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Gegründet 1826 .

Montag de» 27. Oktober 1924

Fernsprecher Nr. 29.

98. Jahrgang

Neue Nachrichten

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Tagesip^eael

Der mutmaßliche Lrzbergermörder Schultz ist von der '"igarischm Behörde sreigelassen worden. Er hat sich auf das c t Grömbös zurückbegeben und mutz sich von Zeit zu Zeit der Behörde melden.

Der Führer der radikalen Irländer, De Balera, ist nach einer Rede in Newoy (Alster) verhaftet worden, nachdem er vorher von der Ulfierbehörde unter Androhung einer zwei- jährigen Gefängnisstrafe verwarnt worden war.

Die Umstellung Englands in Arabien

Mekka, die Stadt Mohammeds, ist, wie gemeldet, in der chand der Wahabiten und ihresSultans" Mohammed Jbn Seud. Die Wahabiten sind Reform-Mohammedaner, ver­werfen die Lehre von der Heiligkeit des Propheten und ver­lachen die Verehrung des heiligen schwarzen Steins in der Kaaba. Nach ihrer Ansicht ist Rauben und Plündern nicht. Unerlaubtes, und das scheint jetzt gründlich in Mekka besorgt ! zu werden, obgleich die englische Regierung dies auf ein­mal bestreiten läßt. Als umsichtige Geschäftsleute, die die Araber sind, übersehen sie aber nicht den großen Vorteil, der für sie, nachdem sie nun im Besitz der Heiligen Stadt sind, in der Erhaltung der Pilgerzüge liegt.

Jetzt wird bereits in England der Sieg Seuös als ein harmloses Ereignis und er selbst als eine ganz vortreffliche Persönlichkeit hingestellt. So heißt es in einer Zuschrift in der Times über ihn:Jbn Send ist ein Mann mit staats- männischen Ansichten, bestrebt, die Hilfsquellen seines Lan­des zu erschließen, den Handel seiner Häfen mit dem Persi­schen Golf zu fördern. Ueberdies war er der erste arabische Herrscher, der sich gegen die Türken nuflehnte." Die Zu­schrift kommt zu dem Schluß, daß es das Beste für England wäre, unverzüglich einen Vertreter an den Hof Jbn Seuos zu entsenden und die besten Beziehungen mit ihm zu pflegen. DerManchester Guardian" sagt, die Einigung Arabiens unter einem Herrscher könne nur Bestand haben, wenn die- fer Herrscher tatsächlich der Stärkste unter den arabischen Führern sei, und da Jbn Send sich nun einmal als der Stärkste erwiesen habe, so möge England sein Ziel der Eini­gung Arabiens mit ihm weiter verfolgen. Hussein und sein Sohn Ali sind dagegen von England fallen gelassen. Dis Beziehungen zu ihnen sollten durch einen Vertrag geregelt werben, dessen Abschluß bisher nur daran gescheitert war, daß England sich darin zu einer weitergehenden Unter­stützung der Familie Husseins verpflichten sollte, als es ge­neigt war. Jetzt hat das Auswärtige Amt den Londoner Vertreter Alis wissen lassen, daß es nicht mehr in der Lage sei, über den Vertrag weiter zu verhandeln.

DieTimes" weist, um die mohammedanische Welt über die Eroberung Mekkas zu beruhigen, darauf hin, daß Jbn Seub im Jahr 1915 einen Vertrag mit England abgeschlos­sen habe, worin er versprochen habe, die Wege zu den hei­ligen Stätten offenzuhalten und die Pilger zu schützen. Es lägen keine Anzeichen vor, daß Send den Vertrag nicht mehr für bindend erachte. Sehr bedeutende Gelder strömen Alljährlich nach Mekka, wo die Fremdenindustrie die Massen ernährt. Es darf vorausgesehen werden, daß der Sultan der Wahabiten, möge er nun sich auch zum Kalifen aus- rufen oder nicht, sich nicht dauernd in Gegensatz zu der ge­samten islamitischen Welt bringen wird, indem e» die Pil­gerfahrten nach Mekka verhindert.

