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kn Juli 1.60 etuschl. Lrliaerlohn, Gin».-Nr. 10 «oldpfge-, Grundpreis f. Anzeigen:

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Der Gesellschafter

Amts- mtz Mzelgeblallfür den Oberamlsbezirk Nagold

mit äer Seilage

^Unsere Heimat"

Nagoläer Tagblatt

mit illustrierter Sonntagsbeilage

Feierstunäen"

Bchrisilotrun«, Druck und Verlag «an ». W. Zatler (Karl Zuller) Via,old.

-jerbrettetste Zetlungl« Ober»»» tSdeztrk. An- leige« find daher oo» beste« Erfolg.

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Lelegramm-Adreffe r Gesellschafter Nagold»

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Nk. 166 Gegründet 1826.

Tagesspiegel

Me Zwei weiteren Gesetzentwürfe betr. die Auslieferung der Reichselsenbahnen und die Industrie - Schuldverschrei­bungen sind von der Reichsregierung Nunmehr ebenfalls lertiggeslellt und werden der Entschädigungskommission übergeben. Der Entwurf der Notenbank äst bereits am Mon­tag übergeben worden.

Im Verein Berliner Industrieller wurde bekannt gegeben, daß annähernd ein Drittel der Berliner Industrie am 1. Aug. Mgetegl werde, wenn die mit der Reichsregierung eingeleite­ten Verhandlungen zur Behebung der Kredit- und Geldknapp­heit zu keinem Ergebnis führen würden.

Die Stadtverordneten in Kassel haben beschlossen, den Oberbürgermeister Scheidemann und die Stadtrate Rosenstock, Wittrock und Oberbaural Höhle (Soz.) zum 1. September in de« Rchestcmd zu versehen.

Der amerikanische Finanzmann Owen Jung hat die blellüng des Vorsitzenden im Zahlungsausschuh gemäß dem Sawesplan angenommen.

Die chinesische Regierung hat in die Errichtung einer Sowsetbotschafl in Peking eingewilligk und beabsichtigt» ihrerseits in Moskau einen Botschafter z« ernennen.

London

Die Hoffnung, dah die Londoner Konferenz uns den wahren Frieden bringen werde, wird immer dürftiger. So viel steht jedenfalls fest, daß die am 16. Juli eröffnete Kon­ferenz nicht mehr diejenige sein wird, die noch vor wenigen Tagen beabsichtigt war. Bleiben, was anzunehmen ist, die Verbündeten unter sich, so dürfen wir darin einen Beweis erblicken, daß die sachlichen Gegensätze unter den Herrschaften groß, daßdie Sieger" über die wichtigsten Fragen selbst nicht einig sind, obwohl sie nach außen hin immer diesen Ein­druck zu erwecken suchen. Schweigt man sich doch sogar in dem sonst so geschwätzigen Paris über den ablehnenden ame­rikanischen Standpunkt und darüber aus, wie die amerikani­schen Nachrichten bei der französischen Regierung newirkt haben.

Das Ganze nennt man natürlich »diplomatische Taktik". Und Taktik ist es auch, wenn Herriot in seiner letzten Rede im Senat mehr als ihm bekömmlich war, die Worte Ideal und Moral im Mund führte. Er hat, genau wie sein Vorgänger, alte Verdächtigungen gegen Deutschland wieder­holt und sich damit natürlich Geschäft ist Geschäft! seine Vertrauensabstimmung mit Hilfe seiner poincaristisch gesinn­ten Sch ldhalter geholt. Aber natürlich erst dann, nachdem er mit vor Moral triefender Stimme ausgerufen hatte:Hat n cht Deutschland immer die moralischen Elemente des Pro­blems verkannt und verkennt es sie nicht immer noch?" Von der Redensart bis zur Lüge ist bekanntlich nur ein Schritt; es fehlte also nicht viel, Herriot hätte im Stil Poincares die Gewaltpolitik an Rhein und Ruhr auch noch mft idealen und moralischen Beweggründen zu rechtfertigen gesucht. Wahr­haftig, Politik verdirbt doch manchmal Len Charakter.

Herriot verlangt als oberste Autorität über Deutschland die Entschädigungskommission. Mac Donald wünscht, daß ein Amerikaner der Kommission wieder beitritt und ver­langt weiter, daß im übrigen bei Streitigkeiten der Agent die ausscklagoebende Stimme haben soll. Mac Donald bat selbst den Grund hierfür angegeben: Wer wollte sein Geld für Anleihen hergebsn, wenn die Möglichkeit volitischer Eingriffe im alten Stil frei bestehen bleibt, das heißt, wenn jeder, nach französischem Muster, Rechter in eigener Sache sein soll? Daß aber -um mindesten Fronkreicb seineHandlunas­freiheit" auch nack dem Inkrafttreten des Dawes-Gut- achtens behalten und damit seine Willkürpolitik uns gegen­über fortsetzen will, bat Herriot in feiner Senatsrede mit dürren Worten ausgesprochen.

