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98. Jahrgang

Mittwoch de» 16. Juli 1924

Ar. 165

Fernsprecher Nr. 29.

Gegründet 1826.

Konferenzen und kein Friede!

Eine Nebenkonferenz

Die AmeriLmer in London

Die große Konferenz, die heule Mnuvow 16 Juli, im Auk- wlirtigen Amt zu London ihren Anfang nimmt und zu de: Deutschland nicht als gleichberechtigter Verhandlungsteilneh mer eingeladen ist, steht im Schatten, fast kann man sager unter dem Druck der amerikanischen Aufsicht Während der Tagung von, wie man hört, 150 Regierungs­vertretern des Verbands werden nebenher fast alle maß­gebenden Staatsmänner Amerikas teils privatim, teils halb- vder ganz amtlich in der englischen Hauptstadt versammele sein.

Schon jetzt hat sich eine Anzahl führender amerikanischer Finanzmänner, die an die Spitze eines Syndikats für di« Unterbringung einer deutschen Anleihe treten sollen, in Lon­don zusammengefunden, umbei Bedarf" von der Konferenz als Sachverständige über die praktische Durchführung des Dawesberichts gehört werden zu können. Die Namen der Mitglieder dieser Nebenkonferenz sind in verschiedenen Draht­nachrichten aufgezählt worden. Da ist vor allem Lamond oom Bankhaus Morgan, das wahrscheinlich die Anleihe für Deutschland auslegen wird, dann Mr. W. Joung, der durch d e General Electric Company kontrollierende Interessen in der deutschen AEG. besitzt, ferner Wight, der Vorsitzende des Lsrwaltungsrats von Armour-Chicago, endlich als Abge- iandte der Washingtoner Regierung: Schatzsekretär Mellon and Staatssekretär Hughes, dieser als außenpolitischer Sachverständiger und führender Kopf der amerikanischen Kontrollmission.

Hughes wollte angeblich nur als Teilnehmer eines ganz unpolitischen Juristenkongresses nach Europa kommen. Aber die Sorge um die Verwirklichung des Dawesberichts lenkte jeine Reise in weitere Bahnen. Das treibende Element war General Dawes selbst. Er will, wie er sich ausgedrückt haben joll, die Durchführung seines Gutachtens erleben! Er will es vor allem unter amerikanischer Einwirkung gesichert sehen, bevor im September und Oktober der Höhepunkt des Wahl- Kampfs in den Vereinigten Staaten erreicht ist. So kam es zu den entscheidenden Konferenzen beim Präsidenten Coo- idge und zur Entsendung aller abkömmlichen Staatsmänner nach Europa. Hughes hielt noch in Neuyork großenKriegs- mt" mit den führenden Persönlichkeiten der Bankwelt ab, rabei auch der Berliner Botschafter Houghton, der bekannt­lich feinen Urlaub abbricht, zugezogen wurde. Houghton rird zunächst in London mit größtem Nachdruck darlegen, !> die Vereinigten Staaten an der raschen Annahme und Durchführung des Dawesplans im stärksten Maß Anteil neh­men und jede Verzögerung als äußerst nachteilig für eine befriedigende Weiterentwicklung auf dem Weg zur Lösung Ser Entschädigungsfrage erachten würden. In gleicher Rich­tung gehen die Anweisungen Kollogs, des Londoner Bot­schafters der Vereinigten Staaten. Ebenso wird Mr. Owen Noung, der Mitarbeiter des General Dawes, entschieden Stellung gegen jeden Aufschub und alle Quertreibereien nehmen.

