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«emqSpreiS im Mai 1.60

rinschl. LrSaerlohn, »in,.-Nr. 10 Goldpfge., Grundpreis f. Anzeigen: Dir einspaltige Zeile auS aewöhnlicherÄchrtst oder deren Raum IS Gold­pfennige, Reklamen 85 Eoldpfennige, Familten- anz. 10 Goldpfennige. Bei -erichtl. Beitreibung und Konkursen ist der Rabatt hinfällig.

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Nagoläer Sagblatt

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128 Gegründet 1826.

Montag den 2. Juni 1S24 Fernsprecher Nr 29

verbreitetst« Zeitung im Oberav tS bezirk. Rn« »eigen fird daher non beste« Erfolg.

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98. Jahrgang

Tagesspiegel

Die nächste Sitzung des Reichstags ist aus Montag. 2 Juni, nachmittags 3 Uhr anberaumt worden. Wenn vu dahin die Bildung der neuen Regierung nicht gelungen ist wird sich der Reichstag ausschließlich mit den Anträge« d« Geschäftsordnungsansschusses in der Frage der Hafientlas- jung von Abgeordneten befassen.

In Berlin werden zwischen den Mittelparteien neue Ver­handlungen über ei« Kabinett des Blocks der Mitte g^nhrt da die Deutschnationalen von sich aus weitere Verhand­lungen für zwecklos erklärten, wenn niO nur Dr. .Mar? Reichskanzler, sondern auch Dr. Stresemaau Außenminijte, bleiben sollte.

Die vier Bergarbeiterverbande fordern die Arbeiter aus die Arbeit geschlossen wieder aufzunehmea. Die komnnmifier werben für Fortsetzung -es Streiks.

Am Samstag früh sind aus vielen Zechen des Ruhrge biets die Belegschaften wieder eiugesahren.

Im Lohn- und Arbeitszeikskreit im bayerischen Bauge­werbe ist nach mehrmonatigem Kampf eine Einigung zu­stande gekommen.

Vor dem Kriegsgericht in Mainz werden demnächst wie­der Deutsche abgeurteilk Das Gesuch, deutsche Verteidiger nehmen zu dürfen, wurde abgelehnt. Die Reichs regierung soll endlich einmal dem empörenden Zustand ein Ende ma­chen, daß Deutsche auf deutschem Boden im Frieden von einem feindlichen Kriegsgericht abgeurteilt werden.

Der tschechische Außenminister Dencsch wird aus feinet Rückreise von Rom eine Besprechung mit dem Lundeskanzlei Seipel in Wien haben.

Poincare will am Sonntag dem Staatspräsidenten Mikle- rand die amtliche Mitteilung vom Rücktritt des kabrncktr überreichen.

Das SMle Weltmeer

Der Schauplatz der großen VAkeranseioandersetzuug

Bis zur Beendigung des Weltkriegs stand Japan an Englands Seite. Das Ende des Krieges brachte einen Um­schwung: Englands engeres Zusammengehen mit den Ver­einigten Staaten, dem alten Gegner Japans, lockerte di« Veziehungen zwischen London und Tokio; Japan suchte An­schluß an Frankreich. Dazu kam der Gegensatz Frank- eeichs zu Sowjetrußland, dem Japan bekanntlich ebenfalls durchaus ablehnend gegenüberstand.

Japans Freundschaft zu Frankreich lernte Deutschland bei »er Entscheidung über Oberschlesien zu seinem Leidwesen kennen; sie verhinderte auch, daß die Beziehungen Japam zu Deutschland nach dem Kriege wieder freundschaftlich wur­den

Zwar wirtschaftlich haben sich beide Länder wieder ge­funden. Ebenso sind auch auf wissenschaftlichem Gebiet« beide Staaten in Beziehungen zueinander getreten, aber nur veil Japan den großen Vorteil davon hat. Aber politisch kennen beide Länder noch nicht wieder dis richtige Linie finden. In Japan achtet man Deutschland nicht mehr. Es Hehl unter französischem Einkluß und hat bei semem großen National- und Selbstbewußtsein nicht das geringste Verständnis dafür, daß Deutschland zu allen fran­zösischen Erpressungen Ja sagen mußte. Der ganzen Ent- schooigungsfrage steht Japan ziemlich gleichgültig gegenuver and wünscht mit diesen Fragen möglichst wenig behelligt zu werden.

