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Ragolder Tagblatt «Der Gesellschafter"
Monta,,. 8. Juni I8LL
"Znode. uns die angeblichen Gründe für die Nichträumuno der ersten rheinischen Zone mitzuteilen. So ernst sind die Pen> '^urigen Deutschlands, so schwer ist die Sicherheit der E.-. -nteländer bedroht, daß man erst monatelang Deutschland durchschnüsfeln und dann fünf Monate unter sich verhandeln muß. uw Verstöße zu finden und sich darüber zu .nnigenl
. !i Wirklichkeit war die Nichträumung der Kölner Zone, unabhängig von der Entwaffnung Deutschlands, längst zwischen England und Frankreich aus allgemeinen politischen Gründen vereinbart, was auch ein großer Teil der englischen Presse früher zugestanden hat. Die Entwaffnung war also immer nur Vorwand, niemals aber der wirkliche Grund für die Nichträumung. Diese ist und bleibt ein neuer Vertragsbruch. Die Mächte aber, die sich von neuem über Recht und Vertrag hinweggesetzt haben, scheuen 'ich nicht, sich in die Rolle des Anklägers zu versetzen. — Wenn es ein Weltgewissen gäbe, so müßte es jetzt in lammender Empörung auflodern. Statt dessen werden wir 's erleben, daß ein großer Teil der irregeführten Welt von Deutschland noch weitere Selbstentmannung verlangt ind von dessen schwerbewaffneten Nachbarnationen nicht pricht.
Neuestes vom Tage
Falsche Angaben in der Eniwafsnungsnote Berlin, 7. Juni. Der „Lokalanzeiger" stellt verschiedene falsche Angaben über das bereits zerstörte und abgelieserte Kriegsmaterial in den Anlagen der Entwaffnungsnote fest. So sind nicht 33 544 Kanonen, wie die verbündeten Regierungen behaupten, abgeliefert oder zerstört worden, sondern 54 687, nicht 11615 Minenwerfer, sondern 28 469, nicht 87 946 Maschinengewehre, sondern 105 163, nicht 4,5 Millionen Handfeuerwaffen, sondern 6 Millionen.
Der Zweck -er Verbandsnote Die Deutsche Allg. Ztg. schreibt, es müsse vorab festgestellt werden, daß die parlamentarische Grundlage der Reichsregierung mit deren Auffassung von der Verbandsnote die Parteien übereinstimmen, unbeeinflußt und unerfchütterl sei. Die Parteien würdigen den Wunsch des Rheinlands nach Befreiung, aber sie wissen auch, daß die Opfer an der dtotrvendigkeit der Selbstbehauptung ihre Grenze finden müssen. Wo sich wirkliche Verstöße vorfinden sollten, werden sie abgestellt oder Verhandlungen geführt, aber in alle« den Fragen, die den Lebensnerv Deutschlands berühre«, werde die Verbandsnote ein unerschütterliches Rein finden. Niemand könne sich des Eindrucks erwehren, daß die ganze sogenannte Entwaffnungsfrage und auch die vorliegende Note nur als Vorspiel für die Austragung der Schwierigkeiten der Sicherheitsfrage zu gelten habe.
Anschlag gegen den König von Spanien?
Paris, 7. Juni. Havas verbreitet, an der Eisenbahnlinie Madrid—Barcelona, in der Nähe von Barcelona sei vor der Anfahrt des Hofzugs eine große Bombe gefunden worden. 19 Verdächtige, die einer Geheimgesellschast angeboren, seien verhaftet worden.
Nach einer andern Meldung sei der Anschlag gegen den General Primo de Rivera gerichtet gewesen.
Schwere Kämpfe in Marokko Paris, 7. Juni. Am Gebirge von Tauenart wurden die französischen Stellungen von den zu Abd el Krim übergegangenen marokkanischen Stämmen heftig angegriffen. Die Franzosen mußten sich zurückziehen, bis Verstärkungen eintrafen. Die Schlacht dauert aber noch an. (Es scheint sich um Marokkaner zu handeln, die im französischen Heer ausgebildet worden sind.)
Das „Journal" will aus London erfahren haben, der deutsche Dampfer „Margarethe" sei mit einer Ladung Waffen, Munition und Flugzeugen angeblich in russischem Auftrag von Hamburg ausgelaufen. Die Ladung sei in Wirklichkeit für die Kabylen bestimmt.
Neve Bluttaten in Bulgarien Mailand. 7. Juni. Aus Belgrad meldet -er Triefter »Piccolo", im bulgarischen Bezirk Widdin feien 400 Personen und in der Stadt selbst 68 Personen, darunter einige Abgeordnete und Führer der radikalen Bauernpartei, von.
