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Ar. 286 «-gründet ,»rs. Dienstag den 16. Dezember 1824 Fernsprecker Nr 29 98. Jahrgang
Tagesspiegel
Die voraussichtlich 1v Tage dauernde Krankheit H er riots gibt den Pariser und Londoner Zeitungen Anlatz zur Verzeichnung des Gerüchts, eine Regierungskrise stehe bevor. In politisch«, Kreisen spricht man davon, daß Painleve m> seine Stelle treten solle. Gleichzeitig würde man die Gelegenheit benutzen, gewisse nicht mehr volkstümliche Männer der Regierung auszuschalten.
Auf der Pariser Zusammenkunft der verbündeten finanz- minister wird auch der Anspruch Amerikas auf den Teil der Reparationen, die Deutschland ans Grund des DawLsvlomes zwecks Rückerstattung der kosten für die amerikanische Besatzung zu zahlen hat, erörtert werden.
Nach einer Reuter-Meldung aus Kairo scheint sich in der politischen Lage eine Entspannung vorzubereiten. Sie ägyp- Kschen Juristen haben an Stelle zweier Anhänger Zägluls zum Präsidenten bezw. Vizepräsidenten der ägyptischen 8«'istenvereinigung zwei Gemäßigte, nämlich Ahmed Losch Mb Saalib Samy, gewählt.
Angst oder Bosheit?
Man muß der der „Interalliierten Militär Kontrollkommission" (I. M. K. K.) lassen: sie ha gearbeitet, was möglich war. Bis 6. Dezember hat di- „General-Inspektion" 1644 Besuche (bei der Reichswehl 807, auf Polizeistellen und Zivilbehörden 395, in industriel len Werken 442) ausgeführt. Nicht selten waren die Herrei an einem Platz zweimal: sie kamen angesagt und un angesagt. —
Und das Ergebnis? Bis jetzt herrscht Stillschweigen dar über d. h. amtlich verlautet nichts über den Kontrollbericht Derselbe soll bis 20. Dezember fertig gestellt, aber erst n a cl dem 10. Januar, dem vertragsmäßigen Endtermin der Räu mung der Kölner Zone, der Botschafterkonferenz zur Prü fung vorgelegt werden. —
Trotzdem werden in englischen und französischen Blätter, Schauerberichte über das Jnspektionsergebnis verbreitet, si daß es den Franzosen angst uüd bange vor einem neuer deutschen Ueberfall wird. In Spandau seien alle übe: die Bestände vor dem 1. August geführten Bücher absichtlick weggeschafft worden. In Königsberg seien unerlaubt, Feldgeschütze entdeckt worden. Desgleichen inWilhelms Häven. Das frühere Erfurter Arsenal, die Deutscher Werke in Kiel, Krupps Werke, die Konkordia Hütte, die Mannesmann- Werke u. a. seien zwar vev pachtet oder auf Friedensarbeit eingestellt, aber ihre Räum, und Einrichtungen seien der Art, daß sie jederzeit Munition Gewehre, Kanonen und Flugzeuge fabrizieren können. —
Deutschland könne über Nacht 400 000 Mann aufbieten die man sofort bewaffnen könne. Die Polizeiwehr mi> 100 000 Mann stehe jetzt schon Gewehr bei Fuß. Genera! o. Seeckt sei nicht nur Leiter, sondern Generalissimus der Reichswehr. Ihm Stände ein Generalstab zur Seite. D« Sonderarchive über den genauen Stand der Bewaffnung des Reiches bei Abschluß des Waffenstillstands seien immer noch nicht herausgegeben worden. Auch bei der jetzigen Generalinspektion, wo sie fast entdeckt worden wären, habe man sie in letzter Minuter spurlos verschwinden lassen. Die Schleifung der G r e n z f e st u n g e n sei nicht entsprechend der Vorschriften des „Friedensvertrages- ausgeführt worden. Und was dergleichen üble Nachreden sind, die zuerst das deutschfeindliche englische Blatt „Daily Mail" aufgetischt hat und die französischen Blätter „Peti! Parisien", „Matin", „Eclair" und wie sie alle heißen mögen zum Schrecken der Franzosen pflichtschuldigst nachsprechen.