Durch das große Erdbeben wurde zunächst einmal die ganze Aufmerksamkeit des japanischen Volks von den außen­pol-tischen Dingen ab- und der inneren Politik zugewandt. De wirtschaftliche Lage gab zu ernstlichen Besorgnissen Ver- Easiung und durch das Erdbeben hatte die soziale Frage an Schärfe zugenommen. Die vom Minister, Baron Goto, angestrebte Annäherung an Rußland hatte wohl bolsche- w-süschen Agenten die Tore zum Reich der ausgehenden geöffnet und die Wirkung blieb nicht aus: Der Mord- anschlag auf den Prinzregenten im Dezember beleuchtete »l'tzartig die äußerst gespannte Lage.

Goto, zuerst Bürgermeister von Tokio, dann Jnnenmini- jter im Kabinett Kato, hatte die Verhandlungen mit dem russischen Vertreter Joffe geführt, die aber ergebnislos ver- »esen. Rußland verlangte außer der Anerkennung durch oapan die Rückgabe von Nord-Sachalin. Japan >eynte diese russischen Forderungen ab, ebenso wie Rußland ke lavanischen: Entschädigung für die Ermordung japani- Aer Burger in Nikolajewsk im Jahr 1920. So zerschlugen my diese Verhandlungen und Joffe mußte unverrichteter r-üche abreisen.

haben sich nun die Gegensätze zwischen der owjetumon und Japan noch wesentlich verschärft. Beide gierungen haben gegenseitig die Pressevertreter des ande- ihren Ländern ausgewiesen und dein japanischen ru- ^ L^ ^ 1 s?ostok wurde die Amrsbefugnis entzogen.

Weigerung Japans, dis Sowjetrepublik an- Wren, n-k,°! "Echt auf französische Einflüsse zurückzu- n. Ueberall merkt man die Neigung Japans zur fran­

zösischen Seite, ein Abrücken von dem anglo-amerikanischcn Block.

Die Gegensätze Japans zu Diesem haben ebenfalls eim Verschärfung erfahren. In Amerika hat die alte Streit­frage der japanischen Einwanderung für das japanische Ehrgefühl verletzende Entscheidung erfahren: ge­mäß einer Entscheidung des obersten Gerichtshofes in den Vereinigten Staaten können Japaner alsFarbige" nicht das amerikanische Bürgerrecht erwerben. Da nun in einigen Stabten Nordamerikas denjenigen Fremden, die das Bür> gerrecht nicht erlangen dürfen, der Landerwerb verwehrt ist so wird eine große Zahl bereits ansässiger Japaner ihre- Besttzes beraubt. Außerdem wird durch das neue Emwan- dsrungsgesetz den Japanern eine Uebecsiedlunq nach Ame­rika völlig unmöglich gemacht. Es ist mit Sicherheit vor­auszusehen, daß die Japaner diese Maßnahmen aus di« Dauer nicht ruhig hinnehmen werden.

Damit nicht genug, taucht im Stillen Weltmeer ein neues Schreckgespenst auf, das geeignet ist, in Japan Besorgnis füi die Zukunft zu erwecken: der Ausbau von Singapor« ais englischer Flottenstüptzunkt. Allerdings haben den letz­ten Nachrichten zufolge die Engländer diesen Planvorläu­fig^ aufgeg-eben, aus finanziellen Gründen, was übrigen- einer Krisis in der englischen Admiralität 'ähren soll Jedenfalls ist anzunehmen, daß diese Entscheidung nicht al- rnbgültig anzusehen ist. Die Fragen im Süllen Weltmeei müssen später oder früher doch einmal gelöst werden, da« kann aber nur mit Blut und Eisen geschehen.

In Tokio ist man sich darüber klar, daß die Einrichtung eines Flottenstützpunkts in Singapore sich nur gegen Japar richten kann, denn ein anderer Gegner ist nicht vorhanden Das Stille Weltmeer, das so lange seinen Namen mit Rech geführt hat, wird mehr und mehr zum Brennpunkt der In­teressengegensätze.

