Nagolder Tagbkatt „Der Gesellschafter"
Freitag, 2. Januar 1831 Wette 8 — Nr. 1
Freitag, L. Januar 1831
fch vertrauen? Wenn auch er Frost vielen Leuren, vor m beiderlei Geschlechts, leb- >en doch viele, viele anders chrzahl — ein strenges und !ch<^ unangenehm. Der be- z, Nansen, bat immer dis d war oft 30 und 40 Grad rad Kälte ausgesetzt, ohns se Temperaturen schadeten.
n nichts Neues" verboten
Winzer Meldung einer hiesigen soeben erschienene Landes- l, daß die Vorführung des für ganz Oberösterreich ver- dieses Verbots werden mit
und amerikanischen »aten
einer amtlichen Mitteilung mischen Marinesoldaten und s zu einem heftigen Feuer- mf acht Marinesoldaten ge- mrden.
iner Silvesterfeier kte
einem Schreibwarengeschäft -ier, die in einem Zimmer rößerer Vorrat von Feuer- verlktzt, davon 2 lebens- Räume wurde vollkommen
>er, 74 Jahre alt, Her- Rentschler, 3 Jahre alt.
mfaßt 8 Seiten age „Feierstunden"
im Bezirk bekannt. ulASMden unci cias k^irma
Fabrikpreisen evirä rcbnakme unll um 6
sr ZVANvlÄ
;kon 149
nci Lekannten lüek- unü 86K6N8- 6N Jakre.
SsroUoe kritr Solei
1426
lsikik» «Okd?
n in kürzester Tleit im SI-, jssösZklKliniiöll, isggülll,
Nagold
ZlvlUlgsversteigekvW
Am Samstag, den 3, Januar, nachm. 1 Uhr, verkaufe ich gegen bar an. den Meistbietenden:
1 Warenschrank mit Schubladen und Aussatz
2 Regulatoren
3 Nudelschneidmaschineu 3 Spatzenmaschinen
Zusammenkunft in der Vorstadt, 10
Gerichtsvollzieherstelle
Nagold.
W üiir-
»NikkUIlllllKII
8t.s 1U1S20 2L80 40 Z
M«»
beste Oualitüien sorvie sämtliebe
2uI»eIi8r1eUv
billigst bei 67
Otto iiapplöi'
ToImS.8lgk!>var6nkgu8
1733
Der Abbau
Amtlich wird der Preisabbau mit allen denkbaren Mitteln betrieben — soweit er von der Wirtschaft ausgehen soll. Die öffentlichen Betriebe, die mit dem bekannten guten Beispiel oorangehen sollten, denken gar nicht daran, ihre Tarife zu senken, oder sie tun es nur in ganz ungenügendem Maß und mit größtmöglichster Verzögerung. So hat z- B. die Reichsposi eine an sich geringfügige Tarifsenkung auf einigen weniger wichtigen Postgebieten in Aussicht gestellt, sie wollte sie aber erst vom 1. Äkärz 1931 an in Kraft treten lassen. Erst auf die entschiedenen Proteste der Wirtschaft hin entschloß marv sich, sie früher einzusetzen — aber nicht etwa auf der/ 1 Januar, sondern der Termin soll erst vom Berwalttmgs- rat beschlossen werden, der im Januar Zusammentritt. Man rechnet aus, daß da und dort ein paar Pfennig Abstrich tm ganzen Einbußen von soundsoviel Millionen gäre. Rechnerisch stimmt es gewiß, aber auf keinen Fall volkswirtschaftlich. Nichts vermag bester den Unternehmungsgeist und die Arbeitsfreude im Wirtschaftsleben wieder anzu- regen wie sin kräftiger Abbau all der Tarife, di« ihren Einfluß auf die Gestehungskosten der Erzeugung, auf die Haushaltkosten des Verbrauchs ausüben, der Tarife der Post, der Bahn, der Straßenbahn, der Strom-, Gas-, Was- fer- und Heizungsversorgung. Wenn neuer Aufschwung kommt, mehrt sich in erster Linie auch wieder der Beschäftigungsgrad der öffentlichem Betriebe, tritt erfahrungsgemäß die logische Reihenfolge ein: Tarifabbau — Wirtschafts- betebung — steigender Umsatz — Erhöhung der Einnahmen und des Verdienstes. Genau dasselbe gilt negativ: Tariferhöhung — Wirtfchaftsermattung — sinkender Umsatz — Rückgang von Einnahme und Verdienst. Go hat die Reichsbahn am 1. September 1930, mitten in der Wirtschaftskrise, die Tarife erhöht. Das Ergebnis war: eine Mindereinnahme im September 1930 von 93,11 Mill. Mk. Einnahmen weiter zurückgegangen. Die Güterwagengefkel- lung ist im Oktober 1930 um 15,4 v. H. geringer gewesen gegenüber dem September 1929. Und im Oktober sind die als im Vorjahr. Der Baustoffhandel berichtet von Frachtverteuerungen um 7V v. H. und mehr gegenüber dem Vorkriegsstand. Der Deutsche Industrie- und Handelstag forderte, daß die Ersparnisse aus Gehalts- und Lohnsenkung, aus dem Preisabbau wichtiger Rohstoffe (Kohle usw) und Baumaterialien im gesamten Wirtschaftsintereste dem Zweck der Tarifsenkung zugeführt werden sollen. Unmöglich. — Die AeichSpost muß ihren Verdienst in die allgemeine Reichskasse abliefern: die überschraubten Postgebühren sind also nichts anderes als eine zusätzliche Reichsverkehrssteuer, auf die derselbe Fiskus, der der Wirtschaft unter Drohungen den Preisabbau predigt, nicht verzichten will, wie er selbst seinerseits statt der Steuersenkung eine halbe Milliarde neue Steuern erhebt. Die Reichsbahn aber schleppt die Kette der Reparationen: sie hat einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen sährlich für die Kriegsrüstungen Frankreichs zu opfern. Fiskus und Reparationen sind also in letzter Linie die Hemmnisse für den so notwendigen Tarifabbau in diesen beiden öffentlichen Betrieben.
Dem Vorbild der Post und Bahn tun es aber die G e - meinde-Monopolbetriebe eifrig nach. Auch ihre Leistungs- und Lieferungspreise sind kein Ergebnis kaufmännischer Kalkulation — wie sie von hoher Stelle dem privaten Handel und Gewerbe zum Nutzen des Preisabbaus andauernd gepredigt wird —, sondern ihrer Höhe nach ganz einfach zufätzlicheöffentliche Abgaben in versteckter Form. Da läßt man keinen Pfennig nach, im Gegenteil, man will noch mehr herausholen. Was würde mit dem privaten Elektrizitätswerkbefltzer geschehen, der den von Großkraftwerken billigst bezogenen Strom zu den hohen Preisen weiter verkaufen würde, die heute zahl- reiche Gemeindewerk« dafür berechnen? Wie würde eine Stadtverwaltung Äs Aufsichtsinstanz einer privaten Straßenbahagefmschast in die Parade fahren, die ein teures, umständlicheS und ungerechtes Tarifsystem einführen würde,
der Tarife i
wie es die Gemeinde-Straßenbahnen fast durchwea öa^rn. ! Es ist eine Moral mit doppeltem Bcden, wenn die Rathäuser zwar den Preisabbau der Privatwirtschaft fordern, den Tarifabbau der Kommunalwirtschaft aber mit keinem Mort berühren. Angeblich kann man nicht, denn überall werde schon „aufs erdenklichste' gespart", und von Rechts § wegen müsse es sogar noch teurer werden . . . Das hat j IDan schon hundertmal gehört und niemand glaubt es mehr. ! Wenn die Städte für allen möglichen Ansinn noch Geld ! übrig haben, so ist ihr Widerstand gegen den Tarifabbau - nur Verlegenheitsphrase,, Schutzmäntelchen des Nichtkönnens und Nichtwollens gegenüber wirklichen Äeformauf- gaben. Die Privatwirtschaft wäre schon längst bankerott, hätte sie die gleichen Methoden wie die öffentliche Hand
Württemberg
Stuttgart. 1. Januar.
