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174 Gegründet 1826.

Tagesspiegel

Reichspräsident von Hindenburg wird, nach einer T.U.- Meldung, am 11. August sich nach München begeben, wo am 12. ein öffentlicher Empfang stattfindet.

Der Aelkeskenrai des Reichstags fetzte fest, doch die Voll- sihungen länger ausgedehnt und die Redezeit abgökürzt wird, damit die Abstimmung über die Zollvorlage im Anschluß an die Steuergesetze noch vor den Reichskagsferien ermöglich! wird.

Ueber den Beginn der Ferien haben sich die Reichstags- Parteien noch nicht einigen können.

Der englische Flottenbauplan fleht bis zum Jahr 1930 Nusgccken von 58 Millionen Pfund Sterling vor.

Ein kritischer Tag erster Ordnung

Me es in der Natur solche Tage gibt, so erst recht im politischen und wirtschaftlichen Leben. In England ist's der 1. August. Je nachdem die Würfel an diesem Tag fallen, darnach kann es auch England sehr schlecht gehen. Wenn es am 1. August zu der befürchteten Berg­arbeiteraussperrung kommt, dann werden auch die anderen Arbeiter der gewaltigen englischen Industrie streiken und England steht vor einem namenlosen wirtschaft­lichen Unglück.

Wie konnte es nun aber so weit kommen? Wieder ein­mal bestätigte sich das Wort:Das ist der Fluch der bösen Tai, daß sie fortzeugend Böses muß gebären." Die böse Tat war der französische Ruhreinbruch. England hatte am 5. Mai 1923 in halbamtlicher Form durch seinen Außen­minister im Parlament erklären lassen, das französisch­belgische Vorgehen im Ruhrgebiet sei vertragswidrig. Aber er siel der Regierung nicht ein, die einzig richtige Folgerung daraus zu ziehen: Frankreich auch mit Tat in den Arm W fallen. Vielmehr, England ließ Frankreich ruhig ge­währen, als ob dieses das größte Recht M seiner Schandtat hätte. Der Erstminister beglückwünschte sogar Poincare zp seiner Freoeltat.

Warum? Aus Angst vor Frankreichs riesengroßer Luft­flotte? Gewiß. Aber auch aus einem anderen sehr ma­terialistischen Grund. Die Stillegung oder wenigstens Ein­schränkung der Ruhrkohisnerzeugung war Englands Vor­teil. Jetzt blühte dort der Weizen. Die Unternehmen konnten ausgezeichnete Geschäfte machen und dabei die Bergarbeiter bester entlohnen. Diese konnten ihrerseits ihre Lebenshal­tung verbessern, und bekanntlich gewöhnt sich der Mensch cm nichts schneller an, als an ein gutes Leben, und er trennt sich von nichts schwerer, als von guten Tagen.

Aber die Sache kam anders. Mit der Einstellung des passiven Widerstands und der darauf folgenden Lockerung der französischen Zwangsmaßnahmen steigerte sich natur­gemäß die Kohlenförderung im Ruhrgebiet. Die Äcuhfrage nach englischer Kohle ließ nach. Die dortigen Bergwerks- besitzer konnten ihre Arbeitsvergünstigungen nicht mehr in gleichem Maß fortführen. Sie mußten anAbbau" denken.

Dieser liegt nun auch wirklich vor in den neuen Ar­beitsbedingungen, die den Gewerkschaften zugestellt wurden mit dem Anfügen, daß bei Nichtannahme am 1. August allgemeine Aussperrung erfolgen soll. Wird sie zur Tatsache, dann wollen die anderen Gewerkschaften mit einem Generalstreik antworten. Und das Unglück ist da.

Damit es gewiß so weit komme, dafür werden nach Krchten die Kommuni st en sorgen. Es gibt deren genug m England, und sie sind seit dem neuerlichen Zwist mit Moskau aus das Kabinett Baldwin gar nicht gut z« sprechen. Jetzt haben sie die allerbeste Gelegenheit, Böses mit Bösem zu vergelten.

Nun ist ja anerkanntermaßen die Arbeitslosigkeit Englands größtes Nebel, das allen Regierungen desSie­gerstaats" seit dem unheilvollen Tage von Versailles die allergrößte Sorge gemacht hat. Was helfen England seine ungeheuren kolonialen Erweiterungen in Afrika? Was nützt ihn die Vernichtung des so sehr gefürchteten deutschen Wettbewerbers auf dem Weltmarkt? Niemals können alle diese sogenannten Errungenschaften das nationale Unglück der Arbeitslosigkeit ausgleichen! Sind es doch mehr als eineinviertel Millionen Arbeitsloser, die seit Jahren herum- lungern, junge, kräftige Leute, die sich die Arbeit, jene heil- mnste Selbstzucht, abgewöhnt haben. Die Regierung hat düse gefährliche Landplage durch umfangreiche Unterstützun­gen einigermaßen gebändigt. Wenn aber sie am nächsten Samstag losgelaffen werden, was dann folgt, das kann flch jeder selbst lebhaft vorstellen.

