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Nr. 125

Der Gesellschafle

Amks- rmL Mzelgedlakfür deu Oberauüsbezirk Aagold

mit äer Beilage

^Unsere Heimat"

Gegründet 1826.

Nagoläer ragblatt ""

Schrtstlettung, Druck und Verlag von «. W. Zatse r iNarl Zaiser) Nagold.

Mittwoch den 28. Mai 1924 Fernsprecher Nr 29

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FM «l»s. «uftrüe« »tr»»«. »»rlii »e»iihr Lbnnoimue». »» «tr» krtu, » «ahr »asik Ib»r»«»«'», daß N»z«il«» »der Rekla««» tu brstt»»»«» »u»aabn> ,»,, »» »>r «« «ünschte» «teil, «s4»!»«. An Mille» r»u »dner »e »alt beftedt tet» »nt»r«» »I gteleruua der Zeitung »der aus »llchMm»» d. »e»»g»pr»tse«.

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98. Jahrgang

Tagesspiegel

Der Kampf im Kohlenbergbau.

Die Eimgungsverhandlungen im Reichscrrbciksmmiste- riluu zum Schlichtung des Ruhrkar-rpfes sin- am Msr-tag ergebnislos geblieben; sie wurden am Dienstag fortgesetzt.

Die Phönix-Werke haben wegen KMenman^els das chl- und Walzwerk geschlossen. 3000 Alchetter werden ivon betroffen.

Das ikalienische Kvnigspaar ist mit dem Kronprinzen und sdec Prinzessin Mafalda in London eingetroffen. Von Ca- tatzi nach Dover gaben englische Kriegsschiffe das Geleite, gn London wurden die Gäste vom königspcmr und den Ministern Mac Donald und Henderson an» Bahnhof emp- ißangen.

Die LondonerMorning Post" schreibt, von mancher Sc'ie werde gehofft, daß der deutsche Reichskanzler, wer er cmch sei, au der Zusammenkunft teilzunehmen eing^laden werde, die beim Diederzusammentritt des Völkerbundsrats im September in Genf stctttsinde. Rach dem Blatt ge» deakt W« Donald au dieser Versammlung teilzumhmea.

Lösung oder Katastrophe?

Die Rot im Ruhrgebiek.

Aus Kreisen der christlichen Gewerkschaften des Ruhr­gebiets erhalte ich folgenden Bericht: Der Wochenwechsel Hai eine erschreckende Verschärfung der Strriklage im ganzer Ruhrgebiet gebracht. Trotz der Maßnahmen der Zechen­verwaltungen gegenHausfriedensbruch", trotz aller Poli­zeistreifen und Verhaftungen nimmt die Behinderung de, Notstandsarbeiten überhand. In einzelnen Zechen stehen die Sohlen der Gruben bereits unter Wasser. Der Bochumer Verein läßt zwar unter großen Opfern Weiterarbeiten, aber der wachsende Kohlenmangel ist unverkennbar. Wenn schon die Kruppwerke bekannt geben, daß sie damit beginnen müs­sen, den Betrieb einzustellen, so weiß man, was die Glocke! geschlagen hat. Für die Rheirrfchrffahrt haben die Kohlen­zufuhren fast ganz aufgehört. Die wenigen Mengen, die noch verschifft werden, find Entschädigungskohlen, die die Franzosen und Belgier für sich zu retten suchen. Auch die Kanäle veröden. Außer ein paar Erbrachten ist nichts mehr zu sehen. Der Streik selbst ist auf dem toten Punkt angelangt. Die Emigungsverhcmdlungen in Essen sind ge­scheitert. Zechenverband und Bergarbeiter stehen sich wie zwei feindliche Heere vor der Entscheidungsschlacht gegen­über. Der staatliche Schlichter, Reichskommissar Mehlich, wies verzweifelt darauf hin, daß der bisherige Lohnausfall infolge des Streiks und der Aussperrung sich bereits aus 40 Millionen Goldmark beziffert.

