Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Leite 2 Nr. 11

Freitag, den 13. Januar 1932.

dem Aber er ist unmöglich. Der Strom des Kapitals läßt sich nicht wieder in Bewegung bringen, wenn irgendwelche Ge­fahr besteht, daß die jetzige Lage wisiderkehrt. Hier liegt die Wurzel der ganzen Frage. Es ist zwecklos, jetzt eine vor­läufige Regelung zu treffen. Ein zweijähriges Moratorium wäre noch schlimmer als ein einjähriges, weil die Ungewiß­heit dann noch länger dauert. Die deutsche Auffassung, daß die Gesamtheit der Kriegsschulden restlos annulliert werden sollte, ist unwirtschaftlich, denn am Ende muß doch jemand bezahlen. Deutschland kann etwas bezahlen, wenn ein Plan ausgestellt wird, dessen störender Einfluß während Zeiten des Wirtschaftsdrucks ausgeschaltet werden könnte oder der überhaupt keine Störung verursachte. Für die Reparations­frage ist es von wesentlicher Bedeutung, daß es jetzt zu einer Vereinbarung kommt, die den sofortigen Beginn des Wieder­aufbaus gestattet. Eine Beseitigung der ganzen Reparations­frage wäre aufs dringendste zu wünschen, weil dadurch die Geistesverfassung der kriegszeit beseitigt würde. Der Ge­winn würde tausendfach sein. Wenn Frankreich seine Stel­lung wirklich sichern wollte, könnte es gar nichts besseres tun, als die Führung zu übernehmen und vorzuschlagen, die Reparationen zu beseitigen oder auf eine rein nominelle Ziffer im Jahr zu vermindern. Der wirtschaftliche Wieder­aufbau ist ohne eine französisch-deutsche Vereinbarung un­möglich. Zu einer solchen wird es aber nicht kommen, wenn sie nicht mit Zustimmung der Hitlerparkei in Deutschland erfolgt.

Politische Folgen eines Mords

Honolulu, 14. Jan. Ganz Hawai ist in größter Aufregung, so daß die amerikanische Regierung sich veranlaßt sah, den Belagerungszustand zu verhängen, weil der Aus­bruch von Aassenkämpfen befürchtet wird. Die Be satzungen der Forts sind in Alarmbereitschaft.

Die Ursache der Aufregung ist eine B l u t r a ch e, die der amerikanische Marineleutnant Massie an einem Kanaren (Eingeborenen) genommen hat. Vor wenigen Wochen war die Frau des Marineleutnants Massie von fünf Einwohnern überfallen und vergewaltigt worden. Die Matrosen der io Honolulu liegenden amerikanischen Kriegsschiffe hatten darauf einen regelrechten Feldzug gegen die Konaken er­öffnet und zahlreiche Einwohner halb totgeschlagen. Schließ­lich mußte Militär aufgeboten werden, um die wütenden Seeleute gewaltsam auf die Schiffe zurückzubringen. Da die Polizei die Schuldigen nicht ausfindig machen konnte, hatten Leutnant Massie und seine Familie beschlossen, auf eigene Faust Rache zu nehmen: in der vergangenen Woche war es ihnen auch anscheinend gelungen, einen den Schuldigen ums Leben zu bringen. Ein Polizist hielt des Nachts einen ver­dächtigen Kraftwagen an, in dem sich Leutnant Massie, seine Schwiegermutter, ein amerikanischer Matrose und die Leiche des Kanaken befanden. Bei einer anschließenden Haussuchung in der Wohnung Masfies wurde eine Blut­lache und Spuren eines verzweifelten Kampfes gefunden. Nunmehr wurden Massie und seine Helfershelfer auf Anordnung des Marineministeriums verhaftet. Die Marinebehörde weigerte sich jedoch, ihn der Ziviljustiz- behörde auszuliefern. Jetzt hat das Marineministerinm je­doch dem Ersuchen der Zivilbehörde nachgegeben und di? Auslieferung Massies sowie seiner zwei Mittäter verfügt. Mittlerweile hat die Angelegenheit jedoch so viel Staub auf­gewirbelt. daß mit schweren Anruhen zu rechnen ist.

