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««gründet 1826.
Tagesspiegel
Reichskanzler Dr. Luther hakte eine vertrauliche Besprechung mit den Führer« der Regierungsparteien über die Aollvorlage.
Die deutschen Verhandlungen mit England wegen der Führung englischer Lufkpostlinien über Deutschland sind ab- gebrochen worden. Die Engländer werden nun über die Schweiz fliegen — und das ist gut so.
Die französische Antwort auf die Sicherheiksvort-*>kage soll anfangs dieser Woche in Berlin übergaben werden.
Die italienische Behörde in Trient hak die devtschtirolischeu Zeuerwehrvereine in SSdtirol aufgelöst, da sie gesetzwidrig seien.
Der französische Skaatshaushaltplan für 1925 enthält ZZ »75 Millionen Franken Ausgaben und 32 076 Millionen Einnahmen.
Der französische Kammerausschuß hat den sozialistischen Antrag auf Einführung der Verhältniswahl mit 18 gegen 11 Stimmen angenommen.
Das neue belgische Kabinett Poullek ist wieder zurück- getreten, da die Kammer ihm das Vertrauen nur mit 33 gegen 62 Stimmen bei 6 Enthaltungen aussvrach. Der König -miftragte Bverr wieder mit der Kabinettsbildung.
Graf Kanitz
über die Landwirtschaftszölle
Reichsernährungsminister Graf Kanitz hielt im Reichswirtschaftsrat eine Rede, in der er erklärte: Auf die Dauer ist das heutige System des Zollschutzes für die Industrie ohne entsprechenden Schutz für die Landwirtschaft nicht haltbar. Es wird immer deutlicher, daß zum Schaden der Gesamtwirtschaft die Landwirtschaft nur noch mit Mühe mitgeschleppt wird. Die Handelsvertragsverhandlungen der letzten Monaten haben gezeigt, daß die handelspolitische Richtung in fast allen bedeutenden Ländern auf eine Erhöhung der Zollsätze hinzielt. Deshalb werden wir Nvcirigsläusig vorerst aus den Weg unserer Vertragsgegner gedrängt. Vornehmlich aber soll der agrarische Teil der Zoll- oorlage der Produktionsförderung dienen. Wer Produktionssteigerung will, kann der Landwirtschaft einen maßvollen Zollschutz nicht vorenthalten; denn große überseeische Ernten können bei den heutigen deutschen Produktionskosten über Nacht eine Katastrophe herbeiführen. Würde der Zollschutz nur auf die Milchproduktion gelegt und nicht auch auf Getreide, so würde dadurch der gemischtwirtschaftliche Charakter und damit der einzige Vorsprung, den die deutsche Landwirtschaft gegenüber der Uebersee hat, geschädigt werden. Mit einem Steigen der Weltgetreidepreise ist nicht zu rechnen, da bereits das vorjährige Anziehen der Preise eine Vermehrung der Getreideanbaufläche in Amerika zur Folge gehabt hat. Bereitschaftszölle sind abzulehnen, da sie handelspolitischunmöglich sind und zudem den innerdeutschen Kampf um die Zölle verewigen. Mindestzölle sind notwendig, weil wir wirt- Msttlich und politisch zu s-^wach sind, um uns bei den Hondelsvertragsverhandlungen wirksam gegen ein zu starkes Herabdrücken der deutschen Getreidezölle wehren zu können.
Daß die Einführung von Getreidezöllen die Ausfuhr- Khigkeit der deutschen Industrie schädige, vermag ich nicht onzuerkennen. Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft vor Am Krieg beweist das Gegenteil. Wenn auch unter Umstanden durch Agrarzölle eine gewisse Verteuerung ernststen kann, so steht die Reichsregierung doch auf dem Standpunkt, daß auf die Dauer der deutsche Verbraucher «m billigsten aus der eigenen Scholle erfahrt wird, da ein maßvoller Zollschuk gesteigerte Erzeugung und vermehrtes Angebot bewirkt, und das Massenangebot somit iinmer preisdrückend wirkt. Wer als Tel die ^ab^ktionssteigerung ernstlich will, wird sich bei Würdigung "er Gssmntlaae Deutschlands der notwendigen Konseauenz emes maßvollen Zollschvtzes nicht entziehen können, denn "bne einen solchen wäre die deutsche Wirtschaft das willenlose ^st'zeug des Weltagrarmarktes. Wir dürfen nie vergessen, AK die Produktionskosten in Deutschland, auch wenn die -mime in Uebersee gestiegen sind, doch immer über den aus- audnchen liegen werden, weil die klimatischen Vorbeugungen, z. B. in Kanada, in Nordamerika und Araen- A>en, derart günstig sind, daß Deutschland niemals ernstlich zgstsimersn kann. Der Getreidebau ist und bleibt immer As Rückgrat der landwirtschaftlichen Kultur Deutschlands. As Gesetzentwurf vorgesehene Wiedereinführung von Zcnweftzöllen für die vier Hauptgetreidearten ist besonders gs^nstcmd von Angriffen geworden. Die Reicksregierung ledocki auf ihre Wiedereinführung den größten Wert ^en, weil wir wirtschaftlich und politisch zu schwach sind, mn uns bei den Handelsvertragsverhandlungen wirksam ^gen ein zu starkes Herabdrücken der Getreidezölle wehren M tonnen.