An dem Entschluß der amerikanischen Regierung ändert sich nichts infolge der sogenannten Pariser Einigung Mac Donalds mit Herriot. Im Gegenteil befürchtet man in maß­gebenden amerikanischen Kreisen, daß hinter den Kulissen der Londoner Konferenz jetzt noch heftigere Kämpfe ausge- jochten werden müssen, um die Wünsche Amerikas durchzu­drücken. Denn zu allen Schwierigkeiten ist jetzt die Frage ge­treten, wie die Vereinigten Staaten bei der Durchführung des Dawes-Systems Mitwirken sollen. Soll Oberst Logan, der gegenwärtige amerikanischeBeobachter" bei der Ent­schädigungskommission, weiter nur persönlich seine Stimme abqeben, ohne seine Regierung dadurch irgendwie zu ver­pflichten? Die Verbündeten werden sich damit wohl kaum mfrieden geben. Soll Präsident Coolidge dem amerikani­schen Vertreter im Dawesausschuß, Owen Poung (der als Generalagent der deutschen Zahlungsüberweisungen in Aus­sicht genommen ist), ermächtigen, bei einem deutschen Lei­stungsverzug als Schiedsrichter aufzutreten? Soll also Ame- stka aus die Vorschläge des zwischen Mac Donald und Her­not in Paris vereinbarten Handel eingehen? Es ist räch! ausgeschlossen, daß die Londoner Tagung, wenn ihr Der- »andlungsschifflein stecken bleibt, sich aus der amerikanischen »ebenkonferenz den Lotsen holen muß, der die europäische Entschädigung endgültig flott macht.

Georg Hochpetter.

Die Londoner Konferenz

^Osidon, 15. Juli. Die Teilnehmer an der Konferenz sind schon in London eingetroffen. Vertreten sind !ai folgende Staaten: Frankreich (Herriot und

/-^Vereinigten Staaten (Mellon, Logan und Jung), ^ (Theunis und Hymans), Italien (De Stefan!, della Japan (Hajashi und Gras Jshii), Portugal <der landte in London), Südslawien (Davidowitsch), Rumänien rulescu) und Griechenland lder Gesandte Caalamanos).

Im sogenannten Warteraum des Auswärtigen Amts ist ein großer hufeisenförmiger Tisch aufgestellt.

Die drei Hauptpunkte der Beratung werden noch dem Daily Telegraph" sein: Die neue Goldnotenbank, die Um­wandlung der deutschen Eisenbahnen und die Bestimmungen aber die Industrie-Schuldverschreibungen.

In England werden nach derTimes" bis nach Beendi­gung der Konferenz alle inneren Streitfragen ruhen.

Der halbamtliche Jung in London

London, 15. Juli. Das Mitglied des früheren Sachver- standigen-Ausschufses, Owen Jung aus Neuyork, ist in London eingetroffen. Er erklärte, er habe in London seine Firma (Morgan) zu vertreten, er sei aber bereit, der Konfe­renz jede Unterstützung zu gewähren, die man von ihm wünsche.

Vor seiner Abreise zun Londoner Konferenz hatte Jung Unterredungen mit Coolidge, Staatssekretär Hughes, Finanz- iekretär Mellon und Dawes. Cr wohnt der Konferenz in halbamtlicher Eigenschaft auf Einladung Mac Donalds, Her- riots und Theunis bei.

Staatssekretär Hughes, der ebenfalls nach London zur Teilnahme an einer Juristentagung abgereist ist, wird am !8. Juli von London nach Paris kommen und von einer Abordnung von Advokaten empfangen werden. (Poincare >ft bekanntlich auch Advokat.) Nach seiner ausdrücklichen Er­klärung wird Hughes nicht nach Berlin gehen. Mitte August will er noch Amerika zurückkehren. An der Londo­ner Konferenz wird Hughes sich nicht unmittelbar beteiligen, aber während derselben in enger Fühlung mit dem amerika­nischen Botschafter in London bleiben.

»

Sie M MiMU-Anleihe.

Weite Kreise des deutschen Volks sehen sehnsüchtig der 800 Millionen Goldmark-Anleihe entgegen, die uns bei An­nahme des Dawesplans als Ausländsanleihe zusließen sollen, weil mit diesen 800 Millionen der Kreditnot unserer Wirt­schaft ein Ende gemacht werden könne und solle. Was ist. es in Wirklichkeit mit diesen 800 Millionen?

Das Dawes-Gutachten legt ihnen bereits einen doppelten Zweck bei: Es sagt auf Seite 42:Die Hinterlegung dieses Betrags m der Notenbank wird einen Beitrag zu deren Goldreserven üarstellen und die Grundlage für ihre llmlaufsmittel erweitern." In zweiter Linie aber werde dies« Anleihe berufen sein, die unmittelbaren und dringlichen Ver­pflichtungen Deutschlands gegenüber den Verbündeten im Haushaltsjahr 24/25 zu erfüllen, die keine Geldübertragunc nach dem Ausland bedingten.

