Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter*
Freitag. 12. 3««i 1S2S
S eite S - Nr. 134 _
Wzösische Note im letzten Augenblick noch eine leichte Wderung erfahren hat. In der nächsten Zeit soll ein Mbuch erscheinen, das sämtliche in den Sicherungsver- Wdlungen aufgetauchten Schriftstücke enthält.
Die französische Note an Deutschland.
London» 12. Juni. Von einem hohen Beamten am M d'Orsay wird mitgeteilt, daß die französische Antwort E Deutschland inhaltlich von dem in Genf zusammen mit M englischen Außenminister Chamberlain festgelegten nicht Wichen werde. Briand wird den Text der Note dem hMen Botschafter vorlegen. Dieser wird wahrscheinlich B Ästen Sonnabend oder Montag am Quai d'Orsay ^Dgen werden.
Rückkehr Briands.
Morgen keine Aebergabe der Note.
Paris. 12. Juni. Briand ist gestern nachmittag um 2 Uhr wieder in Paris eingetroffen und hat bereits eine längere Unterredung mit dem Direktor der politischen Abteilung La Roche und dem Generalsekretär Berthelot gehabt. Nach den Auskünften des Quai d' Orsay ist nicht Hamit zu rechnen, daß die französische Antwortnote morgen bereits nach Berlin abgeht. Zwei Exemplare der Note sind nacki Brüssel und Rom übermittelt worden. Das Schriftlich soll erst nach zustimmenden Antworten seitens Belgiens und Italiens dem Berliner französischen Botschafter zur Aushändigung an die Neichsregierung überreicht werbe,,. Die Note wird unmittelbar nach Ueberreichung.in Nerli» gleichzeitig mit dem deutschen Memorandum veröffentlicht werden.
Kein deutsch-russisches Bündnis.
Berlin. 12. Juni. Halbamtlich wird, wie die Morgen- Mer melden, die Behauptung der französischen Presse auf has entschiedenste dementiert, daß ein deutsch-russischer Ge- heimverirag über gemeinsame militärische Transaktionen abgeschlossen sei.
Die Grotzhandelsindexziffer gestiegen.
Berlin, 12. Juni. Die auf den Stichtag des 10. Juni berechnete Großhandelsindexziffer des statistischen Reichs- aints ist gegenüber dem Stand vom 3. Juni (133,0 Prozent) nm t.3 Prozent auf 134,3 Prozent g stiegen.
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Die „Revue Hebdomadaire" beginnt in den nächsten Tagen mit der Veröffentlichung einer Artikelserie von Viktor. Ruffin, der darin die Möglichkeiten eines kommenden Krieges untersucht.
Der Völkerbund hat gestern nach der Behandlung der Danziger Fragen seine 34. Tagung geschlossen.
Julius Barmat wurde gestern in der Wohnung seines Bruders über seine Beziehungen zur Sozialdemokratie nach dem Kriege vernommen.
Der demokratische Parkeitag wird um den 6. Dezember herum in Breslau staltfinden.
Zn Zürich ist im Alker von 60 Jahren Oberst Karl Egki gestorben, der während des Weltkriegs Unkersiabsches der schweizerischen Heers war.
Aus aller Welt
ep. Hamr!7ik!ao der Aarbknmmrn Luthers in Erfurt. Anläßlich der 400jährigen Wiederkehr des Hochzeitstags Martin Luthers ist wie in Wittenberg auch in Erfurt am 14. Juni eine Feier geplant, die ihre besondere Note dadurch erhält, daß die lebenden Nachkommen Luthers dazu cim geladen sind. Zwar gibt es direkte Nachkommen, die den Namen Luther führen, seit 1769 nicht mehr. Trotzdem gibt es echte Luthernachkommen, die nur nicht mehr den Nomen Luther führen, heute noch Hunderte, es besteht der Plan, miläßlich der Feier in Erfurt einen Familientag der Nachkommen Luthers abzuhalten.