Kein Wunder, daß Baldwin am letzten Samstag ^nen Urlaub unterbrach, nach London eilte und dort als­bald die Gewerkschaftsführer empfing. Es wird, wenn dem Unglück rechtzeitig vorgebeugt werden kann und soll, der Legierung nichts weiter übrig bleiben, als einstweilen den unterschied zwischen den alten und den neuen Löhnen aus d«r eigenen Tasche vorzustrecken. Denn die Arbeitgeber er- klaren, es sei ihnen unmöglich, die alten Löhne fortzuzahlen.

Ob es dem Kabinett Baldwin gelingt, diesen bösen Geist M beschwören? Kaum ist die böse Flottenvvrlage, die trotz Art. 8 der Völkerbundssatzung eineAufrüstung" All eineAbrüstung" bringt, gerade noch glücklich unter «nj, Fach gebracht worden sie drohte ja eine Sprengung des Kabinetts selbst nun diese neue Sorge!

Für uns Deutsche hat der drohende Bergarbeiter- Generalstreik eine doppelte Seite. Einerseits bildet sie Genugtuung darüber, daß das zum Himmel schreiende

Mittwoch den 2S. Juli 1825

Unrecht, das Frankreich uns mit dem Ruhreinbruch unter tatsächlicher Dulduno Englands zugefücrt bat, nun auf den Spießgesellen des Missetäters zurückfällt. Dennmitgegan­gen mitgefangen". Andererseits war und ist Englands Schwäche stets auch unser Nachteil. Denn ein schwaches England hat keine Widerstandskraft mehr gegenüber Frank­reichs sträflichem Uebermut. Und heute, wo wir in die weit- geschichtlich wichtigen Verhandlungen über die Sicherheits­und Abrüstungsfragen einen starken Bundesgenossen jenseits des Kanals ganz notwendig brauchen würden, müssen mir lebhaft wünschen, daß Englands Hände so frei als nur mög- lich sind. V. N.

Neuestes vom Tage

Haushaltsplan der Allgemeinen FmanzverwÄtuag für 1925 Berlin, 28. Juli. Der Hcmshaltsausschutz des Reichstags beriet den Haushaltsplan der Allgemeinen Finanzverwal- llmg. Der Gesamtüberschuß im Haushalt 1925 beträgt 351 Z Millionen RM. gegenüber einem Gesamtüberschutz von L238 Millionen RM. im Jahr 1924. An Einnahmen find für die Einkommensteuer 1700 Millionen RM. verzeichnet, für die allgemeine Umsatz- und Luxussten-w 1500 Millionen, für die Vermögenssteuer 500 Millionen, für die Körper­schaftssteuer ZOO Millionen, für die Beförderungssteuer (Personen- und Güterbeförderung) 282 Millionen. Die Grunderwerbssieuer ergibt im Jahr 1925 nur 15 Millionen gegenüber einem zehnfach höheren Betrag im Jahr 1924. Die Börsensteuer, die 1924 4 Millionen erbrachte, ist mit Ablauf des 31. Dezember 1924 außer Kraft getreten. Der Ertrag der Börsenumsatzsteuer wurde von 150 Millionen 1924 auf 96 Millionen 1925 gesenkt. An Zöllen und Ver­brauchssteuern ergibt sich im Jahr 1925 ein Ertrag von insgesamt 1514 Millionen gegenüber 1099 Millionen im Jahr 1924. Aus dem Steueraufkommen müssen den Län­dern 2172 Millionen überwiesen werden.

Aenderung von Zollsätzen

Berlin, 28. Juli. Der handelspolitische Ausschuß des Reichstags nahm einen Kompromißantrag an, nach dem für frische Kartoffeln bis zum 14. Februar 1936 ein ermäßigter Zollsatz von 25 Pfg. festgesetzt wird. Der Zollsatz für Kelter-, trauben und Weinmaifche wurde von 46 auf 60, für Bana­nen von 15 auf 30, für Apfelsinen von 20 auf 20 und für Gurken von 10 auf 30 Mk. erhöht.

Einspruch des Rcichsrats gegen das Fürforgegesetz Berlin, 28. Juli. Der Reichsrat hat gegen die Stimmen der Provinz Sachsen und der Stadt Berlin gegen das vom Reichstag angenommene Abänderungsgesetz betr. die Für- sorgepslicht Einspruch erhoben.