Damit ist der Zweck dieser Anleihe klar umgrenzt: Sic soll die Rückkehr Deutschlands zur Goldwährung ermöglichen zugleich aber die Zahlung der Besetzungskoste« und Sach­lieferungen im laufenden Jahr.

Offenbar in Anknüpfung an die Wendung, diese Anleihe solle die Grundlage für die Umlaufsmittel der neuen Gold- Notenbank erweitern, behauptet nun die deutsche Regierung, sie könne noch eine dritte Funktion erfüllen: der deutschen Wirtschaft die Kredite zuzufübren, die sie zur Aufrechterhal­tung ihrer Betrieb« braucht. In besonders prägnanter Weis«

hat bekanntlich der Außenminister Dr. Strefemantt diese Auffassung vertreten, indem er in seiner Reichstagsrede vom Z. Juni sagte: Auf der Grundlage dieser Goldreserve von 800 Millionen Mark werde die neue Notenbank, nach Maß­gabe der Dritteldeckung, für 2,4 Milliarden Mark Banknoten ausgeben, und auf diese Weise werde der ausgetrocknetey deutschen Wirtschaft der nötige Kredit Mgeführt werden.^

Auf diese Weise würden also die 800 Millionen dreimal, wie man zu sagen pflegt, in die Erscheinung treten: einmal liegen sie in vollem Umfange in der Bank; zugleich bezahlt die deutsche Regierung mit ihnen Besetzungskosten und Sach­lieferungen; und zur selben Zeit ergießen sie sich noch in einem Milliardenstrom von Krediten über die deutsche Wirt­schaft. Diese 800 Millionen müssen wirklich ein« ganz be­sonders Zauberkraft besitzen, wenn sie das alles leisten wol­len! Vor einer nüchternen sachlichen Betrachtung verfliegt leider der ganzeZauber".

Cs ist theoretiscb möglich, daß diese Anleihe wenigstens unter gewissen Bedingungen den doppelten Zweck erfüllt, den das Gutachten ihr zmveist. Wie sich die Gutachter die Sache vorstellen, ist wohl klar: Das Reich, dem ja diese 800 Millionen als äußere Anleihe gegeben werden sollen, in Devisen oder auch teilweise in Metall, übergibt sie der neuen Goldnotenbank und erhält von dieser den Gegenwert von 800 Millionen Mark Banknoten, mit denen es dann Besetzungskosten und Sachlieferungen bezahlt. Die Sachverständigen haben immerhin schon eine gewisse Einsicht in die Schwierigkeit des doppelten Zwecks dieser 800 Millionen gezeigt, indem sie ausdrücklich betonen, daß sie neben ihrem eigentlichen Zweck, der Notendeckung, nur zu Ausaaben dienen können, die in Deutschland selber

gemacht werden: andernfalls wäre ja auch von vornyerein klar, daß jeder in das Ausland abfließende Pfennig den Be­trag dieser Ausländsanleihe sofort entsprechend verkürzen müßte. Aber auch diese Annahme der Sachverständigen trifft tatsächlich nur scheinbar zu: denn wenn auch die zur Zahlung von Besetzungskosten und Sachlieferungen benutzten Noten Wesentlich im Inland bleiben, so fließen doch schon die von den überreichlich bezahlten Besetzungstruppen nicht zu un­mittelbarem Unterhalt verbrauchten Gelder, gleichviel, ob in Form von Waren oder sonstwie, vor allem aber die s ä m t- lichen Sachlieferungen ohne jeden Gegenwert in das Ausland ab; müssen also entsprechend unsere Zah­lungsbilanz und damit rückwirkend auch unsere Währung ungünstig beeinflussen. Jedenfalls aber ist mit Erfüllung dieses zweiten Zwecks auch die äußerste Grenze dessen er­reicht, was diese Anleihe von 800 Millionen für die deutsche Wirtschaft und die deutschen Finanzen leisten kann. Die An­leihe ist eben in keiner Weise eine Kredit- Anleihe, son­dern eine Währungs-Anleihe.

