Musik
Hymne an die Musik.
O Kunst, du heiliger Tempel der Welt!
An deinen Stufen knien die Meister und falten die Händel
Der Lorbers grünende Zweige schlingen um deine Säulen sich und ranken die Blätter um jegliches Haupt
Musik ertönt, Musik!
Der heilige Klang der Orgel braust und die Posaunen er» schallen!
Bald klagt es leise, bald leise wie Flötenhauch den Sternen zu!
Bald stürmen und rauschen aufbrausend die Klänge mit Donnergewalt.
Und das Menschenherz lauscht den heiligen Tönen und aus den Augen rieselt der Lränenquelll
Dann richtet es hoffend sich wieder emppr ,u himmlischen Fernen hinan!
Dar hat Musik getan, Musik die göttliche Kunst.
Musik.
Ein Bild steht stets vor meinen Augen. Ts ist im Konzert- saal, man steht den Künstler nicht, der singt oder spielt, nur ein paar Zuschauer sind festgehalten vom Maler. Ein alter Mann mit weißem Haar, aufmerksam lauschend, mit gebeugtem Haupt, verklärte Züge im Antlitz, sich neuen Lebensmut fassend an der Töne Allgewalt. Ein junger Mann mit schwarzem Lockenhaar, mit durchschafften und ernsten Zügen, auf dem Antlitz eine heilige Begeisterung, ein Wollen, ein Streben, es dem Künstler gletchzutun. Neben ihm sitzt ein blondes Mädchen mit »arten, feinen Zügen. Sie hat die Augen geschloffen, die Töne stehen auf ihrer klaren, reinen Stirne, der Mund ist wie verzückt ein wenig geöffnet, sie betet an die wundervolle Harmonie der Töne, sie ist in einer anderen Welt, weg von allem Irdischen und Schweren. Diese 3 Gestalten sind auf dem Bilde festgehalten, es ist Ruhe, Frieden über der ganzen Szene, erwartungsvolle Sülle, so, als ob etwas ganz Heiliges kommen würde, man hört selbst die Töne, ein Lauschen, ein Horchen und doch etwas Zufriedenes, etwas Fertiges. Gin heiliger Frieden liegt darin l So kann man vielleicht Musik malen, doch immer nur wird es ein schwaches Ausdrucksmittel sein, Musik kann man nicht dichten und malen. Musik muß man erleben. Welches Sehnen nach Musik geht durch unser Volk. Und wer nur abends durch unser Städtchen geht, der wird es erfahren und von den Höhen herab klingen die Töne von jungen, frischen Kehlen gesungen, aus jeder Ecke heraus klingt und singt es. Wie viele erbaut sie und tröstet sie, wie viele hebt st« hinaus aus des Alltags Niedrigkeit und öffnet die Herzen für das Schöne und Gute, für das Edle und Rein«, wie löst sich die Freude au» in einem frohen sonnigen Lied, wie greift die Trauer ans Herz hinan beim ernsten, düsteren Trauer- stück und doch wieder gibt es einen Lichtblick, einen Stlber- stretfen am dunklen, schwarzen Horizont.
Am hohen Festtag, da wandern die Gläubigen ins Gotteshaus; es ist der Todestag des Erlösers. Ernst klingen die Glocken, mit ihren ehernen Zungen rufen sie den Menschen zu: Kommt! Und wie sie verstummen, da setzt die Orgel ein, ernst, gemessen, ruhig. Nicht lebendige, frische, eilende Musik, nein, klagend, traurig. Und alle sind in ihrem Bann! Doch, am Osterfest, da jauchzt und jubelt sie, da ist di« hehre, innere Freude, das Singen und Klingen, das Danken, daß der Herr entwichen ist der dunkeln Macht des Todes! Und wieder ist ein Sonntag, ein Sonnentag im Frühling oder Sommer, die Bäume stehen voller Laub, die linden Lüfte, sie säuseln und weben den ganzen Tag, wie geht das Herz über in ein Danken und Lobpreisen, wie möchte es da htn- ausjubeln ob all der Herrlichkeit und Pracht, ob all der Lust und Fröhlichkeit und wie faßt da die Musik so alles herrlich zusammen und gibt dem ganzen Stürmen und Drängen in irgend einem Liede so wunderbaren Ausdruck sei es in: Geh aus mein Herz und suche Freud, in: So sei gegrüßt, viel tausendmal, in: Die linden Lüfte sind erwacht oder in sonst einem Lied. Wie kann die Musik die Betrübten trösten wie
Zm» BezirkskirchesgksWösch i, MM
am 15. Juni 1924
(Nach Albert Schweitzer: I. S. Bach).