Präsident Hoover teilte dem amerikanischen Kabinett mit, daß sofort eine Untersuchung über dis Zustände in Ha­wai eingeleitet werde.

Mittelamerikanischer Einheitsstaat?

Aus Guatemala-Stadt wird von Verhandlungen zwischen Guatemala, Nikaragua, Honduras, Kostarika und Salvador gemeldet, welche die Schaffung e i n e r m i t t e l am e r i k a- irischen Republik im Auge haben. Wenn sich diese Mitteilung bestätigen sollte, so eröffnet diese Möglichkeit be­merkenswerte Ausblicke. Zunächst einmal würde ein solcher Zusammenschluß einen schweren Schlag für die nordameri­kanische Finanzwelt bedeuten, die in jedem dieser Länder einzeln interessiert ist und sie gegeneinander ausspielt. Dann aber würde dieser Zusammenschluß der Rassenfrage in Amerika ein anderes Gesicht geben. Beträgt doch die Be­völkerung dieser Länder zusammen etwa 5,5 Millionen (Hon­duras rund 900 000, Nikaragua 600 000, Guatemala etwa 2 Millionen, Kostarika 500 000, Salvador 1.5 Million), wo­von schätzungsweise (mit Ausnahme von Kostarika) 80 bis 90 v. H. Indios sind. Schließlich würde diese Republik einen Keil .zwischen die Vereinigten Staaten und die süd- amerikanischen Republiken treiben, der den allamerikanischen Gedanken, wenigstens unter nordamerikcmiscker Vorherr­schaft, auf unabsehbare Zeit zumindest verschieben würde.

Württemberg

Stuttgart, 14. Januar.

Ein Besuch in der Reichswehrkaserne. Der neue Divi- fionskommandeur, Generalleutnant Liebmann, gab heute vormittag den Vertretern der Presse Gelegenheit, in den inneren Betrieb einer Aeichswehrkaserne Einsicht zu neh­men. In Begleitung von Major Brand und Hauptmann Faulenbach vom Stab der 5. Division wurden die Ka­sernen der Rachrichtenabteilung V in Cannstatt, Ahein- landstrahe 184, und der Kraftfahrabteilung V in Cannstatt, Taubenheimstraße 79, besichtigt. Die Besichtigung zeigte vor allem die großen Veränderungen in den Kasernen in­folge der Amstellung von der allgemeinen Wehrpflicht zum Berufsheer. Die Kasernenräume sind zum großen Teil Schulräume geworden, da ein wichtiger Teil des Dienstes die Borbereitung des 12 Jahre dienenden Soldaten aus dessen späteren Zivilberus bedeutet. Die Heeresfachschule, die vom 2. Dienstjahr ad besucht wird und in der Unter­stufe bis zum 7. Dienstjahr zugleich auch der Hebung der Allgemeinbildung der Soldaten dient, gliedert sich von der Oberstufe ab in die Fachschulen für Verwaltung und Wirt­schaft, für Gewerbe und Technik und für Landwirtschaft. Die Angehörigen der Fachschule für Gewerbe und Technik erhalten eine vollständige handwerkliche Ausbildung und machen nach der Unterstufe die Gesellenprüfung, am Schluß -er Oberstufe die Meisterprüfung. Wie der Augenschein urch die Teilnahme am Unterricht ergab, sind die Unter- richtssäle und die Werkstätten aufs beste eingerichtet. Auch die übrigen Kasernenräume, Mannschaftsstuben, Lesesaal, Speisesaal, sind sehr freundlich und wohnlich ausgestattet. Der Neubau der Nachrichtenkaserne stellt die modernste Kaserne Deutschlands dar. Die Soldaten liegen in diesem Neubau in kleinen Zimmern zu viert beisammen. Zum Schluß der Besichtigungen gab der Fürsorgereferent der 5. Division, Oberstleutnant a. D. v. Watter, eingehende Aufschlüsse über die Fürsorgeeinrichtigunaen des Neichs-

