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Nr. 252 Gegründet 1827 Alittwsch, den 28. Oktober 1931 Fernsprecher Nr 29 105. Jahrgang

Allgemeine Enttäuschung

ragesspiegel

Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis man vom Be­such Lavals in Amerika ein in allen Einzelheiten geiraues Bild bekommt. So viel aber ist jetzt schon klar: der Zweck des Besuchs ist gründlich verfehlt worden.

In Frankreich erwartete man von Lavals Aussprache mit Hoover zweierlei: einmal eine Verständigung über die Schuldenfrage im französischen Sinn, das heißt, eine Er­mäßigung drr französischen Kriegsschulden an Amerika, wo­für man allenfalls mit einer Ermäßigung des deutschen Kriegstributs zu quittieren gedachte, dergestalt aber, daß die deutsche Tributpflicht im engeren Rahmen voll wirksam blieb. Und dann erwartete man einen Sicherheitspakt in der Form, daß Amerika sich verpflichtete, dem Angreifer in einem künftigen Krieg nicht die Hilfsdienste zu leisten, die es im Weltkrieg unseren verbündeten Gegnern schon geleistet hatte, ehe es selbst in den Krieg eintrat. DieSicherheit" Frank­reichs sollte dadurch erhöht werden, daß Amerika als Liefe­rant von Kriegsbedarf für etwaige Gegner Frankreichs ein für allemal ausschiev. Frankreich selbst ist mit Kriegsbedarf für absehbare Zeit ja mehr als ausreichend versehen.

Die französische Lösung der Schuldenfrage wollte also die Jehlleitung des Kapitals, die allgemein als eine der Hauptursachen^der Weltkrise erkannt worden ist die ge- walstame Herauspumpung von Kapital aus kapitalarmen Ländern und seine Ueberführung ohne Gegenleistung in kapitalstarke Länder, grundsätzlich beibehaltsn. Gleichwohl wäre in Washington über eine Lösung der Schuldensrage zu reden gewesen, die vielleicht das in solchen Fällen übliche, flaueKompromiß" gebracht hätte. Worüber aber nicht zu reden war, das war der Sicherheikspakt. Das hätten die Franzosen wissen können, wenn sie fähig wären, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, und auch dann so zu sehen, wenn sie sich für Frankreich ungünstig entwickelt haben. Und so hat man in Amerika geglaubt, den Franzosen zunächst einmal über die amerikanischen Dinge den Star stechen zu müssen.

Da Präsident Hoover als Wirt das nicht gut selbst be­sorgen kann, so wurde Senator Borah damit beauf­tragt. Borah ist der Vorsitzende des Senatsausschusses für auswärtige Politik, und der Senat hat in allen Fragen dieser Politik das letzte Wort zu sprechen. Borah hat das Star- siechen mit echt amerikanischer Sachlichkeit besorgtgrob, aber herzlich", wie Laval selbst gesagt hat. Amerika ist zu weitem Entgegenkommen in der Schuldenfrage bereit, er­wartet dafür aber, daß Europa endlich mit dem Friedens­schluß Ernst mache, das heißt, daß es den Versailler Zwangs- sriedcn umwandle in einen Verkragsfrieden, dm auch der Unterlegene aus freiem Entschluß annehmen kaum Borah hat in diesem Zusammenhang deutliche Worte gesprochen über den unhaltbaren Zustand an der deutschen Ostgrenze und den Korridor. Borah findet sich da in Uebereinstim- mung mit Marschall Fach, der seinerzeit aus den Korridor verwiesen hat mit den Worten: hier wird der nächste euro­päische Krieg ausbrechen

Von seiten der Amerikaner ist es durchaus begreiflich, daß sie die Beseitigung künftiger Kriegsursachen wünschen, bevor sie sich tiefer in die europäischen Angelegenheiten ein­lassen. Für die Franzosey ist diese sachlich-nüchterne Denk­weise einfach unfaßbar, denn der Durchschnittsfranzose hak sa keine Ahnung davon, was der Versailler Vertrag für Deutschland und Mitteleuropa bedeutet. Es genügt ihm, daß die Deutschen selbst denheiligen" Diktatfrieden angenom­men haben, um jedes Ansinnen, das ans eine Abänderung abzielt, als unberechtigt und schädlich nbzuweisen. Eben dar­um ist es von außerordentlicher Bedeutung, daß die Fran­zosen auf dem Umweg über den Zusammenstoß Laval Borah erfahren, daß es in der Welt außer den deutschen Pangsrmanisten" auch noch andere Leute gibt, die den Ver­sailler Zwangsfricden keineswegs für dreimal heilig, unan­tastbar und völkerbeglückend halten.

