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Na-»lker T«zbl«tL „Der Gesellschafter"
Mittwoch. 18. Februar 1»LS
Sitze sicher; auf Gruppe 2 12, während weiteres Sitze auch dieser Gruppe sicher sind.
Vom Landtag. Die kommunistischen Abgeordneten haben folgende kleine Anfrage gestellt: Der Vertreter der württ. Regierung im Reichsrat hat zusammen mit dem preußischen und bayerischen Regierungsvertreter gegen eure Amnestie im Reichsmaßstab für politische Vergehen «mgekündigt. Ist diese Stellungnahme im Einvernehmen mit der Ktaatsregierung erfolgt und ist dieses Votum gleichbedeutend mit der SteÜung der württembergischen Staatsregierung zur Amnestiefrage? — Diese Anfrage ist die IVO. dieses Landtags
Aus der Zenkrumsparkei. Am Sonntag tagte hier der Landesausschuß der Zentrumspartei. Justizmin. Beyerle faßte das Ergebnis der Beratungen nach Ansprachen von Abg. Andre, Reichspostminister a. D. Giesberts, Minister Bolz :md einem Bericht des Abg. Küchle über die Lehrer- Mdungsfrage dahin zusammen: Billigung der Haltung der Reichstagsfraktion, ruhige und sachliche Politik der Mitte, Wille zur Einheit und Geschlossenheit, Reinhaltung der Partei und rücksichtsloses Einschreiten gegen Verfehlungen.
Vom Tage. Ein 50 Jahre alter Mann erlitt während »er Straßenbahnfahrt von Hedelfingen nach Stuttgart nnen Schlaganfall und war sofort tot. — In den letzten Lagen sind in verschiedenen Straßen vier Kinder, die auf der Straße spielten, durch Kraftwagen verunglückt, davon eines tödlich. — Arme Kinder der Großstadt!
Cannstatt, 17. Febr. Verhaftung von bayerischen Kommunisten. Im Anschluß an die Südd. Parteiarbeiterkonferenz hatte sich am Montag ein Teil von bayerischen Kommunisten zu einer Besprechung Wer den Neuaufbau der Kommunistischen Arbeiterpartei' in Bayern -m „Schwabenbräu" versammelt. Dort wurden sie unter Führung von Nürnberger Polizei verhaftet. Am Abend »urde ein großer Teil wieder freiaelasien. sieben Kommunismen, oarumer zwei vayerycye Landtagsabgeordnete, befinden sich noch in Haft.
Lannskakk, 17. Febr. Selbstmord. In einem Haus der Karlstraße verübte ein 73 Jahre alter Mann in der Küche seiner Wohnung durch Einatmen von Gas Selbstmord.
Heidenheim. 17. Febr. Jndustrieerfolg. Der Firma I- M. Voith wurde die Lieferung von zwei großen Freistrahl-Turbinen für die Ausnützung der Wasserkräfte des Noreflusses in Norwegen übertragen. Diese sollen je 36 000 Pferdestärken haben' und find di« größten der bis jetzt gebauten Turbinen.
Giengen a. Br., 17. Febr. K i r ch e n h e i z u n g. Die katholische Filialkirche wird jetzt mit 6 elektrischen Oefen zu 4500 Watt geheizt. Die Heizkostsn betragen durchschnittlich 3—4 für einen Sonntag. Die ganze Anlage wurde von
der Mittelschwäbifchen Ueberlandzentrale in Giengen erstellt
Tübingen, 17. Febr. Lebensmüde. Das 29jährig« Dienstmädchen Berta Herr non Stuttgart verübte einsn Selbstmordversuch, indem es sich von der Steinlachbrücke ir den Fluß stürzte. Sie wurde mit inneren Verletzungen ir die Chirurgische Klinik überführt.
TNössingen OA. Rottenburg, 17. Februar. Sturmschaden. Sonntag nachmittag setzte fast plötzlich ein überaus heftiger Föhnsturm ein. Er riß in der Bahnhofstraße zwei Leitungsmasten der elektrischen Ortsleitung, sowie 11 Masten der Hochspannungsleitung nach Belsen um, jvdaß der Ort abends okne Licbt war.
Aus Stadt und Land.
Nagold, den 18. Februar 1925.
Der schwerste Kampf ist der geaea die menschliche Trägheit, die urivr der Maske der Nachgiebigkeit, Bei»
- sährilichkeit und Milde das Böse und Unwahre vertuscht
und sich dem Kampfe entziehen will. Huch.
