Kindestrelen find zarte Sait^i fi« geben jede» Ton wieder, der in der Stube gesungen wird. Darum mutz da» Lied, das du fingst, ein reines Lied sien.

Don Deinem Kind.

Von den Kindern mußt du noch vieler lernen., Datz du Geduld und Nachsicht, Opferfreudigkett und Mitleiden mit den Schwachen gelernt hast, das aller dankst du fast aus­schließlich deinem Kinde. Aber auf einer noch will ich be­sonders aufmerksam machen.

Kinder haben einen merkwürdig offenen Sinn für alle tieferen Fragen des Leben». Gr ist ganz eigentümlich. Für Gelderwerb und Reichtum geht Kindern oft recht spät der Sinn auf. Sr hängt natürlich sehr von ihrer Umgebung ab. Aber für ernste Dinge, für Gott, haben sie oft etn Fragen, das schon manche Eltern in Verlegenheit gebracht hat.

Dann bekommen sie oft irgendwelche Antworten. So wie man sie Kindern in der Eile und Verlegenheit gibt. Surflüchte, nicht Antworten.

Aber sie nehmen auch diese ernst und denken über die Ausflüchte nach und fragen wieder und weiter, und man merkt, der kleine Geist hat sich im Stillen viel tiefer damit beschäftigt als man denkt.

Diese Offenheit für dar Tiefste und die Verschlossenheit für daS Gemeine, den Sinn, der über die große Alltäglichkeit hinausstrebt, den könntest du noch vom Kinde lernen. Wenn nicht an deinem Kinde wo denn?

Gr hat schon mancher geglaubt, mit seiner Weltanschau­ung und seinen Ewigkeitranstchten fix und fertig zu sein und hatte sich behaglich in einem unbeschreiblich seichten und be­quemen Philistertum eingerichtet. Da kam sein Kind und stellte Frage aus Frage mit hungrigen Blicken und war nicht zufrieden mit den seichten Ausflüchten, und brachte zum ersten Male wieder etwar Tiefe und Nachdenken in ein ver­sumpftes Menschengemüt.

So lange Kinder auf Erden find, ist die Frag« nach Gott auf Erden lebendig. Die Religionen und Kirchen könnte man abschaffen, dadurch würde Gott kein Abbruch geschehen.

So sagte auch Jesu» vom Tempel in Jerusalem, der zu seiner Zeit etn gruseliges Heiligtum der Jahrhunderte war. Aber wenn man die Kinder abschaffen würde, da würde der Frage nach Gott wirklich Abbruch geschehen.

Man schafft sie nicht ab. Gotte» Natur hat dafür Sorge getragen. Aber dar lerne an deinem Kinde, wenn du'» schon »erlernt hast, wieder fragen und denken nach Gott hin. Frage selbst so gerade und herzlich wie dein Kind fragen kann. Nimm es nur immer voll und ernst.

So habt ihr in eurem Heim en Stückchen Reich GotteS, Gemeinschaft von Menschen, Liebe untereinander und Fragen nach ewiger Wahrheit.

Während sich draußen die Gelehrten die Köpfe zerbrechen über den Begriff des Reiche« Gottes und dicke Bücher drüber schreiben; während man in der Welt drüber streitet, ob's überhaupt ein Reich Gotte» gibt oder geben könnte, hast du'r daheim: Du hast'» in der Seele Deiner Kinder.

Das nervöse Kind.

Das nervöse Kind ist die Sorge der Eltern. Aber die nervösen Eltern sind die Ursache der nervösen Kindes. Aller­dings nicht immer. Krankheit und Leiden können den Boden oorbereiten, auf dem hochgradige Nervosität, rasche Nerven­überreizung des jugendlichen Körpers zur Ausbildung ge­langen, Schwächezustände nach Infektionskrankheiten na­mentlich nach Grippe dar Vorhandensein von Wucherun­gen im Nasenrachenraum, Rachitis, Skrofulöse und andere Ursachen verminderter körperlicher Widerstandsfähigkeit ziehen auch dar Nervensystem in Mitleidenschaft. Besserung tritt

Den Eltern!

ein nach Behebung des Leiden», Verschwinden der Schwäche, Entfernung der Wucherungen. Die meisten nervösen Kinder sind indes nicht krank. Sie sind falsch erzogen. Aerztliche und erzieherische Einwirkung berühren sich also hier aufr engste, wie so oft in der Kinderheilkunde oder bester in der KindergesundheitSfürsorge. Der Arzt, der ein nervöses Kind heilen soll, muß sehr oft Erzieher sein: Erzieher der Eltern.