Der Bismarck von KerWen
Ein lustiger Roman von Fritz Skowronnrk 1824 bz? Karl Köhler u. Co.. Berlin IV IS
^Nachdruck verboten.)
»Unsere nicht, lieber Mann, auf Erdmute hat er wie eine Vogelscheuche gewirkt. Ja, sie hat ihn in der Uniform in Königsberg gesehen und davon mir eine Stunde vorher erzählt, ehe der junge Mann einrückte. Und heute abend hat sie sich über ihn geradezu lustig gemacht. Du hättest selbst deinen Spaß daran gehabt. Erdmute ist klug und hat den Schelm im Nacken. Und der junge Herr von Fischrödee ist. gelinde ausgedrückt, etwas beschränkt in -er Fähigkeit, seine reichen Geistesgaben zu entfalten. Gegen den ist unser Karl ein großes Kirchenlicht.
„So? Das wundert mich eigentlich. Die beiden Alten sind sehr Auge Leute."
„Davon scheint sich nichts auf den Sohn vererbt zu haben. Und im Ernst gesprochen: Der junge Mensch hat doch ein sehr schlechtes Reenommee."
„Ach, Frau, es schadet nichts, wenn er sich die Hörner vorher «bläust..."
„Du, Meyhöfer, sieh nach deinen Worten! Wenn ich so gedacht hätte, als du um mich warbst . .
Er stand aus und legte seinen Arm zärtlich um ihre Schultern. „Liebe Anna! Die Zeiten sind anders geworden."
„Nein nein, lieber Mann! Und wir brauchen uns nicht darüber zu streiten. Wenn Herr von Fischröder wirklich bei Erdmute ansragen sollte, dann holt er sich eine Kiepe. Ein Korb würde zu wenig gesagt sein."
Der Schulze erhob sich und schritt aus und ab, um seinen Unmut zu bekämpfen. Mit feinem Lächeln sah seine Frau zu ihm
auf.
„Meyhöfer! Du hast gar keine Ursache, dir den jungen Mann als Schwiegersohn zu wünschen. Seine erste Bedingung wäre, daß du mit der Komödie am Sedanstage aufhörst. In den ersten Jahren war es eine rührende Ausdrucksweise eures Patriotismus. Jetzt ist es für die meisten eine Spekulation auf Verdienst und bei den anderen die Befriedigung einer Eitelkeit, die allmählich recht lächerlich geworden ist."
Der Schulze griff mit der Hand in die dicke Plüschdecke des
Tisches, daß die Base mit Blumen umfiel, tat einen tiefen Atem
zug und stieß die Luft mit hörbarem Geräusch durch die halbge- öjsneten Lixcn aus.
.na?'dänischen Freischärlern umoebrncht und verschiedene» Häuser angezündec worden. — Die Umwege vorstehender Meldung lassen die Nachricht als etwas zweifelhaft erscheinen.
Der Ausruhr in China
Shanghai, 7. Juni. Gestern haben sich 400 chinesische Polizisten den Streikenden angeschlossen.
Nie Zahl der Streikenden in Schanghai wird jetzt ans 200 000 angegeben.
Der russische „Oberst" Guschine ist in Shanghai verhaftet worden.
In Kanton fanden blutige Zusammenstöße statt. Die Mnanleute wurden vertrieben. Der telegraphische Verkehr mit Hongkong ist unterbrochen.
Japan hat die angekündigte Landung von Marinetruppen noch zurückoehaltsn, da die andern Mächte auf die unabsehbaren Folgen aufmerksam machten.
Die chinesischen Studenten in Tokio haben der japanischen Regierung eine Denkschrift übergeben, in der um die Absetzung der japanischen Konsuln in Shanghai und Tsingtau, die Entschädigung der Opfer usw. gefordert wird. Die Regierung wird die Denkschrift nicht beantworten.
Zurückhaltung Amerikas — Ein Wink an Japan
London, 7. Juni. In Washington erblickt mast, wie die Times meldet, (mit Recht) den tieferen Grund der chinesischen Unruhen in der Tatsache, daß seit 30 Jahren die Eisenbahnen und sonstigen Verkehrsmittel, sowie die Bodenschätze usw. des Landes von fremden Kapitalisten ausgebeutet worden sind, die unter sich eifersüchtig waren. Sobald der Washingtoner Abrüstungsvertrag von Frankreich bestätigt sei, müsse eine China-Konferenz einberufen werden. Bis dahin werde sich Amerika aus den Schutz seiner Staatsangehörigen in China beschränken und alles vermeiden, was den Schein eines bewaffneten Eingreifens erwecken könnte.