Nene EeidkrSazen. Reich beabsichtigt, den Bestand won Silbermünzen von 5 auf 10 Mark Nennwert auf den Mops der Bevölkerung zu erhöhen. Da die Silbermünzen bekanntlich nur ein Viertel des Nennwerts haben, wird das jRerch durch den sogenannten Schlagschatz wieder ein sehr utes Geschäft machen. Bedauerlicherweise hat das Reich ie Ausprägung der Wappen der Prägestaaten, z. V. Würt- itemberg (Münze Stuttgart) abgelehnt. Da Silbermünzeu und besonders die neuen unterwertigen, für den ausländischen Zahlungsverkehr nicht in Betracht kommen, ist die Tlblehnung des alten Rechts nicht recht verständlich. Von den Silbermünzen sollen nun auch Zweimarkstücks geprägt werden, außerdem ist die Prägung von vollwertigen Goldmünzen vorgesehen.
Wlldberg, 17. Febr. Kirchengemeinderatswahl. Bei der Wahl wurden 233 Zettel abgegeben, deren Zählung folgendes Ergebnis brachte: Stadtsch. d'Argent 230 St., Hausvater Thomaß 2l2 St., Schnetdermstr. Baumgärtner 21 l St., Stadtpfl Frauer 203 St., Fabrikant G. Rau l99 St., Oberlehrer Rentschler 147 St., Mechaniker I. Mayer 182 St., HauSvater H. Haußer 16k Stimmen. Außerdem erhielten noch Stimmen Fr. Aug. Wett, Frau Lina Weik, Wilhelm Keller und P. Remßhardt. Die erstgenannten acht Herren gelten als gewählt, von denen die Herren Rau, Mayer und Haußer zum erstenmal in den Ktrchengemeinderat etntreten und verpflichtet werden müssen.
17 Wildberg, ik. Febr. Rundfunk-Vortrag. Im Verein mit Herrn Schtttenhelm von Stuttgart, der früher hier im Schloß die Bauschule leitete, hielt H. Freiherr F. v. Perglas am Sonntag im Rathaussaal einen Ltchtbtldervortrag über das heutige Radtowesen. Um 4 Uhr waren die Schüler die Hörer und abends die Erwachsenen. Die Vorträge waren gut besucht. An Hand eine- Films wurde das Wesen der drahtlosen Telegraphie gezeigt wie sie von dem Italiener Marconi angewendet, später aber auch durch die deutschen Gelehrten verbessert und immer mehr vervollkommnet wurde. In überzeugender Weise sprach der Redner, daß die Zukunft dem Radio gehöre, und so gewiß heute niemand mehr ohne Zeitung sein könne, ebensowenig werde man in 2—3 Jahren nicht mehr ohne einen Radioapparat im Eigenheim sein. Am gespanntesten aber war man auf die eigentlichen Darbietungen, denn es war ein Apparat mit 2 Lautsprechern und etwa 10
Kopfhörern vorhanden. Leider war die Etnwnkung des Transformators sehr störend, so doß die Vorträge teilweise sehr undeutlich waren. Waren die Geräusche weg, io konnte man Schöner hören von Rom, von Zürich, Stuttgart, München, Breslau, ja London und Amerika. Zugleich war auch eine Ausstellung von Radioapparaten zum Selbsteinrichten und wahischeinltch wird man hter in absehbarer Zeit in dem und jenem Hau« Radio bö en könn-n.
Haiterbach. Deutscher Abend. Der Einladung der nat.-soziol st,scheu Freiheitsbewegung (Oilsprvpps Nagold) auf ! letzten Sonntag Abend zum „Deutschen Abend" tm Gasth z. Lamm hier wurde sehr zahlreich Folge geleistet. Und stcher- i ltch kamen alle Besucher voll u»d ganz auf ihre Rechnung.