Dar Kind kann nicht schlafen. ES ist abends zu er­regt. Gs muß Licht beim Einschlafen haben. Die Mutter muß seine Hand halten, dir er fest etngeschlafen ist. Er kann nur schlafen, wenn das Kindermädchen, wenn die Großmut­ter im Zimmer schläft. Er wacht und ruft sonst stundenlang. ES ist zu nervös. DaS Kind kann nicht essen. ES verträgt diese Speise nicht, jene nur mit Zucker, diese nur mit Salz, jene nur abend», diese nur mittags. E» kann nur ruhig beim Esten sitzen, wenn man ihm eine Geschichte erzählt, wenn er dabei spielt. Sonst gibt eS Aufregung, da» Kind wird blaß, es erbricht sich. Dar Kind erschrickt vor allem. E» hat Angst vor der Dunkelheit. Kann nicht allein im dunklen Zimmer bleiben. Dar Ljcht muß brennen, sonst be­kommt e» Angstzustände, Krampfanfälle. Ein Gewitter er­schreckt e» so, daß eS am ganzen Leib zittert.

DaS Kind kann nicht-er verträgt nicht-,

e» ist zu nervös-usw. in» Unendliche. In Wirklich­

keit könnte da» Kind sehr wohl. Es kann schlafen, kann essen; fürchtet sich nicht; ist nicht nervös. Dar Kind ist ein von unverbrauchten Energien sprühender Organismus. ES will Lustgefühle erringen. Seine Energien sucht eS da durch­zusetzen, wo eS die wenigsten Unlustpefühle findet. Seine Lustgefühle geraten aber teilweise in Widerspruch mit dem, war für die Umwelt erträglich, war zuweilen für seine eigene Gesundheit gut ist. E» muß lernen, diese Unlustgefühle in­nerlich zu überwinden! DaS muß schon der Säugling. Er soll nachtS ruhen. Soll während dieses Zeitraum» keine Nahrung bekommen. Warum? Der Mutter halber, sie muß schlafen und ruhen. Der KindeS halber. Magen und Darm sollen eine Pause haben. Die Unterbrechung der regelmäßi­gen Fütterung paßt dem Säugling nicht. Er empfindet Un­lustgefühle, schreit. Die Nerven der Mutter oder die schwä­cheren der Vaters versagen, aur Ungeduld, au» Besorgnis, auS falschem, falsch angebrachtem Mitleid. Da» Kind be­kommt Nahrung. Der Vorfall wiederholt sich einigemal. Jetzt ist da» Kind gewiß, durch Geschrei seinen Willen durch zusetzen. In der Beurteilung der Eltern und unvernünftiger Umgebung gilt e» jetzt als so nervös, daß eS eine Nahrungs­pause nicht vertragen kann, daß e» vor Nervosität schreit und strampelt. Da» muß man von vornherein abstellen. DaS Kind darf nacht» nicht» zu trinken bekommen. Die Nerven der Eltern müssen einige Nächte auShalten. Dann weiß da» Kind: es bekommt keine Nahrung, auch durch Schreien und Strampeln nicht. Da das Kind in der Regel klüger ist, als die Eltern, gibt er dann sofort nach. Schreit nicht mehr. Hat keinen Hunger mehr. Schläft die Nacht hindurch. Es ist nicht mehr nervö».

