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Ar. 178 Gegründet 1826 Montag den 3. August 1828 Fernsprecher Nr 29 89. Jahrgang

Tagesspiegel

Nach dem Abzug der lebten Franken av-i Essen und Mülheim war am Freitag das ganze Ruhegebiet befreit. Die Städte haben beflaggt die Freude der Bevölkerung ist groß.

Echo de Paris" erfährt, der bisherige Vorsitzende der Mitärüberwachunoskommission in Berlin General Walch, KEe durch General Le Rand ersetzt werden. Le Rand war seinerzeit französischer Oberbefehlshaber in Oberschlesien und tzal durch feine rückstchkÄos deutschfeindliche und ränkefäch- 8ge Haltung sich ein schlimmes Andenken bereitet.

Die Arbeit im Saarbergbau wird am Montag wieder Nifgenommen. Me von der französischen Regierung bewilligte iiohnVerbesserung beträgt höchstens 5 bis 7 v. H.

Die TurinerStampa" meldet, die italienische Regierung habe nach London und Paris eine Denkschrift gesandt, in der ein Sicherheiksvertrag für die Vrennergrenze i« Tirol verlangt werde. Italien wolle sich bei den Sicherheits­oerhandlungen nicht auf die Seite schieben lassen.

Die födstawische Regierung hat in Frankreich 100 RM- Krflugzeuge bestellt.

Seit Monaten beachtet die Welt mit gespannter Auf­merksamkeit das harte, heftige Ringen zwischen europäischen Truppen und Eingeborenen in Marokko. Erst haben die Rif- kabylen den Spaniern mächtig zugesetzt und durch ihren be­harrlichen Widerstand die Freigabe gewisser umstrittener Gebietsteile erreicht, ohne daß es indes zu regelrechten Ab­machungen hierüber gekommen wäre. Dann haben sie sich mit einem womöglich noch stärkeren Eifer gegen die Fran­zosen gewandt und drücken deren Front langsam, aber stetig »cm Norden gegen die Linie FezTaza zurück. Die zu- nehmende Bedrohung ihrer Lage hat die Franzosen schließ­lich veranlaßt, bei den Spaniern Hilfe zu siichen. Zweifellos ünd die Quellen der Kraft, aus denen Abd-el-Krim sich und kme Rifkabylen speist, mit deren Hilfe er immer weitere dtämme zu Mitstreitern wirbt, nicht nur religiöser, sondern «ich rassenmäßiger Art. Man erstrebt feit langem in den rrreisen der schwarzen Bevölkerung eine Befreiung von der Bevormundung der Weißen.

Vor einiger Zeit sind der Oesfentiichkeit die Aufzeich­nungen eines Negers mit Namen Uftm-afsanga übergeben worden, der während des Weltkriegs in den Reihen des ftanzöstschen Heeres gekämpft und seine dabei gemachten Beobachtungen zur Aufklärung für seine Stammesgenossen literarisch verwertet hat. Natürlich ist die Darstellung schlicht, unbeholfen, naiv, aber sie ist von einer überraschend stärken Auffassungsgabe, von einem klaren Urteil getragen. An dem Beispiel Afim-asfangas wird der Welt erneut bestätigt, in welch ungeheuerlicher Weife sich Frankreich an der Zivili­sation versündigt hat, als es während des Weltkriegs zur Auffüllung seiner gelichteten Heeresbestände Schwarze mili­tärisch ausbildete und im Kampf gegen Deutschland ver­wendete. Die Aufnahmefähigkeit, die Empfänglichkeit für neue Eindrücke ist natürlich bei einem Naturmenschen außer­ordentlich stark, und wie Afim-assanga werden sich unzählige schwarze Franzosen als gelehrige Schüler ihrer weißen Lehrmeister in Frankreich Kenntnisse und Erfahrungen an­geeignet haben, die sie dann im Kampf um ihre Befreiung amvenden. Zunächst ist natürlich bei allen Schwarzen, die sich auf Befehl Frankreichs am Völkerringen beteiligen muß- >w' Respekt vor -er weißen Rasse verschwunden. Die Marokkaner, Senegalesen und welchen Stammes die »schwarzen Franzosen" sonst noch sind, haben mit eigenen Augen gesehen, wie sich weiße Völker gegenseitig zerfleischen, «le haben fühlen gelernt, daß Frankreich ihre Hilfe bitter nong braucht. Sie haben es mit grinsender Befriedigung eingenommen, daß sie alsGlieder der großen französischen Familie erkannt worden sind. Sie haben vielleicht zunächst W aufgehorcht, als ihnen sogar die Befehlsgewalt

oer Weiße im besetzten Gebiet übertragen wurde. Aber sie yaven sich in ihre neue gehobene Rolle rasch hineingefunden, sich Äs übermütige Herren aufgespielt haben, nur wir ja an Rhein und Ruhr schreiende Zeug­

nisse übergenug.