Die Nachtarbeit in den Bäckereien
Genf, 7. Juni. Die internationale Arbeitskonferenz beschloß mit 76 gegen 36 Stimmen, daß die nächtliche Arbeitsruhe in den Bäckereien ununterbrochen sieben Stunden dauern und für die Meister ebenso verbindlich sein soll wie für die Gesellen. Der englische Antrag, die Meister auszunehmen, wurde abgelehnt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben fest zu vereinbaren, ob die Arbeit morgens um 4 oder 5 Uhr beginnen soll.
Württemberg
Stuttgart, 7. Juni. Ein unberechtigter Angriff. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Die Schwäbische Tagwachst Nr. 128 vom 5. Juni 1925 bringt unter der Ueber- schrift „Polizeischnüffelei in den Schulen" die Mitteilung, das Innenministerium habe ein vertrauliches Schreiben durch die Bezirksschulämter an die einzelnen Volksschulrektorate gerichtet mit der Anfrage, in welcher Zahl die die Schule besuchenden Kinder am 1. Mai dem Unterricht ferngeblieben sind. Demgegenüber ist festzustellen, daß das Ministerium des Innern einen derartigen Erlaß nicht herausgegeben hat. Wenn das Kultministerium die von der „Schwäbischen Tagwacht" beanstandeten Erhebungen veranlaßt hat, wie es tatsächlich der Fall ist, so ist darin keine „Gesinnungsschnüffelei an Kindern", sondern das selbstverständliche Recht und die Pflicht der obersten Schulbehörde zu erblicken, sich über die Auswirkung des 1. Mai auf den Schulbetrieb zu unterrichten.
Die Lage des Arbeitsmarkks hat sich weiter gebessert. Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen betrug am 1. Juni 500 gegenüber 650 am 15. Mai. Im Baugewerbe fehlten
in Württemberg zur Zeit des Ausbruchs des Streiks (3. Juni) 500 Maurer, 130 Gipser, 100 Zimmerleute und 400 Maler, während bei den Bauhilfsarbeitern Angebot und Nachfrage sich ausglichen.
Aus dem Lande
Eßlingen, 7. Juni. Der Fall Stüber. In der Untersuchung der Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsbeamte gegen den Vorstand des Eßlinger Wohnungsamts Rechnungsrat Stüber wurden zwei Verstöße festgesetzt, die aber eine Amtsentlassung nicht rechtfertigen würden.
Das Fesibnck zum 31. Schwab. Liederfest (4. bis 6. Juli
in Eßlingen) ist in gediegener Ausführung im Verlag der Buchdruckerei O. Bechkle erschienen. Das interessante Buck umfaßt 200 Seiten.
Baihingen a. E« 7. Juni. Wildschwe i n. Auf der Markung Ensingen treibt sich ein etwa 5 Zentner schweres Wildschwein herum, das in den Kartoffeläckern erheblichen Schaden anrichtet.
Löwenstein, OA. Weinsberg, 7. Juni. Selbstmord. Der seit einer Woche vermißte, hier in Stellung befindliche 28jährige Hauslehrer Fritz Schachner wurde als Leiche aus dem Neckar bei Wimpfen geländek. Schachner zeigte schon längere Zeit ein gedrücktes Wesen.
Maulbronn, 7. Juni. Schwermut. Aus Kummer über den Tod seiner Frau hat der Landwirt Georg Harkmann in Wiernsheim den Tod im Wasser gesucht.
Gerabronn, 7. Juni. Untersuchungsein st ellunq. Die Untersuchung gegen den Vorstand und den Verwalter der Ortskrankenkasse ist eingestellt worden, nachdem sich die Beschuldigungen als unbegründet erwiesen hatten. Der Angestellte, von dem die Beschuldigungen ausgingen, wurde entlassen.
Jagsthsrm, OA. Neresheim, 7. Juni. Wundstarrkrampf. Der 14jährige Bauernsohn Alfons Engelhard wg sich durch einen kleinen Holzsplitter eine geringfügige Verletzung am Fuß zu. Es trat aber nach einigen Tagen Wundstarrkrampf ein, der das junge Leben wegraffke.
Tuningen OA. Tuttlingen, 7. Juni. Jugendliche Brandstifter. Der Brand, dem das Oekonomiegebäude des Landwirts Karl Geiger mit fast allem Mobiliar zum Opfer fiel, ist durch Kinder verursacht worden, die mit Streichhölzern spielten.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 8. Juni 1925.