5 ; der Einfübrung der Bülow-Zölle bewirkte seinerzeit ?ie kaufkräftigere Landwirtschaft einen erhöhten Ab- Industrieerzeugnissen und hat somit -rnedl^h zum Anwachsen der Industrie und Miehnch ,,, der wirtschaftlichen Aufbesserung der breiten geführt. Die Freigabe der Ausfuhr für Getreide ist smmchtlich ihrer Wirkungen überschätzt worden, da im Aus- mud wenig Nachfrage nach deutschem Brotgetreide besteht
v"." er geringeren Qualität desselben.
Ao? ''T^E'stchsENÄ ^ ^ bemerken, daß die fortschreitende St-, ^-Verbesserung und Modernisierung, Kredithilfen und
uerermäkiaunaen allein keine Vroduktionssteiaeruna be-
Montag den IS, 3rmi 1925
wirken werden, wenn nickt die praktischen Vörbedinqu'ngen für die Rentabilität ans längere Sicht geschaffen werden. Dies ist ober »Wie Zollschuk nickt möglich. Die beste Verbrauckervolitik ist immer diejenige, die zu einer Steigerung der Produktion führt. Die Entwicklung der deutschen Gesamtwirtschaft in deÜl letzten zehn Jahren vor dem Krieg hat ganz deutlich gezeigt, daß die Landwirtschafts- Zölle die landwirtschaftliche Erzeugung in außerordentlichem Maß gehoben haben, daß die Husführmöglichkeit her Industrie nicht im geringsten beeinträchtigt wurde, sie ist vielmehr andauernd gestiegen, und daß Nicki nur keine Verarmung der breiten Masten eingetreten ist, sondern da*- sich die Kaufkraft und Lebenshaltung der Verbrauchs ebenfalls besserte. Es bedarf keiner besoecheren Hervorhebung, daß die Aqrarzälle zugleick ein höchst wirksames Instrument beim- Abschluß von Handelsverträgen «waren. Die Verhältnisse nach dam Krieg sind nicht so grundlegend andere geworden, daß man annehmen dürfte, was vor dem Krieg wirksam und richtig war, sei heute unWirksam und imrichtig geworden.
Die Reichsregierung ist sich Hhrer Verantwortung bei Einbringung der Zollvvrlage aeMiüber den deutschen Verbrauchern vollkommen bewußt. Ate will keine Erstarkung der Landwirtschaft auf Kosten W; übrigen Volksgenossen. Das Ziel der Reichsregierung ist; Hebung de/ Gesomtwirt- schaft zum Nutzen jedes einzelne« deutschen Staatsbürgers. -
Neuestes vom Tage
Vertagung der Ministerkonferenz
Berlin, 14. Juni. Die Besprechung der deutschen Staatspräsidenten und Erstminister über die Entwaffnungsnote wurde in letzter Stunde vertagt, da die anaekündigte französische Sicherheitsnote unerwartet ausgeblieben war, une beide Fragen zusammen behandelt werden sollen. — Schade um die Zeit und das Fahrgeld.
Französische Lügenmeldung
Hamburg, 14. Juni. Das Pariser „Journal" veröffentlichte kürzlich ein Londoner Telegramm, worin behauptet wurde, daß am 6. Juni der 3000 Tonnen-Dampfer „Margarete" den Strandhafen in Hamburg verlassen Tanderen garete" den Strandhafen in Hamburg mit einer Wagenladung für die Rifkabylen verlaßen häde. An Bord hatten sich Maschinengewehre, Fliegerabwehrgeschütze, Flugzeugteile, Munition und auch Geschütze eines neuen Typs befunden, die anscheinend zur Bewaffnung »von Flugzeugen bestimmt seien. Amtlich wird hierzu mitgeteilt: Die in Hamburg angestellten Nachforschungen haben ergeben, daß ein 3000 Tonnen-Dampfer „Margarete" von Hamburg arn 6. Juni nicht abgegegangen ist, und daß kein den Namen „Magarete" oder eine ähnliche Bezeichnung tragender Hamburger Dampfer für eine solche Waffensenduna in Frage kommt. Am 6. Juni bat ein Dampfer „Magarete" mit einer Stückgutladung nach Memel den Hafen verlassen. Für eine Marokkofahrt kommt dieses Schiff nicht in Frage, da es nur eine Tonnage von 369 Tonnen hat. Ein Dampfer „Margarete" ist am 6. Juni ferner von Hamburg mit Stückgutladung nach Schweden gegangen und wird am 13. oder 14. dieses Monats hier wieder im Hafen erwartet. Ferner liegt ein Dampfer „Margarete" seit dem 7. Juni auf der Deutschen Werst. Außer diesen drei Dampfern hat ein Schiff ähnlichen Namens in den letzten Wochen im Hamburger Hafen nicht gelegen.