Bei solcher Lage der Dinge ist es nickt leicht, über die Ergebnisse" der Aussprache Hoover-Laval eine gemeinsame Erklärung abzusassen. Wan merkt dem Dokument, das da zustande aekommsn ist, die Mühe an, die es seinen Urhebern gemacht hat. lieber fromme Wünsche kommt es nirgends hinaus. Selbst das Festhalten an der Goldwährung wird, ge- uau gesehen, nur fürwünschenswert" erklärt. Der Ab- rustunaskonserenz werden gute Wünsche mit auf den Weg gegeben. Und fürwünschenswert" wird es erklärt,, daß vor Ablauf des Hooversahrs, also vor dem 1. Juli 1932, ein Abkommen aller Beteiligten darüber getroffen wird, was nun weiter werden soll. Wenn deneuropäischen Mächten" dabei ausdrücklich der erste Schritt zugeschoben wird, so läßt das einen Grad der Zurückhaltung bei den Amerikanern er­kennen, den als Ergebnis der Reife Lavals sicher kein Fran­zose erwartet hat.

Wie sehr die Franzosen von dem Ergebnis enttäuscht sind, geht aus dem Nachdruck hervor, mit dem ihre Presse Raubt betonen zu müssen, der VounZplanbleibt in Kraft". Ist das wirklich alles? Da der Boungplan noch nicht außer nrast gesetzt ist, so wird er einstweilen woblin Kraft blei- don". Nur daß sich inzwischen die ganze Welt einschließlich dsr Franzosen davon hat überzeugen müssen, daß es mit MerKraft" nicht allzu weit her ist. Der Boungplcm bat Uw als undurchführbar schon nach dein Ablauf eines Jahrs

erwiesen und wird wahrhaft^ dadurch nicht durchführbarer, daß sich die Franzosen und Amerikaner auseinand-eroerstgn- digt haben!

Das ölles hat sich sozusagen ohne deutsches Zutun selbst- tätig entwickelt. Die Frage wäre nun, ob Deutschland der Weiterentwicklung, wie bisher, untätig zusehen soll, oder ob es nicht versuchen sollte, die Entwicklung in seinem Sinne zu beeinflussen. Zu dem Ende müßte Deutschland allerdings erst wissen, was es will, das beißt, es müßte ein starker Mehrbeitswille^vorbcmden sein für ein Vorgeben der deut­schen Außdupolitik in bestimmter Richtung.

Ist es da nicht beschämend, daß Mussolini es ist, der in feiner Neapeler Rede wieder die Revision der Friedens­diktate und die Gleichberechtigung von Kriegsgewinnern und Kriegsverlierern gefordert hat, daß sich auf dieser Forderung aber keine zielklare deutsche Außenpolitik aufbauen läßt? Weildie Parteien" sich über die Art der Durchführung nicht zu einigen vermögen. Trotzdem müßte man versuchen, eine innerdeutsche Einheitsfront für Außenpolitik zusammen­zubringen. Auf Grund eines Programms etwa, das von Mussolini über den 'schwedischen Volkswirtschaftler Gustav Cassel zum amerikanischen Senator Borah reichte. Eines PrograinMHs also, das Gleichberechtigung, Schluß mit der»., wirkschaftsfeindlichen Tributen und Heilung der offenen Wunde -ü der deutschen Osft-.enze fordert. Kein Punkt die­ses Programmes brauchte schriftlich niedergelegt oder gar nach beliebter Bürokratenweise in Paragraphen gebracht zu werden. Es müßte nur da sein, in Millionen Köpfen, zuerst und vor allem im Handeln der verantwortlichen Staats­männer. Dann würde solch ein ungeschriebenes Programm seine Werbekrast erweisen trotz des'Auseinanderstrebens der Parteien.