Dom Sonntag. Ja Tag des Herrn, du sollst mir heilig ein Festtag meiner Seele sein! Man kommt leicht in die Versuchung, zu glauben, daß diese Worte der Anbetung und Würde, mit denen Lavater den Zweck und Sinn des Sonntags malt, wie so manches Alte überholt und unzeitgemäß geworden sei, wenn man an den Lärm und die Unruhe und -die sich unablässig ablösenden Feste an den einzelnen Sonntagen denkt. Eine ümso würdigere Einleitung war es am gestrigen Sonntag, als in der Frühe unsere hiesige Stadtkapelle von: Kirchturm prächtige Choräle ertönen ließ. Den Vürnnttagsgottesdienft hielt Herr Missionar Peper von der Herrnhuter Brüdergcmeme, worüber nachstehend einiges gesagt sei.
Die Herrnhuter Mission. Für die Arbeit der Brüdergemeinde war in hiesiger Stadt von jeher Interesse. Hat sich doch schon zu Lebzeiten des Grafen Zinzendorf, ihres Begründers, hier ein Kreis gebildet, der sich vor dem Gottesdienst versammelte, urn sich zu erbauen und der iveitgreifenden Missionswerke Herrnhuts zu gedenken Herr Pastor Peper, Sohn des den Neueren wohlbekannten Missionars, hielt gestern die Predigt, in welcher er im Anschluß an 2. Kor. 3, V. 17 die Entwicklung seines Geburtslandes Surinam (Südamerika) schilderte, das Elend des früheren Sklaventums in beredten Farben inalte, bis mit dem 1. Juli 1863 die Befreiungsstunde schlug. Es wirkte verblüffend wie der Tag, für den Holland Kriegsschiffe ausgesandt hatte, um den durch die langen menschenunwürdigen Mißhandlungen zu erwartenden Revolutionsausbruch zu dämpfen, verlief. Nichts von Aufruhr noch maßloser Freudenäußerung erfolgte und der Polizeivorstand von Puramaribo konnte nur mit dein Befehlshaber der Kriegsschiffe die friedliche Auswirkung dem durchschlagenden Einfluß der Mission zuschreiben, die freilich zumal auch im heiß-seuchten Klima vieler Liebe und Mühe bedurft hatte. Die Herrnhuter Mission hat sowohl unter den Buschnegern ivie Indianern festen Fuß gefaßt und das Bolks- leben veredelt und verdient zumal als Ausgangspunkt alles deutschen Missionslebens unser Interesse. Das eingegangene Kirchenopfer betrug l! 8 R(.
Im übrigen stand der gestrige Sonntag ganz im Zeichen des Werbetags für Leibesübungen. Kurz nach II Uhr fand
der Stafettenlauf
von 6 Mannschaften g 10 Mann über 2000 m (10 X 200) Marktstraße, Caliverstraße, Seifenfabrik und zurück zur Vorstadt statt. Da eine derartige Veranstaltung für unsere hiesigen Verhältnisse etwas Besonderes war, hatte sich auch eine sehr große Menge angesammelt, um den Wettläufern zuzuschauen. Außer
„iirau, uns ip ein pürier Labak, üen du mir anbielest."
„Das ist die Meinung deines künftigen Schwiegersohnes in spe, die ich dir vorsetze . . . Aber ich will dir nicht verhehlen, daß mir der junge Mensch in dem Augenblick ganz verständig vorkam."
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Wir fahren morgen nach Bentheim, mein lieber Mann, du wirst so gut sein, uns zu begleiten und mir eine neue Tischdecke kaufen. Diese hast du unrettbar vernichtet . . ."
Der Schulze nickte mechanisch. Ihm hatte eine sehr heftige Antwort auf der Zunge geschwebt. Er hatte sie wohlweislich unterdrückt, in dem Gefühl, daß er dabei doch de» Kürzeren gezogen hätte. Er wußte ganz genau, daß seine Frau ihm geistig weit überlegen war. Und das Urteil des fremden Menschen, dos sie eben zu dem ihren gemacht hatte, fiel ihm schwer auf die Seele. Erst nach einer ganzen Weile fragte er ziemlich kleinlaut:
„Was erscheint euch denn so lächerlich bei der Komödie?"
„Daß du am Schlüsse den Napoleon verprügelst."
Sie stand auf und legte ihm den Arm uw die Schultern. „Daß du dich in der Kleidung dem Bismarck ähnlich zu halten suchst, das verdenke ich dir nicht, im Gegenteil, ich bin darauf stolz."
Sie bog sich zu ihm herab und küßte ihn innig. Er schlang den Arm um sie.