Natürlich find die Nervensysteme der Kinder einander nicht gleich. Er gibt nervenempfindliche Kinder. Sie müssen feiner behandelt werden. Beim nervenstarken Kind kann man sich eher einmal einen Fehler erlauben, ohne daß unerwünschte Folge eintritt, ohne daß es nervös wird. Die Erzählung von Schauergeschichten, wie sie von hirnberaubten Erzieherinnen'' beliebt wird, gleitet bet dem einen Kind spurlos ab. Bet sensiblen Kindern klingen die Einwirkungen auf da» Nervensystem da» ganze Leben hindurch fort! Zwei - fellos kann die Anlage zur Nervosität von Geburt an vor­handen sein. Nervöse Eltern können nervenempfindliche Kinder haben. Das Verhalten, die Erziehungsmethode der­artiger Eltern ist an und für sich schon vielfach am NervöS- werden der Kinder schuld. Aber durch die körperliche Ver­erbung kann schon eine nervöse Dtrposttion der Kinder ge-

f

! geben sein. GS wäre nun schlimm, ja trostlos, wollte man ! diese Disposition allein als ausschlaggebend betrachten, wollte i man daraus die Notwendigkeit des Eintreten» einer kindlichen Nervosität obleiten. Es wäre traurig, wenn jeder Mensch der mit einer Disposition zu Tuberkulose geboren wird, eine Tuberkulose bekommen müßte. Davon kann keine Rede sein Zur Disposition muß noch die auSlösende Ursache kommen ehe Krankheit eintritt. Um hier einzugreifen, muß ersten» die Disposition durch entsprechende Lebensweise gemindert werden, zweiten» müssen vermeidbare GelegenheitSursachen vermieden werden.

Hier kommt zur Geltung, was man als Abhärtung der Nervensystems bezeichnet. Richtige Methode nur wird dabet Erfolg erzielen. Die körperliche Abhärtung bei krank- heitSdt»panierten Kindern darf nur in richtiger Weise vor­genommen werden, mit viel Luft und ja nicht mir dem eine Zettlang viel angewandten kalten Wasser. Neue Schädigung ist sonst die Folge. Langsamer, methodisches Vorgehen ist notwendig. Brüske Ueberrajchungen sind verpönt. Nach solchen Gesichtspunkten angewandt wird auch die Abbärlum des Nervensystem» eine vorhandene Disposition zu Nervoss- tär verringern. Etn Teil etnwirkendec Schädlichkeiten (ner- vöSmachender GelegenheitSursachei) kann ferngehalten werden. Gin Kind darf nicht absichtlich erschreckt werden. Da« ist keineAbhärtung", sondern eine dumme Brüskierung, deren Folgen sehr schlimm sein können. Furcht tst nicht zu erregen. Drohungen mit Maßnahmen, die nicht ousgeführt weiden können, Überschlagen sich selbst. Das hastige, unruhige Leben der Umwelt ist vom Kind fernzuhalten. Die Ernährung soll sich von Etweißüberlastung, scharfen Gewürzen serr.halien. Genußmitiel wie Alkohol sind selbstverständlich zu vermeidend Schlaf und Ruhe müssen reichlich dargeboten sein. Serielle Reizung auch in frühestem Leben ist zu vermeiden. Körpu- liche Bewegung ist bei kleinen Schulkindern wichtiger nlt zu eifriges Tummeln der Geister und auch der größeren. Aridere Einwrrkungen auf dar Nervensystem, Schmerzen, seelische Erlebnisse, Enltäusckrrwgen usw. lassen sich ntchi fern- halten. Seelische und nervöse Abhärtung wird ein solcher Freisein von Widerständen gar nicht wünschen können. Nicht nur Fernhaltung aller Schädlichkeiten ist auch wünschenswert, sondern die richtige Anleitung zur seelischen Veiarbeüurig. Selbstbeherrschung der Eltern und Erzieher. Unterdrückung eigener nervöser Regungen, gleichmäßiges Emgeoei kommen Helsen auch dem aufgeregten Klnd am sichersten, Neroenrube zu bewahren und zu erlangen. Es ist wichtig, daS Selbst­vertrauen deS KindeS am richtigen Platz zu stärken. Nchli ist versehlter, alS bet jeder Gelegenheit oaS Selbstbewußtseii deS KirdeS herabzudrücken, künstlich ein MinderwertigketlS gefühl zu züchten. Kindlicher Wille ist nicht mit Gewalt zu brechen, sondern durch Ueberzeugung und logisch in geordnete Kanäle zu letten.