Der Gemeinderat lehnt die Steuern ab. Der Gemeinoe, rat hat nochmals den Fehlbetrag des Haushaltplans für 1930 beraten, der nach dem Bericht des Rechtsrats Hir- zel 2 060 000 Mark beträgt. Dazu kommt der Ausfall an Reichssteuerüberweisungen in Höhe von 643 100 Mark. Somit beläuft sich der Gesamtfehlbetrag auf 2 703 100 Mark. Davon können gedeckt werden durch die Oprozentige Gehaltskürzung vom 1. Febr. 1931 an auf 2 Monate 200 000 Mark. Es bleiben also noch zu decken 2 503 100 Mark. Als Deckungsmöglichkeiten empfiehlt Dr. Hirzel 1. die Getränkesteuer vom 1. Februar an auf 2 Monate mit 160 OOO Mark,
2. die Bürgersteuer mit 500 000 Mark 3. die Erhöhung der Gemeindeumlage um 1 Prozent mit 920 000: so daß noch ein ungedeckter Rest von 923 100 Mark verbleibt. Die am 27. November beschlossene Erhöhung der Umlage (um 1 Prozent) wurde jedoch mit 34 gegen 23 Stimmen bei drei Enthaltungen und die Einführung einer Bürger, und Getränkesteuer ab gelehnt. Es ist noch unklar, was jetzt geschehen soll.
Abgelehnte Berufung. Professor Dr. Grammel an der Technischen Hochschule Stuttgart hat die Berufung an die Technische Hochschule München abgelehnt.
Beschlagnahmt. Das Amtsgericht Stuttgart 1 hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Beschlagnahm« zweier Flugblätter verfügt, die der Deutsche Freidenkerverband E. D. Sitz Berlin, Bezirksgeschästsstell« Stuttgart, in diesen Tagen he raus gab.
Aus dem Lande
Mnlerbach i. R. OA. Schorndorf, 31. Dez. (Todessturz.) Der Sljährige Gipsermeister Wilhelm Günter stürzte infolge eines Fehltritts so unglücklich die Treppe hinunter, daß der Tod nach einigen Stunden eintrat.
Groß-Süßen, OA. Geislingen, 1. Januar. Altsch ulkheiß Ott gestorben. Am Dienstag wurde hier Altschultheiß Christian Ott im Mter von 67 Jahren durch einen Schlaganfall aus dem Leben gerissen. Schultheiß Ott war der Gemeinde 40 Jahre lang ein umsichtiger Vorsteher.
Er trat vor mehr als einem Jahre in den Ruhestand.
Langenau, OA. Alm, 1. Januar. Brand. In dem Anwesen der Möbelschreinerei Mack, in dem erst am 6. De- i zember Werkstatt und halbfertige Waren durch «inen Brand j zerstört wurden, brach am Dienstag wieder Fever aus, dem ! größere Holzvorräte zum Opfer fielen. Untersuchung ist ' eingelötet. j
Siebeneich OA. Oehringsn, 1. Jan. Hunde imSchaf - s pferch. In der Nacht auf den Stephanstag drangen Hunde in den Pferch des Schafhalters Koch und töteten , 9 Schafe. Die anderen zerstreuten sie, so daß der Schäfer j den ganzen Vormittag suchen mußte, bis er sie wieder beisammen hatte. j
Linsenhosen OA. Nürtingen, 1. Jan. Anker den Rädern des Zuges. Am Dienstag nachmittag verunglückte auf dem hiesigen Bahnhof Dr. Binder von Neuffen. Der Zug war bereits angefoihren, Äs Dr. Minder versuchte, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Dabei scheint er das Trittbrett verfehlt zu haben, geriet unter den fahrenden Zug und erlitt schwere Verletzungen an den Beinen.