Natürlich ist auf diese Weise das Selbstgefühl der Schwär­en» .erheblich gestärkt worden. Ihr Machtwille hat Zni^^^orten Auftrieb erhalten. Das Verständnis für die emernschaft aller Schwarzen ist ungemein ge- Kvln» ^ ^ ist es denn nur eine ganz natürliche

ckren ^ die Schwarzen jetzt heftiger denn je an

mm AU" Zerren, daß sie mit Ungestüm die GleichberechLi- stimUn ^U öS U ihre Angelegenheiten selbständig be- rrveü-lsn wallen. In den Kämpfen der Rifkabylen haben wir ftUanUk'U"UEungsgeschichtlich betrachtend, das erste unk Ur schwarzen Welle an die Dämme Europas

Krim der Zivilisation zu erblicken. Gelingt es Abd-el- leim« mrE behaupten, erkämpft er sich durch die Zähigkeit strein .Widerstands die Friedensbedingunqen, die er an- le! As U Befürchtung nicht von der Hand zu wei- .^si am Anfang von schweren Erschüt- r^ UsA die ihr die schmame Welle verursacht. Frank- ner sU» die unheilvolle Militarisierung der Bewoh- mittelbar-» "Ebiete zu dieser Entwicklung den nn- das den gegeben: Frankreich ist das erste Land,

Sünb°» verhängnisvollen Auswirkungen seiner politischen nock» 'st- Wird es endlich einsehen lernen, daß

°d ^u^aben zu lösen gibt, als die Frage,

t^wehre ^ und da noch ein paar verrostete

"weyre ausgegraben werden?

Das gefallene Visum

Das Deutsche Reich und Oesterreich haben sich ent­schlossen, vom 12. August an sich gegenseitig die Freizügigkeit zu gewähren, die der Reiseverkehr schon längst immer drin­gender forderte. Gerade Oesterreich und Deutschland sind in wachsendem Maß auf den Fremdenverkehr angewiesen; zumal für Oesterreich bildet er jetzt. einen wichtigen Be­standteil der Volkswirtschaft und der Zahlungsbilanz. Um so unbegreiflicher war es, daß Oesterreich sich immer noch sträubte, das Visum fallen zu lassen. Von deutscher Seite wurde wiederholt amtlich betont, daß man bereit sei, den österreichischen Staatsangehörigen bei der Einreise nach Deutschland den Visumzwang zu erlassen, wenn Oesterreich den deutschen Reichsangehörigen gegenüber ebenso verführe. Und allenthalben wurde es freudig begrüßt, als vor einigen Monaten in München Verhandlungen darüber zwischen Oesterreich und dem Reich begannen. Der österreichische Ge­sandte in Berlin, Dr. Riedl, hatte diese Verhandlungen nach langwierigen Bemühungen bei der Wiener Regierung end­lich angebahnt. Wider Erwarten 'scheiterten die Verhand­lungen aber plötzlich daran, daß Oesterreich erklärte, es könne auf das Visum nicht verzichten, weil die dafür er­hobenen Gebühren eine unersetzliche Einnahmequelle des österreichischen Staates seien, Diese Stellungnahme machte in der ganzen deutschen Oeffentlichkeit einen äußerst pein­lichen Eindruck, weil man sich der Ansicht nicht verschließen konnte, daß es nur ein Vorwand war. Die österreichisch- deutsche Annäherung sollte durch die Freizügigkeit des Reise­verkehrs gefördert werden. Diesseit wie jenseit der un­natürlichen Grenze zwischen den beiden verwandten deut­schen Völkern wünschte die ganze öffentliche Meinung eine solche Annäherung aufs dringendste. Und nun war sie am österreichischen Widerstand gescheitert. Die Erregung über die Politik des österreichischen Ministers des Auswärtigen, Dr. Mataja, wuchs in beiden Ländern und machte sich in zornigen Zeitungsartikeln und leidenschaftlichen Volkskund­gebungen Luft. Schließlich erkannte die Wiener Regierung, daß sie gegen diesen Strom nicht schwimmen konnte, und gab ihren Widerstand auf. Daraufhin ist das Abkommen ohne weitere Schwierigkeiten zustande gekommen.