Tatsache aber ist es, daß seinerzeit unter Aufsicht der I. M. K. K. allein schon an die Reichstreuhandgesellschaft zur Zerstörung abgeliefert wurden: 6 000 OVO Gewehre, 105 16Z Maschinengewehre, 54 887 Geschütze, 38 750 000 Artilleriegeschosse, 16 550 000 Handgranaten, 472 201000 Handwaffenmunition, 37 000 Tonnen Pulver, 14 014 Flugzeuge, 27 757 Flugzeugmotore und noch vieles andere, was zur Bewaffnung der alten deutschen Armee nötig war. Wir haben unsere Selbstentwaffnung so gründlich vorgenommen, daß uns von Rollet und Foch — und die beiden müssen es doch wissen — amtlich unsere Wehrlosigkeit testiert werden mußte. —
Nun auf einmal, nach kaum vier Jahren, sollen wir ein waffenstarrendes Volk sein, das jeden Augenblick wieder über das arme „wehrlose" Frankreich herfallen und es kurz und klein zusammenschlagen könnte. —
Ob die verantwortlichen Staatsmänner in Frankreich und England einen solchen Unsinn glauben? Nein, aber es liegt Methode in dieser „Mache". Denn nichts anderes ist der ganze Schwindel. Erstens will man einen Grund haben, um die Militärkontrolle über Deutschland „verewigen" zu können, sei es, daß die Entente sie auch weiterhin ausübt, sei es, daß sie in der, schon früher in diesen Blättern geschilderten, neuen Form einer Völkerbund s- Militärkontrolle fortgesetzt wird. — Zweitens will man für die Fortführung der Besetzung der
Rheinlande und der Brückenköpfe eine anMnvige Handhabe haben. Nach Art. 429 der Versailler Diktats muß die K ö l n e r Z o n e am 10. Januar 1925 geräumt werden. Vorausgesetzt, daß Deutschland seinen Vertragspflichten „ge- i treulich" nachgekommen ist. Bezüglich der Abtretung der ! Gebiete und der Leistungen der Reparationen läßt sich, wie § auch unlängst der Oberkontrolleur Gilbert bezeugt hat, i nichts gegen uns sagen. So muß denn der Bericht der mili- s tärischen Generalinspektion herhatten, also das j fürchterliche Gespenst, Deutschland rüste sich bereits wieder
- auf einen Revanchekrieg. —
Wie wirds nun weiter gehen? Was wird England ! tun? Wird es so viel Mut arffbrlnZen, daß es endlich ein- i mal Frankreich zuzurufen wagt: „Bis hieher und nicht ? weiter!" Kl.
Der Prozeß ELerL—Röthardt
Magdeburg, 15. Dez. Zum fünften Verhandlungskag waren als Zeugen die früheren Minister und Staatssekretäre Fehrenbach, Wallraf, Gröner, Wrisberg, Dr. David und
> iwn Stein erschienen. Aeichskagspräsident Wallraf, der ! Dährend des Streiks im Januar 1918 Staatssekretär des ! inneren war, wird als erster Zeuge vernommen uud beirundet u. a., dem am 28. Januar 1918 ausbrechenden Streik leien 2 Sitzungen des Hauptausschusses des Reichstages, am LZ. und 26. Januar, vorausgegangen, in denen Abgeordneter Lbert zu dem angeblich in Verbindung mit den Friedens- »erhandlungen von Bresk-Litowsk ausgebrochenen Streik Stellung nahm. In dieser Rede, die nach dem amtlichen Auszug verlesen wird, protestierte Ebert gegen das Verbot des
- .Vorwärts" mit dem Hinweis darauf, daß der Streik in s Oesterreich durch die österreichische Presse der ganzen Well I bekannt geworden sei. Nach dem amtlichen Bericht erklärte ! Ebert weiter: «Die Sozialdemokratische Partei begrüßt mit ! größter Sympathie die Bewegung der österreichischen Ärbei- ! ter und erklärt sich mit diesen in aller Form solidarisch. ! Wir bringen zum Ausdruck, daß die deutsche Sozialdemokra- ! Ke ebenso entschlossen ist, die Ford'en ngen der Annekriontfien i zurückzuschlagen und einen Frieden der Verständigung und
s des Rechtes herbeizuführen." Darauf folgte, so bekundeke
> Zeuge Wallraf weiter, eine Rede Scheidemanns, in der , dieser ausführte, daß die Stimmung in Deutschland jetzt die j gleiche sei, wie in Oesterreich unmittelbar vor dem Streik- : ausbruch. Am 26. Februar 1918 griff Wallraf Scheidemann
lm Reichstag scharf an. Er sei der Ueberzeugung, daß der Streik verhindert oder zum mindesten eingeschränkt worden wäre, wenn öje Sozialdemokratische Partei die Arbeiter von oorneherein gewarnt hätte. Auf die Frage der Verteidigung, ob die Sozialdemokraten möglicherweise durch den Ausbruch überraschk worden seien, wird dies von den Zeugen verneint. Auf die Frage des Generalstaatsanwalts, ob eine Einschränkung des Streiks noch durch eine Warnung am 29. Januar hätte erfolgen können, bekundet der Zeuge weiter, daß am 29. Januar Scheidemann und Haase zusammen mit einigen Arbeitern als Vertreter des Aktionskomitees ihn zu sprechen versucht hätten. Er habe sich bereit erklärt, Scheidemamr und Haase zu empfangen, es aber abgelehnt, mit den Streikenden zu verhandeln. Da beide Teile auf ihrem Standpunkt verharrten, habe die Konferenz nicht stattgefunden. Das schnelle Ende des Streiks sei vor allem auf das scharfe Vorgehen des damaligen Oberbefehlshaber in den Marken, General von Kessel, zurückzuführen.
