Seite 8 - Nr. V6
«»goltzer T»gbl«tt »»er Lese>sch»ster"
Montag, 27. April 1981
Württemberg
Semeindeumlagen in Württemberg im Jahr 1930
Einschließlich der etwaigen Nachumlagen ergibt sich für das Rechnungsjahr 1930 folgendes Bild:
Von den 55 württembergischen Gemeinden über 5000 Einwohner haben im Rechnungsjahr 1930 9 eine Umlageerhöhung (und zwar 4 um 1 v. H., 4 um 2 v. H-, eine um 4 v. H.), dagegen 5 eine Umlagsermäßigung beschlossen (eine um 1 v. H., drei um 2 v. H-).
Von den 1823 Gemeinden unter 5000 Einwohnern haben im Rechnungsjahr 1930 507 Gemeinden ihre Umlage ermäßigt, 476 dagegen ihre Umlage erhöht.
Im Jahr 1931 sind bekanntlich Umlageerhöhungen durch Aeichsgeseh ausgeschlossen. Nach Zeitungsnachrichten konnte festgestellt werden, daß von den 22 württembergischen Städten mit 10—50 000 Einwohnern mindestens vier ihre Gemetndemnlage im Krisenjahr 1931 sogar senken konnten.
Die Zahl der Gemeinden mit besonders hohen und in ganz besonders starkem Ausmaß, auch die Zahl der Gemeinden mit ungewöhnlich niederen Umlagesätzen ist zurückgegangen. Vorwiegend handelt es sich dabei um Gemeinden mit erheblichem Wald besitz, aber auch die im vergangenen Jahr bei den Landtagsberatungen über die Lan- oessteuerordnung neugeschaffene Bestimmung des Art. 14 a Abs. 2, die Gemeinden mit nicht mehr als 12 v. H. Umlage von der Beteiligung an gewissen Reichssteuerüberweisungen ousschließt, dürste den Entschluß zur Umlage er Höhung m mancher dieser Gemeinden erleichtert haben.
Im ganzen gesehen ist also in Württemberg die Aufwärtsbewegung der Gemeindeumlagen schon mit dem Jahr 1929 zum Abschluß gekommen.
Im Gegensatz dazu sei darauf hingewiesen, daß im Jahr 1930 nach den Veröffentlichungen des Deutschen Städteta- S von 121 preußischen Stadtgemeinden mit mehr a's 25 000 Einwohnern 84 die Realsteuerzuschläge (entsprechen der württembergischen Gemeindeumlage) erhöhen mußten und zwar sehr wesentlich; Steigerungen um l-L des bisherigen Satzes sind durchaus keine Seltenheit. Außerdem bat ein großer Teil dieser preußischen Gemeinden schon im Jahr 1930 von den Steuermöglichkeiten derNot- Verordnungen vom Juli und Dezember 1930 in weit stärkerem Ausmaß Gebrauch machen müssen als die württembergischen Gemeinden.
Stuttgart, 26. April.
Roman und Rama. Das Württ. Justizministerium hat, wie gemeldet, gegen kommunistische Zeitungen in Stuttgart und Berlin Straftmtrag wegen Beleidigung des Stuttgarter Staatsanwalts Dr. Hagedorn bei den zuständigen Staatsanwaltschaften gestellt. Die Angelegenheit hat, so wird der Frankfurter Zeitung berichtet, folgende Vorgeschichte. Vor einiger Zeit machte ein Roman einiges Aufsehen, in dessen Mittelpunkt als Hauptfigur ein Staatsanwalt steht, der, gang nach dem Muster eines Helden in einem Hintertreppenroman, in einem Frauengefängnis allerlei skandalöse Abenteuer aus erotischem Gebiet erlebt. Der Verfasser dieses Buchs, ein Oberstaatsanwalt Elwert- Heilbronn, hat nun merkwürdigerweise seiner Romanfigur gerade den Namen des Staatsanwalts Hagedorn, dazu nock anderen Vertonen die Namen von dessen Anaehöriaen, von Sohn und Tochter (nach der letzteren ist auch der Roman betitelt) verliehen. So erregte die Sache beträchtliches Aufsehen. Staatsanwalt Hagedorn kann, das ist einwandfrei, auf keinen Fall mit den im Roman geschilderten Verbrechen in irgendwelche Verbindung gebracht werden. Er war auch me in einer Strafanstalt für Frauen tätig. Dennoch knüpften kommunistische Zeitungen daran allerlei Verdächtigungen gegen Dr. Hagedorn, der Anklagevertreter im Prozeß W o l f - I a c o b o w i tz ist, mit der
Begründung, wenn er nicht belastet wäre, hätte er sicher , energische Maßnahmen gegen den Romanschreiber einge- lsitet. Tatsächlich schwebt gegen Oberstaatsanwalt Elwert ' ein Disziplinarverfahren. Er ist auch aus dem württ. Richterbund ausgeschieden. Er will allerdings, so behauptet er.