heers und besonders über die großen Schwierigkeiten der Unterbringung der ausgeschiedenen Heeresangehörigen. Im Jahr 1928 sind 8400, 1929 9000, 1930 9700 und 1931 13 400 Soldaten nach Ablauf ihrer Dienstzeit ausgeschieden. In­folge des allgemeinen Abbaus bei den Behörden und in der Privatwirtschaft wird ihre Unterbringung immer schwieri­ger. Im letzten Jahr waren insgesamt noch 44 00Ü Anwär­ter, einschließlich der Schutzpolizisten, unversorgt. Im Be­reich der 5. Division konnten im Jahr 1931 921 unterge­bracht werden, während für 1275 keine Stellung gefunden werden konnte.

Gesellenprüfungen. Die Handwerkskammer Stuttgart veranstaltet im Frühjahr 1932 wieder Gesellenprüfungen für alle Gewerbe des Kammerbezirks. Die Anmeldung zur Gesellenprüfung hat bis spätestens 15. Januar 1932 bei der Handwerkskammer Stuttgart, Neckarstr. 57, Hhs., zu er­folgen, wo auch jede weitere Auskunft erteilt wird.

Ansteigen der Zahl der Unterstützten. Nach einer Ueber» sicht des Wohlfahrtsamts betrug die Zahl der Hauptunter- stützungsempfänger im Dezember 13 184 gegen 9224 im Vor­jahr und 12 721 im November. Krissnunterstützungssmpfän- ger waren hierunter im Dezember 6703. Die Zahl der voll unterstützten Wohlfahrtserwerbslosen betrug 4724 gegen 2028 i. V. und 4325 rm November. Die Zahl der beim Wohl­fahrtsamt in laufender Fürsorge stehenden Parteien betrug am 1. Januar insgesamt 24 911 gegen 17822 i. V. und 23 692 am 1. Dezember. Der Monatswnfwand für die Geld­unterstützungen des Wohlfahrtsamts betrug im Dezember 925 000 im Dezember des Vorjahrs 488 000 ttt, und im November 809 000 »tl.

Herabsetzung der städk. Mietpreise. Die Wirtschafts- Abteilung des Gemeinderats bat heute folgende Herab­setzung der städt. Mieten beschlossen: in Altwohnungen wird die Miete um 10 v. H., in Neubauwohnungen um 8,5 v. H. oder ein Zwölftel der Jahresmiete gesenkt. Für Geschäfts­räume in städt. Bauten beträgt die Mietsenkung ein Drei­zehntel der Jahresmiete.

Vollzug des Forstpolizeigesetzes und Forststrafgefetzes. Das

Innenministerium gibt im Amtsblatt die Anweisung der Forstdirektion und der Körperschaftsforstdirektion zum Voll­zug des Forstpolizeigesetzes und Forststrafgefetzes vom 1. August 1931 bekannt.

Künstlerabend für die Sck>loßbrandhiljs. Wie groß das Interesse der Stuttgarter Bevölkerung an dem Wieder­aufbari ds Alten Schlosses ist, zeigte der überaus große Besuch des Bunten Abends, den Stuttgarter Künstler FM Mittwoch abend im Kuppelsaal des Kunstgebäudes zugunsten der Schlohbrandhilfe veranstalteten. Unter den Gästen be­fanden sich die Spitzen der staatlichen, städtischen und Reichs­behörden. Mitwirkende waren die Kapelle des 1. Grenadier- Bataillons Jnf.-Rogts. 13, ferner Kammersänger Schätzler, die Ballettänzerin Lina Gerzer, Willy Reichert, Zauber­künstler Willy Widmann u. a. Besonderen Beifall fand eine Parodie von Willy Reichert auf die Genfer Friedenskonfe­renz, die mit einer Prügelei endete. August Lämmle gab einen Ueberblick über Entstehung und Geschichte des Alten Schlosses im Zusammenhang mit Staat und Stadt. Ver­schiedene Lichtbilder zeigten die Schönheit des Schlosses und dis Verwüstung durch den Brand. Die Veranstaltung, die größten Anklang fand, war für die Schlohbrandhilfe ein voller Erfolg.

