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Ar. 127 Begründer 1826. Donnerstag den 4. Juni 1825 Fernsprecher Nr 29 99. Jahrgang

Tagesspiegel

Me Entwaffnungsnote des pariser Dotschafterraks soll nach Havas erst am Sams lag in Berlin übergeben werden.

Von London aus wird in Abrede gestellt, daß der eng­lische Bürgfchaftsvcrtrag für die Sicherheit der französischen Grenze nur 30 Jahre bestehen soll, er werde vielmehr gültig fein, solange der Vertrag bestehe.

Die griechisch-serbischen Bündnisverhandlungen find ab­gebrochen worden.

Völkerbund, Oesterreich und Deutschland

Der Völkerbundsrat tritt am 8. Juni wieder in Gens zusammen. Aus der Tagesordnung stcht in erster Linie die Wiederherstellung Oesterreichs und Ungarns. In Reichs- deutschland wird besonders die österraichische Angelegenheit Teilnahme wecken. Nach den Vereinbarungen vom 17. September 1924 hatte die Wiener Regierung sine Anzahl vonHerkulesarbeiten" -durchzuführcn. Ein Teil der Aufgaben ist erledigt, ein anderer Teil nicht, und das viel­geprüfte Oesterreich wird in dem tschechoslowakischen Mi­nister Dr. Bene sch, der schon über dis Pfingsttage in Genf eingetrosfen ist, einen strengen Richter finden. So konnte z. B. eine wesentliche Forderung des Völkerbunds, nämlich die Einhaltung des Normalhaushalts, nicht erfüllt werden. Unvorhergesehene Ueberschreitungen sind durch die wachsende-Zahl der Arbeitslosen in Oesterreich und die dadurch bedingte Geldunterstützung hervorgerufen worden. In Behandlung ist noch die geschäftliche Umwandlung der Forsten und Salinen, sowie die Verwaltungsreform, hier besonders die Zusammenlegung der Bundesbehörden mit den Londesbehörden. Dazu "kommt ein rücksichtsloser Abbau der Amtsstellen und Sparmaßnahmen an ollen Ecken und Enden.

Der Völkerbundsrat ist unerbittlich. Aus den 7. Sep­tember ist die sechste große Völkerbundsversammlung sin- berusen. Bis zu diesem Termin muß ein. befriedigender Bericht über die österreichischeErfüllungspoUtik" fertig- aestellt sein. Ms Anwalt Oesterreichs tritt der Wiener Außenminister Mataja auf. Der Finanzminister Dr. Ahrer bleibt zu Hause, weil sich das österreichische Parla­ment in dieser Woche nach Pfingsten mit Len entscheidenden Finanzvorlagen befaßt und die Anwesenheit des zuständigen Ministers dabei wichtiger ist als die Rechenschastsablegung in Gens. Untersucht werden die Finanzen und Verwaltungs­maßnahmen durch zwei Fachleute, die der sogenannte Oesterreich-Ausschuß des Völkerbunds auswählt.

Zu den sonstigen Fragen, die der Völkerbundsrat behan­deln wird, gehört natürlich auch das Genfer Friedensprotokoll, das anscheinend nicht leben und sterben kann. Es wird voraussichtlich Gegenstand eines Rededuells zwischen Cham- borlain und Brrand sein, falls die beiden Staatsmänner wirklich nach Genf kommen. Der Streit über das Friedens- Protokoll wird ganz von selbst zur Erörterung der Sichsr- beitsfrage und dieses wieder zur Frage führen: Wann tritt Deutschland in den Völkerbund ein und unter welchen Umständen und Bedingungen? Man erinnert sich wohl noch der Denkschrift, die. die deutsche Reichsregierung am 29. September vorigen Jahrs an die führenden Verbandsmächte richtete. Da die Antworten der Mächte wenig befriedigten, nannte Deutschland in einer großen Note vom 12. De­zember 1924 nochmals die Voraussetzungen, die es an seinen Eintritt in den Völkerbund knüpfen muffe. Die Note ging «i die Gesamtheit des Völkerbunds. Die deutsche Regie­rung stellte darin fest, daß die Staaten des Völkerbunds­rats den deutschen Wünschen durchweg Rechnung zu tragen bereit seien, bis mff den Einwand, den Deutschland oea-n- A>er dem Artikel 16 der Välkerbvndsfatzungen macht. Das mtwaffnete Deutschland kann sich gegenüber mnff-m- ktarrenden Nackbarmächten nickt auf eine vorbebaltlose Be­teiligung an militärischen Sanktionen verpflichten. Es wäre sofort das Opfer und dazu noch der Schauplatz eines neuen Weltkriegs.