„Liebes Weib, du gibst mir Essig und Honig in einem Löffel. Jawohl, ich bin ehrgeizig und unsere Sedansewr hat schon für die ganze Provinz eine gewisse Bedeutung gewonnen. Wenn wir etwas Trara machen wollten, dann hätten wir sofort zehntausend Zuschauer mehr. Ich kann getrost unsere Sedc.nieier mit den Passionsspielen in Oberammergau vergleichen. Diese stellen auf religiösem und wir auf politischem Gebiet das höchste dar, was unser Volk bewegt."
„Nachtigall, ich hör' dir lausen . . . liebes Weyhöjecchen, srag mal den Landrat . . ."
„Ach was, das ist ein Mann ohne Ar und Halm, der hat kein Verständnis für uns Bauern. Dessen ganze Weisheit besteht darin, den Schustern in Bentheim eins Fahne zu stiften. Aber wir gehen zun, Regierungspräsidenten, das ist ein sehr verständiger Mann und du sollst sehen: In ein paar Jahren habe ich einen Orden."
„Meyhöfer, Meyhöfer! Ist das dein ganzer Ehrgeiz? Einen adligen Schiegersohn und einen Orden? O:'a! Wir sind gleich alt und haben miteinander fünfundzwanzig Jahre in friedlicher, ich kann es wohl sagen, in glücklicher Ehe gelebt. Weißt du. was mein Ehrgeiz ist? Daß unsere Kinder gute treue Lebensgefährten sin» j den und daß wir uns an ihrem Glück erfreuen."
rum uoc, pune ,;r»u ihn beim Vornamen nannte. Das war meistens ein hochbedenteuder Moment. Er griff nach ihrer Hand und küßte sie.
„Darin stimme ich mit dir vollständig überein, liebe Anna. Jll! weiß bloß nicht, was ich verbrochen habe, wenn ich mir den adligen Hcrrn von Fischröder zum Schwiegersohn wünsche. Alle Eitern haben doch nur den einen Wunsch, daß ihre Kinder ei« Stuschen höher steigen möchten."
„Ja, Meyhöfer, aber wie töricht ist der Wunsch, wenn es sich mn das Lebensglück des Kindes handelt. Wie soll zum Beispiel unser Karl eine Stufe höher steigen?"
„Wie?? Das ist sehr einfach! Er macht noch eine Uebung, inzwischen kaufe ich ihm eine Besitzung, er wird zum Offizier gewählt, heiratet ein- reiche Frau . . ."
„Sehr nett! Ich will dir aber ein anderes Bild machen. Wenn er sich in ein armes Mädchen verliebt, das er nicht heiraten kann, wenn er Reserveoffizier werden will .
Mit einem jähen Ruck erhob sich der Schulze vom Stuhl und 'tsmmte die Fäuste auf den Tisch. Er hatte verstanden, was seine Frau mit dem Beispiel meinte. Eine Blutwelle stieg ihm zum Ge- icht empor. Erschrocken blickte die Frau zu ihm auf. Diese Wir- ,ung ihrer Worte hatte sie nicht erwartet. Sie wollte nur höre«, was er zu dieser Möglichkeit sagen würde.
„Das sind ja angenehme Neuigkeiten, die du mir heute abend beibringst."
„Das sind keine Neuigkeiten, sondern nur Möglichkeiten, nn« man sie unter Ehegatten erörtert."
„Seit wann gehst du mit Ausreden um?"
„Seitdem ich fürchten muß, daß du aus falschem Ehrgeiz freventlich mit dem Lebensglück deiner Kinder spielen willst."
„Möchtest du mir nicht erst, ehe wir weiter darüber verhandeln, etwas von dem Heiratsprojekt unseres Sohnes Mitteilen?"
„Nein, Otto, er hat mich gebeten, das Geheimnis zu bewahren. Er will selbst mit dir darüber sprechen. Ich will dir aber nicht verschweigen, daß ich trotz einiger Bedenken ihm gern meinen Segen geben werde. Und ich bitte dich, zu bedenken, daß Karl deine Einwilligung zu seiner Entschließung nicht mehr bedarf. Mündig ist er ja schon Gott sei Dank, und er verfügt über'das Kapital, das er von meinen Eltern geerbt hat, und das gensigt. um ihm eine selbständige Stellung zu schassen." i
„Ja, ja, ich verstehe, was du mir sagen willst. Ich habe weiter nichts zu tun, als meinen Segen zu gebe». Deine Eltern Hane« ja klugerweise ihr Geld nicht dir, sondern deinen Kindern vermach! (Fortsetzung folgst)