Ravensburg. 1. Jan. Revision imGattenmord- prozeß Wiedemann. Der Verteidiger Wiedemanns hat auch gegen das zweite Todesurteil wegen Gattenmordes Revision angemeldet. Der Prozeß geht also weiter.
Herlazhofen OA. Leutkirch, 1. Jan. Vermißt. Di« 20jährige Tochter Kreszenz von Joses Kübi«r hier wich vermißt. -
Tübingen. 1. Jan. Bo» der AnIvirsi'tSt
Assistenzarzt an der med. Klinik Dr. Ludochp F i s Her! ist die Lehrberechtigung für das Fach der inneren Medizin und der physikalischen Therapie erteilt worden.
Der Schiedsspruch in der württ. Metallindustrie
Stuttgart, 1. Jan. Nach eingehenden Verhandlungen am 15., 17. und 29. Dezember fällte, wie bereit» kurz gemeldet, die unter dem Vorsitz von Londgerichtsrat Köpf gebildete vereinbarte Schlichtungsstelle folgenden Schiedsspruch:
1. Mit dem Beginn der ersten Lohnwoche de» Jahres 1931 werden die Mindestlöhne und die bestehenden Zeitlöh n e um 5 Prozent, di« Akkorde um 6 Prozent herabgesetzt. Die Bestimmung von Ziffer 1? Abs. 1 des Kollektivabkommens muß dabei beachtet werden.
2. Denjenigen Zeitlohnarbeitern und Zeitlohnarbeiterinnen, die nach dem Abkommen vom 22. Februar 1929 eine Zulage von 2 bzw. 1 Pfg. erhalten haben, bleibt diese Zulage auch auf die neuen Mindestlöhn« erhalten. Neu einzustellende Zeitlohnempfänger erhalten auf di« Mindestlöhne dir gleiche Zulage von 2 bzw. 1 Pfennig.
3. Im Altersklasssnschlüssel fällt die Altersklasse von 14 Jahren weg. Der Lohn der Altersklasse von 18 Jahre« gilt künftig auch für Arbeitnehmer unter diesem Mter.
4. Im übrigen gelten die Bestimnnmgen de» alten Lohnabkommens weiter. Ei"
8. Dieses Abkommen kann unter Anhaltung einer Kündigungsfrist von 1 Monat erstmals auf 80. 9. 1881 g». kündig werden.
Dem Schiedsspruch ist vom Schlichter eine ausführliche Begründung bei gegeben. Sie geht aus von der sich immer mehr verschärfenden deutschen Wirtschaftskrise, wovon die deutsche Metallindustrie im allgemeinen und die württembergische im besonderen auf» stärkste betroffen ist. Dies wird nachgewiesen an der Steigerung der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit. Ende November 1930 waren in der württ. Metallirämstri« 17 314 Arbeiter arbeitslos und Ende September 1930 standen rund 41 000 in Kurzarbeit. Die Begründung geht dann im einzelnen näher ein auf den Rückgang des Absatzes im In- und nach dein Ausland, namentlich in der Maschinenindustrie und der Kraftfahrzeugindustrie nebst Zubehörindustrien. Die württ. Metallindustrie ist in stärkstem Maß am Ausfuhrgeschäft interessiert. Rund 36 v. H. der Beschäftigten, gegen 20 000 Arbeiter und Arbeiterinnen, finden im Ausfuhrgeschäft Beschäftigung. Dieses Ausfuhrgeschäft steht unter dem schärfsten Preisdruck und man kommt daher an einer Senkung der Gestehungskosten unter Einschluß einer Senkung der Löhne nicht mehr vorbei. Erschwerend wirkt für di« württ. Industrie ihr« Vorbelastung durch die ungünstige Frachtlage. Eine Wiederbelebung der Wirtschaft und eine Entlastung des Arbeiksmarktes kann nur durch Senkung der Preise herbeigeführt werden. Zu berücksichtigen ist auch, daß seit dem letzten Tacifabschluß die Lebenshaltungskosten sich in fühlbarem Maß gesenkt haben und daß die Bemühungen von Reich und Ländern und die
stOiSk", WSg
ar« m s n von llss LOiicists^ (Nachdruck verboten.)
isetzung 9)
Vernt legte die Bücher aus der Hand.