Die Löhne der Slaaksholzhauer. Abg. Kling hat in einer Anfrage an das Staatsministerium angeregt, die zehn­prozentige Lohnkürzung bei den Staatsholzhauern ab 1. Fe­bruar wieder aufzuheben.

Einsparungen beim Landeslheaker. In der Sitzung des Theaterbeirats teilte Generalintendant Keh m mit, daß sich infolge des besseren Theaterbesuchs nach der Ermäßigung der Eintrittspreise der noch einzusparende Betrag, bis 1. April 1932 berechnet, aus 90 000 Mark vermindert habe. Am 1. August d. I. werden alle Anstellungsverträge ab- gelausen sein. Die Theaterleitung hat dann freie Hand. Im Beirat wurde bemängelt, daß der Verwaltungsapparat zu kostspielig sei.

Vom Tage. In einem Haus der Kappel'bergstraße in Untertürkheim hat sich ein 20jähriger Mann erschossen. In einem Haus der Hackstraße versuchte eine 40 I. a. Frau sich durch Gas zu vergiften. Der Sauerstoffapparat wurde mit Erfolg angewendet.

Abschuß von Wildschwänen. Hauptkonservator Dr. Schwenke! schreibt uns: Nach Zeitungsberichten zog eine Kette wilder Schwäne aus nördlicher Richtung über Bol- heim und ließ sich bei Anhausen aus der Brenz nieder. Einem mit Namen genannten Förster von dort gelang es, zwei Tiere zur Strecke zu bringen". Es ist tief bedauerlich, daß durchziehende Wildschwäne, die dem nordischen Winter ausweichen, bei uns weggeschossen werden und daß selbst ein Förster, der der Jägerwelt ein gutes Vorbild geben sollte, eine solche Handlung begeht und sich in der Presse noch dafür feiern läßt. Zwar handelt es sich nicht um die Uöbertretnng eines Gesetzes, denn die Wildschwäne gelten bei uns der Ueberlieserung nach als jagdbar, aber es handelt sich um Mangel an Verständnis für die Forderungen des Naturschutzes und das Fehlen der Gesinnung, die man von einem weidgerechten Jäger und vor allem von einem För­ster erwarten sollte. Im letzten Jahr ist es sogar vorgekom­men, daß ein Jäger in der Gegend von Ehingen zwei Wild­schwäne in Gegenwart von Schulkindern niedergeknallt hat. Diese Fälle beweisen, wie nötig es ist, darüber Klarheit zu schaffen, welche Tiere geschützt sind und welche vom Jäger erlegt werden dürfen. Leider ist es so, daß die ungeschriebenen Gesetze, die für jeden anständigen Jäger gelten sollten, nicht allgemein befolgt werden.

Rosenfeld OA. Sulz, 14. Jan. Raubüberfall. Ein Händler aus Jsingen wurde am Montag im Rosenfelder Tal von einem Fremden überfallen, und, da er kein Geld bei sich hatte, seines Korbs mit Eiern und Butter beraubt. Auf seine Hilferufe eilten die Bewohner der Fischermühle herbei. Inzwischen hatte der Täter jedoch das Weite gesucht.