Der größte Fehler, der begangen werden kann, ist et, in Gegenwart de« Kindes von seinerNervosität" zu sprechen gleichgültig, ob das Kind nervös ist oder nicht. Der Nei­gung der Kinde», sich als beherrschender Mittelpunkt nicht nur seiner eigenen kleinen Wrlt, sondrirr auch der Umgebung zu fühlen, wird hier in verderblicher Weise Vorschub geleistet In Gegenwart eines Kindes wird man nur tu ganz bestimm­ter, heilpädagogischer Absicht von seiner Krankheit sprechen. DaS Bedauern und Mitgefühl, dar sich sofort auf dak alt nervös bezetchnete Kind richtet, wird am besten dazu bema- gen, eS nervös zu machen, auch wenn eS das gar nicht ist. DaS Kind mit seiner umfassenden Vitalität merkt augenM- ltch, wie vorteilhaft eS unter Umständen sein kann, sich in eine Krankheitzu flüchten". Von der Nervosität der Kin­der in ihrem Beisein nicht zu sprechen, wird ganz besondert dazu beitragen, die Erscheinung dernervösen" Kinder sel­tener werden zu lassen ...

Dr. W. Schweinsheime r.

Die MüUerliese ^

Erzählung aus dem Württemberg. Sch roa-rzroald Von Ulrich Lörcher

8m ersten Augenblick hörten Matlheis und Liese im Keller gar nichts. Dann vernahmen sie beide ein schwaches Röcheln aus der Tiefe desselben. «Vater, Baterl So bist du doch nicht tot!" Du lebst wirklich noch?" Mit diesem Ruf« eilt« di« Tochter die rhr gewohnt« Sleintreppe so rasch hinab, datz ihr d'-e Laterne dabei er­losch. Mattheis lief der im Finstern Umhertastenden nach und zün­dete di« Laterne wieder an- Cs dauerte noch eine Weile, bis di« beiden endlich den Müller fanden. An Händen und Füßen ge­bunden, einen Knebel aus Sackstoff "im Munde, lag der Unglückliche in der hintersten Ecke des weilen Krllerraumes. Gesicht, Hände und Kleider waren mit Blut befleckt und wiesen Spuren eines hef­tigen Kampfes auf. Eine besonders gefährliche Wund« schien der Müller an seinem rechten Oberarm daoongetragen zu haben. Der Arm lag in einer Blutlache und hing schlaff herab, als sie den in sett-er Bewußtlosigkeit Stöhnenden auf einer aus dem Mohlraum h, rbeizeholten Trage in leine Schlafkammer hinaustrugen. Mit e^em Eifer bemühte sich der junge Eichenbauer um den Nachbar. Lr verstand sich als früherer Sanitäter auf Wundbehandlung. K-ese ging dem 'Jugendfreunde zur Hand. Die nötigsten V«rban)>s- «rittel befanden sich im Haus«.Du gehst jetzt zur Oberamtsstadt, holst den Arzt und machst Anzeige von dem Einbruch," sagte Mat­cheis. als der Verwundet« ausgezogen, gewaschen und verbunden war.Ich werde so lange bei dem Kranken bleiben." Liese hätte gern eine Einwendung dagegen gemacht. Es wäre ihr weit lieber gewesen, wenn er den Gang zum Amt« gemacht und sie bei dem Dater gelassen hätte, um den sie sehr besorgt war. Aber in dieser Hinsicht kannte sie ihren Freund schon aus der Jugendzeit. Was er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, dagegen gab es keine Widerrede, unweigerlich harte sie seinen Anordnungen Nachkommen müssen. Der Eschenbauer wußte, warum er in jenen Augenblicken nicht vom Krankenlager des schweroerwundeten Müllers wich. Bald fuhr der Kranke aus seinem todesähnlichen Schlafe empor. Fürchterliche Schmerzen durchzuckten seinen ganzen Körper- Im Fieberwahn hielt er den Nachbar für einen der Einbrecher, sprang aus dem Bett«, packt« ihn mit seiner unverwundeten Linken an der Gurgel und wollte ihn erwürgen.Räuber, Diebe, Hilf«, Hilfel"' riel er dabei, so daß zwei städtische Ausflügler, die urtzen vor­beigingen, eilig heraufrannlen und Miene machten, den Eschen­bauern mit ihren Knotenstöcken zu bearbeiten. Nachdem sie aber den wahren Sachverhalt vernommen halten, halsen sie, den Müller wieder ins Bett bringen. Sie blieben einig« Stunden, Mattheis mit Rat und Tat unterstützend. Erst als der Krank« gegen Abend wieder ruhiqer wurde, verliehen sie di« Mühl«. Jetzt fühlte sich der Müller so schwach, daß er fürchtete, sein letztes Sündlein würde