§ Das Trauerspiel „Die schwarze Schmach", das uns die grüß- ! lichen Leiden und Bedrückungen unserer deutschen Brüder und Schwestern tm besetzten Gebiet vor Aupen führte, hinter ließ einen tiefen Eindruck. I 2 Teil de« Programms kam das mit köstlichem Humor du chwüizte Lustspiel „Salomont Retnfall" zur Ausiührung, das stürmischen Beifall erntete. Z samm-nsafsend ist zu sagest: Alle M twirkenden haben tbre ! Rollen ausgezeichnet gespielt. Die betör, Herren Musik«
> gaben in Musikstücken von Ailbut, Weber, Händel, Schubert ! und Mozart ebenfalls ihr Bestes. Besonderer Dunk und ' Anerkennung gebührt dem Leiter des Abends, H. Dr. Seeger, für die wohlgelungene V-ra stattung. Seine von tiefem Ernst und echt deutscher G-sinnung durchdrungenen Aus führungen wurden ln beifälliger Weise gewürdigt. Zun, Schluß sprach dann H. Gemeinderal Ziegler von hter namens der Anwesenden den Nagoldern und ihrem Überaus tüchtigen Leiter herzlichen Dank für die guten und reichlichen Darbietungen ouS. Heil! _
Und ist auch versunken das flammende Wort ES glüht ein guter Funke noch in der Asche fort.
Rohrdorf, 17. F-d>. Turnverein. Nachdem viele Monate nui das grauenvolle Scliwelgen den eh> würdigen Tarnsaal durchzog, findet sich nun wieder eine stattliche Zahl junger Tur> er ein, die sich mit einer gesunden kö p rbchel Kraft u» d Gewandtheit für alle Gefahren des zukünftigen L'benS ouszu üsten suchen. Groß sind die Aufgaben de, kleinen T irnoemetnde, damit nicht wieder ein ongefang-net, mit vieler Mühe von Seiten der Führer aufgebaute« Wert erlahmt und zusammenbricht. Deshalb ist es heute meh« denn je j-des Deutschen, der sei» Vateiland und die Ingen« alS die Träger unserer Z ,kaust „liebt", ernste Pfl cht, den hohen Ideal des Turm ns. das tu Pflege geistiger Frische, männlicher Intelligenz und körpeidcher Ertüchtigung einerseits und in nationaler Erzi-hung unser-« Volkes anderseits b-steht, jede Hilfe und Umeiftützung angedetden zu lasten. E» ergeht deshalb an alle Bürger hter die ernste Mahnung, die Turnsache zu untei stütz n in Rst und Tat, damit dies edle Bo ksgut erhalten, p.pfl gt ui d gestisikl wird zum Woh und Segen unseres deutsche«! Vaterlandes. Gleichzeitig wir - aus die Generalversammlung de» Bereits am kommenden
Sonntag htngewiesen (s. Jntsral). Gut H tl!
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Calw, 17. Febr. Bet der Landeskirchenwahl wurd- Misstonar Nerz gewählt. Der bisherige Benreler in de?r Landetkirchentag Fabrikant Bla« k e>hielt 3514 Stimmen und Missionar Renz-Psiondoif 3614 Stimmen, Renz ist somit vom Bezirk Calw gewählt.
Ergebnisse der Wahl zum Laudeskircheutag im Bezirk Herreuberg. Das Gesamlergebn s der Wahl zum Landes- kuch'Nlag steht nunmehr fest. E» fehlt zwar noch das Wahl resultat aus zwei Gemeinden, das aber am Schlußergebnis nichts W>seitliches mehr ändern wild. Bo' 10 649 Wahlberechtigt'n haben 5083 abgestimmt, also 48°/o. Dekan Dr Schmtd von Herrenbeig ist mit 4742 Stimmen als gewählt anzusehen.
Freudenstadt, 17. Febr. Laudeskirchenwahl. Bet de Waht zum LandeSttrchentag hat Gotttteb Braun in Schopf loch ca. 4100, Missionar Fischer hier oa. 2600 Stimmen er halten. Der elftere lst hiernach zum Abgeordneten gewählt
Letzte Nachrichten.
Die Verhandlungen mit Belgien.
Berlin, 18. Febr. Das Berliner Tageblatt meldet: Die belgischen Wirtschastsoerhandlungen werden am Donnerstag wieder ausgenommen werden. Zn den Kreisen der belgischen Delegation ist man der Meinung, daß die Ver- ! Handlungen schon sehr bald zu einem günstigen Ende ge- ^ führt werden können.
Die Untersuchung der Ursachen des Dortmunder Unglücks.
Dortmund» 18. Febr. Heute tritt hier ein kleiner Ausschuß zusammen, der in der letzten Sitzung des großen Untersuchungsausschusses zur Feststellung der Ursachen des Grubenunglücks gebildet worden ist. Das Ergebnis der Untersuchung wird er dem großen Ausschuß unterbreiten.