Oberndorf. 14. Jan. Der Kausvertrag mit Mau­ser. In der letzten Gemeinderatssitzung kam der Kauf­vertrag mit den Mauserwerken betr. Ueberncchme des Hilfs­krankenhauses sowie der Straßen und Plätze der Werksied­lung durch die Stadt nochmals zur Sprache. Das Kollegium stimmte unter dem Zwang der Aufsichtsbehörde dem Kaus- vertraa m.

mac^k llnem/F/uArcke/'

Reutlingen. 14. Jan. Zwei falsche Kriminal­beamte. Bei den zwei Reutlinger Männern, die von einer hiesigen Frau unter der Maske von Kriminalisten 8300 RM. erschwindelten, handelt es sich lt.Reutlinger General- anzeiger" um den 27 I. a. Reisenden Fritz und den 29 I. a. Hilfsarbeiter Kämmerer. Beide sind verheiratet. Das Opfer ihrer Betrügerei ist eine alleinstehende Dame, die als Wohltäterin bekannt ist. Die Untersuchung über den Verbleib der restlichen Gelder die Angeklagten behaupten, es sei von dem erschwindelten hohen Betrag nichts mehr übrig und darüber, ob sonst noch Personen wissentlich im Mitgenuß dieser großen Betrügerei standen, ist noch nicht abgeschlossen.

Tübingen, 14. Jan. Todesfall. Gestern starb Kauf­mann Wilhelm Rieckert- Er gehörte vor dem Krieg lange Jahre dem Bürgerausschuß an.

Billingen im Schwarzwald, 14. Jan. Wilderer f e sk- genommen. Ein Hilfsarbeiter aus Schwenningen wurde von einem Jagdaufseher beim Wildern ertappt und trotz beftigen Widerstands festgenommen. In der Wohnung des Verhafteten wurden Teile von Wild gefunden.

Göppingen, 14. Jan. Schwerer Betriebsunfall. Ein bei der Firma Zeller u. Ginelin in Eislingen beschäftig- ier Heizer, der erst von einer im Betrieb erlittenen Gasver­giftung vor kurzem wiedergenesen war, erlitt gestern durch den Bruch eines Dampfrohrs schwere Verbrühungen. Er wurde ins Bezirkskrankenhaus Göppingen eingewiesen. Un­tersuchung über die Ursache des Rohrbruchs ist eingeleitet.

Ringschnait OA. Biberach, 14. Jan. Bon einem Schwein an gefallen. Letzter Tage war der Metzger und Kasirateur Franz Pfender im Gasthof zum «Adler' damit beschäftigt, junge Schweine zu kastrieren. In Gegen­wart von mehreren Personen brach plötzlich das Muttsr- schwein aus dem Stall aus und stürzte sich mit einer un­bändigen Wut auf Pfender, riß ihn zu Boden, biß sich in der Bauchgegend desselben fest und schüttelte den Bedau­ernswerten heftig umher. Nur mit großer Mühe konnte das wilde Tier gebändigt werden. Der Verunglückte mußte sofort in das Krankenhaus Ochsenhansen übergeführr werden.

Ravensburg, 14. Jan. 8jähriges Mädchen ver­öl ißt. Seit gestern nachmittag wird die 8 I. a. Tochter Grete des Friseucmeisters Störer vermißt. Das Kind be­suchte bis um 12 Uhr den Schulunterricht und entfernte sich dann aus der Stadt. Gegen 8 Uhr abends wurde das Kind mit dem Schulranzen in der Hand wieder in der Stadt gesehen. Das Mädchen ist aber bis gestern abend nicht nach Haus gekommen.

Pforzheim, 14. Jan. Vergiftet. Der bekannte Patent­anwalt Hugo Haller hat sich mit Cyankali vergiftet. Der Grund ist unbekannt. Haller hatte als Kunstsammler nicht unbedeutenden Wert in seinem Heim untergebracht.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 15. Januar 1932.

Wenn wir Gott fürchten und ehren, so ist der Weg bereit, daß wir reich und selig werden und dazu genug haben. Der kann dann recht brauchen des Reichtums, der Ehre und Lust. Das können der Welt Kinder nicht, greifen Gott in sein Amt, suchen allein das Ihre drinnen. Aber die Gott fürch­ten, die nehmen sich der Güter nicht an ohne seinen Willen. Das ist der Unterschied zwilchen denen, die ihn fürchten und die ihn nicht fürchten.

Dom Rathaus

Gemeinderatssitzung vom 13. Januar 19,32. Anwesend: Der Vorsitzende und 16 Stadträte.