Die Notlage des deutschen Bergbaus Berlin, 28. Juli. Heute vormittag fand im Aeichsarbeiks- ministerium eine Besprechung mit Vertretern der Berg­industrie, Arbeikgebern und Arbeitnehmern, über die Not­lage des deutschen Bergbaus und die Stillegung verschiedener Zechen stakt.

Der deutsche Kohlenmarkk und der englische Streik Berlin, 28. Juli. Der Berliner Berichterstatter der Lon­donerDaily Mail" will erfahren haben, daß in einer ver­traulichen Besprechung im (preußischen Handelsministerium l?), zu der Vertreter dev-Grubenbesitzer und der Bergarbei­ter zugezogen waren, von seiten des Ministeriums erklärt worden sei, der etwaige Ausbruch eines Streiks in Eng­land am 1. August werde die Lage des deutschen Kohlen- markks stark beeinflussen. Die Begründung sei so über­zeugend gewesen, daß auf Vorschlag des Gewerkschaftsver­treters beschlossen worden sei, die Lohnforderungen der deut­schen Bergarbeiter zu vertagen. Außerdem sei eine Frachken- verbilligung der Nordseehäfen bewiüigk worden, und es solle eine möglichste Fernhattung der englischen Kohle von Deutschland angestrebt werden. Endlich sei eine Herabsetzung des Auhrkohlenpreises um 30 v. H. vereinbart worden, in der Erwartung, daß die Kohle über Triest nach den Mittel­meerhäfen abgesehk werden könne. Die Meldung sieht ganz so aus, als sollte sie die englischen Bergarbeiter vom Streik abfchrecken.

Zum polnischen Streik

Berlin, 28. Juli. Gegenüber den polnischen Versuchen, einen Gegensatz zwischen der Reichs- und der preußischen Negierung in dem Streik mit Polen festzustellen, wird amt­lich erklärt, daß zwischen beiden Negierungen über die Sache volle Aebereinstimmung bestehe.

Zur Wettkonferenz der christlichen Kirchen Berlin, 28. Juli. Die Weltkonferenz der christlichen Kir­chen, die vom 19. August bis 30. August in Stockholm tagen wird, hat dem Evangelischen Presseverband für Deutschland e. V. und dem Deutschen evangelischen Kirchenausschuß An­laß gegeben, führende Vertreter der Berliner Presse zu einer Zusammenkunft mit den Führern der deutschen Delegation einzuladen. Hierbei wurde festgestellt, daß die Weltkonferenz eine Sache der organisierten Kirchen und damit eine Art Kirchenkonzil ist, an dem alle christlichen Kirchen der ganzen Welt, auch die griechisch-orthodoxe und die Freikirchen, teil- nehmen werden, außer der römisch-katholischen Kirche, die ans prinzipiellen Gründen die Beteiligung aboelehnt hat. Das Konzil wird sich aber nicht mit Glaubens- und Bekennt­nisfragen beschäftigen, sondern ausschließlich mit praktischer Arbeit und moralischen und sozialen Fragen, mit dem Ver­hältnis der Kirche zu Industrie und Eigentum, mit Schule und Erziehung und anderen. Die Gesamtzahl der Vertreter wird 6700 betragen, darunter bekanntlich 78 Deutsche.

Fernsprecher Nr. 29. 88. Jahrgang

Der Einigungsversuch im sächsischen Baugewerbe gescheitert

Dresden, 28. Juli. Der durch Vermittlung des sächsischen Arbeitsministeriums eingeleitete Einigungsversuch im Bau­gewerbe ist ergebnislos verlaufen.

Sarrrgrubenarbeiker bei dem fronz. vcrkehrsmimstcr

Paris, 28. Juli. Verkehrsminister Laval empfing gestern eine Abordnung der Bergarbeiter des Saargebiets, die chm die Beschwerden der Bergleute vortrug und deren bedrängte Lage schilderte. Die Besprechung wurde heute fortgesetzt. Der saarländische Landesrat hat den Arbeits­minister telegraphisch ersucht, die berechtigten Forderungen der Bergleute anzunehmen.

Warenlieferung oder Barzahlung?

Baris, 28. Juli. Ueber die derzeit in London geführten Verhandlungen über die Tilgung der französischen Schulden bei England erfährt dasPetit Journal", die Engländer setzen Zweifel in die Leistungsfähigkeit Frankreichs. Die französische Abordnung sei davon unangenehm berührt, und die habe die Vertreter des englischen Schatzamts daran erinnert, daß beim Londoner Abkommen über den Dawes- plan auf die Zahlungsfähigkeit Deutschlands Rücksicht ge­nommen worden sei. Mindestens dieselben Bedingungen müsse England auch Frankreich zu gestehen. Auf keinen Fall, könne Frankreich eine fremde Ueberwachung seiner Finan­zen zugeben. Die Engländer wiesen dagegen auf die große

Arbeitslosigkeit in England hin, die e^ unmöglich mochcu daß Frankreich seine Schuld in Waren bezahle. Bar» Zahlungen hinwiederum erklärte« die Franzose»> unmöglich, weil die französische Währung dadurch noch mehr leiden würde.