Dr. Hagedorn erst kennengelernt haben, als er seinen Ro- man schon abgeschlossen hatte. — Der Heilbronner „Neckar- Zeitung" hat Oberstaatsanwalt Dr. Elwert mitgeteilt, daß er wegen eines Berliner Artikels sowohl gegen das „Berliner Tageblatt" als gegen die Zeitungen, die ihn nachgedruckt haben, seiner Vorgesetzten Behörde anheimgestellt habe, Strafanträge zu stellen, da er in diesem Artikel «ine Beleidigung seiner Person «Micke.
württ. Wandererfürforge. Dieser Tage fand in den Räumen der Zentralleitung für Wohltätigkeit unter dem Vorsitz von Präsident a. D. Biesenberger die Mitgliederversammlung des Vereins zur Förderung der Wanderarbeitsstätten in Württemberg statt. Die Zahl der Gäste betrug in den Wanderarbeitsstätten im abgelaufenen Geschäftsjahr 275 000 mit 295 000 Verpflegungstagen, in den Obdachlosenheimen 142 500 mit 173 000 Verpflegungstagen.
Die Zahl der Wanderarbeitsstätten — 41 — ist gleich geblieben. Eine Reihe von ihnen wurde in den letzten Jahren neu instandgesetzt und verbessert. Wesentliche Schwierigkeiten haben sich im Betrieb der Wanderarbeitsstätten nicht ergeben, abgesehen davon, daß bei der Beschäftigung der Wanderer da und dort die zahlreichen ortsansässigen Arbeitslosen auch die kleineren, sonst den Wanderern offen stehenden Beschäftigungsmöglichkeiten für sich in Anspruch nahmen. !
Me Ausstellung von Erfindungen und Neuheilen in den ;
Gewerbehalle-Anbauten in Stuttgart findet reges Interesse. ' Sie ist für jedermann sehr lehrreich; sie dauert nur noch we- j nige Tage und ist täglich von vormittags 10 Uhr bis abends i 7 Uhr geöffnet. ,
Englische Reisebüro - Expedienten in Deutschland. Der -
Nord-Süd-Ausschuß, die Vereinigung der Städte Amsterdam, Haag, Rotterdam, Essen, Düsseldorf, Köln a. Rh., ! Mainz, Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Baden-Baden, >
Freiburg, Stuttgart, Augsburg, München, Zürich, Luzern zur Förderung des Ausländerverkehrs, hat die bedeutendsten ; englischen Reisebüros zu einer Informationsreise in die Mit- ) gliedstädte eingeladen. Im ganzen finden drei Reisen statt. ' 10 englische Reisebüros haben ihre Vertreter entsandt. j
Aus dem Lande j
Gmünd, 26. April. Abnahme derArbeitslosig- j k e it. Im Arbeitsmarkt des Bezirksarbeitsamts Gmünd hat ! sich eine erhebliche Besserung bemerkbar gemacht. Im Bau- ! gewerbe, in der Bekleidungsindustrie und in der Metall-
§ Lotk's vsmüssrmisdseüwsdl ist ckio iäsalsto Lllläsruakruag I §
okiQ>dtätk>äcxubic-ktt sictMbt kcmMi Obiv tiättSESl
o. m. d. n., KIsmitielm (r?Z>. " ^
industrie ist jeweils eine nicht unwesentliche Entlastung eingetreten, während die Edelmetallindustrie eine weitere Verschlechterung zeigt. Die Zahl der Unterstützten ist von 3454 im März auf 2816 zurückgegangen, insgesamt hat di« Arbeitslosigkeit um rund 20 Prozent abgenommen.
Schramberg, 26. AprÄ. 34. Württ. Landes- schießen. Das 34. Württ. Landesschiehen, verbundeil mit dem 4. württ. Kleinkaliberschiehen, flicket hier in der Zeit vom 4.-7. Juli statt. Tausende von schwäbischen ruck badischen Schützenbrüdern werden erwartet. Veranstalterin ist die Schützengilde Schramberg.