Abwesend: Niemand.

Bei der Eröffnung der ersten Sitzung des Eemeinderats im neuen Jahr und in seiner neuen Zusammensetzung begrüßte Bürgermeister Maier die Mitglieder und wünschte ihnen ein gesegnetes Neujahr. Er begrüßte besonders die wiedergewähl­ten und neugewählten Mitglieder des Gemeinderats und heißt sie herzlich willkommen. Die vorbildlich ruhige und entschlossene Wahl der Bürgerschaft, berechtigt zu der Hoffnung, daß im Gemeinderat wie bisher, so auch künftig ersprießliche und nur dem Eesamtwohl dienende Arbeit geleistet wird. Er führte weiter aus: In normalen Zeiten ist es üblich, zu Beginn eines neuen Jahrs und vollends einer neuen Wahlperiode eine Art Zukunftsprogramm auszustellen, um Pläne zu machen über das, was wir im Lauf der Zeit zu tun gedenken und wie eine ge­deihliche Weiterentwicklung der Stadt am besten sichergestellt wird. Nichts kennzeichnet die Lage besser, als die Tatsache, daß wir heute von Monat zu Monat nur von der Hand in den Mund leben und unmöglich Programme auch nur für die nächste Zukunft aufstellen können. Im Zeichen der Notverordnungen stehen Abbau und Einschränkungen. Unser ganzes Dichten und Trachten ist das Streben nach Erhaltung des Bestehenden mit einer unserer Verarmung entsprechenden vernünftigen und spar­samen Gestaltung unserer ganzen Verwaltung, ihrer Anstal­ten und Einrichtungen. Wir werden in dieser Richtung bei der Aufstellung und Verabschiedung unseres Haushaltsplans für 1932 im März oder April dieses Jahres ein reiches Feld der Betätigung haben, wo insbesondere für die neuen Mitglieder des Kollegiums Gelegenheit sich geben wird, in die gesamte Verwaltung der Stadt Einblick zu tun und selbst einzudringen. Ich glaube, wir werden bis dahin alles Wesentliche und Grund­sätzliche zurückstellen können. Doch möchte ich im allgemeinen noch sagen, daß die beispiellos schwere wirtschaftliche Not un­seres Volkes, die Zeit schwerster Finanzschwierigkeiten in Reich, Staat und Gemeinden sowohl, wie bei den Einzelunternehmun­gen, wobei der Einzelne wie das Ganze um die nackte Existenz zu kämpfen haben, die große Arbeitslosigkeit und die fort­schreitende Verarmung - , den Gemeinderat vor überaus schwere Aufgabenstellt und von seinem Handeln, seiner Weis­heit und seinem Verantwortungsbewußtsein viel davon ab­hängt, wie unsere Stadt diese Krise überwindet. Die städtischen Finanzen sind ja, wie wir in der letzten Sitzung gehört haben, noch intakt. Wir dürfen aber in der Sorge um sie niemals er­lahmen; noch ist nicht abzusehen, wie lange die Krisis noch dauert und welchen Grad von Schärfe sie auch bei uns noch an­nehmen wird. Es hat keinen Zweck, nur zu jammern und zu klagen und sich und seine Mitmenschen zu entmutigen; damit machen wir nichts besser. Weder Pessimismus noch Optimismus helfen. Wir müssen die Dinge in nüchterner Betrachtung neh­men wie sie sind und wir müssen mit den Zeitgenossen hin­durch und wenn das Tal noch so dunkel ist. Nur der Mensch ist verloren, der sich selbst aufgibt und das Vertrauen und den Glauben an das Göttliche Walten, aber auch an sich selbst und seine Mitmenschen und an Volk und Vaterland verliert. Die Stadt Nagold hat in ihrer langen und wechselvollen Geschichte, wie sie unser verehrter Ehrenbürger, Herr Stud.-Direktor Dieterle, geschrieben hat, schon manche Katastrophe und Krise erlebt und