Auf diese deutschen Vorstellungen hat der Völkerbundsrat geantwortet, nicht sebr klar, auch nicht sehr entgegenkom­mend. Er stellte Deutschland anheim, den Grad der Kriegs- beteiligung jeweils selbst anzuaeben. Abermitmachen" müsse es. Dabei war aber vollständig übersehen, daff man der Sckweiz, die sich doch in ähnlicher Lage wie Deutsch­land befinde, bereits eine Ausnahmestellung zub-lliate. Wird die Erkenntnis binsichllick Deutschlands in dieser Rats- Tagung reifen? Wir wollen es hoffen.

E. Schoene.

Neuestes vom Tage

Vom Sichcrheiksverkrcm

Paris, 3. Juni. Nach demMatin" soll England bereit sein, einem Sicherheitsvcrrrag bezüglich der deutsch-franzö­sischen Grenze beizutreten und gegen jede Verletzung des entmilitarisierten Rheinland» mit Waffengewalt eirrzuschrei- m«. Es würde aber Frankreich kein Hindernis in den Weg legen, wenn es im Fall eines deutsch-polnischen Zusammen­stoßes den Polen zu Hilfe eilen würde, nur würde es in die­sem Fall keine militärische Verpflichtung übernehmen. Ein Schiedsgericht würde England für sich nicht anerkennen, es würde «s aber begrüßen, wenn die anderen Mächte unter­einander ein solches annäbmen. Ob Deutschland einen sol­che» Sicherheitsvertrag annehmen würde, sei allerdings nicht sicher, da schon das, was über die Entwaffnungsnote bekannt wurde, in Deutschland große Erregung hervor- Servsss Hab«.

Die entmilitarisierte Rheinzone und die deutschen Hst^enze«

London, 3. Juni. Der diplomatische Berichterstatter des Daily Telegraph" schreibt zur SrcherhsitssroHL, rverm muh die Frage der Verpflichtungen Frankreichs. gegenMisr Po­len und der Tschechoslowakei im Zusammenhang uckt der mimiliiarisierten Rheinzone eine Unterfrage fest sei sie doch sehr wesentlich, und es sei nicht überraschend, dich Vre fran­zösische Regierung im Begriff sei, ihre Ansichten in dieser Beziehung in einer für London bestimmten Note nieder­zulegen, die im Lauf der Woche zu erwarten fei. Diese Frage könne in verschiedener Weise geregelt werden, näm­lich 1. im Zusammenhang mit besonderen schiedsgerichtlichen und Schlichtungsvertragen, die zwischen Deutschland und seinen Nachbarn abzuschließen wären; 2. durch die in der Völkerbundssatzung vorgesehene Art der Regelung von Strei­tigkeiten, rQer 3. durch ein besonderes Verfahren, welches in dem Pakte dargelegt werde und welches die Rechte und Ver­antwortlichkeiten der Unterzeichner regeln würde.

Benesch gegen den Anschluß

London, 3. Juni. DieMorningpost" schreibt, die Reise des tschechischen Außenministers Benesch nach Paris gelt« namentlich der Verhinderung des Anschlusses Oesterreichs an Deutschland. Diese Vereinigung würde, wenn sie auch nur aus wirtschaftlichem Gebiet vollzogen würde, eine tödlich Gefahr für Polen und die Tschechoslowakei darstellen. Denn dadurch würde Mitteleuropa wiederhergestellt und das Werk des Weltkriegs und des Siegs der Verbündeten zunichte ge­macht, der ja darin bestanden habe, den Plan eines mittel­europäischen Großstaats zu vernichten.

Kanadas Einwand gegen Amundsens polarreise

London, 3. Juni. Nach derTimes" hat das kanadische Parlament ein Gesetz angenommen, wonach Ausländern das nordwestliche Küstengebiet Kanadas zu betreten nur mit besonderer Genehmigung der kanadischen Regierung erlaubt ist. Das Gesetz bezweckt, den Besitzanspruch Kanadas auf das Nordpolgebiet festzulegen. Der Reise Amundsens komme deshalb nur wissenschaftliche Bedeutung zu. (Amundsen wurde bekanntlich von der norwegischen Regierung ermäch­tigt, durch Aufziehen der norwegischen Flagge vom Nordpol für Norwegen Besitz zu ergreifen.)

Beschleunigter Moderomsbau in Frankreich durch deutsche

Sochliefermrgen

Paris. 3. Juni. Der französische Unterstaatssekretär für die befreiten Gebiete, Schmidt, erklärte einem Vertreter des Matin", der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete solle be­schleunigt werden, wobei die deutschen Sachkieserungen in größtem Umfang herangezogen würden. Der französischen Industrie solle dadurch kein Schaden erwachsen. Man wolle Gruppen von Unternehmern bilden, die die Aufträge mit Zustimmung der Regierung an deutsche Fabrikanten weiter­leiten sollen. Die Zustimmung der Regierung werde not­wendig lein, um Betrügereien zu verhüten. Im ganzen würden bis Ende Dezember 200 Millionen Franken für die Erteilung von Aufträgen an Deutschland zur Verfügung stehen. Bis zum 21. Mai seien bereits Aufträge in Höhe von 40 Millionen Franken an deutsche Industrielle erteilt worden.