Die Lage in Marokko
Paris. 14. Juni. Der amtliche Bericht stellt fest, daß dis Erregung unter der eingeborenen Bevölkerung in Marokko im Zunehmen begriffen sei und daß die Angriffe abgefallsner Stämme sich mehren, wie überhaupt die örtlichen Vorstöße der Kabylen immer häufiger werden, die Gesamtlage sei daher ernster geworden. Abd el Krim sei sehr beschäftigt, die Stadt Ajdir und Umgebung für den spanischen Angriff in Stand zu setzen. (Ajdir, das Hauptquartier Abd el Krims, liegt südlich von Alhucemas so nahe an der Bucht, daß schwere Schiffsgeschütze die Stadt beinahe noch erreichen können.)
Die von französischen Kriegsschiffen an der marokkanischen Küste aufgebrachten deutschen Fischdampfer „Leipzig" und „Dortmund" find wieder freigegeben worden, nachdem festgestellt war, daß die Ladung nur aus Fischen bestand.
Die spanische Front wurde am 11. Juni von den Kabhlen angegriffen, die besonders die Linien bei Beni Hosmar zu durchbrechen suchten. Die Kabylen sollen nach dem amtlichen spanischen Bericht ernste Verluste erlitten haben und 50 Tote und Verwundete seien innerhalb der spanischen Linien gefunden worden, die Spanier hätten iedoch ihre Stellungen behauptet.
Nach Havas sollen spänische Flieger das Feldlager Abd el Krims bei Ajdir mit Bomben beworfen haben.
Der Pariser „Matin" berichtet aus Madrid, das Direktorium sei bereit, mit Abd el Krim zu verhandeln und es habe dazu als Unterhändler den bekannten Schiffsreeder Eckevarieto noch Alhuiemas geschickt. Spanien wolle Ge*d.- opfer bringen, um eine Einigung zu erreichen.
Die Londoner „Times" schreibt, Unterhandlungen mit Abd el Krim wären jetzt zwecklos. Abd el Krim würde von seinen Anhängern als Verräter betrachtet werden, wenn er jetzt nicht alles daran setzte, um seine Siege auszunützen. Andererseits stehe das Ansehen Frankreichs in -/len seinen Kolonien auf dem Spiel.
Unterstützung des Schanghajsireiks durch die chinesische Regierung
Paris. M. Juni. Havas meldet, die Regierung in Peking habe aus das Drängen einer Volksversammluna einen n-uen
Fernsprecher Nr. 29.
9V. Jahrgang
Einspruch gegen das Vorgehen der Fremdmächke «yckaben und 100 000 chinesische Dollar zur Unterstützung der" Streikenden nach Shanghai gesandt.
In Han kau wurden mehrere Läden durch Cbinesev geplündert. Der englische Generalkonsul ersuchte die chinesischen Behörden um militärischen Schutz für die Ausländer-Niederlassung. Die fremden Schiffe haben Truppen gelandet.
In Hongkong (britisch) beraten die chinesischen Seeleute über einen allgemeinen Streik, der am 20. Juni beginnen soll.
London, 14. Juni. Marschall Tschangtsolin erklärte in Tientsin, alle Parteien in China' seien entsckstosten, das brutale Auftreten der Ausländer nickt länger zu dulden, und die Regierung in Peking könne auf die Unterstützung aller Chinesen rechnen, wenn sie Schritte dagegen unternehme. An den Vorkommnissen in Schanghai trage das Vorgehen der Ausländer die Hauptschuld. i
Moskau mischt sich ein
Reuyork, 14. Juni. Nach der „Aff. Preß" hat die Sowjeregierung in Moskau dem Befehlshaber der Tünna«- truppen, General Tang, der im Krieg gegen Kanton liegt, ein Angebot von 10 Millionen Dollar und 60 000 Gewehren gemacht, wenn er ein gewisses Abkommen mit Moskau treffe. Tang habe den Antrag abgelehnt, aber er macht auch kein« Mitteilung über das, was Moskau von ihm verlangt hade.
