wie die europäischen Gläubiger Deutschlands die vollendete Tatsache seiner Iahlungs- unsähigkest annehmen müssen."
„Deutschland" hilf dir selb«!
Der große Vorstoß, den Mussolini gegen die politischen Kriegstribute auf der ganzen Linie begonnen hat, war seit langem geplant. Schon vor Jahren hatte er auf die Frage: Was wird Italien tun, wenn Deutschland die Reparationen einstellt? mit einem sofortigen runden „nichts" geantwortet und immer wieder die an Deutschland gerichteten Worts: „hilf dir selbst, und Gott wird dir helfen!" wiederholt. Die Politik, die er den Amerikanern gegenüber während d:s ganzen letzten Jahrs ins Werk setzte und die in der in jedsr
Hinsicht erfolgreichen Sendung Grandis ihren Höhspunkt fand, war die Vorbereitung zu diesem Vorstoß. Se t beinahe zehn Jahren galten Mussolini die politischen kriegs- iribute als der Hauptgrund der großen Wirtschaftskrisen, der „Unordnung ohne Ende und des Elends ohne Licht", nicht nur materiell als verderblich, sondern viel mehr noch als ungerecht als unmoralisch und die gesamte Zukunft der weißen Rasse bedrohend.
Mit der ihm eigenen Energie und Gewandtheit hat Mussolini seinen Vorstoß ins Werk gesetzt. Sein Plan ist genial nicht nur weil er den Wirklichkeiten aufs beste Rechnung trägt, sondern gleichzeitig weil er so klar und so einfach ist, daß man an das Ei des Kolumbus erinnert wird. Die erste Voraussetzung für sestren Erfolg ist die, daß die deutsche Front hält, selbst wenn auf italienischer Seite zeitweilig einzelne Positionen aus taktischen Gründen ausgegeben werden sollten. Deshalb erklärt Mussolini die deutsche Zahlungsunfähigkeit nochmals ausdrücklich als eine unwiderrufliche Tatsache. Deutschland kann, wie seine auswärtigen Vertreter den Mächten mitgeteilt haben, weder heute noch morgen noch jemals zahlen, und es hat sich die Folgen dieser Erklärung im voraus genau überlegt. Ueber diese Folgen wird Deutschland von Mussolini beruhigt. Welche Zwangsmaßnahmen? Und mit welchem Ergebnis? Die Zeiten der Ruhrbesetzung sind vorbei, und „angenommen den verfluchten Fall", wie Mussolini wörtlich sagt, daß es doch dazu käme, wo bliebe dann Locarno, das Frankreich für den Fall eines deutschen Angriffs die italienischenglische Hilfe zusichert, und wo bliebe der Völkerbund? Damit ist gleichzeitig den F>' > gesagt, daß sie von Deutschland nichts mehr zu erhoffen haben und daß sie im Hinblick auf ihre amerikanischen Kriegsschulden ihr Hell im Anschluß an die europäische Einheitsfront zu suchen haben. *
Beachtenswert ist noch die Bemerkung, die der „Lavoro Fascista" zu dem Artikel Mussolinis macht: „Wer den Appell Mussolinis nicht anhört, der wird unrettbar unter die Sanktionen verfallen, die die Gerechtigkeit der Geschichte über ihn verhängen wird."
Für und wider Hindenburg
Der Stahlhelm für Hindenburg
„Der Stahlhelm" schreibt zur nächsten Präsidentenwayr: „Selbstverständliche Voraussetzung wäre nach unserer Ansicht, außer der Zustimmung des Generalfeldmorschalls die Ausschaltung jeglicher Parteipolitik und die Durchführung der Wahl in einer Form, die der menschlichen und historischen Würde Hindenburgs entspricht. Dazu wäre rasche Vornahme der Wahl, da ja keinerlei Werbung voranzugehen braucht, und die Zurückstellung jeder anderen Kandidatur nötig, so daß die Volksabstimmung den Stempel einer Kirrung erhält. Ob eine Schildert; ebung des General- felLnrarschalls prakisch möglich ist, und wie sie im einzelnen durchzuführen wäre, darüber ist im Augenblick schweigen besser als reden.
Strafverfahren gegen Skudienrak Mahnten
Olpe (Wests.), 15. Jan. Gegen den Landesleiter des Stahlhelm, Studienrat Mahnten, der am vergangenen Samstag in einer Weihnachtsfeier der Stahlhelmortsgruppe Olpe sprach, ist ein Strafverfahren eingeleitet worden. Mahnten soll den Reichspräsidenten und den Reichskanzler scharf angegriffen haben.
Rosenberg und Frick
München, 15. Jan. Im „Völkischen Beobachter" schreibt der Haupffchriftleiter Rosenberg, der kürzlich aus politischen Gründen einige Tage in London weilte: Hitler konnte für die parlamentarische Amtsverlängerung Hindenburgs nicht eintreten, weil sie gegen die Verfassung sei. Vor allem aber deswegen, weil Brüning Liesen Vorschlag nur gemacht halbe, um sich selbst und sein Kabinett zu retten. Von gewichtiger ausländischer Stelle — und -er Botschafter einer Großmacht in London habe es ihm bestätigt — sei chm in London mitgeteilt worden, man habe Brüning wissen lassen, daß mit der jetzigen Reichsregierung keine dauernden Abmachungen getroffen werden können; sie sei ohne Hitlers Unterstützung nicht mehr recht verhandlungsfähig' da hinter ihr kein' Volk mehr stehe.