General von Lüttwih, der im Krieg a!s hervorragender Heerführer bekannt geworden ist und sich später am Kapp- Bulsch beteiligt hat. ist dieser Tage, wie die „Germania" meldet, vor einem Standesamt in Schlesien getraut worden, her General steht im 70. Lebensjahr. Der Steckbrief des Iberreichsanwalts gegen ihn läuft noch.
Der ebenfalls am Kapp-Putsch beteiligt gewesene Haupt- rann Pabst soll nach der „Germania" beabsichtigen, sich reiwillig den Behörden zu stellen.
Medaillenverlsihung in Preußen. Die Verleihung >- Rettungsmedaille soll in Preußen nach einem Beschluß der Negierung wieder ausgenommen werden.
Die Bilder im Hause Hindenburgs. Einige Blätter haben verbreitet, Reichspräsident von Hindenburg habe die im Prüsidentenhaus vorhandenen sogenannten „klassischen" Bilder entfernen und durch militärische Bilder ersetze« lassen. Wie dazu von amtlicher Seite gemeldet wird, ist die Nachricht eine böswillige Entstellung. Der Reichspräsident hat die „klassischen" Bilder alle hängen lassen, wo sie waren, nur 3 Bilder mit geschichtlichen Darstellungen sind auf seinen Wunsch. neu aufgehängt worden. — Daß Hind?nb"rg an den „klassischen" Nacktheiten keine besonders große Freude hat, gereicht ihm nur zur Ehre.
Ein neues Selbstbildnis Bembrandts entdeckt. Der Kunsthändler Duveen in London erwarb ein in Porksbire entdecktes Selbstbildnis Rembrandts aus dem Jahre 1656 für 60 000 Pfund.
Eine rüstige Pilgerin. Eine Frau aus Tetuan (Marokko) ist mit drei Kindern zu Fuß durch Spanien, Frankreich und Italien nach Rom gepilgert.
Wassermangel in Berlin. Im Westen Berlins, insbesondere in Charlottenburg herrscht seit Mittwoch infolge des irockenen Wetters großer Wassermangel. In den höher gelegenen Teilen der Stadt, sowie in den oberen Stockwerken hat die Wasserversorgung vollständig aufgehört.
Handel und Volkswirtschaft
Der Aufstieg der Kreditgenossenschaften. Bereits die Halbjahresbilanzen der deutschen Kreditgenossenschaften per l. Juli 1924 zeigten die beginnende Erstarkung dieser „Banken des Mittelstandes". Seitdem hat die Statistik Fortschritte gemacht und es kann festgestellt werden, daß eine Reihe von Genossenschaften ihrem alten bewährten Grundsätze zufolge schon wieder nahezu auf eigenen Füßen steht, indem sic nur geringe oder gar keine Bantverbindlichkeiten haben. Aus dem vorliegenden statistischen Material ergibt sich auch eine durchaus gleichmäßige Entwicklung sowohl kleiner, wie mittlerer und großer Genossenschaften. Es wird eine starke Erhöhung des eigenen Vermögens und der anvertrauten fremden Gelder beobachtet, die allmählich Hand in Hand teilweise durch Bankverbindlichkeiten geht. Dieses spiegelt sich, wie wir den vertraulichen Berichten der Dresdner Bank entnahmen, in der Gesamtsumme der Kredite der Dresdner Bank wieder, die diese an Genossenschaften gegeben hat. Tie Teilstatistik ergibt auch, daß dem Spargeschäst eine intensive Aufmerksamkeit zugemendet wird und sich der Sparverkehr bei den Kreditgenossenschaften Bahn bricht. Auch die Liquidität bei den Genossenschaften hat sich gebessert. Als besonders erfreuliches Moment und als Beweis gleichzeitig dafür, daß die Kreditgenossenschaften reine Mittelstands-Kredit-Jnstttute sind und nicht über den Rahmen ihrer grundsätzlichen Aufgabe hinausgegangen sind, kann die Feststellung dienen, daß sich die Außenstände im allgemeinen aus kleinen Krediten zusammensetzten, zum großen Teil handelt es sich bei den Kreditgenossenschaften um Kredite unter 1000, Kredite über 10 000 sind selbst bei großen Genossenschaften verhältnismäßig gering. Das ist die Gesundung unserer Kreditgenossenschaften, der echten deutschen Bolksbanken und Banken des Mittelstandes.