Zwischen Deutschland und Ungarn schweben Verhand­lungen, die den gleichen Zweck verfolgen. Und auch zwischen Deutschland und der Tschecho-Skowakei sÄl der MswNUvaug fallen, ^

Neuestes vom Tage

Scherbengericht über den Reichskagspräsidenten Berlin, 2. Aug. Gegen den Reichstagspräsidenten Löbe (Soz.) waren Klagen erhoben worden, daß er die Geschäfts­führung lässig und parteiisch betreibe, die Arbeiten des Reichstags behindere und dessen Würde nicht zu wahren verstehe. Bei der Verhandlung im Aeltestenrak erklärten die Führer der Regierungsparteien Graf Westarp (DNtl.), Fehrenb ach (Ztr.) und Dr. Scholz (D.Bp.), daß nach ihrer Auffassung gegen die Geschäftsführung Löbes keine Beanstandungen zu erheben seien. Die Beschwerden wurden darauf für erledigt erklärt.

5 Millionen für Opfer des passiven Widerstands Berlin, 2. Aug. Der Haushaltausschuß des Reichstags hat eine Entschließung der Regierungsparteien angenommen, daß für die Angestellten und Arbeiter der Bahnen im besetz­ten Gebiet, die bis vor kurzem unter der belgisch-französi­schen Verwaltung zu leiden hatten oder infolge des passiven Widerstands entlassen wurden, zur Entschädigung ein Be­trag von 5 Millionen Mark bereitgestellt werden soll. Der Betrag kann nötigenfalls erhöht werden.

Hilfe für die aus Polen ausgewiesenen Optanten Berlin, 2. Aug. Die preußische Regierung hat für die aus Polen Ausgewiesenen vorläufig 2 Millionen Mark, be­reitgestellt. Die Summen sollen später durch das Reich ver­gütet werden.

Am 2. August sollen 8000 ausgewiesene Optanten auf deutschem Boden eintreffen, denen am 5. und 9. August wei­tere Schübe folgen werden. Die bis jetzt eingettoffenen Leute befinden sich in bitterer Notlage.

Nach Len neuesten Feststellungen über den Umfang der Ausweisung von deutschen Optanten aus Polen beläuft sich die Zahl der Deutschen, die zum 1. August Holen verlassen haben müssen, auf insgesamt 20 000; davon sind, um dem angedrohten Zwangsverfahren zu entgehen, in der letzten Zeit bereits 7000 ausgervandert. Die Zahl derer, die am 1. November Polen verlassen müssen, also solche 'Optanten, die Grundbesitz in Festungsbezirken haben, be­trägt 2500. Der Rest der Optanten, der bis zum 1. Juli nächsten Jahres Polen den Rücken kehren muß, wird aus 4500 berechnet.

Verschleppung deutscher Unkersuchmmsgefangener Berlin, 2. Aug. Die Franzosen und Belgier haben bei ihrem Abzug aus dem Ruhrgebiet deutsche Untersuchungs­gefangene in das altbesetzte Gebiet mitgeschleppt, um sie von den Kriegsgerichten des altbesetzten Gebiets aburteilen zu lassen. Die Reichsregierung wird hiergegen in Paris und Brüssel Einspruch erheben.

Die Schiebungen in der Reichsmonopolverwalkung Berlin. 1. August. Das Verfahren wegen der großen Schiebungen im Reichsbranntweinmonopolamt erstreckt sich, abgesehen von den verschiedenen Firmen, auf vier Beamte, die Direktoren Horwitz und Filitz, den stellv. Direktor Bilde und den Regiernngsrat Denecke. Einer der Direktoren hat unter dem Druck des belastenden Materials ein Geständnis

abgelegt, so daß gegen weitere Firmen vorgegangen werden kann.

Vorschlag zur Einschränkung der Arbeitszeit im Bergbau Bochum, 2. Aug. DieBergarbeiterzeitung" schreibt, cs sei nicht mehr zu verkennen, daß die Entwicklung auf dem Weltkohlenmarkt eine Einschränkung der Kohlenförderung nötig mache. Die Krise lasse sich nur durch eine gleich­mäßige Einschränkung der Förderung, Verkürzung der Ar­beitszeit und Verständigung der Staaten untereinander über die Regelung der Förderung und des Verbrauchs über­winden, ähnlich wie es in der deutsch-französischen Kali- industrie geschehen sei. Deshalb sollte im Bergbau die Woche von fünf Arbeitstagen eingeführt werden.

Meuterei im besetzten Gebiet Duisburg, 2. Bug. Truppen der 4. tunesischen Division, die nach Marokko befördert werden sollten, haben ln voriger Woche gemeutert. Zwei farbige Offiziere und 60 Soldaten sind ins unbesetzte Gebiet geflohen.