Vom oberen Fils- und Lautertal, 28. April. Degin- nende Blüte. An den Süühängen unserer Berge und Halden blüht der erste Schlehdorn und vorsichtig öffnet der Kirschbaum seine Pracht. Noch ein« Woche Sonnenschein. ^ dann blüht's in Berg und Tal. Der'Bauer erwartet vom Schlehdornstrauch, der vor dem 1. Mai blüht, ein« gute Ernte. Der Schäfer ist vom Tal zu Berg gefahren. Nachdem vor vierzehn Tagen di« Rauchschwalben das all« Nest wieder bezogen haben, wurde heute im Maybachtal Las erste Mehlschwalbenpärchen beobachtet. Doch „eine Schwalbe bringt noch keinen Sommer",
Vom Aalbuch, 26. April. Frühblüher. Im Tal der Donzdorfer Lauter ob Weißenstem blüht di« Traubenhyazinthe. Ihre tiefblauen eng zusammengedrängt stehenden Blüten bilden einen eigenartigen Schmuck der saftgrünen Aprilwiesen. Das Volk nennt die Traubenhyazinthe „Aprilkrügle". In anderen Albgegenden hat die Blum« den Namen „Kaminfeger!«". — Auf dem Westabhang des Messelsteinmassivs hat die Kuhschelle ihre grohe schwarzviolett« Blume geöffnet. Sie wird auch Wiesen- oder Küchenschelle genannt und gehört zu den Hachnenfußgewächsen. Becke Frischblüher, Traubenhyazinthe und Kuhschelle, sind naturgeschützt. Das Abreißen dieser Blumen ist also verboten. — Auch Lerchensporn, Gilbstern, Lungenkraut und Walderve blühen und verkünden den Sieg des Frühlings.
Alm, 26. April. Hohe Strafe. Der schon vorbestrafte ledige Bäcker R. H-, zuletzt in Ballendorf OA Alm wohnhaft, hatte sich wegen Diebstahls im Rückfall zu verantworten. Nachts 12 Ahr brach er mit Gewalt in eine Wohnung in der Gaisenbergkaserne ein, wo meist Leute wohnen, die selbst sehr bedürftig sind, und stahl dort eine Ziehharmonika und mehrere Wäschestücke. Obwohl der Gesamtwert nur etwa 25 Mark ist, wurde der rückfällige Dieb zu 1 Jahr 6 Monate und 15 Tagen Gefängnis verurtestt.
Friedrichshasen, 26. April. Mord. In Bermatingen Bez. Ueberlingen hat in der Nacht zum Samstag der aus Furt i. W. (Bayern) gebürtige Hilfsarbeiter Georg Krauß die 17jährige Tochter des Landwirts Kassian Jalfser in ihrem Schlafzimmer, in das er sich eingeschlichen hatte, durch sechs Dolchstiche ermordet. Nach der Tat begab sich der Mörder nach Hause und legte sich ruhig zu Bett, er wurde aber von einigen Männern herausgeholt, furchtbar verhauen und dann in den Ortsarrest verbracht. Krauß hatte mit der älteren Schwester der Ermordeten ein Verhältnis, das aber von den Eltern nicht geduldet wurde. Das Mädchen mußte Krauß abschreiben. Dieser glaubt«, die jüngere Schwester habe den Bruch veranlaßt, und er wollte sich an ihr rächen.
Maulbronn, 26. April. Re'ue Promotion. Am Donnerstag ist eine neue Promotion eingerückt und in feie-r- ; licher Weise im Oratorium des Klosters verpflichtet worden; sie zählt 39 Stipendiaten und 9 Gastschüler. Der Altersunterschied ist auffallend groß: während die einen noch die reinen Knaben sind, sehen andere wieder aus wie angehende Studenten. Zehn Schüler sind bei ihrem Eintritt schon 16 Jahre alt, 1 sogar 16 Jahre und 4 Monate; 4 Schüler sind g noch nicht 14 Jahre, 1 sogar erst 13 Jahre und 4 Monate.
Alm» 26. April. Russische Viehkäufe. Gestern wurden 5 von den Russen aus den Bezirken Riedlinaen-
Ois vom
Mauken 6>'un6
(Nachdruck verboten).
(Schluß.)
Noch einmal ein Rufen Bertschs, stärker noch, warnender — da endlich ein Geräusch wie von Schritten, von der Wendeltreppe her, und jetzt löste es sich aus dem Dämmerlicht drinnen. Eine hagere Gestalt trat langsam auf die beiden zu, umhüllt von einem wettergeblichenen, rinst schwarzen Pelerinenmantel. Unter dem Schlapphut glühten mit wirrem Leuchten ein paar tiefliegende, dunkle Augen.