Die Entfernungen auf der arabischen Halbinsel sind groß; die Ereignisse fließen langsam. Wir wissen heute nur, Laß die Massen der Wahabiten nach der Einnabme von Tais ganz im Süden sich, unter Vermeidung von Reibungen mii den Stärpmen in Jemen und Afr, nach Norden gewandt haben und nun nach der Besetzung von Mekka halbwegs vor Medina stehen. Aus englischer Quelle verlautet, daß starke Massen im Anmarsch auf das Ost jordanland seien. Es muß sich hier um die Vorbereitung einer Wieder­holung des Angriffs auf die Herrschaft des Emirs Abdullah handeln. Glaubwürdig wird angedeutet, daß auch regen den Emir Faissal und seine Herrschaft in Mesopotamien etwas im Anzug sei.

Dadurch kommt die Bewegung in unmittelbare Berüh­rung mit englischen Mandatgebieten. Das Ostjordanland ist stwar nicht in aller Form als Mandatland anerkannt, die englische Regierung hat es aber in enge Verbindung mit ihrem Mandatland Palästina gebracht, dem das Ostjordin- tzebiet wie ein Glacis vorgelagert ist. Die Nachbarschaft des unternehmungslustigen Sultans Mohammed Jbn Seud wird England aber nervflichten, zur Verteid'gung seiner arabischen Außenposten Mesopotamien und Ostjordanland so lange ausreichende Kräfte bereitzustellen, bis die friedliche Waffe, das englisch? Pfun^ Sterling, auch bei dem Reformsuüan und den Seinen ' - Wirkung gezeigt hat.

Aufhebung der Ausnahmegesetze Berlin, 26. Okl. Der Reichspräsident hat durch Der- ordnung vom 25. Oktober die noch bestehenden Ausnahms- bestimmmigen aufgehoben.

Die Lügenhehe desJournal*

Berlin, 26. Okt. Durch WTB. werden die kürzlich vom PariserJournal" aufgeworfenen 7 Fragen bezw. die ihnen zugrunde gelegten angeblichen Gerüchte als lügnerische Erfindungen einer planmäßigen Hetzarbeit bezeichnet, hie seit einiger Zeit gegen Deutschland wieder ausgenommen worden ist. (Wir haben darüber unter der Kennzeichnung Das kommt davon!" berichtet. Die Schriftl.)

Grauenhafte Mißhandlung deutscher Gefangenen Berlin, 26. Okt. ImVerl. Lokalanzeiger" veröffentlicht Wilhelm Jversen Berichte über grauenhafte Mißhandlungen an deutschen politischen Gefangenen, die die Franzosen zum Teil bei der gegenwärtigen Räumung die übrigens kaum den zehnten Teil des Gebiets umfaßt, das sie nach dem Lon­doner Abkommen und nach dem feierlichen Versprechen Her- riots längst hätten räumen müssen mit fortgeschleppt haben. Der Reichsminister des Innern hat nun Ermittlun­gen angestellt.

Weitere kommunistische Verhaftungen Berlin, 26. Okt. Gestern und vorgestern wurden weitere Kommunisten verhaftet. Die Wohnungen der preußischen Landtagsabgeordneten werden überwacht, da die Haftbefehle erst nach erfolgter Auflösung des Landtags ausgeführt wer­den können.

Die kohlen Verhandlungen gescheitert Esten. 26. Okt. Di? v'.-rtäoigen Verhandlungen Mischen Vertretern der Reichsregierung und solchen Frankreichs, Belgiens und Italiens über gewisse Erleichterungen in der Ablieferung der Entfchädigungskohlen, namentlich bezüglich der Abbeförderung auf dem Rhein sind gescheitert. Die feindlichen Vertreter beharrten darauf, daß die Ablieferung auch künftig nach den von der Jngenieurkommission festge­setzten Vorschriften erfolge,