Polen verlangt Ostpreußen

Williamskown (Ver. St.), 2. Aug. Der polnische Minister des Aeuhern, Graf Skrzynski, der am hiesigen Institut für Politik Vorlesungen abhält, wies in seinem Vortrag dar­auf hin, daß die Weigerung Rußlands, die gegenwärtigen Grenzen Europas anzuerkennen, den Weg zu einer Befriedung Europas versperre. Deutschland schneide Polen den Zugang zum Meer ab und die 2>j Millionen Einwohner Ostpreußens hätten größere Rechte als die Millionen Polens. Be­fragt, ob er nach den Vereinigter» Staaten gekommen sei, um eine Anleihe vorzubsreiten, sagte der Minister, daß Polen zwar billiges Geld brauche, daß er aber nicht nach Amerika gekommen sei, um Geld für Polen flüssig zu ma­chen. Dank dem Eingreifen der Vereinigten Staaten gebe es in Europa keine deutsche Gefahr mehr, doch könne Polen sogleich friedliche Beziehungen zu diesem Nachbarstaat nicht Herstellen, weil Deutschland Gebietsteile beanspruche, die früher zu Deutschland gehört haben, die jedoch immer pol­nisch gewesen sind. Polen sei nicht willens, Oberschlesien oder die Ansprüche auf den Danziger Korridor aufzugeben.

Mit der Ansicht, daß Polen auch Ostpreußen besitzen müsse, hat Skrzynski abermals Polens Ausdehnungsziele enthüllt. Die Vereinigten Staaten werden nun hoffentlich erkennen, daß Polen der Unruheherd in Osteuropa ist, und werden es sich hoffentlich sorgsam überlegen, ob es ratsam sei, solch einem Staat Anleihen zu geben.

Ausdehnung der »Sicherheit" auf das Wirtschaftsgebiet?

Paris» 2. August. In einer Note des belgischen Außen­ministers Vandervelde an die französische und englische Re­gierung wird nach demEcho de Paris" der Vorschlag ge­macht, daß die Sicherheitsverpslichtungen (Deutschlands) nicht bloß auf das militärische Gebiet beschränkt, sondern auch auf das wirtschaftliche ausgedehnt werden.

Französisch-russische Schuldenverhandlungen

Paris, 2. Aug. Der .Petit Parsten" berichtet, in Ver­handlungen Mischen Vertretern Frankreichs und Moskaus sei vereinbart worden, daß die französischen Besitzer von russischen Borkriegsanleihen teilweise befriedigt werden sollen. Damit würde die politische Einstellung Frankreichs zu Rußland wieder freundlicher werden.

Schlimme Nachrichten aus Marokko

Paris, 2. August. Marschall Petainist gestern in Paris eingetroffen und hat dem Ministerrat Bericht über die Lage in Marokko erstattet.

Was Petain zu berichten hat, ist nichts Gutes. Der Temps" meldet, daß der von den Marokkanern einge­schlossene Posten Ain bu Aischa, trotzdem eine stärkere Abteilung zu Hilfe gesandt worden war, verloren ist, nur 15 Mann sei es gelungen, sich durchzuschlagen, die Be­satzung sei gefallen oder gefangen.

3n Larasch flog ein großes Munitionslager in die Luft. Großer Schaden wurde angerichtet, der Bevölkerung bemächtigte sich ein lähmender Schrecken. Nach spanischen Berichten haben die Marokkaner die französischen Linien mehrfach durchbrochen und die Eisenbahnlinie Taz aF ez an verschiedenen Stellen . zerstört. Be­sonders bei El Arba sei die Kampftätigkeit sehr lebhaft. Französische Berpflegungszüae seien überfallen und wcgge- nommen worden. Die französische Front werde umgruppiert.

Büro Reuter meldet aus Fez, bisher haben die Franzosen in der Hauptsache nur mit aufständischen Marokkanern zu Kämpfen gehabt und sie sollen die Franzosen bis zur Regen­zeit beschäftigen, während deren ein französischer Angriff fast unmöglich sei. Seine ausgebildeten Truppen habe Abd el Krim bisher zurückgebalten, um sie für einen ent­scheidenden Kampf bereil.iul.-'ben.

'He Meldung des britischen Pressebüros, daß Bevoll­mächtigte Frankreichs und Spaniens mit Vertretern Abd el Krims zwecks Friedensverhandlungen .Zusammentreffen wer­den, ist in Paris nicht ausdrücklich widerlegt worden.

Verstärkung der Marokkofront

Nach Marokko gehen fortwährend Truppen- und Mu­nitionsschiffe ab. Ein Aufruf des Ministerpräsidenten Pain- leve, der zugleich Kriegsminister ist, fordert Offiziere der Reserve und Landwehr üsw. zum freiwilligen Kriegsdienst in Marokko auf. Unteroffiziere erhalten neben der Kriegs­löhnung ein Handgeld von 500, Mannschaften ein solches von 150 Franken. Zwei Züge Tanks sind in Rabat ein- getroffen.