Es ist sonach kein Wunder, wenn Deutschland der Ver­such, die Entschädigungskommission wieder aufleben zu lassen, schärfsten Widerspruch findet. Es scheint gerade heute dop­pelt notwendig, darauf zu verweisen, daß die Kommission noch nicht einen einzigen Tag zu Recht bestanden hat, da sie, nachdem Amerika die Beteiligung an denArbeiten" der Kommission abgelehnt hatte, nie die Zusammensetzung hatte, die der Versailler Vertrag vorfckirieb. Kronzeuge hierfür ist sogar Lloyd George selbst, einer der Schöpfer des Diktats von Versailles, der die Ansicht verficht, durch die Nichtbeteili­gung Amerikas an der Durchführung des sogenannten Frie­dens und damit also auch an den Arbeiten der Entschädi­gungskommission seien die Grundlagen von Versailles zer­stört und die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission bis zur Ungültigkeit verschoben.

Der Geist des Sachverständigengutachtens und seine Durchführung steht und fällt mit her Sicherung eines un­parteiischen Schiedsrichters. Und wenn wir uns schon, nach den bisherigen Erfahrungen, leider auf den Standpunkt stellen müssen, daß es ein unparteiisches Schiedsgericht für uns überhaupt nicht gibt, so müssen wir doch mit Entschie­denheit betonen, daß em parteiisches, von Frankreich be­herrschtes Schiedsgericht, wie es die Entschädigungskommis-

Donnerstag den 17. Juli 1924 Fernsprecher Nr 29 98. Jahrgang

sion ist, nicht nur für uns, sondern auch für Europa un­erträglich sein würde. Das sieht auch dieZeit", das Organ Stresemanns, ein, wenn es einmal erklärt, die Ausführung des Gutachtens durch Deutschland habe französische Gegenleistungen zur Voraussetzung, nämlich die wirtschaftliche Räumung innerhalb bestimmter Fristen und die militärische in weiterer Folge, und dann fortfährt: Mit aller Bestimmtheit kann versichert werden, daß Deutsch­land nicht in der Lage ist, sich mit einem anderen Weg der Ausführung abzufinden als dem, der bisher als selbstver­ständlich galt..." Das klingt deutlich. Der Kanzler be­zeichnet es als eine Selbstverständlichkeit, daß Deutschland, um dessen wirtschaftliche und nationale Existenz seit Jahren das Spiel geht, heute endlich als gleichberechtigter Partner m den Verhandlungen zugelassen werden müßte. Aber was sich in London unter Ausschluß Deutschlands vollzieht, ist eine Komödie, aber keine Konferenz.

Es wird schließlich alles darauf ankommsn, ob es der amerikanischen Wirtschuftsdiplomatie ge­lingt, in London zu maßgebendem Einfluß zu gelangen und e n entscheidendes Wort da zu sprechen, wo es sich um dis Wiederherstellung von Deutschlands wirtschaftlicher und finanzpolitischer Einheft handelt. Kommt es aber zu einer Einladung Deutschlands nach London, dann sollte die deutsche Regierung es ablehnen, sich wie ein Ausgestoßener behandeln z» lassen. Nur als gleichberechtigte Partner dürfen die deut­le« Vertreter an den Verhandlungstisch treten oder gar nkhtl Und wenn man schon vonBedingungen" reden will, dann nur von denen, daß das Gutachten von allen Beteilig­te« feinem Inhalt und seinem Geist nach aufrichtig angenom­men und durchgeführt wird. Anders nicht! Wir haben in de« letzten Jahren in Deutschland wahrhaftig Unsägliches dulden müssen. Wir haben das Versailler Diktat unterschrie­ben. Wir haben das Londoner Ultimatum unterschrieben. Wir haben das Jndustrieabkommen unterschrieben. Wir dul­den heute noch zähneknirschend die Vergewaltigung deutscher Rechve an Rhein und Ruhr. Heute ist unser Land zerfleischt, »niere Wirtschaft vernichtet, vnsere Mittel erslbövst. Wir verlangen endlich einmal Gerechtigkeit vor der Welt! Das Deutsche Reich kann und muß verlangen, daß ihm die nötigen Sicherheiten und bindenden Erklärungen gegeben werden, hie das Dawes-Gutachten für seine eigene Durchführung auf- ftellt Geschieht das nicht, dann haben nicht wir, dann hat Gegner dieses Gutachten zerrissen.