.Tillmann — Ihr!"
Betroffen erkannte Bertsch den Hirten. Doch dann winkte er ihm eilig drängend.
„Was schafft Zhr hier? Fort — fort!"
Aber der Alte schüttelte mit einer ruhigen Gebärde den Kopf. -
„Wie? Ihr wollt bleiben?"
Nur ein gelassenes Nicken.
Eke starrte verständislos Gerhard an. Der freilich begriff. Schon lange hatte es ja droben in Rödig geheißen, mir dem Tillmann ginge cs nicht mehr. Immer verschrobener wurde der Alte. Gänzlich wirr im Kopf. Drum wollten sie fick auch einen neuen Hirten kommen lassen zum Frühjahr. llad der Tillmann sollte ins Armenhaus.
Nun sah er es mit eigenen Augen: die Leute spra.hen wahr. Es war nicht mehr richtig mit dem Tillmann.
Doch während er es noch dackte — plötzlich rin dumpfes Krachen! Weißer Gischt sprühte hoch auf, an der Außenseite des Turmstumpfs. Unter dem gierigen Nagen der Wasser hatte sich an der Bruchstelle abermals ein Stück Mauerwerks gelöst. Ein unheimliches Warnsignal.
Ein Grausen packte Eke. Ihr Arm streckte sich beschwörend zu dem Alten aus.
„Um Gottes willen — fort, fort!"
Der Ruf des Entsetzens lenkte Tillmanns Blick auf die junge Frau, die dort stand im düsteren Rahmen des geborstenen Gemäuers. Eine blonde Lichtgestalt, wie ein Sendbote des Lebens. Und plötzlich sank der Schleier vor seinen Augen. Ein Erinnern kam an die Stunde, wo die dort ihm einmal Gutes erwiesen, und langsam hob er die Hand gegen sie. Wie ein Grüßen und ein ernstes Mahnen zugleich: Hier ist kein Ort für die, die noch etwas erwarlen vom Leben.
.Tillmann, nehmt doch Vernunft an!" Noch einmal drängte Bertsch. „Kommt mit «ns!"
Da öffnete sich endlich der schweigsame Mund^ Doch nur zu drei kargen Worten:
„Wohin? — Ins Armenhaus?"
Gerhard verstummte.
Aber Tillmann richtete sich jetzt hoch auf. Sein Blick ging herum in dem einstigen Gemach Henner von Grunds, mit einem dunkeln, stolzen Ausflackern.
„Nein — hier bleib ich, wo ich hingehöre! All mein Leben hindurch Hab' ich nur daran gedacht, daß ich einmal Herr sein sollt' in diesem Hause. Nun ist's doch noch so gekommen. Hab' ich's nicht immer gesagt? Es gibt doch noch ein Recht auf der Welt! Der, der mir's streitig gemacht hat, er ist ins Grab gesunken, vor mir. An seiner Leiche Hab' ich gestanden. Und jetzt steh ich hier auf seinem Grund und Boden. Nun ist er mein, nun bin ich Herr. Und keiner wird mich niehr forttreiben — keiner!"
Drohend sckwß es jetzt aus seinem Blick zu Bertsch hin. Wieder stand das wirre Glühen in den tiefliegenden Augen.
Da gab es Gerhard auf. Entschlossen legte sich sein Arm um Eke. Aus dem Leibe des jungen Weibes an seiner Seite pulste ihm warm das Leben entgegen. Fort von hier — von der Schwelle der Vernichtung.
Aber er fühlte ihr Zögern. Bang hing ihr Blick an dem Alten, der dort stand, starr und unbeweglich.
„Laß ihn. Er hat recht!" Ernst klang es zu Eke hin. „Diese letzte Stunde gibt ihm, worum ein ganzes Leben ihn betrogen. Gönn' es ihm."
Unter den mahnenden Worten wich die qualvolle Spannung in Eke, und wie sie jetzt noch einmal hinsah auf Tillmann von Grund, den Todgeweihten in dem todgeweihten Hause seiner Väter, packte es sie an. Fast ein Schauer der Ehrfurcht. Nur ein armer, wirrer Narr, und doch — war er nicht treuer seinem Blut als sie alle vielleicht, die einst den Namen des Grunds trugen? Da kam es laut von ihren Lippen:
„Leb' wohl, Tillmann von Grund — leb' wohl!"