Der lvolöbeskand der Reichsbank betrug am 6. Juni 1015,8 Millionen Mark; der gesamte Zahlungsmittelumlauf einschließlich der Privatbanknoten und Scheidemünzen betrug 4523 Mill. Mk., davon 2488,1 Mill. Mk. Reichsbantnoten und 1410,8 Mill. Mk. Rentenbanknoten.
Reichsbankdiskont 0, Lombard 11, Privatdiskont 8 v. H.
Die Schwierigkeiten der Firma Skinnes. Die SchifsSredereien der Firma Stinnes sollen durch die Einschränkungen der Stmnes- iverke nicht berührt werden, da sie sich sehr gut entwjchelt haben.
Betriebseinschränkung. Die Zeche General Blumenthal in Recklinghausen hat wegen der UnverkäuMchkeit der Kohlen 160 Arbeiter entlassen müssen. Auf 2. Juli werden weitere 850 Beamte und Arbeiter entlassen.
Betriebseinschränkung in der amerikanischen Baumwollindustrie. An der einwöchigen Betriebseinschräkung in der Baumwollindustrie der Südstaaten der Vereinigten Staaten sind nach dem „Kon- sektionär" 7ZL Millionen Spindeln beteiligt.
Täglich kann abonniert werden.
Amerika-Anl-il-e an Frankreich. An- der Neuyorker Börse wurde davon gesprochen, daß Frankreich demnächst eme Anleihe von 100 bis 300 Millionen Dollar erhalten solle. In Bankkreijea glaube man allerdings, daß davon nicht die Rede sein könne, so- lange die französischen Slaatsfinanzen nicht geordnet und dl« Schulden an Amerika nicht geregelt seien.
Stuttgarter Börse, 11. Juni. In Nachwirkung der gestrigen Flaue lagen heute auf dem Kassamarkt zahlreiche Verkaufs- Aufträge 'vor, die bei sinkenden Preisen Erledigung gefunden baden Auf dem SchrcankungSmarkt zeigte sich von Seiten der Kulisse eher Nachfrage: die Kurse haben dort Erhöhungen gegen .-estern «ufzuweisen. Im allgemeinen ist die Stimmung besser gewesen und die Lage wurde beruhigter aufgefatzk. Auf dem LNarkt der festverzinslichen Werte lagen BorkrtegS-Pfandbriefe um, Renten schwächer. 4 v. H. alte Württemberger 0,4 gegen 0^5. 5 v. H- Reichsanleihe 0,355.
Stuttgart. 11. Juni. Landesproduktenbörse. Die Stimmung am Getreidemarkt ist etwas ruhiger geworden. Es notierten je 100 Kg.: Weizen 21.80 bis 25.50 (am 8 Jum 21.50 bis 25.50), Sommergerste 22 bis 25 (unv.), Roggen 21 bis 23.50 <unv.) Hafer 16 bis 21.50 (unv.), Weizenmehl 41 bis 42 (unv . Brotmehl 35 bis 36 (unv.), Kleie 12.50 bis 13.25 (12.75 bis 13.5P, Wiesenheu 6 bis 7. Kleeheu 7 bis 8, örahtgeprehtes Stroh 4.50 bis 5 (unv.) .ü.
Berliner Getreid preise. 11. Juni. Weizen mark. 26.70—27. Rcagen 21.60—22.10. Wintergerste 20-21.80, Sommergerste 22.60 b's"24 20, Hafer 23.70—24.50, Weizenmehl 34—36.50. Roggen- mehl 29.50—31.75. Weizenkleie 13.80. Rogenkleie 14.20.
Berliner Bukterpreise. 1. Sorte 1.57, 2. Sorte 1.40, abfallend
1.20 d. Pfd. Grohpreise.
Nürnberger Hopfenmarkt. Markthopfen 250—365, Hallertauer bis 375, Württemberger 250-300. Steigende Nachfrage.