„Kommen Sie, es war eine Laune. Und Sie sind ein Philister, wie alle Deutschen". Bergliot lachte, aber es klang gezwungen und unfrei.
LüLeking riß sie heftig zu sich. Ihre Augen tauchten ineinander — in den ihren züngelte ein Flämmchen auf, irrlichternd, kalt.
Agnete trat zurück. Was unten noch geschah, sah sie nicht mehr. Der Ausdruck ihres ovalen Kindergesichtchens war hart.
Fester zog der Mann die Frau an sich, diesmal wollte
er sie-. „Es wäre mir leid um unsere Freundschaft,
Bernt!" raunte sie ihm zu und ihr Gesicht war beherrscht.
Sofort ließ er los: „Ich kann warten, bis du von selber kommst". Ein klingendes, fast spöttisches Lachen flatterte auf.
Lüdekings Frau hörte die Tür unten zufallen — draus- jen waren Stimmen. Hans Moltrecht, wie kam der wieder zu Vernt? Ein Auto knatterte davon. Langsam wich alles Blut zum Herzen zurück. Das also war es. Sie kam sich vor wie besudelt.
Nach wenigen Minuten verließ sie das Haus. Sybille, die wußte mehr und half weiter.
Auf das stürmische Läuten halb in der Nacht öffnete Dr. Derer, der im Sprechzimmer noch arbeitete, selbst. Griff wortlos zu, als er seinen Freund Morvinger einen scheinbar bewußtlosen Menschen aus der Hellen Limousine heben sah.
Dann lag Agnete auf dem niedrigen llntersuchungs- bett. Ihr Gesicht war schmerzverzogen und blutüberströmt.
„Mensch, Morving —", der Rechtsanwalt hatte während der Untersuchung am Fenster gestanden und abgerissen berichtet.
Die Frau sei vom Chausseebahnhof gekommen und wie betrunken über die Straße getaumelt. Ehe er vom Wagen weggekommen wäre, um sie zurückzureißen, habe sie schon zwischen Autobus und Straßenbahn gesteckt.
„Es steht bös aus, äußerlich ziemlich mitgenommen, was innerlich los ist, mutz die Platte ergeben", stellte der Arzt fest.
„Wenn man nur wenigstens wüßte, wer sie ist, damii man —"
„Von Wandsbeck nicht, die Familien kenne ich ja alle." Die Blicke der beiden Männer bleiben an dem zartblauen, ungewöhnlichen Kleid hängen. Spuren von Staub und Blut auch da.
„Verstehst du das, Derer?"
Der Arzt schwieg. Stellte die Verbindung mit seinem Krankenhaus, dessen Chefarzt er war, her: „Krankenwagen in meine Wohnung, Haus 6 bereitet das Eckzimmer für Einzelaufnahmen vor. Dr. Winter und die Oberschwester in die Ambulanz. Schluß".
Morvinger nahm seinen Hut.
„Ich rufe dich morgen an, vielleicht weißt du dann näheres. Verfüge über mich, wenn ich dir helfen kann".
Ein jäher Aufschrei ließ ihn zusammenfahren. Agnete Lüdeking sah aus weitgeöffneten Augen verwirrt um sich, die Hände tasteten suchend nach einem Halt. Jeder Atemzug war ein kurzes, qualvolles Röcheln. Derer beugte sich über sie und strich ihr beruhigend die flatternden Hände. Morvinger ging leise hinaus. Als draußen sein Wagen ansprang, hörte er noch das hohe Signal des einbiegenden Krankenautos — ihn fröstelte plötzlich. In verbotenem Tempo, an schimpfenden Verkehrsschutzleuten vorbei, raste er stadtwärts.