Auch Frankreich rüstet in Ostasien und der nächst Krreg dürfte hier wie in Europa eine völlig andere Mächte gruppierung als 1914 vorfindem -

Rußland, von Westen durch den breiten Gürtel de Randstaaten mehr und mehr abgeschnitten, drängt miede! noch Osten und muh dort naturnotwendig mir Japan zusam mcnstoßen. Amerika strebt die Vorherrschaft im Stillci Weltmeer an und will China in seinen Bannkreis einbe ziehen. So ist auch für Amerika ein Aukeincmdcrprallei mit Japan nicht zu vermeiden. England geht mit dem ame litauischen Bruder, dem es auf dem Gebiet der Seehsrrschas schon so gewaltige Zugeständnisse gemacht hat. Englanl w.rd den Fernen Osten benutzen, um Frankreich eine Schl-appi beizubringen und dessen Ausdehnungsdrang hier erfolgreick eine Grenze zu setzen.

Mach dem Abkommen der WashingtonerAbrüstungs konferenz" soll die amerikanische Kriegsflotte so stark seil wie die englische, während bisher in England Grundsatz war daß die englische Flotte so stark sein müsse, wie die zws nächstgrößten der Welt zusammen.

Deutschland wird in diesem Riesenkampfe abseits stehen einstweilen noch genug beschäftigt mit ss>nen eigenen AngS legenheiten. Aber der Ausgang wird auch für Deutschtantz Lükunst entscheidend lein»

Am die Regierungsbildung.

Neue Wendung in Berlin

Absage der Deutschuationaleu Berlin, 1. Juni. Die deutschnationale Fraktion hielt am Freitag nachmittag eine Sitzung ab und faßte einstimmig eine Erklärung, die Gras Westarp sofort Dr. Marx, der im Reichstag weilte, überbrachte. In der Erklärung wird ver­langt, daß gemäß der von Anfang an gestellten deutschnaiio- nalen Forderung die Entscheidung über da> S ach- verständige n-Gutachten erst nach den Verhand­lungen mit den Verbündeten in einem Schlußabkom­men geschehen könne, in dem die politischen und Ehrenpunkte gleichzeitig mit geregelt sein müssen. 2. Die Deutschnationalen haben niemals zuge­standen, daß die bisherige Regierungspolitil fortgesetzt werden könne, sie habe vielmehr stets betont, daß eine Aenderung auch nach außen zum Aus­druck kommen müsse. 3. In jedem Zeitpunkt der Verhand­lungen sei daran festgehalten worden, daß die Kanzler­schaft Tirpitz die gegebene und jede andere Besetzung als unbefriedigend zu bezeichnen sei. 4. Gegen die Kanzler­schaft Marx seien immer aus inner- und außenpolitisches Gründen Bedenken erhoben worden. Wenn die Deutsch- nationalen nicht sofort, nachdem Dr. Marx wieder zur Re­gierungsbildung berufen worden war, Einspruch erhoben, so geschah dies, um den ernsten Willen zu bekunden, daß bei der schwierigen Reichsloge keine Möglichkeit für einen Aus­weg unbeachtet bleibe, der mit den Grundsätzen der Deutsch- nationalen irgend vereinbar war, sofern ihr Einfluß und ihre Ziele nach jeder Richtung ausreichend gesichert seien, ö. Unter diesen Umständen wäre die Beibehaltung vollends des Außenministers Dr. Stresemann, also die unver­änderte Besetzung in den beiden entscheidenden Posten, für die Deutschnationale Volkspartei ein Ding der Unmög­lichkeit. Darüber sei me ein Zweifel gelassen worden. ^

Die deutschnationale Fraktion könne nicht daraus verzich­ten, daß in der äußeren und inneren Politik des Reichs eine Kursänderung erfolge und daß hicfür bei der Regierungsbildung eine sichere Ge­währ geschaffen werde. Da die von dem bisherigen Reichs­kanzler Marx geführten Verhandlungen, namentlich was die mtsprechende Kursänderung in Preußen betreffe, keine Gewähr bieten, halte die deutschnationale Reichstags- sraktion weitere Verhandlungen für aussichtslos.

Die Vaterländischen Verbände haben er­klärt, daß sie einem Kabinett Marx, auch wenn es dcutschnationale Männer enthielte, kein Vertrauen cntgegenbringen könnten.

Falls die Regierung der Mittelparteien wieder zurück­kehrt, werden drei Ministerien neu besetzt werden und zwar, gemäß der Forderung der Sozialdemokraten, das des In­nern, bisher Dr. Jarres, das Wirtschcrftsministerium und das des Rechtswesens, bisher Dr. Emminger (Bayer. Volksp.). Das letztere soll durch ein Mitglied der Deutschen Volkspartei, den Abg. Dr. Kahl, besetzt werden.