herannahen. Wie angst und bange wurde es ihm da! Wie quäl­ten ihn sein« Sünden! Warum hatte er, der alles im Ueberflusse besaß und n-ur ein einziges Kind zu versorgen hatte, sich aus Ge­winnsucht zur Unredlichkeit verleiten lassen? Diese furchtbaren Qualen waren >«tz di« Vergeltung dafür. Ja, er wollte alles her­geben, was er auf unrechtmäßige Werse erworben, für die Kranken und Hilfsbedürftigen, für mildtätige Zwecke aller Art wollte er 26000 Mark zum Opfer bringen. Mattheis mußte ihm in die Hand versprechen, daß er diesem, seinem letzten Wunsch willfahren werde, im Fall« er die Nacht nicht überleben würde.

Es begann schon dunkel zu werden, und immer noch erschien der Arzt nicht. Endlich vernahm Mattheis das surrende Geräusch eines herannahenden Automobils. Der Arzt trat in bas Zimmer und mit ihm eine den Tatbestand des Einbruchs ausnehmende Ge­richtskommission. Doch der Müller lag im Fieberdelirium und war in dieser Nacht nicht mehr vernehmungsfähig. Nur die schwere Verletzung, die er erlitten, konnte festgestellt werden, dazu kamen die Aussagen von Liese und Mattheis, di« aber keinerlei sicheren Anhaltspunkt zur Feststellung der Einbrecher boten. Festgestellt wurde, daß die Diebe etwa 810 Zentner Mehl, dazu den neuen grauen Mantel des Müllers gestohlen hatten. Der Amtsrichter er­ließ einen sofort zu vollstreckenden Hafbesehl gegen Harrssörg Merk, den früheren Mahlknecht, Nach einer halben Stund« ver­liehen die Gerichtsherren die Mühle wieder. Der Arzt blieb di« ganze Nacht bei dem verwundeten Müller, sein Zustand war ernst, wenn auch nicht hoffnungslos. Sein rechter Arm war verloren. Er mußte ihm noch in derselben Nacht abgenommen werden. Mat­theis leistete dem Arzt dabei wichige Hilfsdienste. Er blieb di« ganze kommende Woche in der Mühl«, nur ab und zu ging er zum Eschenhofe hinunter, um di« nötigsten Anordnungen zürn Einbrin­gen des Oehmdes zu treffen. Dem zuverlässigen Oberknecht konnte er getrost alles überlassen. Hatte er doch das Gut in den letzten Kriegsjahren zu seiner vollen Zufriedenheit Verwalter.

Während all der Tage kamen die beiden jungen Leute einander nicht näher, so sehr Liese eine Aussprache mit ihrem früheren Ju­gendfreund herbeiwürrschte. Der Eschenbauer tat wortkarg und verschlossen dem Miller seine Handreichung und las, wenn er an seinem Krankenbette saß, viel in bolschewistischen und kommnisti- schen Zeitschriften. Wenn er so über se« Lesen gebeugt war, ver­klärte seine schönen, scharfgeschnittenen Züge ein eigentümliches Leuchten, das ihn Liese wie «inen Propheten erscheinen ließ. Wenn sie ihn aber fragte, was er denn da lese und welche Gedanken ihn so begeisterten, umspielte seinen Mund «in spöttisches Lächeln: Dafür bist du denn doch noch zu unreif »nd zu lehr im Mam­monismus verstrickt," könnt er dann sagen.