*
Großes Aussehen machten.zwei Reden, die der nationalsozialistische Staatsminister a. D. Di. Frick in einer Versammlung der Allgäuer Bauern in Kempten und dann in Lindau gehalten hat. Frick erklärte, die Nationalsozialisten könnten sich schließlich mit einer Wiederwahl Hindenburgs absinden, aber nur, wenn das Kabinett Brüning vorher abtrete.
In Lindau sagte Dr. Frick u. a„ Reichskanzler Brüning werde auf der Tributkonferenz in Lausanne dasselbe Schicksal haben wie Dr. Curtius in der Zoll.
UNION.
Tagesspiegel
Mussolini empfing den früheren ungarischen Minifierprustdenken Grafen Bethlen und Halle mit ihm eine länger« freundschaftliche Unterredung.
Me Japaner haben die Eisenbahnstrecke Peking—Muk- -en von der Großen Mauer bis nach Mukden in Besitz genommen, das chinesische Personal entfernt und durch javanisches ersetzt. Dem ganzen Bezirk haben sie den Ra- men Feng-Schan gegeben.
Die Perschleppungsverjuche der Reparationskonferenz oonLaujanne bringen neben außenpolitischen Schwierigkeiten eine Erschwerung der Reichspräsidentenwahl.
Der bekannte Pädagoge Geheimrat Professor Dr. Gg. K e r s ch e n st e i n e r ist in München am Freitag im 78. Lebensjahre verstorben.
Briand will die Vertretung Frankreichs im Völkerbund nicht übernehmen.
Der Plan der Neckarkanalstrecke Heilbronn-Plochingcn soll vor dem Völkerbund als besonders wichtige öffentliche Arbeit vertreten werden.
Das dem Reichsarbeitsminister Stegerwald nahestehende Blatt „Der Deutsche" will wissen, die nationale Opposition wolle als Kandidaten den bayerischen General Epp aufstellen.
Zurückweisung in Berlin
Berlin. 15. Jan. An zuständiger Stelle werden die Ausführung«! Rosenbergs und Dr. Fricks entschieden zurück- gewiescn. Es gehe nicht an und müsse nachteilige Folgen haben, wenn parlamentarische Führer einer «roßen Partei gewissermaßen das Stichwort geben, daß das Ausland wieder mit 'dem Um fall der Reichsregierung rechnen könne.
Amtlich "wird erklärt, die Behauptung im „Völkischen Beobachter", daß dem Reichskanzler von ausländischer Ecue bedeutet worden sei, er könne ohne die Unterstützung Hiriers nicht als verhandlungssähig angesehen werden, sei eine freie Erfindung. Ebenso sei es falsch, daß Hitler einen neuen Besuch beim Reichskanzler nbstatten werde. Die angetmi- digte Denkschrift Hitlers sei in der Reichskanzlei noch nicht eiirgegangen.
Neue Nachrichten
Keynes Vorschlag für Lausanne
London, 15. Jan. Der bekannte englische Volkswirt- schastslehrer Pros. Keynes schreibt in der Wochenschrift „New Statesmon and Nation" zur Reparationskonferenz: Die Läge ist für eine endgültige Regelung noch nicht reit. Europa und Amerika werden von politischer Erregung beherrscht. Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Frankreich und in Deutschland (Preußen) sind die jetzigen keilenden Staatsmänner beider Länder jetzk noch gar nickst in der Lage, bindende Abmachungen zu treffen, da die Wahlen eine Aenderung der Regierung herbeiführen können. In einigen Monaten werden aber diese Fragen entschieden sein. Was in Lausanne jetzt schon beschlossen werden könnte, wäre Mein folgendes: 1. ein Versprechen der Verbündeten, Deutschland noch in diesem Jahr einen bestimmten und endgültigen Vorschlag für die endgültige Festsetzung keiner Verpflichtungen zu machen: 2. eine Vereinbarung, "die Entwicklung der Wirtschaftskrise während weiterer 6 Monate zu beobachten, bevor dieses Angebot gemacht wird; 3. im Hinblick auf diese Ziele eine Verlängerung des Moratoriums Deutschlands bis zum 15. Dezember und eine Vertagung der Konferenz um 6 Monate.
Im übrigen tritt Keynes dafür ein, daß die britische Regierung sich offen für völlige Streichung der Reparationen und der K riegsschulden erklären solle.
Teilnahme Frankreichs an der Lausanner Konferenz nur nach Verständigng mik England und Deutschland
London, 15. Jan. Der diplomatische Mitarbeiter des „Daily Telegraph" glaubt zu wissen, daß der französische Ministerpräsident Laval gewissen ausländischen Botschaftern in Paris zu verstehen gegeben habe, Frankreich werde an der Lausynrrer Konferenz nur teilnehmen, wenn vorher eine Verständigung mit Großbritannien und Deutschland erreicht sei.
Von amtlicher deutscher Seite wird wiederholt erklärt, daß angesichts der im Basler Gutachten festgestellteck „Gefahr im Verzug" eine Verschiebung der Konferenz nicht stattfinden dürfe. Deutschland erwart« bestimmt, daß der verabredete Zeitpunkt (25. Januar) eingehakten werde.
Me italienischen Finanzsachverständigen in London
London, 15. Jan. Di« italienischen Finanzsachverständigen, Professor Buti und Beneduce, sind aus Paris in London eingetroffen. Sie haben in Paris mit dem Finanz» minister Fl an bin und dm Beamten des fnmzSsislkteiz