Neue Nachrichten
Roch keine Klärung der Frage der Regierungsbildung Berlin, 15. Dez. Bis zur Stunde liegen wesentliche neue Nachrichten zur Regierungskrise noch nicht vor. Von Partei zu Partei haben noch keinerlei Besprechungen und Verhandlungen stattgefunden, mit Ausnahme von solchen Mischen Sozialdemokraten und Demokraten. Die Sozialdemokratie besteht auf ihrem parlamentarischen Recht, als stärkste Partei im Reichstag vor der Regierungsneubildung gehört zu werden. Die Demokraten wollen keiner Regierung ohne Sozialdemokraten beitreten.
Außer dem Zentrum scheint auch die Deutsche Vvlks- partei wenig Neigung zur Uebernahme der Regierungsbildung zu zeigen. Den Gedanken einer Regierungsbildung mit aktiver oder neutraler Unterstützung der Sozialdemokraten lehne man in volksporteilichen Kreisen nach wie vor, namentlich mit dem Hinweise ab, daß eine solche Regierung keine praktische Arbcitsmöglichkeit habe, da ein derartiges Kabinett bei den ersten wichtigen politischen Fragen, vor allem bei den Steperfragen, wieder auseinanderfallen würde. Eine Entscheidung in der Frage der Regierungsbildung dürste kaum vor Donnerstag zu erwarten sein, da die Entschlüsse der Reichstagsfraktionen erst am Dienstag und am Mittwoch fallen würden.
Zur Regierungsbildung in Preußen Berlin, 15. Dez. In der Preußenkrise haben die volks- partrilichen Minister einen Vorstoß unternommen. Sie haben dem Ministerpräsidenten mitgeteilt, daß sie eine schnelle ! Stallunanvimie der Reaieruna über die Anpassung der Re
gierung an das Wahlergebnis für unumgänglich norwenoig halten. Somit ist für Preußen mi teiner baldigen Erledigung der Regicrungsfrage zu rechnen, die ursprünglich bis zum Zuscrimnentritt des Landtages in der Schweb: bleiben sollte.
! Hösch in Berlin
i Berlin, 15. Dcz. Der deutsche Botschafter in Paris v. Höich > tst in Berlin cingetroffen. Gegenüber einer Meldung des ! „Matin", die Reife des Herrn v- Hösch habe den Zweck, daß ^ man in Deutschland Frankreichs Wünsche bezüglich der Bil- i düng der neuen Re-chsregierung kennen lerne (!), wird von s Sen zuständigen Berliner Stellen mitgeteilt, daß die Reise i Höschs in erster Linie durch die laufenden und sehr schwie- i rig-cn Handelsvertragsverhandlungen mit Frankreich ver- § uriacht seien.