Als es dem Müller bester wurde, verlangte er ein Wort aus der Heiligen Schrift. War Mattheis da, so kam er dem Wunsche des Kranken nach. Cr wählt« aber dann stets solche Stellen, die vordem Schätzesammeln und Reichwerdenwollen warnten. Der Müller war

dafür dankbar.Du liest mir immer das vor, was für mich am besten paßt. Das wichtigste ist für uns alle, daß wir den Heiland recht lieb haben, uns von allem Irdischen los machen, damit wir einmal in sein Reich kommen."Das Reich Gottes ist schon ge­kommen," antwortete Mattheis mit großem Nachdruck-Der christ­lich« Gedanke des gemeinsamen Lebens ist in Rußland in Er­scheinung getreten. Wenn der Bolschewismus uns einmal das Heil gebracht haben wird, wenn die verfluchte Kapitalistenherr­schaft abgeschafft sein wird, dann brauchen wir kein« Bibel, keinen Gott, keinen Welterlöser mehr, dann wird schon diese Welt der Himmel sein." Liese schlug di« Hände über dem Kopf zusammen über dies« Rede. Ihr Vater suchte den Irregeleiteten zu wider­legen.Mein Reich ist nicht von dieser Welt, hat einst der Hel­land dem Pilatus geantwortet: diese Worte gelten heute noch sm jeden guten Christen. Di« Welt kann dem Menschen mit all ihrer Weisheit den wahren Frieden nicht bringen. Sie vergeht mrt ihrer Lust. Wer aber den Willen Gottes tut, der bleibet in Ewig­keit." Aber Mattheis ließ sich nicht belehren.Das sind cm« alte, abgenutzte Bibelweisheiten," antwortete er,sie haben der Welt nicht den Frieden, sondern nur Zwietracht und Kriegselend ge­bracht. Di« neue Lehre aber wird uns helfen, den» sie wird rms vom Kapitalismus, der Wurzel alles Uebels, befreien."Nicht me göttliche Lehre, sondern die Sünde und Verderbnis der Menschen hat di« Wett in das Elend gerissen, in der das Volk jetzt steckt, ve^ teidigte der bibelfest« Müller unseren alten Gottesglauben. Doch der Verblendet« blieb fest dabei, daß die russische neue Lehre de> Wett das Heil bringen werde, ja er ließ gelegentlich durchbucken daß er selbst den Plan gefaßt, sobald als möglich nach Rußland z» reisen, um von dort aus das neue Evangeliumüber die ganze Wett hin zu verbreiten". -

Wenn es zu solchen Auseinandersetzungen zwischen dem Ba«r und dem von ihr geliebten Jugendfreund kam, gab es Liese immer «inen Stich durchs Herz. Oft wußte sie sich nicht mehr zu fassen. Ne eilte in ihr« Kammer, um dort ihren tiefen Kummer cn«zw weinen. Tag und Nacht betet« sie zu Gott, daß er doch des Irregeleiteten erleucht-»- und ihn zum Glauben zuruckfuyre» möge.

Mit der Heilung des Bakers ging es bei seinem forMschntte"^ Mer nur sehr krngsam voran. Aber in den lang«» «timden o» Schmerzen und Einsamkeit lebte sich der Müller an der-Mo o« Heiligen Schrift immer tiefer in die göttlichen Heilswahrherten« Er merkte immer mehr, wie viel ihm trotz aller äußerlich zur getragenen Rechtschaffenheit gefehlt hatte. Den ersten der Waldorfer Pfarrherr bei ihm machte, benütz« er dazu, Geistlichen di« schon bereitgehaltenen 20 000 -A Summe möge er noch seinen Erwägungen allen denMigen den, di« durch den Krieg besonders schwer betroffen worden wa - Unter di« armen alten Leute in Waldost ließ der Müller H«Z keinem Wald« verteilen (Fortsetzung