Wie manche Lharalmelodien entstanden find.
In dem für die deutsche Kirchenmusik so entscheidenden Jahre 1524 waren Conrad Rupff und Johann Walther, zwei hervorragende Musiker, drei Wochen lang Luthers Gäste. Folgendermaßen werden die drei bet der Arbeit geschildert: Während Walther und Rupff am Tische saßen, über das Notenblatt gebeugt, mit der Feder in der Hand, ging Vater Luther im Zimmer auf und nieder und probierte mit der Querpfeife die Melodiengänge, welche ihm zu den von ihm gefundenen Textesworten aus der Erinnerung und aus der Phantasie zuströmten, so lange, bis die Versmelodie als ein rhythmisch abgeschlossenes, wohladgerundetes und kraftvoll gedrungene« Ganzes seststand.
Lather über die Mast».
Der Musiker Luther konnte nicht zugeben, daß man Thor und Kunstgesang aus der Kirche wies, wie sich manche Stim- men um ihn herum vernehmen ließen. »Auch daß ich nicht der Meinung bin", schreibt er, »daß durchs Evangelium sollten alle Künste zu Boden geschlagen werden und vergehen, wie etliche abergeistltche fürgeben, sondern ich wollt' alle Künste, sonderlich die Musika, gerne sehen im Dienste des, der sie geben und erschaffen hat. Bitte derhalben ein jeglicher frommer Christ, wollt solches ihm lassen gefallen, und
äie göttliche Kunst.
kann sie beruhigen, wie kann sie über das Trennun,»weh htnweghelfen, wie kann sie Menschen, die durch Beruf oder Stand weit voneinander sind, zusammenführen und zusam- menschwetßen, wie kann sie Freundschaften fürs Leben schließen, wie mächtig ist sie, wenn sie den in ihren Bann zwingt, der anderswo eine sichere Zukunft hätte, der aber alles Bequeme und Behagliche aufgibt, um der Kunst der edlen Musika zu dienen, wie kann sie Frohsinn und Heiterkeit heroorzaubern und wie kann sie veredelnd wirken auf Herz und Gemüt der Menschen. Ja, du bist eine Göttin, Musik, du erhabene und deine Kunst ist Dienst am Edlen und Guten, am Hohen und Reinen, am Ewigen, am Göttlichen. ?.
Der bucklige Geiger.
Nach einer rheinischen Sage.
In Honnef war ein buckliger Geiger mit solcher Kunst begabt, daß, wer ihn einmal hörte, nicht gern mehr nach einer andern Musik tanzen mochte, so sehnsüchtig quoll sein Ton. Sie riefen ihn weithin zu spielen, und wenn es ihm nur ums Geld gewesen wäre, so hätte er ein schönes Leben haben können, doch war er inwendig voll Gram und Sehnsucht, denn weil er selber noch ein Jüngling war, geschah es einmal, daß er mit seiner Geige dazwischensprang und mit- tanzte, obwohl sein Ton nun erst recht wie eine Amsel zur Freude lockte, stob alles im Gelächter um seinen Buckel auseinander.
So kam eS, daß er wochenlang in seiner Kammer saß und nirgendhin spielen ging, so daß die Mutter eine kranke Frau, viel Not mit ihm und den jungen Leuten hatte, die seiner zum Tanz benötigten. Da ging er einmal tief hinein ins Land, weit über das Gebirge und spielte in einem fremden Dorf, und als sie alle lustig waren und die Augen der Tänzerinnen vom Klang seiner Geige brannten, da wagte er eS noch einmal und hüpfte mitten unter sie. Die Mädchen aber kreischten auf und die Burschen klopften ihm den Buckel wie eine Trommel: darum holte er sein Messer vor, schnitt die Saiten mitten durch mit einem Schnitt und lief hinaus bis in die sieben Berge, sich aufzuhängen.
Doch als er in der stillen Waldlust an die blasse Mutier dachte, und daß sie keinen Sorger hätte, besann er sich und schlich um Mitternacht nach HauS, die Nachtigallenschlucht hinunter. Da trat ihm aus dem Waldrand ein feines Mädchen in den Weg; daS war zu weiß und zu windig für die Nacht gekleidet und hatte eine Stimme, die dünn wie Hetm- chenzilpen klang. Ste bat ihn innig, er möge hier am alten Eichbaum zum Tanz ausspielen, damit ste auf dem Wiesenplan dahinter tanzen könnte; und als der Geiger ihr mürrisch seine Fiedel zeigte, daraus kein Steg und keine Saite mehr wahr, nahm ste Mondstrahlen her und stellte ihren Stlber- kamm darunter. Er hatte sich schon selber um seiner Bosheit willen gescholten, griff freudig in die Saiten, und als ste hell und silbern klangen, nahm er den Bogen in die Hand und spielte, was der Mond ihm sagte.