Die Eröffnung der Londoner Konferenz

London, 16. Juli. Heute vormittag 11 Uhr versammelten sich die Vertreter der Verbündeten im Auswärtigen Amt. Mac Donald, dem der französische Ministerpräsident Herrtot zur Rechten saß, eröffnete die Sitzung mit einer Begrüßungsansprache, deren Wortlaut erst im Verlaus des Tags veröffentlicht wird. Dann wurde der Vor­sitzende gewählt und bestimmt, in welchem Umfang die Oef- sentlichkeit zugelassen werden solle. Als d'e Hauptaufgabe der Konferenz wurde die Durchführung des Dancksplans zur Sicherung der Zahlungen seitens Deusicl lands festgestellt. Die Hauptbestimmung des Plans sei, die Einheit Deutsch­lands in fiskalischer und wirtschaftlicher Hinsicht wteoeryer« zustellen und ihm eine Anleihe in Höhe, von 40 Millionen Pfund zu gewähren, wobei aber die Kapitalgeber aus­reichende Sicherungen von deutscher Seite erhalten müßten. Diese Voraussetzungen schließen aber die Notwendigkeit in sich, daß Deutschland die uneingeschränkte Hoheit über das Ruhrgebiet und andere Teile seines Staatsgebiets wie­der erhalte. Nur so sei es möglich, daß Deutschland in kürzester Zeit den Reichshaushalt wieder ins Gleichgewicht bringen und die Festigkeit seiner Währung wiederherstellen könne. Bereits sei eine neue Golddiskontbank mit dem aus­schließlichen Recht, für einen Zeitraum von nicht weniger als 50 Jahren Noten herauszugeben, eingerichtet worden. Für Deutschland sei kein vollständiger Zahlungsaufschub vorge­sehen, die deutschen Zahlungen sollen jedoch im ersten Jahr auf 50 Millionen Pfund beschränkt werden. In Sachver­ständigenkreisen ist man der Ansicht, daß die Verwirklichung des gesamten Sachverständigengutachtens nur mit Hilfe der auswärtigen Anleihe möglich sei. Alle künftigen deutschen Zahiungen hätten in der von der neuen Goldnoten­bank zu schaffenden deutschen Währung zu erfolgen. Deutsch­land müsse sich jedoch bereitwillig erklären, wenn das Sach« oerständigengutachten ihm und Europa aus den gegenwär­tigen unerträglichen wirtjchaftlichen Schwierigkeiten heraus­helfen solle.

Die Sitzung geht weiter. -.

Der PariserMatin" meldet, die französische Abordnung werde auch die militärische Ueberwachung Deutschlands auf der Konferenz zur Sprache bringen und neue Maßnahmen vorschlagen.

London, 16. Juli. DieDaily Mail" schreibt: Auf keinen Fall dürfen die Mttel des britischen Steuerzahlers (für die Ausländsanleihe) in Anspruch genommen werden, um einem betrügerischen Bankerotteur wie Deutschland zu Helsen. Her­riot werde eineunsichtbare" Besetzung des Ruhrgebiets an­nehmen, aber er wird das Gebiet nur im Verhältnis zur Unterbrinauna der deutschen Industrie- und Eisenbahn-

Schuldverschreibungen räumen. Herriot sei mit PoincarS der Ansicht, daß die im Vertrag von Versailles festgesetzte Räumungsfrist für das linke Rheinufer noch nicht zu laufe nbegonnen habe.

Vier Ausschüsse der Konferenz London. 16. Juli. Die Arbeiten der Londoner Konferenz sollen an vier Ausschüsse verteilt werden, 1. einen politi­schen Ausschuß, der die deutschenVerfehlungen" behandelt, 2. einen Eisenbahn-Ausschuß, der hauptsächlich die Rückgabe der Bahnen der besetzten Gebiete berät; 3. einen Ausschuß für die verschiedenen finanziellen Fragen und 4. einen Wirt­schaftsausschuß vor allem für die deutschen Industrie-Schuld­verschreibungen.