Verwertung der Ruhrspionage Dortmund, 26. Oktober. Die Abberufung des Generals Degontte und seines Generalstabschefs Henry ist in erster Linie deshalb erfolgt, weil ihre militärische Einstellung der jetzigen Räumung des Ruhrgebiets nicht entsprach. Sie sind auf ihren Vorschlag in die Section econbmique des französi­schen Kriegsministeriums übernommen worden. Eine ganze Reihe französischer Offiziere, die dieser Sektion in der Rhein­armee angehörten, wurden in die Jndustrieplätze Frankreichs, zum Teil in höhere Kommandostellen versetzt, um dort ihre Ruhrerfahrungen" in enger Zusammenarbeit mit der fran-

zöfffchen Industrie für die Landesverteidigung zu venvertzv.. Auch höhere Verwaltupgsbsamte der Besatzungmächte soll«» nach und nach ausgeschaltet werden, da sie durch die Souder- bündler-Bewegungen bloßgestellt sind. Darunter blindst sich! auch der belgische Delegierte in Duisburg, ebenso ein fran­zösischer Delegierter in Düren, dessen Abberufung erfolgt^ Es heißt, daß in allernächster Zeit wertere Versicherungen H der französischen Verwaltung des besehen Gedichts zu erwar­ten find. *

Was hier so schamhaft hinter dem AusdruckRuhrerfah- rungen" verborgen wird, ist in Wirklichkeit der Erfolg dsp Spionage, die nun im französischen Heer und in der fran­zösischen Industrie gegen Deutschland Anwendung finden soll« Die scheinbare Maßregelung der angeblichunliebsamen oder garbloßgestellten" Besatzungsbearmen hat noch eher den Charakter der Belohnung und Beförderung« weil das reiche Wißen über deutsche Verhältnisse diese amten für die französische Regierung besonders wertoafi macht.

Der saarländische Kchukskaudak

Saarbrücken. 26. Okt. Gegen den Bürgermeister De,' Hans Neides in Saarbrücken wunde ein Dienststrafver­fahren auf Dienstentlassung «ngeleitet, weil er gegen d«» Leiter der Schulabtellnng in der feindlichen Regierungs­kommission, Net ton, den BESurf erhoben hatte, daß er Las Deutschtum im Saargebi« «ffr schwerste schädige. Es ist eine alte berechtigte Klage, daß die Franzosen im Saar­gebiet unter der Duldung des Völkerbunds die Schulen wsj Schüler mit allen Mitteln französisch machen wollen,

Strafanträge gegenLonsul"

Leipzig, 26. Okt. Im Prozeß gegen dieOrganisation Consul" (Brigade Ehrhardt) vor dem Staatsgerichtshof be­antragte Reichsanwalt Riethammer gegen Hoffmann 214! Monate Gefängnis, umzuwandeln in 730 Geldstrafe, ge-

gleich 450 -K, Kautter 2 Monate gleich 600 Henrich, Sie­bet, Broeren, Henkel, Keebs je 1 Monat gleich 300 Bek diesen Angeklagten sei die Strafe als durch die Unter­suchungshaft verbüßt zu betrachten. Gegen Wegelin 3 Mo­nate Gefängnis wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Gege« die 22 übrigen Angeklagten wurde Freisprechung beantragt Der Oberreichsanwalt führte aus, Geheimes sei bei den An­geklagten nicht gefunden, sie haben auch selbst der Behörde nichts verheimlicht, dagegen sich alle bei der Abwehr der Polsnetnsalls dem Reich zar Verfügung gestellt. Die Satzun­gen der O.C. seien an sich .

D« «vigarstche AWvM

Bvdapest. 26. Okt. Oie ungarische SKOerMrg die For- der-rmg der deutschen R-ichsregrerung, de« Mutmaßlichen Mörder ErzHergers, Schultz, ausgMveitzm, aboetehnt. Wenn SchvH der Mörder sei, soM er ein politischer Verbre- che? «nd könne nicht ausgeiiafsrt werden, zumal mit Deutsch­land k«l» gegenseitiger Anlieferung-Vertrag bestehe und Deutschland seinerzeit auch die kommunistischen Mörder wie Bei« Kuhn u. a. an Ungarn auszusiefern sich geweigert habe. Das Parlament billigte den Standpunkt der Regierung.