Es war kein Walzer und kein Rheinländer, und was die Elfenkönigin mit ihren Gespielen danach tanzt«, sah aus, wie wenn ein Rauch vom Wind im Kreis getrieben würde. So spielte er bis in den Morgen und dachte nicht daran, selbst mitzutanzen, so wohl tat seinen Augen daS Gewoze der silbernen Gewänder. Und als die erste Frühe kam, da wurden ihre Leiber blaß; doch sah er ste noch alle, wie sie in stiller Ruhe kamen, ihm für sein Spiel zu danken. Und während er bedachte, daß dies viel schöner als mit Gold zu lohnen sei, tat ihm die Königin einen Schlag auf seinen Buckel, daß er den Stab zerbrechen hörte. Sogleich verschwanden alle in der Helligkeit, und nur ihr klingendes Gelächter blieb lange in der Lust. Da glaubte er sich hier wie sonst verhöhnt und stieg mit bitterem Herzen in sein Tal zurück.
Zu Hause stand seine Mutter vor der Tür am Wasser und wusch sich den Schlaf aus ihren Augen, ste tat vor Freude einen Schrei; und als er seine Geige fast in den Strom geworfen hätte, so weh tat ihm daS: da riß ste ihn am Arm zum Wasser hin, und in der grünen Morgenflut sah er sein Spiegelbild wie einen schlanken LebenSbaum.
Der Spielmann.
Nach einer rheinischen Sage.
Zu Mainz war einst ein Eptelmann so alt und wunderlich, daß keiner mehr nach seiner Geige tanzen mochte. So ging er mit den Bettlern auf die Gassen uud spielte den Leuten da seine Lieder vor. Doch gab eS wenig Ohren, die Zeit auf ihn zu hören hatten, und selten einen Batzen in seinen Hut, so daß er immer häufiger den bittern Hunger spüren mußte.
Da ging er in die Kirche, der Mutter Gottes seine Not zu klagen. Und wie er vor dem Gnadenbild die Kerzen und die Blumen sah und daS Geschmeide, war ihr geofert worden war, nur seine Taschen leer waren, nahm er die Geige vor und dachte, ste möchte sich um seiner leeren Arbeit willen wohl mit dem Spiel begnügen, wenn auch die Menschen et nicht mehr hören wollten. So fing er gläubig an zu geigen, und obwohl die Hand sehr mit dem Bogen zitterte, floß alle Traurigkeit de« Alten mit in die Töne, so daß er selber sröh. lich wurde wie in der Jugend. Da sah er, wie die milden Augen lieblich nach ihm sahen und die schmalen L ppen freundlich lächelten; und als er fertig war mit seinem Spiel, warf ste den goldenen Schuh von ihrem Fuß in seinen Hut. Er nahm ihn dankbar auf als ihre Gabe und ging, zwar wunderlich erschrocken, zum Goldschmied, um ihn etnzulösen.
Wie der den arg zerlumpten Mann besah, schien ihm der goldene Schuh verdächtig, so daß er nach den Häschern schickte. Die nahmen ihn sogleich gefangen und weil dem alten Spielmann daS Märchen von dem Schuh kein Richter glauben wollte, galt er als Dieb und wurde am dritten Tag mit einer Schlinge um den Hals au» dem Gefängnis heraus- geführt. Da bat er sich a!S Gnade aus, noch einmal vor dem MuttergotteSbilde zu spielen; und weil den Menschen die letzte Bitte eine», der in den Tod eingeht, und sei es durch den Henker, von jeher heilig war, so ließen ste den alten Mann gewähren, trotzdem ste seinen törichten Wunsch verspotteten.
Wie ste ihm nun die Geige gaben und er mit seinem Strick am Hals noch einmal vor der Jungfrau stand, fing er mit Gläubigkeit an, da» gleiche Lied zu spielen. Und wieder sahen ihn die milden Augen lieblich an und ihre schmalen Lippen lächelten; und als er fertig war und seinen letzten Ton flehend auSstrlch, fiel auch der andere goldene Schuh von ihrem Fuß. Da sanken alle vor dem Wunder in ihre Knie und nahmen ihm die Schlinge in Demut ab und sorgten reichlich für seine alten Tage, daß er den Sptel- mannShut fortab auf dem Kopf behalten konnte.