Die Bedingungen der EnkschMsungskommission

Daris, 16. Juli. Die Entschädigungskommission hat fol­gende Bedingungen aufgestellt, die erst erfüllt sein müssen, ehe die Kommission die Ausführung des Sachverständigen- Gutachtens durch Deutschland festzustellen bereit sei: 1. Aus­lieferung aller Industrie-Schuldverschreibungen, die im Dawesplan bezeichnet sind, an die dafür vorgesehene Gesell­schaft; 2. vollendete Gründung und Bewirtschaftung dei neuen Notenbank zur Ausgabe der Goldbanknoten: 3. Bil­dung der internationalen Aktiengesellschaft zur Ausbeutung der deutschen Eisenbahnen; 4. restlose Unterbringung dei auswärtigen Anleihe von 800 Millionen Goldmark. Gegen den letzteren Punkt erhob der Engländer Bradburx Einspruch, er fügte sich aber dem beredteren Franzosen Bar- thou. Was nun wohl die Londoner Konferenz zu dem Machtspruch sagen wird?

Deutsche Bemühungen um Zulassung Mailand, 16. Juli. DerCorriere della Sera" berichtet der deutsche Botschafter in Rom, Frhr. v. Neurath, sei in eine: einstündigen Unterredung bei Mussolini wegen der Zulassung Deutschlands zur Londoner Konferenz und der Entscheidung über den Zeitpunkt zur Wiederherstellung der deutschen Hoheit im besetzten Gebiet vorstellig geworden.

Amerika gegen ein Diktat?

Washington, 16. Juli. DemNewyork Herald" zufolge sollen die maßgebenden Kreise wünschen, daß Deutschland aus »er Londoner Konferenzgehört" werde. Ihm ein neues Diktat aufzuzwingen, würde ein schwerer Irrtum sein, weil eine erzwungene Unterschrift nicht den Wert eine: jreiroilligen Mitarbeit habe. Die amerikanischen Geldgeber wollen eine endgültige Sicherheit für den ungestörten Verlaus der Produktion im Ruhrgebiet haben.

Verhandlungen über die Verbandsfchulden Paris» 16. Juli. Die AgenturRadio" will wissen, Staatssekretär Hughes und Schatzsekretär Mellon werden mit >en Vertretern Frankreichs und Italiens über die Rückzah­lung ihrer Kriegsschulden an die Vereinigten Staaten ver­handeln. Nach einem Plan des Schatzamts sollen alle euro­päischen Schulden binnen 30 Jahren ungekürzt zurückbezahlt perden mit Ausnahme derjenigen Englands, für deren Til­gung im vorigen Jahr bekanntlich eine Frist von 60 Jahren -ersinbart wurde.

Traf Kanitz über die Notlage der Landwirtschaft

Berlin, 16. Juli. In einer Unterredung, die der Reichs­minister für Ernährung und Landwirtschaft, Graf Kanitz, einem Vertreter des WTB. gewährte, wies der Ministe» auf die beunruhigende Notlage der Landwirt­schaft hin. Aus allen Teilen des Reiches werde gemeldet daß sich der Bauern eine tiefe Hofsnungs- uni Mutlosigkeit bemächtigt habe, so daß sie vielfach rückschrecken, die Felder ernsthaft und in gewohntem Um­fang zu bestellen. Die Sorgen der Landwirte seien leide» nur berechtigt. Es handle sich für Deutschland jeßl darum, ob es sich noch von der eigenen Scholle ernähren wolle und könne, oder ob es in der Ernährung haupksäck- sich voyi Ausland abhängig werde. Es sei Pflicht der Regierung, der Landwirtschaft durch Kredit, Steuer­erleichterungen, Ausfuhrbewilligung und Schutzzölle ein, nachhaltige Erleichterung zu schaffen. Leider fehlen aber für eine unmittelbare Hilfe die Mittel; ein Sleueravbar würde den ganzen Staatshaushalt umwerfen und die Ge­fahr einer neuen Inflation heraufbeschwören. Die Frei­gabe einer beschränkten Getreidemenge zur Ausfuhr, werde allerdings der Landwirtschaft einige Geldmittel zu­führen, da sie vom Ausland den Weltmarktpreis erhalte, der erheblich über dem deutschen Inlandpreis stehe, aber die notwendige durchgreifende Erleichterung werde sie da­durch nicht erfahren.

So bleiben nur die Schutzzölle übrig, die erfahrungs­gemäß die Erzeungung steigern. Die Schutzzölle habenauf den Brotpreis nur eine kaum fühlbare Ein­wirkung, die überdies dadurch noch vermindert werde, daß die Regierung die Umsatzsteuer herabzusetzen beabsich­tige. Wie wenig ausschlaggebend der Getreidepreis für den Brotpreis ist, gehe daraus hervor, daß gegenwärtig