Landwehr — Mühlendamm — Schadendorf — Er stoppte ab In der Kirchenallee stieg er aus. Der Portier des „Boccaccio" kam ihm entgegen? „Die Herren warten schon, Herr Doktor". Er öffnete ihm die Tür zur Garderobe. Morvinger trat ein, wollte eben den Mantel oblegen, als sein Blick auf die Gruppe fiel, die neben ihm stand. Einer der Herren hatte ein paar witzige Anekdoten erzählt und nun perlte ein Lachen durch den kleinen ! Raum, das ansteckend wirkte. Das Lachen — Morvinger j wandte sich unauffällig um. Erblaßt bis in die Lippen, l Die Dame drehte sich um, streifte ihn mit einem kühlen j Blick, der schmale Mund zuckte ein wenig. Am Arm Vernt i Lüdekings ging sie an dem Rechtsanwalt vorüber. Der I knüpfte den Mantel langsam wieder zu, bat draußen den Portier um eine Bestellung an die Freunde und ging zu i keinem Wagen. Eine ganze Weile stand er wie benommen. Die Begegnung mit Bergliot hatte ihn erschreckt und erschüttert. „Ob ich doch hineingehen soll —", er zauderte. Fuhr dann nach Hause. 1
Drei Tage voll quälender Unruhe lagen hinter Lüde- '
king. Wohl hundertmal hatte er sich von Schäfer sagen lassen, was der wußte. Die gnädige Frau war kurz nach neun Uhr mit dem Wagen gekommen, habe gewußt, daß die Köchin auf dem Gut sei und etwas von polnischer Wirtschaft gesagt. Sie sei dann ins Haus gegangen. Wann die gnädige Frau wieder weg sei, wisse er nicht, Nein, gesagt habe sie nichts weiter.
Sybille war auch überrascht und sehr erschrocken gewesen; ein leises, bohrendes Schuldgefühl war in ihm, aber er zwang es als nicht zur Sache gehörig zurück. Wenn er wenigstens wüßte, ob sie zu gleicher Zeit im Hause war, wie — wie — er wollte nicht zu Ende denken.
Bis dann am Mittag der telephonische Anruf der Schwägerin kam, am Abend zu ihr zu kommen. Fragen hatte er nicht mehr können. Sybille hängte ab.
Sie saßen sich in dem nur von der Schreibtischlampe matt erleuchteten Raum gegenüber. Das Mädchen schwieg noch immer. Nur an dem hastigen, nervösen Rauchen, dem fremden, leidenschaftlichen Zug um Nase u. Mund merkte er, daß etwas geschehen war, was unangenehm war. Er beugte sich vor.
„Keine Umwege, Sybille. Geradeaus. Wir sparen Zeit und Nerven".
Mit einer kleinen Bronzefigur zerdrückte sie umständlich die glimmende Zigarette, schlang die Hände um das ein wenig hochgezogene Knie und sagte leise:
„Meine Schwester hatte einen Unglücksfall und liegt im Wandsbecker Krankenhaus. Sie hat zu mir gewollt, ist aber, weil sie die Gegend nicht kennt, statt in Varmbeck, am Wandsbecker Chausseebahnhof ausgestiegen. Da ist es geschehen".
„Mit der Vorortsbahn — nach Wandsbeck, Sybille? Wozu hat sie denn den Wagen, und Schäfer war doch auch da. — Was hat sie denn um Gottes willen in dieser ausgefallenen Stunde bei dir gewollt, Billa, ist —", er stand auf. „Das beste ist, ich fahre sofort zu ihr. Wie kann ich nur drei geschlagene Tage herumrennen, ohne daß der Arzt mich benachrichtigt —"
„Bitte, setz dich, Bernt und laß mich ausreden. Hinausfahren zu wollen ist sinnlos. Agnete ist sehr krank; der Oberarzt sprach von inneren Verletzungen. Du würdest sie unnötig aufregen".
„Hat sie denn nur — nach dir verlangt, Billa? Ich j bin doch ihr Man» In seiner Stimme schwang Angst. ! Er faßte über den Tisch hinüber nach des Mädchens Han- s . den. Sybille strich begütigend drüber hin.
" (Fortsetzung folgt).