Finanzminister Caillaux will Ende dieser oder Am fang nächster Woche nach London reffen, vorausgesetzt, dah die Vorbesprechungen ein solches Ergebnis haben, daß ea mit Churchill die politische Seite der Frage behaudekq kann.

England verzichtet ans die Konferenz. Englisch-franzöp- scher Sicherheitsvorfchlag

Paris, 28. Juli. Ueber die gestrige Besprechung des eng­lischen Botschaftersekretärs mit dem Direktor im Auswär­tigen Amt, Berthelot, berichtet das .Journal", England verzichtefür den Augenblick" auf die Konferenz über die Sicherheitsfrage, die bisher von Chamberloin lebhaft ge­wünscht, von Bricmd aber abgelehnt wurde. Ueber die Sanktionen" sei schon auf der letzten Londoner Konferenz der Beschluß gefaßt worden, daß in jedem Fall ein Schieds­spruch erfolgen müsse. England verlange ferner, daß bei einem deutsch-polnischen Streit der Völkerbund festzustellen habe, ob ein deutscherAngriff" vorttege, ehe französtsche Truppen durch dasneutrale Rheingebiet' einmarschieren. Frankreich will die Entscheidung fich selbst Vorbehalten- DasPetit Journal" will wissen, in London sei bereits der Wortlaut des von den Verbündeten vorzulegenden Sicher­heitsvertrags im Einvernehmen mit Frankreich fast fertiggestellk. Es werde schwierig sein, die Zustimmung Deutschlands zu diesen Bertragsforderungen zu erlangen.

Eines der klügsten politischen Dokumente London, 28. Juli. Zur deutschen Antwortnote schreibt der bekannte Politiker Garvin in der Wochenschrift ,Lbser- vrr", die Note sei eines der klügsten politischen Schriftstücke, die man seit Jahren gesehen habe. Der einzige ZweM sei, ob sie nicht für ihren Zweck zu klug sei- Je länger man sich in Paris mit der Note und den Erklärungen der deutschen Staatsmänner beschäftige, desto gereizter werde dort das Mißtrauen. Me Erklärungen Strefemanns zeigen eine ge­wisse Neigung, das jetzt Erreichbare für Ziele zu opfern, die gegenwärtig zweckmäßig noch nicht in Angriff genommen werden sollten, und daß das erste Interesse der deutsch«! Politik darin bestehe, die enge di somatische Ver­bindung mit Rußland aufrecht zu erhalten. Das deutsche Widerstreben gegen das Durchzugsrecht komme auf eine Erleichterung eines etwaigen Angriffs Rußlands aus Polen und auf eine Verlegenheit oder Trennung Englands und Frankreichs hinaus. Ferner fei esübereil t" (!), die Frage der (allgemeinen) Abrüstung aufzuwerfen und ein« Beschleunigung - erRäumungdesRhei Ir­lands s anzudeuten. Man müsse jetzt mit der Möglichkeit rechnen, daß der Plan des Sicherheitsabkommens der Westk möchte zu keinem Ergebnis führe: bei den Franzosen herrsch« nun einmal das Gefühl vor, daß sie sachte in eine FallG gelockt werden sollen.

Der drohende Streik in EnSomd London» 28. Juli- Die Arbeiterpartei hat den GewerV schäften die Hilfe bei einem Streik angeboten.

Erstminister Baldwin hat den Grubenbesitzerverbaiid ersucht, die Kündigung des Lohntarifs lauf 1. August) vcw- läusig zurückzunehmen. Den Gewerkschaften empfahl er, die Arbeit zu den gegenwärtigen Bedingungen fortzusetzen.

Der Vollzugsausschuß des internationalen Bergarbeiter- verbands hat in einer Sitzung in Paris die Möglichkeit eines gleichzeitigen Streiks in England, Belgien, Frank­reich und Deutschland besprochen. Die Engländer wÄffchen für ihren etwaigen Streik namentlich Geldunterstütznnq von Frankreich.

Die Mehrzahl der englischen Kabinettsmrtgiieder soll gegen den Vorschlag der Gewerkschaften sein, den Unterschied der nenemffuführenden Lichne gegen die früheren LohEke auf Staatskosten zu übernehmen, und zwar deshalb, weil in den andern Industrien sofort dieselben Forderungen erhoben würden und es schwer sein würde, die Zeitdauer der Aaats- beiträge zu begrenzen.