Wieder ein sranzöfisches Kriegsgerichtsnrteil gegen deutsche Offiziere.
Paris, 18. Febr. Das Kriegsgericht in Nancy hat 4 deutsche Offiziere in Abwesenheit verurteilt. Den Angeklagten wurde zur Last gelegt, während des Krieges angeblich aus einem Schloß Möbel und aus der Wohnung eines Abgeordneten eine silberne Suppenschüssel entwendet zu haben. Der Hauptangeklagte Tettenborn, Kommandant der 19. sächsischen Division ist bereits verstorben. General von Specht und Oberstabsarzt Fischer wurden zu 20 Jahren Zwangsarbeit und 3000 Franken Geldstrafe verurteilt. Henwisser wurde zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.
Eine amerikanische Anleihe der Rentenbank?
New-Dork» 18. Febr. Wie der Commerce meldet, sucht die Rentenbank eine Uebemahme-Anleihe von 25 Millionen Dollars auf 10 Jahre zu 7 Prozent aufzubringen. Die Anleihe soll der Landwirtschaft zugut kommen. Nach anderen Meldungen soll es sich um 100 Millionen handeln, was hier wenig glaubhaft erscheint.
Kurzmeldungen.!
Abgeordneter Lange-Hegermann ist aus der Zentrumsfraktion des Reichstages und aus.der Zentrumspartei ausgetreten, ohne auf sein Mandat zu verzichten.
In der Fortsetzung der Aussprache über den Etat des Reichsoerkehrsministeriums übte der Reichstag scharfe Kritik an der Reichsbahn.
Der rumänische Außenminister Ducca kündigt die Beschlagnahme des gesamten deutschen Vermögens in Rumänien als Repressalie gegen Deutschland an.
Als Gesamtergebnis der Wahlen zum evangelische» Landeskirchentag steht nunmehr fest, daß 33 Vertreter der Rechten, 25 Vertreter ddr freiheitlichen Gruppe gewählt sind.
Eingesandt.
(Rir Einsendungen unter dieser Rubrik Lbernlmmt dir SchristleUnug nur dir prrtzgesetzliche Verantwortung.)
Auslaudskredite!
Die Ausführungen in der Gemetnderatsfltzung vom 5. er. (oergl. Gesellschafter vom 9. cr.) dürfen, soweit sie die Aus- landskcedtte angehen, m. E. nicht unwidersprochen ble'ben, denn ste sind nur zu leicht geeignet, die an sich schon unklare Vorstellung vom ausländischen Anleihemarkt noch mehr zu verwirren.
Richtig ist, daß Ausländsanleihen nicht unter 7°/» Zinsen zu haben sind. Unrichtig ist aber die gesamte übrige Berechnung der Durchschnitisztnsen. Nehmen wir z. B. an, daß der Nusgabekurs einschließlich aller U> kosten nur 85°/» beträgt, so stellen sich die Durchschniltszinsen bet der üblichen 7°/,'gen Verzinsung auf 7,6°/«, wenn man die Höchstgrenze von SS Jahren zu Grunde legt. Soll aber das Darlehen bereits nach fünf Jahren ganz oder teilweise, was bet der Anleihe des württembergischen Städtetage» und im allgemeinen überhaupt der Fall ist, zarückgezahlt werden, so ergibt sich eine jährliche Verzinsung von 10°/o bei 85 °/o Auszahlung.
Hierbei ist aber nicht berücksichtigt, daß den Kommunen kurzfristige Anleihen aus 5—7 Jahre zu ?V-°/o Zinsen bei etwa 92—940/» Auszahlung gegeben werden können, was einer DurchschnttlsverzlnfunFvon etwa 8,3—9°/» bet 7Jahren Laufzeit entsprechen dürfte.
I »führend ist m. G. auch die Behauptung, daß man in Fachkreisen damit rechnet, daß in absehbarer Zeit JnlandS- gelder billiger zu stehen kämen als die sitzt üblichen Auslands- kredite. Ich bin wahrhaftig nicht einer von denen, die möglichst schwarz in schwarz malen. Aber betrachten wir doch nur die Ztnsentwicklung in Ländern, die ebenfalls erschöpfende Krisen durchgemacht haben, und sehen wir, wie sich dort der Zinsfuß gestaltet ha !