Verhaftung in Ungarn

Budapest, 3. Juni. Der frühere Minister des Innern, Beniczky, wurde durch die Staatsanwaltschaft in Schutz­hast genommen. Er beschuldigte den Reichsverweser H o r- t h y, daß mit seinem Wisse» im Jahr 1919 die beiden sozia­listischen Redakteure Somvgyi und Vacso von vier Offizieren ermordet worden seien. Zwei der Offiziere stillen Selbst­mord begangen baden. Die Regierung erklärt, die gegen Horthy erbobenen Vorwürfe haben sich schon 'durch frühere Untersuchungen als falsch erwiesen. Die Beschuldigungen Beniczkys dienen nur Harteizwecken. Die sozialdemokratische Fraktion des Abgeordnetenhauses strebt die Aufklärung des Falls an.

Umbildung Vor preußischen Regierung Berlin, 3. Juni. I« nächster Woche werden, wie die -.Zeit" mitteilt, die Fraktionen des preußiscken Landtags die Beratungen über die Umbildung bzw. Erweiterung der preußischen Negierung wieder ausgenommen und man er­wartet nunmehr eine endgültige Lösung.

Englische Flugzeuge über Deutschland Berlin. 3. Juni. Dem Berliner Berichterstatter der Lo bonerDaily Mail" soll vom Reichsverkehrsministeriu M Anfrage mitgeteilt worden sein, englische Flüggen mnnan über deutsches Gebiet fliegen, wenn der englisc llustfahrtsminister drahtlos den Tnv des Flugzeugs, d, ^omer, des Flugzeugführers und alle Einzelheiten bekan Dies sei auch eine Bedingung für den regelmäßig« okuaoerkehr zwischen London und Wien.

Durchffuchrma von Sofia

Sofia, 3. Juni. Die Behörden haben ermittelt, daß sich in Sofia noch eine größere Anzahl von Verschwörern ver­steckt hält. Es wurde daher eine sofortige Durchsuchung der ganzen Stadt angeor-dnet, bevor die vom Völkerbundsrat ausnahmsweise bewilligte Miliz aufgelöst werden muß, was heute aben-d der Fall ist.

Der Krieg in Marokko

Paris, 3. Juni. Nach den amtlichen Berichten aus Casa­blanca haben die Kabylen in neuen Angriffen die französi­schen Linien zurückgedrängt und mehrere vorgeschobene Posten abgeschnitten, die mit hartnäckigen Kämpfen befreit werden mußten, was aber nur zum Teil gelungen zu sein scheint. Die französischen Truppen müssenvmgruppiert" werden, ivas darauf schließen läßt, daß Abd el Krim seine Angriffe sehr geschickt und meist überraschend einleitet, daß

aber andererseits die franwsische Führung zum Teil ver­sagt. Der Oberbefehlshaber, Marschall Lyautey, ist ins Kampfgebiet abgekeist.

Spanische Truppen sollen bei Taatch im Vormarsch ssiG

Die Polizei will einer kommunistischen Verschwör«P aus die Spur gekommen sein, die im Rheinland (unter 5en Besatzungstruppen?) ihren Ursprung habe, und die den Zweck habe, die nach Marokko gesandten Truppen zum Hochverrat zu verleiten.

London, 3. Juni. Halbamtlich wird entschieden dem Ge­rücht entgcgengetretsn, als ob England Abd el Krim unter­stütze. Großbritannien habe das größte Interesse daran, daß da? Ansehen der europäischen Völker in Afrika und im Osten nicht beeinträchtigt werde, wie es bei eine»! Sieg Abd el Krims über Frankreich und Spanien die Folge sein würde.

Russisch-japanischer Streitfall

London. 3. Juni. DieTimes" meldet aus Riga, zwischen der bolschewistischen Regierung in Moskau und der japani­schen Regierung sei eine ernste Spannung entstanden, weil Japan trotz des Moskauer Einspruchs darauf beharre, die milüärisch und handelspolitisch wichtige Eisenbahn von Tao- nosiu in der Mandschurei zu bauen. Andererseits hatte die Moskauer Regierung verlangt, daß auf der chinesischen Ost­bahn alle nichtbolschewistischen und nichtchinesischen Ange­stellten entlassen werden. Die chinesischen Behörden weigern sich aber, die Entlassungen vorzunehmen und sie werden dabei vor, Tschangtsolin, dem mächtigen Gouverneur der Mandschurei, unterstützt.