Das Schulhaus in der Hinteren Gaffe.
Traumversunken stehst Du da Und denkst alter Lage,
Deiner Jugend, die uns klingt Schon wie Märchensage.
Trauerst Du in stillem Weh Um das Glück und Leben,
Das dir in der Kinderschar Einstens ward gegeben?
Kinderfreud und Kinderlärm Sind schon längst verschwunden;
Deine Nachbarn starben längst An den Feuerwunden. (1893)
Darum fühlst Du einsam Dich In der „hintern Gasse";
's ist Dir, als ob' nicht Dein Kleid In die Neuzeit passe.
Doch die Künstler freun sich Dein Oft in stiller Stunde; «
Denn du bringst aus alter Zeit
Ihnen holde Kunde. <s. H. Eg».
wo ihm Gott mehr oder desgleichen verleihet, helfen fördern."
Luther war ein Bewunderer der niederländischen kontra- punktischen Musik, d. h. einer Art von Musik, in der jede Stimme eine selbständige Melodie hat. Er rechnete die Kunst- mustk zu den vollkommensten Offenbarungen Gottes. »Wo die natürliche Mufica durch die Kunst geschärft und poliert wird", sagt er einmal, »da stehet und schauet man erst zum Teil (denn gänzlich kann'« nicht begriffen noch verstanden werden) mit großer Verwunderung die große und vollkommene Weisheit Gottes in seinem wunderlichen Werk der Musika, in welchem vor allem da« seltsam und wohl zu verwundern ist, daß einer eine schlechte (schlichte) Weis« oder Tenor (wie es die Mustct heißen), her singet, neben welcher drei, vier oder fünf andere Stimmen auch gesungen werden, die um solche schlechte Weise oder Tenor, gleich als mit Jauchzen rings umher um solchen Tenor spielen und springen und mit mancherlei Art dteselbige Weise wunderbarlich zieren und schmücken, und gleich wie einen himmlischen Tanzreigen führen, also daß diejenigen, so solches ein wenig verstehen und dadurch bewegt werden, sich des heftig verwundern müssen, und meinen, daß nichts Seltsameres in der Welt sei, denn ein solcher Gesang mit viel Stimmen ge- schmücket". So herrlich ist das Wunder der kontrapunktischen Polyphonie niemals zuvor noch nachher wieder beschrieben worden. Was hätte Sucher erst gesagt, wenn er Bachs Musik erlebt hätte!"
Me Kantate „Wachet aas! rast an« die Stimme* von 3. S. Bach
behandelt das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Der
erste Chor (nach dem 1. Vers komponiert) schildert das Erwachen. Ein merkwürdiges Läuten erklingt von allen Seiten; der Bräutigam kommt; die Jungfrauen fahren erschreckt aus dem Schlummer auf; eine reißt die andere empor: So im Orchestervorsptel. Der Chor setzt ein. Der Sopran trägt groß und breit die Choralmelodte vor, umwogt und umbrandet von den jähen Rufen der anderen Stimmen, gleiH sam eine Straßenszene; das Volk sammelt sich allmählich und beschäftigt sich erregt mit der Kunde vom Herannahen des Bräutigams.
Der zweite Vers »Zion hört die Wächter singen", wird durch eine einfache Tanzweise beherrscht. Alle Geigen und Bratschen tragen ste zusammen einstimmig vor. Zu dieser Begleitung tritt dt« Choralmelodie, von den Tenören einstimmig vorgetragen, selbständig hinzu, als hätte ste nichts mit ihr zu tun. So tönt der Wächterruf hinein in die Must! des Zuges, in dem der Bräutigam naht.
Der Zug erscheint, er ist da. Im Festsaal wird das »Gloria sei dir gesungen" angestimmt. Es ist die dritte Strophe des Liedes, der Schlußchor der Kantate, der vom ganzen Chor mit Begleitung des Orchesters und der vollen Orgel gesungen wird.
Zwei mystische Zwiegespräche zwischen Jesus und der Seele von überschwenglicher Art rahmen die mittlere Choralstrophe ein. Zwei Duette für Sopran und Baß.
Die Kantate konnte im vergangenen Herbst nur gekürzt aufgeführt werden. Wir hoffen das schöne Werk morgen m seiner ganzen Ausdehnung wtedergeben zu können, um diese Sologesänge werden sich Fräulein Scheel aus Stuttgart und Herr Achenbach bemühen. DaS Violinsolo im 1. Duell wird Herr Wiedersheimer spielen.