Nehmen wir gleich als Beispiel den jetzigen Weltbankier: die Veret-i. Slawen von Nordamerika! Nach dem amertkan. Bürgeikcteg« und dem I, dtaneiaufftand sahen die Finanzen von U. S. A. nicht gerade rosig au«. Dreißig Jahre nachher bezahlte man im Westen (also Frtsko) noch etwa 20°/o, tm Osten (New Aork) etwa 15 °/o, wenn Geld überhv, pt zu bekommen war, und erst durch die großzügige Dollaistützungs- aktion der Bank of England, wobei auch die deutsche Bank nicht unerheblich beteiligt war, gelang es. die Zinsen aus ein — nach unfern FrtedenSbegriffen — erträgliches Maß von etwa 6°/o zu drücken.
Wir sind noch in einer viel verzweifelteren Lage als Amerika in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Unsere Wirtschaft ist ausgesogen, zu etwa 17 Prozent überdies durch den Dawesplan belastet, die Handelsbilanz trotz aller Anstrengungen passiv; ein Wirtschaftskrieg mit Frankreich wetterleuchtet am Horizont, und jährlich will man unse>em on höchster Bleichsucht leidenden Staate noch eimerweise das Blut tu Gestalt von ReparattonSmtlliarden abzapfen. Amerika hat keine Kapitalabwanderung gehabt und laborierte jahrzehntelang an Kapitalnot. Wir müssen btS zum Weißbluten zahlen und sollen in spätestens einem Jahre wieder so viel Kapital zum Ausleihen haben, dvß die Nachfrag», die sich nach einer der letzten Statistiken auf etwa 20—25 Milliarden stellt, so besrtedigt werden kann, daß der Zinsfuß unter — greifen wir hoch! — 10°/» sinkt!!! Diese Annahme widerspricht sowohl den empirischen Tatsachen als auch der Gesamt» Wirtschaftslage; denn glaubt jemand, daß Thyssen, Krupp, A.E.G., Strmensgruppe und unsere anderen Konzerne auf der Grundlage von 7*/«°/» Durchschnittszinsen bet 20 I ihren Lausdauer abgeschlossen hätten, wenn unsere Wirtschaftslage einem so rapiden Aufstieg entgegensähe!? 7*/,°/, entspricht aber 7°/» Ztr s bei etwa 93 °/s Auszahlung. Und hiebet handelt es sich um Wellst men, die doch sicher erstklassige Sicherheiten bieten können und — was die Hauptsache ist — in Ü.S A. unbedingter Vertrauen genießen.
Man könnte mir entgegenhalten (und man scheint darauf auch in der Gemeinderatssitzung haben ansptelen wollen), daß man vor einem halben Jahre noch etwa 60°/» und jetzt nur
noch l8'/a Jahreszinsen zahle: eine aufstetgende Linie-
eine rapide „Kapitalbildung"!!! Nur schade, daß der Schein trügt, daß das Ganze nur ein sehr künstliches Gebäude — kurz — Bluff ist. Was nutzt mich der schönste Zinsfuß, wenn ich kein Geld darauf bekomme. Und Geld — Beträge, die irgendwie ins Gewicht fallen, kann heute keine Bank auszahlen. Sogar die Reichsverstcherungsgesellschaft, die doch über das meiste flüssige Kapital verfügt, hat vorläufig auf 6 Monate jede Kreditgewährung gesperrt. Und wenn man nicht gerade aus Galizien stammt, erhält man auch von keiner anderen Stelle eine größere Summe, auch bet erstklassigen Sicherheiten nicht.
Unbedingt zuzustimmen ist aber den Ausführungen im Gemetnderat, wenn zur Vorsicht gemahnt wird, soweit die Vorsicht auf den realen Hintergrund evtl. Angebote beschränkt bleibt; denn wer — wie ich — seit langem mit dem Auslände arbeitet, weiß, daß in Berlin nahezu 99°/» der Vermittler herrlich und in Freuden von den Voischüffen leben, die ste von ihren vertrauensseligen Mandanten erhalten: ein Geschäft kommt aber fast nie zu Stande, weil „die Sicherheiten leider nicht genügt haben". Daher sollte man -nie Borschüffe zahlen, sondern erst nach Auszahlung des Geldes die Provision entrichten; denn für die nächsten Jahre sind wir leider aus Blutzufuhr angewiesen, wenn wir sticht wollen, daß unser Volksleben an der Bleichsucht langsam eingehen soll. Dr. Loch.