Stuttgarter Edelmekallpreise. Platin 15.50 Geld, 14.80 Brief d. Gr., Feingold 2.82 bezw. 2.83, Feinkornsielber 9.480 bezw
95.20 d. Kg., Silber in Barren 1000 fein 93.50—94.50.
Berliner Altmetalle. 11. Juni. Elektrolyt handelsübk 107, 118.
Tiegel unver,zinkt Schwerkupfer 108, 113, handelsübl. Rotguß 95, 100, handelsübl. Rotguhspäne 82. 87. rein neu Messingabfalle 91. 96 Schwermessing handelsübl, 80, 84, Messingschraubenspane handelsüblich 78, 82, altes Weihblei 53. 56, Altzinn handelsübl. 44, 46, Aluminiumblechabfälle 186, 196.
Märkle
Stuttgarter Schlachlviehmarkt. Dem heutigen Markt waren zu- aetrieben: 20 Ochsen, 19 Bullen, 160 Jungbullen, 164 Jungrinüer, 3? Kühe, 416 Kälber, 1145 Schweine. 21 Schafe, 1 Ziege. Davon blieben unverkauft: 5 Ochsen. 50 Jungbullen, 34 Jungrmder und 450 Schweine. Verlaus des Marktes: Großvieh und «chw-ine langsam, Ueberstanü, Kälber belebt. Preise für 1 Pfund Lebendgewicht in Goldpfennigen:
Schien: -usgemästete Tiere , 51 -ßo sollfleischige Teere >
Milchige Tiere gering genährte Tiere Sollen: ausgemästete Tier« > oollsleischige Tiere >
fleischige Tiere gering genährte Teere Zungrinder: ausgem. Rinder ) gg ^ oollsleischige Rinder 1 fleischige Rinder ! 50-58
gering genährte Rinder ! 3S-4S Siihe: »usgcmästete Nähe oollsleischige Kühe sleischige
gering genährte Rühe
«3-50 38-»r
52-55
«4-50 : 38-42
83-43
ro-M
1«-1g
Kälber: »etnste Maft er. beste Saugkälber
mittlere Maft und gute Seuglälber geringe Kälber Schate: Mastlämmer u. Illng.
Hümmel
Deidemastschase geschlachtet mit Kopf
oollsleischige- Echatvteh ge-!
schlachtet mit Kops ! —
Schweine: oollfteisch. Schweine:
von 20g—240 Pfd. > 74-76
bto von 180-200 Psd. ' 72-74 dto. fleisch, v. l20-lS0 Psd. > „2
bto. unter 120 Pfd. > ^
88-SO
81-8«
70-77
8S
Schweinepreise. Ergenzingen: Läufer 45—50. — Ober- sntheim: Milcksichweine 28—38. — Waldsee: Milch- hweine 32.50—40 d. Sk.
Frachtpreise. Leutkirch: Weizen 13, Gerste 10—12, Haber !- 12.50. — Wakdsee: Haber 9.80—10.40 d. Zjr.
Rebenstand Anfang Juni. In Württemberg: Neckarkress 5. Schwarzwaldkreis 3,5, Jagstkreis 2,6, Donaukreis 2,9. B a den: reis Konstanz 2,7 Freiburg 2,2, Karlsruhe 2,2, Mannheim 1,9,
Das Wetter"
Der Hochdruck liegt nunmehr mit seinem Kern über England, '.bn Nordosten befindet sich ein schwaches Tief, das aber keiner, wesentlichen Einfluß ausüben wird.. Immerhin ist für Sams- i a g und Sonntag mit zunehmender Gewitterneigung, sonst aber vorwiegend trockenem und heiterem Wetter zu rechnen.
Büchertisch.
Auf alle tn dieser Spalte angezetgten Bücher und Zeitschriften nimmt die Buchhandlung von G. W. Zaiser, Nagold, Bestellungen entgegen.
Im Verlage der Deutschnationalen Schristenoertriebs- stelle. Berlin, Bernburgerstr. 24, ist soeben eine Broschüre unter dem Titel „Der Kampf um die Aufwertung" erschienen. (Umfang 32 Seiten, Preis 30 H).