Der Alte sah nicht mehr her zu ihr. Sein Blick war wieder in sich gekehrt, wie abgewandt der Welt und all ihrer Nichtigkeit. So schritt er langsam zurück, von wo er erschienen, und entschwand im Dunkel.
„Komm!"
Mit starker Hand zog Gerhard Bertsch die mit sich, die nun ihm zu eigen war.
Und es war hohe Zeit. Der schmale Damm, auf dem sie sich zurückflüchteten, war inzwischen schon vielfach durchbrochen. Die Wasser gurgelten hohl in den Breschen und fraßen gierig weiter an dem nachbröckelnden Erdreich. Tief atmete Bertsch auf. als er glücklich mit Eke drüben war, wieder nn Bereich des festen Landes. Dort trug sie der Wagen nach Hause zurück.
Vom Balkon aus sahen sie dann wieder hinab ins weite Tal. Aber ihre Blicke hingen nur an einem Punkt. Unverwandt, stumm, in einem gefaßten, tiefernsten Erwarten.
Plötzlich aber zuckte Eke zusammen. Ihre Hand wies hin zu dem dunklen Turmstumpf dort drunten in der quirlenden Seeflut — ein Wanken des massigen Gemäuers! Wie ein ^ silberweißer Schleier löste es sich im selben Augenblick von dem düsteren Mauerkranz und schwebte kreisend über ihm — die aufgestürten, ängstlich flatternden Tauben. Ein Neigen — langsam, schwer legte sich der Turm zur Seite. Und nun eine aufgepeitschte Riesenwoge, die hoch zum Himmel sprang. Ver- ! schmunden war im Flutengrab das alte Wahrzeichen des HauseS derer von Grund. Mit ihm der letzte Träger ihres Namens.
Stumm faltete Eke die Hände. So sah sie hinaus, bis j das wilde Wirbeln der schäumenden Wasser allmählich erstarb. ! Ueber dem Strudel kreiste hoch in der Luft noch eine Weile hellschimmernd der Schwarm der Tauben. Als aber die dunklen Fluten nichts Wiedergaben von dem, was sie verschlungen, da strichen die Tiere endlich ab.
„Nun suchen auch sie sich eine neue Heimat." ,!
Es war das erste Wort, das Eke wieder sprach, und dicht ^ schmiegte sie sich an den Mann ihr zur Seite.
Doch dann wies sie hinaus, wo über den Bergen die Sonne versank. Noch glühten in einem letzten heroischen Auf- flawmen am Abendhimmel ihre purpurgoldenen Lebensströme. Aber darüber standen düsterschwere Wolkengebilde, langgestreckt ! — wie riesenhafte Särge. Da sagte sie, aus beklommener Brust:
„Ist es nicht, als ob auch die Natur trauerte über all ! das, was hier versank?"
Fest legte Gerhard Bertsch seinen Arm um ihre Schulter. '!
„Ja — viel ist versunken. Eine Welt voll enger Trau- ! lichkeit. Aber ihre Zeit war erfüllt. Und eine neue steigt empor aus den Wassern, die sie begruben. — Laß uns dorthin sehen!"
Und er wandte ihr Haupt von der Richtung der sterbenden Sonne fort, zur anderen Seite des Tals, wo die Talsperre sich erhob. Vom letzten Abendschein übergossen, schimmerten die weißen Bauten herüber, und, sie alle überragend, die feierlichen, edlen Formen des Kraftwerks. Wie ein Tempel, überstrahlt von der Glut der Opferbrände, stieg der gewaltige Bau empor, groß, ernst, in machtvollem Schweigen. Und ein Tempel in Wahrheit. In seinen hohen Hallen hütete er die Feuer- ! funken ungeheurer, schöpferischer Kräfte, die in zuckenden Wellen j Hinausströmen würden, weit über die Lande — Leben zeugend fort und fort, pulsendes, treibendes, schaffendes Leben der auf- wärlsringenden Menschheit!
Da lehnte Eke ihr Haupt voll Zuversicht an die breite Brust des Mannes, dessen Augen mit einem stolzen Leuchten hinaus) ahen über die langsam versinkenden Fluren des Rauhen Grundes.
_ —Ende —
Der hiemit zum Abschluß gekommene Roman, der überall sehr u guten Anklang gefunden hat, ist nun auch in Buchform erschienen und schön in Ganzleinen gebunden za nur 2.40 in der Geschäfts- stelle des „Gesellschafters" zu haben. !
'i