Die Mittekparteien (Zentrum, Deutsche Dolkspartei und Ocmokrnten) haben mit Unterstützung der Sozialdemokraten eine Reichstagsmehrheit von vier Stimmen.

Die Pressestelle der Deutschnat. Volkspartei erklärt die Meldung derGermania" und desVerl. Tagblatts" fük eine dreiste Erfindung, wonach die Partei einen Beauftrag­ten nach Paris gesandt haben solle, um mit französischen Politikern oder Regierungsstellen zu verhandeln.

Die Stellung der Deutschen Volksparker

Berlin, 1. Juni. Dr. Marx hatte am Freitag abend Be­sprechungen mit den Führern der Mittekparteien. Der Füh­rer der Deutschen Volkspartei begab sich zum Reichspräsiden­ten und empfahl ihm dringend, die Dei'tschnationalen mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Der D.A.Z. zasolcu sei es fraglich, ob die Deutsche Volkspartei sich dem Block der Mitte weiterhin anschließen werde, da dieser sich cni die Sozialdemokraten anlehnen würde. Ein großer Teil der Partei sei entschieden gegen diese Lösung.

Der Kampf im Kohlenbergbau.

Sude des Vergarbeiterkonflikt» ?

Bochum, 31. Mat. Die 4 Bergarbeiteroerbände erlassen einen Aufruf an die Bergarbeiter der Ruhrreoierr, in dem diese aufgefvrdert werden, die Arbeit geschloffen wieder auf­zunehmen. Unter Hinwetr auf die von den 4 Bergarbeiter­verbänden zurückgewiesenen Streikparolen der Kommunisten und Unionisten werden die Bergarbeiter ermahnt, auch in Zu­kunft nur den von den Organisationen aurgegebenen Paro­len zu folgen.

Wie die Blätter aur Essen melden, hatten sich bereits Freitag früh zahlreiche Arbeiter bet den Zechen zur Wieder­aufnahme der Arbeit gemeldet. Sie fanden jedoch die Tore verschlossen. Es wird aber damit gerechnet, daß, nachdem der ReichSarbeitSminister den Schiedsspruch für verbindlich erklärt hat, die Arbeit im Ruhrbergbau diese Woche wieder ausge­nommen werden wird.

' Sei der EiseOHu

Berlin, 1. Juni. Die Nachricht von der Herabsetzung deS deutschen EtsenbahnpersonalS um 40°/« wird in gut un­terrichteten Kreisen für wenig stichhaltig gehalten nnd zwar auS folgenden Gründen:

1. Besteht der Organisationsausschuß der Deutschen Reichs­bahn in Paris nur aus 4 Personen und zwar aur dem eng­lischen Etsenbahnsachverständtgen Acworth und dem franzö­sischen Etsenbahnsachverständigen Leoerve, außerdem aus zwei deutschen Herren, nämlich Staatssekretär Bogt und Staats­sekretär a. D. Dr. Bergmann. Eine Uebereinstimmung ist sonach nach Lage der Dinge ausgeschlossen.

2. Haben nach Erkundigungen an Berliner Stelle die Verhandlungen deS Organisationsausschusses zwischen Sonn­tag und Donnerstag geruht, da Acworih nach London und Leverve nach Wien gefahren war. Auch dürsten die Bera­tungen über das neue ReichSbahninstitut nicht bi» Ende die­ser, sondern erst bis Ende nächster Woche zu Ende gehen, sodaß kaum die Wahrscheinlichkeit besteht, daß da»Petit Journ al" eine stichhaltige Auskunft erhalten konnte.

Neue Nachrichten.

Reue Geschäftsordnung für den Reichstag Berlin, 1. Juni. Da man im Reichstag nach den Por­ungen vom 27. Mai überzeugt ist, daß mit den stütze, üblichen Zuchtmitteln wie Ordnungsrufe usw. hie Ordnung m Reichstag nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, wird nne neue Geschäftsordnung ausgearbeitet, die als Strafen mrsieht: Ausschluß von den Sitzungen, Ent,Ziehung der Ab« jeordneteneinkünfte, Ungültigkeitserklärung der Eisenbahrv reikarten, Aufhebung der Äbgeordneteifftraffreiheit u. a.