Der Bismarck von KerWen
Itz) Ein lustiger Roman von Fritz Skowronnek Lopxiixrd tS24 dz- Kerl Köhler u. To.. Berlin IV lZ
iNachdruck oerboten.I
„Nein, nein, Paluttke," warf jetzt die Mutter schweren Herzens ein, „Marie hat recht. Auch ohne Ihr Geld wird unser Vater nicht den Napoleon spielen. Das fehlte bloß noch, daß der alte Mann sich für Geld prügeln läßt..."
Jetzt war Mariechens Kraft und Selbstbeherrschung zu Ende. Der Uebergang von einer Erregung, die ihr Herz hatte höher schlagen lassen, zu der andern, die ihr das Herz beinahe still stehen ließ, war zu viel für sie. Laut schluchzend warf sie sich der Mutter an die Brust...
Ganz verlegen stand Karl dabei...
„Fräulein Mariechen... Manschen... können Sie mir verzeihen ...? Ich habe es nur gutgmeint... Ich dachte, es wäre ein ehrlicher Handel..."
„Nein..." Sie wandte ihm langsam ihr vor Tränen über- sirömtes Oiesicht zu.
„Nein, Herr Meyhöfer, es sollte eine Wohltat sein, die uns beschämen und erniedrigen mußte."
„Bei Gott, das wollte ich nicht. Ich wollte nur von Ihrer Familie etwas abwehren, was auch mir sehr schmerzlich sein würde. Ihr Baker, Fräulein Marie..." seine Aimme wurde fest und tief... „ja, Ihr Vater soll auch mein Vater werden... wollen Sie mir das Recht dazu geben? Marie, können Sie mir ein bißchen gut sein...?"
Die Mutter mar, praktisch wie alle Frauen in solchen Dingen zu sein pflegen, eiizen Schritt zurückgetreten. Dadurch verlor die Tochter den mütterlichen Halt und als jetzt Karl auf sie zutrat and seine Arme ausbreitete, barg sie in seliger Verschämtheit ihr Gesicht an seiner breiten Brust.
Aber nur für einen kurzen Augenblick, so daß Karl nicht geriet, chr den Verlobungskuß zu geben. Energisch löste sie sich aus seinen Armen und trat einen Schritt zurück.
»Herr Meyhöfer, ich habe Sie sehr lieb, aber Ihre Frau kann ich nicht werden. Nein, das geht nicht."
Vater Paluttke war, als er die Bedeutung des Augenblicks begriffen hatte, aus der Stube gegangen und hatte in der Kammer Vhnell seinen Sonntagsrock angezogen. Als er in feierlicher Stimmung wieder eintrat, hörte er zu seinem sprachlosen Erstaunen» daß
seine Tochter den Freier abwies... Der Mutter war der Schreck in die Beine gefahren» sie mußte sich schnell setzen.
Jetzt rettete Karl die Situation. Er sprang seiner Liebsten nach, nahm sie in seine Arme und küßte sie herzhaft ab. Marie stand da wie ein Opferlamm...
„Herr Meyhöfer, lassen Sie mich."
„Ich denk ja gar nicht daran," rief Karl jubelnd in der Pause zwischen zwei Küssen. „Vorläufig bin ich damit zufrieden, daß du mich lieb hast.,."
Wieder zwei Küsse, die Marie mit Leichtigkeit hätte abwehren können, wenn ihr nicht jede Widerstandskraft abhanden gekommen wäre.
Der Mutter Paluttke liefen Tränen der Rührung über das vor Freude strahlende Gesicht. Der Baker klopfte Karl ermunternd auf die Schulter.
„So ist's recht, Herr Schwiegersohn! Setzen Sie der Margell den Kopf zurecht, die ist wohl nicht ganz bei Trost. Ist verliebt bis über beide Ohren und will Sie nicht heiraten. Ra, lassen Sie man. das renken wir schon ein."
Karl hörte in seinem Glücksrausch gar nicht, was der Alte sprach. Er zog Marie neben sich aufs Sofa.