- Der Aehergang zur Reichsmark"
! Berlin, 15. Dez. Das Reichskabinett genebmia'- auf An- ^ trag des Reichsministers für Ernährung und Land, urtschast, I daß di« bereiten Mittel der deutschen Rentenbank für eine j Uebergangszeit bis zum 1. November 1925 durch Vermittlung i einer Treuhandstelle den landwirtschaftlichen Kreditinstituten ! überwiesen werden, um diese Mittel bis zur gesetzlichen Er- ! richtung einer landwirtschaftlichen Kreditanstalt dm dringen-
> den Kreditbedarf der Landwirtschaft, wie dies im Renten- i batt-Äquidierungsgesttz vorgesehen, nutzbar zu machen. Di« j Verteilung der Kredite hat an diejenigen Kreditinstitute zu er-
> folgen, die in den infolge der Reichstagsauflösung verzöger- j teei Gesetzentwurf zum Geschäftsverkehr mit der Rentenbank- , kredlttnistnlt zugelassen waren. Nach einem von der Reichs- j reglerung zu genehmigenden Verteilungsplan, sobald die I landwirtschaftliche Kreditanstalt errichtet sein wird, gehen die j Mittel vor: der Treuhandstelle auf die Kreditanstalt über. Der , Gesetzentwurf über die Errichtung der Kreditanstalt soll den
SeseAMbenden Körperschaften alsbald vorgelegt werden.
Frankreich und England Arm in Arm gegen Deukschland London, 15. Dez. Nach einer Meldung des Londoner Berichterstatters der „Chicago Tribüne", habe die englische Regierung dem Standpunkt Frankreichs endgültig zugestimmt, daß Frankreichs Sicherheit am Rhein auch die Sicherheit Englands darstellt. Die Angelegenheit sei in allen Punkten vom Kriegs- und Marineministerium geprüft worden und ein Bericht hierüber dem Ausschuß für die Reichsver- teDiguno erstattet worden. Die Schlußfolgerungen dieses ! Berichts seien von der englischen Regierung angenommen ! worden. Auf Grund vorgenommener Untersuchungen über die französische Heeresstärke sei die französische Armee aus- schkießkich für Verteidimmgsmaßnahmen am Rhein und für ! keine anderen Zwecke gebildet. Die neue englische Regierung eracht« die französische Luftflotte nicht als eine Gefahr für England. Frankreich habe seine Heeresbestände nach eng- kscher Anschauung sogar zu stark herabaesetzt. Bei Nichteinhaltung der Artikel 40—43 des Versailler Vertrags durch Deutschland würden Frankreich und England dies als einen Eriegsgrund (!) betrachten.
Der neue Vertragsbruch
London, 15. Dez. Nach dem „Daily Telegraph" hat Cham- berlain anläßlich seiner letzten Reise nach Paris und Rom an Frankreich zwei wichtige Zugeständnisse gemacht, um sein Interesse an der Sicherheit Frankreichs zu beweisen. Das ein« Zugeständnis bestehe darin, Laß er sein Einverständnis mit der Ernennung eines Franzosen als Vorsitzenden für die be- absichtigte Bölkerbundskommission zur Ausübung der Militärüberwachung in Deutschland erklärt habe. Ferner Hab« Chamberlain zugestanden, daß die englischen Truppen au« der Kölner Zone nicht zurückgenommen werden soltten, so lange die Franzosen nicht aus dem Ruhrgebiet abgezogen seien, doch müsse dies in absehbarer Frist geschehen unter der Voraussetzung der Einhaltung legaler Formen und Uner großzügigen und versöhnlichen Haltung Frankreichs geg«i- über Deutschland.
Die deutsch-italienischen Mrtschafisverhandümyen Rom, 15. Dez. Die beiden Abordnungen für die deutsch» italienichen Wirtfchaftsverhandlnngen haben in den letzten Tagen verschiedene Sitzungen abgehalten, während deren sie ihre beiderseitigen Ansichten über die Grundlagen austauschten, auf denen der Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen beiden Staaten abgeschlossen werden kann. Nachdem fest» gestellt worden ist, daß grundsätzlich keine Meinungsverschiedenheiten hierüber bestehen, haben sie ihre Wünsche unS Vorschläge sowohl hinsichtlich des Vertragstextes als auch bezüglich der Grundsätze ausgetaufcht- Beide Abordnungen haben sich Vorbehalten, die Wünsche und Vorschläge der Gegenseite zu prüfen und sie in den folgenden Sitzungen M erörtern, wobei mit der Besprechung "des Vertragstextes begonnen werden soll.
Die englische Austen Politik
London, 15. Dez. Der morgen beginnenden Aussprach« im Unterhaus über die Außenpolitik sieht die Presse mi! . arnklem Jntercsie crttaeaen. Den Blättern zufolae wird er-