Sie haben sich

Paris, 27. Okt. Ministerpräsident Laval hat in Neu- york bei einem ihm von der französischen Handelskammer und den französischen Bereinigungen gegebenen Bankett eine Ansprache gehalten, in der er ausführte:Wir hatten für unsere Besprechungen kein Protokoll festgelegt und auch kein Aktionsprogramm vorgesehen, verfolgten aber die ge­meinsame Absicht, in einer freien, offenen Aussprache die verschiedenen, durch die gegenwärtige Krise aufgeworfenen Fragen eingehend zu prüfen. Unsere Bemühungen werden nicht vergeblich gewesen sein. Wir haben uns bester kennen gelernt. Die Vereinigten Staaten und Frankreich sind durch den Ozean getrennt. Unsere Demokratien haben nicht die gleiche Verfassung, und unsere oft verschiedenartigen politischen Überlieferungen lassen gewisse Mißverständnisse, die uns bisweilen getrennt haben, ziemlich begreiflich er­scheinen. Künftig wissen wir, wer wir sind und was wir wollen, ferner was wir von den Bereinigten Staaken er­warten können Und diese von uns. Die Zusammenarbeit beider Länder wird somit enger gestaltet, weil unsere beiden Negierungen ihre gegenseitigen Interessen und gemeinsamen Pflichten klarer begreifen werden."

Die Rede ist ziemlich zweideutig.

Frankreichs weitere Pläne in der

Paris, 27. Okt. Nach Gerüchten aus amerikanischer Quelle die derNewyork Herald" wiedergibt, soll Laval nach seiner Rückkehr beabsichtiaen. die franaöstsche Reaieruna um die

Das LuftschiffGraf Zeppelin" wird Mittwoch früh 6 Uhr in Iriedrichshafen erwartet.

Das Reichskabinelt hat am Dienstag die am Donnerstag unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten beginnenden Ver­handlungen des Wirkschafksbeirats vorberaten.

Der Reichsaät wird am Donnerstag die Gesetzesvorlage über weitere Ausprägung von Zweimarkstücken im Betrag von 30 Will. RM. behandeln.

Der volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstags wird 4. November, Ser sozialpolitische auf 6. November, der Aus­schuß für landwirlschfatliches Siedlungswesen auf 9. Novem­ber einberufen

Der freiheitlich-nationale Gewerkschaftsring Hai in Ein­gaben an die Landesregierungen gefordert, daß bei der Be- rusung von Beiräten der Spar- und Girokasfen die Organi­sationen der Arbeiter und Angestellten und deren Rich­tungen gleichmäßig berücksichtigt werden.

Das neugervählke englische Unterhaus wird am 3. No­vember zusammentreken, um den Sprecher zu wählen und andere vorbereitende Geschäfte vorzunehmen. Die feierliche Eröffnung durch den König findet am 10. November statt. Die Thronrede wird vom Kabinett am Donnerstag auf­gesetzt.

Die Balkankonserenz in Angora hak in einem Beschluß ein Sicherheits- und ein Schiedsgerichtsabkommen empfoh­len. Die nächste Konferenz soll in Bukarest stakkfinden.

Der amerikanische Staatssekretär Ltimson hak den deut­schen und den englischen Botschafter empfangen, um ihnen die Rätsel des amtlichen Berichts zu erklären.

Kennen gelernt

Ermächtigung zur Einberufung einer Konferenz der an der Reparationsfrage interessierten Nationen einschließlich Deutschland zu ersuchen. Aufgabe dieser Konferenz würde es sein, über die Möglichkeit einer weiteren Reparationsherab- sehung zu entscheiden und einen neuen Zahlungsplan vor- zubere-tten, der Präsident Hoover als Ersatz für das am 1. Juli 1932 ablaufende Feierjahr zur Begutachtung unter­breitet werden könnte. Diese Weltkonferenz würde nach all­gemeiner Ansicht sin Paris Ende November oder Anfang Dezeinde- zusammentreten.