Französisch-russische Verhandlungen
Paris, 14. Juni. In den Verhandlungen -er von der französischen und der Moskauer Regierung ernannten Sachverständigen für die Regelung der russischen Vorkriegsschulden an Frankreich stellten die Franzosen, wie das „Journal" berichtet, die von Rußland anzuerkennenden Verpflichtungen aus 10 Milliarden Goldfranken fest; der Nennwert der von der damaligen russischen Regierung gewährten Anleihe belaufe sich auf 16 Milliarden. Für die Rückzahlung »er 10 Milliarden und Zinsen würde der Moskauer Regierung eln zehnjähriger Zahlungsaufschub ab 1. Januar 1926 gewährt werden. Die seit 1918 angewachsenen Zinsen sollen unverzüglich auf folgender Grundlage gezahlt werden: Der Betrag für die zurückliegenden 7 Jahre werde aus 4 Milliarden Goldfranken geschätzt. Die französische Regierung würde jedoch 4 Milliarden Papierfranken als gleichwertig zur Abgeltung dieser bereits fälligen Zinsen annehmen. Die russischen Sachverständigen jedoch wollten nur zwei Milliarden Papierfranken bewilligen. Außerdem erklärten sie, daß Rußland neue Darlehen von gleicher Höhe Lurch die französische Regierung oder durch die französischen Banken bewilligt werden müßten.
Die Absicht der Russen ist also ein neuer Pump, die Rückzahlung der alten Schulden macht ihnen kein Kopfzerbrechen, denn wer weiß, was in zehn Jahren des Zahlungsaufschubs alles passieren kann.
Aufstand im Mesopotamien
London, 14. Juni. In der Empörung über das Verhalten englischer Soldaten ist in Mossul ein Aufruhr aus- gebrochen-. Die englische Oberbehörde hat den Belagerungszustand verhängt und Truppen aus Bagdad abgesandt. Etwa 100 Verhaftungen sind vorgenommen worden. — Die Araber, die ihre Ehre und ihr Eigentum gegen zuchtlose Eindringlinge verteidigen, müssen sich noch als „Aufrührer" einsperren und womöglich erschießen lassen. Die große Lüge des Weltkriegs treibt immer schönere Blüten — bis der Tag der Strafe anbricht.
Deutscher Reichstag
Berlin, 14. Juni.
In der gestrigen Sitzung empfahl Abg. Berndt den deutschnationalen Antrag, einen ständigen Verfassungsausschuß einzusetzen, der die Weimarer Verfassung auf ihre Zweckmäßigkeit nachprüfen soll. Solche Verfassungsausschüsse bestehen derzeit in Preußen und Bayern. Redner wendet sich gegen die Unterdrückung der Rechts-Verbände des Nationalverbands Deutscher Offiziere. in Preußen. Wenn man den Eingriffen der Entente in das deutsche Polizeiwesen stattgäbe, würde den bolschewistischen Eindringlingen Tür und Tor geöffnet. i
Abg. Schreiber (Ztr.) spricht sich namens seiner Par- ^ rei gegen die Einsetzung eines Verfassungsausschusies aus. Er fordert die baldige Erledigung des Schulgesetzes und > Regelung des Religionsunterrichts.
Abg. v. Kardorff (D. Volksp.): Eine Verbesserung der Weimarer Verfassung sei unbedingt nötig. Seit der Errichtung der Verfassung 1920 haben sich inzwischen die ' politischen Mehrheitsverhältnisse geändert, und das Volk. denke über viele Fragen anders als damals. Die Form, in: der die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse arbeiten, ^ sei geradezu zum groben Unfug geworden. (Lebh. Zu- j stimmung). Der Reichsgründunastag sei als Nationalfeierrag der geeignetste: der Volkstrauertag würde am besten mit , dem Bußtag verbunden.
Abg. Stöcker (Komm.) fragt nach der Begnadigung - und kündigt einen Mißtrauensantrag gegen den Reichs- mnenminister an.
7 2. Sitzung. Abg. Koch- Weser (Dem.): Es sei jetzt nicht die Zeit, Aenderungen an der Verfassung vorzunehmen: man soll sie nicht abbauen, sondern ausbauen. Seit Hindenburg sich für die demokratische Verfassung ausgesvro- chen habe, sei eine Aenderung in den Grundzügen nicht .'ehr möglich. Das gleiche Gcmeindewahlreckt abzuschassen, wie Abg. Kardorff wolle, fei ein Traumgebilde.