Das führende Frankreich

Paris. 26. Okt. In einer Kundgebung in der Sorbonne (Pariser Universität) für den Völkerbund sagte Herriot in ei«sr Rede mit Beziehung aus das Genfer Protokoll: Wir ilveeden, wenn es irgend möglich ist, die Bereinigten Staaten r>v» Europa rurker Frankreichs Führung bilden,' wenn es nicht -möglich ist, werden wir wenigstens diejenigen Staaten ver­einen, die guten Willens sind. Frankreich wird immer den -Bemühungen zur Schaffung eines Friedens seine Unter­stützung lÄhen. Deutschland ist nur deshalb geschlagen wor­den, weil es die natürliche Kraft verneinte. Frankreich, das der Welt die Menschenrechte gegeben hat, wird ihr auch das Völkerrecht geben.

Me Abrüstung Nolleks

Paris, 26. OKI. In einer Unterredung mik dem Vertreter des «Matin', Sauerwein, sagte Kriegsminifier Rollet, er habe wohl eine Herabsetzung der militärischen Dienstzeit be­fürwortet, aber diese dürfe nicht überstürzt werden und zu­gleich müsse das Heer auf einen neuen Stand gebracht wer­den, der von politischen Ereignissen ganz unabhängig sei. Schon im Frieden müsse die ganze Nation in jedem Augen­blick kriegsbereit fein, vor allem müsse eine enge Verbin­dung Mischen den wissenschaftlichen und den militärischen Kreisen geschaffen und jede Erfindung sofort militärisch nutz­bar gemacht werden. Nichtkämpfer dürfe es nicht mehr geben.

Englische Stimmen zur Reichstagsauflösung

London, 26. Okt. Die maßgebenden und einflußreichen englischen Wochenschriften äußern sich zur Neichstagscuf- ltfung erst jetzt. Die .Nation' schreibt: Bei den politischen Verhältnissen in Deutschland wäre es gewagt, sin Ergebnis der Neuwahlen vorauszusagen. Das FrohlockeninPa- ris sei jedenfalls goreilio. .Spektator" sagt, es würde das best« sein, wenn der Reichstag in der bisherigen Zusammen­setzung wiederkehrte.

Me russischen Umtriebe in England

London, 26. Okk. Das Auswärtige Amt ist in den BeW eines Briefs des Sowjetftihrers Sinowjew-Apfelbaum an die kommunistische Partei kn England gelangt, in dem Anwei­sungen gegeben werden zur gewaltsamen Beseitigung der englischen Verfassung und zur Aufwiegelung von Heer und Flotte. Das Auswärtige Amt keilte der Sowjetregierung mik, die englische Negierung könne eine solche .Einmischung in innere Angelegenheiten Englands' nicht gestatten. Für die Wühlarbeit wird der amtliche Bolschewistenbrief den Li­beralen und Konservativen sehr willkommen sein.

v«tz>Stete Gnsicht Mac Donalds

Mac Donald schrieb an den amtlichen Vertreter Maskckm Men Bnes über we Aufreizung zur kvEmmtstischm Revo- lvtion in GnglaÄ» t«rch Smowstw. AuhenamÄch betreibe die Sowj-tregieruny «inen Freundschastsvertrag mit Eng­land rmü im geheimen werde von maßgebenden Personen der dritten Internationale das Verderben dies« Staats aus- gesonnen. Man wisse nicht, wer in Moskau das entscheidend« Wort hebe. Mit einer solchen Regierung könne kein Staat Verträge cröschließen.

Die Londoner WochenschriftNation" sagt, es sei gewiß, daß es in den nächsten zwei Jahren in England keine Neu­wahlen mehr geben werde, kein Erstminister werde eine Auf­lösung wagen. DerSpektator" schreibt, es sei nebensächlich, ob liberal oder korch-ntiv gewählt werde: es komme dar­aus an. die Arbeiterpartei, die sich als gänzlich unfähig zur Regierung erwiesen habe, mit 'mrctn verschrobenen fremden Marxismus für immer zu entfernen.