Andererseits schreibt der Außenpolitiker desEcho de Paris", dch französische Regierung werde die Einberufung des im Mungplan vorgesehenenkonsulkativkomilees" Vor­schlägen. Er knüpft daran die Frage: Wird Deutschland den Rat, den die französische Regierung ihm erteilen würde, be­folgen und bei der internationalen Zahlungsbank in Bafel die Ernennung des Konsultativkomitees beantragen, das während des Moratoriums Deutschlands Zahlungsunfähig­keit abschätzen soll? Wenn Deutschland ihn ablehnt und er­klärt, daß alle Noungplanklauseln einschließlich der betresisnd das Konsultativkomitee durch das Hoooerfeierjahr bis zum 1. Juli 1932 ausgehoben seien, wie werden sich dann die Ver­einigten Staaten verhalten? Sie haben ihre Aktionsfreiheit behalten, aber versichert wird französischerseits, daß sie ver­sprochen haben, eine wohlwollende Haltung einzunehmen. Auf jeden Fcrll scheint es nicht so, daß wir künftig ein neues schroffes Vorgehen Hoooers zu befürchten haben.

BernWeude MerlW der englische!! Ardeiter-mei

Das Ergebnis bis 4.S0 Uhr: Die KonservaLive» gewinnen 101, die Arbeiter verlieren 111 Sitze

Das Wahlfieber in England

London, 27. Qkt. Das englische Volk w?rd angesichts der heutigen Wahlen zum Unterhaus von einem nie daaeweie- neu Wahlfieber geschüttelt. Die Presse beider Lager über- bietet sich inEnthüllungen". So schlagen die konservativen Blätter Kapital aus der Mitteilung des früheren liberalen Finanzministers Runciman, die Arbeiterregierung habe vor einigen Monaten die Einlagen der Postspar­kassen verpfändet, um die Arbeitslosenversicherung über Wasser zu halten. Die Blätter der Arbeiterpartei mel­den, eine Anzahl Fabriken habe in den Lohntüten der An­gestellten die Warnung verbreitet, die Betriebe werden ge­schlossen werden müssen, falls die Nationalregierung keine arbeitsfähige Mehrheit erhalte. Hsnderfon, der jetzige Führer der Arbeiterpartei, ist unter der Wühlarbeit zusammen­gebrochen und liegt krank in Durnley. Da von den 286 Be­zirken, die von der Arbeiterpartei im Jahr 1929 erobert wurden, 220 nur mit verhältnismäßig kleinen Mehrheiten und weil die bürgerlichen Stimmen sich in Konservative und Liberale zersplitterten, gewonnen wurden, glaubt man, daß die Partei dem geeinigten nationalen Block gegenüber viele Unterhaussitze verlieren werde. ' ' ' >

Starke Wahlbeteiligung in England. Keine Unruhen

London, 27. Okt. Während die Menschenmengen in den Straßen auf die Ergebnisse der Wahlen zum Unterhaus? warten, wird der König, der anläßlich der Wahlen von Sandringha.-.c in die Hauptstadt zurllckgekehrt ist, die Wahl­ergebnisse im Buckinghampalast bis spät in die Nacht hin­ein am Rimdfunkt erfahren. Die Abgabe der Stimmen voll­zog sich unter lebhafter Beteiligung in voller Ruhe und Ordnung und wird wahrscheinlich einen Rekord darstellen.

Das Ergebnis um 4.5V Uhr:

London, 28. Okt. Nach den bis 4.50 Uhr vorliegenden Wahlergebnissen zum Unterhaus haben sich folgende Zah­len ergeben:

Konservative 222.

Nationale Arbeiterpartei (Gruppe MacDonald) 1.

Arbeiteropposition (Hendersün): 23.

Splitterparteien 2.

Liberale aller Richtungen: 37.

(davon Gruppe Simon 14).

Die Konservativen haben somit bis zur Stunde 101 Sitze gewonnen und keinen verloren, die Arbeiteropposition keinen Sitz gewonnen, dagegen 111 verloren. Die Liberalen