Ist nun aber die Anleihe außerdem noch befähigt, d's Umlaufsmittel der Notenbank innerhalb des Reichs zu er­weitern? Geld kann nicht in beliebigem Umfang gemacht werden; die Masse der Umlaufmittel, die eine Volkswirtschaft normalerweise verträgt, steht vielmehr in unlöslichem inne­rem Zusammenhang mit den Kräften und dem Kreislauf der Wirtschaft selber. Wird diese Grenze überschritten, so beginnt die Inflation. Eine wesentliche Vermehrung der deut­schen Umlaufsmittel wäre also nur möglich im Zusammen­hang mit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Stärkung. Daß aber eine Anleihe, die wenigstens mittelbar in vollem Um­fang zur Bezahlung des Auslands dienen soll, nicht gleichzeitig die deutsche Wirtschaft selber irgendwie erheblich stärken kann, liegt auf der Hand. Eine Verstärkunq der deut­schen M'-Umaft gegenüber dem augenblicklichen Stand wird auch hier um so weniger erzielt, als es sich bei den Sachliese- rungen überhaupt nicht um eine Stärkung des normalen Um­laufs unserer Volkswirtstbaft bandelt, vielmehr sehr gut eins schädliche Störung damit verbunden sein kann: Weder er­halten wir für diese Ausfuhr überhaupt Gegenwerte, noch können wir mit den hier in Frage kommenden Banknoten Rohstoffe aus dem Ausland kaufen, noch auch selber dev günstigen Markt suchen.

Als Grundlage sür eine Vermehrung der Umlaufsmittel hätte auch die Hypothek der Rentenbank noch ausoe- reicht, wenn eben unsere Wirtschaft nach ihrem oeaenwär- tiaen Stand eine größere Masse von Z-chlunasmitteln ver­trüge. Die neue Goldnotenbank kann also wesentlich immer nur so viel Noten ausgeben, wie Rentenmark aus dem Ver­kehr gezogen werden; wollte sie anders verfahren, so ent­stände unrettbar neue Inflation.

Wenn wir nach Inkraftsetzung des Dawesplans eine Kre­diterleichterung für die deutsche Wirtschaft bekommen, so nur deshalb, weil dann die gegenwärtige künstliche, in diesem Umfang jedenfalls unnötige Drosselung der Kredite durch, die Reichsbank aufhöre« wird.

Me Gvldnotendarch

Berlia. 15. Juki. Nach den Verhandlungen zwischen !>em Reichsbankpräsidente« Dr. Schacht und dem eugichcheu Bankier Kindersley wird di« auf Grund -es Sachv«M»- digengutachtens zu errichtende Gold Notenbank ihren Gill in Berlin haben. Sie wird der Reichsbcuch nachgebstdel and die Leitung wird eine deutsche Behörde sein. Diese dvrj jedoch keinerlei Entscheidungen treffen ohne -te Genehmi­gung des obersten Auffichtsraks. der aus 14 Mitgliedern s7 Deutschen und je einem der 7 Gläubigerstaaten) bestehst Der Vorsitzende wird ein Deutscher (Dr. Schacht) sein. Gül­tige Beschlüsse sind mit mindestens 10 Stimmen z« fassen, Die Goldnotenbank ist ganz unabhängig von der Reichsregierung. lieber 100 Millionen Goldmar« dürfen der Regierung an Krediten nicht gegeben Eisenbahn «nd Post sollen als soll-ständige Einrichtungen Kredite bis z« 200 Millionen erhalten dürfen. Die aus- gegebenen Roten werden noch dem .B. T.' den Namen Neichsmarknoken kragen, die bis zu 10 Mark «b- wärtS gestückelt find. Daneben werden Gold-, Silber- und Kupfermünze« geprägt. Die Hauptgrundlage wird di« Ausländsanleihe von 800 Millionen Goldmark sein. De Gssamknotenmnlcnif wird sich auf etwas über 5 Mristaih den Goldmark beziffern. (2,5 Milliarden Gvldmarkmckeill 1.5 Milliarden Aenkenmarkscheine und 1,2 Milliarde« Gold- und Silbermünzen.) Die Renkenbank wird olli Währungsinstitut Wegfällen, wenn sie auch noch 10 Jahre die Aufgabe des Geldumlaufs, allerdings In fvrst schreitend geringerem Ma, zu erfüllen hohen wird, da RentenmaMscheine schrittweise eingezvgen werden. Ml Notendeckung ist das Drittelverhallnis von Gold «nd De­visen beibehalten, wie vor dem Kriea. Auf eine Million Gold- und Devisenbestand der Bank könneu alsoL Million