„Jetzt wirst du Karl zu mir sagen."
„Nein, Herr Meyhöfer — ich bin ein schwaches Mädchen, ich kann mich nicht wehren..."
Das bestätigte sich sofort, denn Karl verschloß ihr mit einem langen Kuß den Mund.
„Sie werden es mir auch nicht übel nehmen, daß ich mir diese kurzen Augenblicke des Glücks vom Schicksal schenken lasse, meine Eltern sind ja dabei... aber ich kann wirklich Ihre Frau nicht werden."
„Da soll doch gleich der Deuwel reinschlagen," brummte Vater Paluttke.
„Lassen Sie, Vater, das besprechen wir später in aller Ruhe, wenn die Aufregung sich gelegt hat." Ja übermütigen Tones fuhr er fort: „Du erlaubst doch, Mariechen, daß ich dich jetzt noch etwas herze und küsse, wenn später auch zwischen uns alles aus sein sollte."
„Deine Eltern sind ja dabei," fuhr er nach einigen Küssen wieder fort.
Sie hatten die merkwürdige Wirkung, daß Marie plötzlich mit leiser Stimme fragte: „Was werden Ihre Eltern dazu sagen?"
„Wenn du „deine" Eltern gesagt hättest, würde ich dir darauf antworten."
„Nun denn: deine Eltern."
Diesen bedeutsamen Fortschritt in der Verlobung besiegelte Karl natürlich durch einen Kuß.
„Jetzt will ich dir antworten: ich bin mündig und gedenke von minem Recht Gebrauch zu machen, wenn es nötig fein sollte. Das wird aber hoffentlich nicht nötig sein, denn die Mutter ist mit meiner Wahl einverstanden. Du hast heute ihr Herz erobert."
„Also doch," dachte die Mutter dabei. „Der Vater sträubt sich dagegen, aber die Muter billigt es, wenn ich mich nicht daran kehre. Ich bin schon unterwegs, um mir in Masuren ein Gut anzusehen. Wenn ich es kaufe, brauche ich ganz schnell eine Haus- frau."
„Nein, Karl — das geht nicht... Wir wissen jetzt, daß wir uns gut sind. Wir wollen aber still nebeneinander hergehen wie bisher... Ihre Braut werde ich erst, wenn Ihr Vater in di« Heirat willigt."
„Aber Mariechen...!
„Nein, nein, Karl, unserer Verbindung stehen noch lo viel andere Bedenken im Weg«... Meine Eltern find io arm, daß sie mir nicht die geringste Aussteuer geben können."
„Das habe ich schon vorher gewußt."
„Das laß unsere Sorge sein," rief die Mutt r dazwischen.
„Nein, das wird meine Sorge fein," warf Kuck ein. „Du gibst mir durch deine Liebe das Recht, für deine EAern zu sorgen."
Mit einem Ruck befreite sich Marie und stand auf.
„Lieber Karl, das ist der Punkt, der es mir unmöglich macht, Ihre Werbung anzunehmen... Verdenken Sie mir nicht. Saß ich so schwach war, Ihre Liebkosungen zu dulden... Die Erinnerung daran wird das Glück meines ganzen Lebens sein."
Sie wandte sich zum Gehen. Karl sprang auf und faßte »e an der Hand.
„Nein, mein Fräulein, so spielen wir nicht! Diese Bedenke» hatten wir schon überwunden, als wir uns danach rkundigte», was meine Eltern dazu sagen würden. Und man läßt sich auch k» Gegenwart der Eltern nicht von einem jungen Mann küssen, wen» man sich nicht mit ihm verlobt hat. Also, meine liebe Bram, ich ehre dein Verlangen, daß mein Vater seine Einwilligung z» unserer Heirat geben soll und füge mich in diese Bedingung. Un» nun leb wohl, meine Trakehner werden schon tüchtig traben müssen^, wenn ich den Abendzug noch erreichen will."
Er nahm sie in seine Arme, küßte sie herzhaft ab, gab Vater und Mutter die Hand und schritt hoch erhobenen Hauptes hüwus.
(Fortsetzung folgt.)