Der Streik in Shanghai

Shanghai» 3- Juni. In den Straßen in Shanghai haben gestern wieder mehrere Zusammenstöße stattgefunden, die sich ausschließlich gegen die Japaner richteten. Die Zahl der Streikenden beträgt etwa 30 000; betroffen sind die Baurn- wollspinnsrrin der japanischen Kapitalisten und Gesellschaf­ten, die Straßenbahnen und die Elektrizitätswerke. Die städtischen Angestellten haben sich angeschlossen. 300 Chinesen, die von den amerikanischen Freiwilligen gefangen genom­men worden waren, sind von der Polizei wieder in Frei­heit gesetzt worden. In Maueranschlägen wird zum allge­meinen Aufstand und zur Vertreibung der Fremden aufge- sordert. Die Behörden schreiben die Unruhen den Aufwie­gelungen russischer und chinesischer Kommunisten zu.

Die fremden Kriegsschiffe haben Truppen gelandet. Es sollen bereits 20 000 Mann im Anmarsch sein. Die Lage ver­schlimmert sich stündlich. Die Lehensmittelwerke und die chinesischen Läden sind geschloffen. Chinesen, dis im Dienst von Fremden bleiben, werden von den Streikenden ange­griffen.

Der chinesische Außenminister hat bei dem italienischen Gesandten als dem ältesten diplomatischen Vertreter Ein­spruch erhoben gegen das Vorgehen der fremden Mächte in Shanghai. Die chinesische Regierung behalte sich vor, Ent­schädigungen zu fordern. Die Regierung verlange, daß die in Shanghai gefangen genommenen Chinesen in Freiheit ges etzt u nd daß gemeinsam mit einem chinesischen VevM- «ächtegten Maßnahmen ergriffen werden, um derartige Zwischenfälle künftig zu verhindern.

Württemberg

Stuttgart, 3. Juni. Po st an st alt auf dem Cann- statter Wasen. Anläßlich der 31. Wanderausstellung der Deutschen Lcmdwirtfchaftsgesellschaft wird vom 9. bis 24. Juni auf dem Canustatter Wasen eine Postanstalt mit Telegraphendienst und öffentlicher Sprechstelle betrieben.

Dauarbeiierstreik. Gestern ist in Stuttgart wegen Lohn­forderungen ein Bauarbeiterstreik ausaebrochen. Die Bau­arbeiter fordern einen Lohn von 1.30 -4t in der Stunde. Es kommen etwa 4000 Arbeiter in Betracht. Die Streik­bewegung besteht auch in Heilbronn, Reutlingen und Göp­pingen.

Arbeitseinstellung der Gipser. Ab 1. Juni haben die hiesigen Gipser wegen Lohnstreitigkeiten die Arbeit oorüber- sehend niedergelegt, d. h. diejenigen Gipser, die schon mehr als 30 Wochen beim Unternehmer beschäftigt sind, erhielten

4 Tage Urlaub.

Stuttgart» 3. Juni. Räuber. Das Schöffengericht ver­urteilte den Ernst Haas und den Christian .zu je 2 Jahren, Sen Emil Mutz zu 1 Jahr 10 Monaten Gefängnis und

5 Jahre Ehrverlust, vier weitere Angeklagte erhielten Ge­fängnisstrafen von 1 Jahr bis 1 Jahr 4 Mdnaten. Die Bande hatte einem Lehrling auf der Straße 5000 Mark ab- genommen. Die Haupttäter waren in Karlsruhe verhaftet worden.

Mangen bei Stuttgart, 3. Juni. Raupen plage. Einen recht traurigen Anblick bieten die Obstgärten an iim seren Bergabhängen. Die Raupen hoben einen großen Schaden angerichtet, so daß man von einer Plage sprechen himt Die Bäume sind an verschiedenen Plätzen ihrer Blätter vollständig keraickt und stehen kabl da wie'im Winter. Die Raupen treten in unheimlichen Mengen auf, auch dort, wo gespritzt wurde.

Aus dem Lande

Marbach, 3. Juni. Milchfälschunq. Vom Amts­gericht wurden wegen Milchfälschung drei Frauenspersonen ^u Geldstrafen von 20 bis 40 -4t verurteilt, eine erhieft außerdem noch eine Gefängnisstrafe von 10 Tagen.

Hellbraun. 3. Juni. Turnier. 'Nachdem der Nen- nnngsschluß für das Hellbrauner Reit- und Fahrturnier am 13. und 14. Juni vorüber ist, kann man sich ein Bild über den Umfang der Veranstaltung machen. Der größte Teil der