Der Kampf geht weiter. Wer HW den Bergarbeitern? Der in Brüssel tagende Vollzugsausschuß der Bergarbeiter- Internationale hat dm streikenden Grubenleuten in Deutsch­land weitestgehende Unterstützung versprochen. In neutralen Ländern, vor allem in Holland hat man ein großes Hilfs- Unternehmen für die deutschen Bergarbeiter eingeleitet. Aber diese ausländischen Hilfen kommen zu spät und haben nicht viel auf sich. Wie steht es im Inland? Das unbesetzte Deutschland steht gegenwärtig in einer schweren Finanz- mse. Niemand hat GeD. Ueberall der Schrei nach Kredit, Wie soll inan da etwas für die streikenden Kohlen gröber übrig habm? Und die Heimat an der Ruhr? Der Jesuiten- Jungblut, der selbst Bergarbeiter war, schreibt in dek Komischen Volkszeitung", daß wette Kreis» der Bürgerschaft und insbesondere die katholischen Kreise mit den kämpfenden Bergarbeitern sympathisieren, die in der Tat in einer wirt- azaftlichen Notlage seien. Iungblut wiederholt eine Er- larung. die ein Schulrat in Bochum aus der Bergarbeiter- lagung der katholischen Arbeitsgemeinschaften im Namen der weitesten Kreise der Bürgerschaft den Bergleuten als Ver- ^rechen zuries:Bergarbeiter, wir tun rn>t."

Solche Stimmen erwecken vielleicht bei dm streikenden arbenern Hoffnungen, die sicherlich nicht in Erfüllung gehen werden. Das Bürgertum des Ruhrgebiets steckt selber zur- n? schwerster Not und Sorge und kann Len Arbeitern nicht helfen. Das Bürgertum mußte auch mit Schrecken er­kennen, daß hinter dem angeblichen Lohnstreit ein neuer plan des russischen Volsche wismus steckt. Der gemeinsame Aufruf der vier Bergarbeiterverbände hat es sa selbst gesagt, daßauftauchende Sendboten" des Kommu- ^mus cm die Ruhrbergleute herantreten mtt der Auffor- Plünderungen und Gewalttätigkeiten auszuüben. UA 0 der Betriebsrätekongreß derUnion für Hand- und teer .der am 18. Mai in Bochum tagte, hat ein- m*." Beschluß gefaßt: Sozialisierung der Betrieb« und °,n Bündnis mit Rätemßland.

..isch einem Streik mit solchem Hintergrund bietet die bür- Welt keine Hilfe. Die Rettung kann nur von de, Aufhebung des berüchtigten Industrre-Ab> knlN-isi!"" 2 .kommen. Wenn dieser unerträgliche Druck känno» d:e Werke wieder mit einigein Nutzen arbeiten Anders nick'? sie auch die Arbriterlöhne erhöben

er.

!Noch keine Friedensaasficht.

Berlin, 27. Mai. Wie die Tel.-Union erfährt» sind die Schlichtungsverhandlungen im Bergarbeiterstreik, die gestern im Reichsarbeittministkrium stattfandm, für gestern ergebnis­los abgebrochen worden, und werden heute vormittag 10 Uhr fortgesetzt werden. Bisher sind keine Anzeichen vorhanden, daß es zwischen den Parteien zu einer Einigung kommt.

Unterstützung der Bergarbeiter.

Berlin, 27. Mai. Nach einer Meldung des Vorwärts aus Brüstet hat das Exekutivkomitee der Bergarbeiter-Jnter- nationale die einzelnen Landerdelegierten der Internationale beauftragt, sich sofort mit dem Transportarbeiterverband in Verbindung zu setzen, um die Frage der Unterbindung sämt­licher Kohlenlransporte nach Deutschland zur Unterstützung der deutschen Bergarbeiter zu erörtern.

Berlin, 27. Mai. Die sozialdemokratische Fraktion de» Preußischen Landtags hat zur Verlegung des Wirtschaftskampfer im Ruhrgebtet einen Antrag etngebracht, auf die Reichsregie- rung möge mit aller Energie und Dringlichkeit htngewirkt werden, daß die Lasten auS den Micumverträgen sofort auf die gesamte deutsche Wirtschaft verteilt werden.

Um die Regierungsbildung.

Rücktritt der Reichsregierung Berlin, 27. Mm. Die Reichsregierung hak entgehe» ihren Beschlüssen vom 6. und 15. Mai gestern abend beschlof sen, dem Reichspräsidenten ihr Rückkrrttsgesuch zu überrei­chen. Der Reichspräsident hak das Gesuch angenommen not das Kabinett mit der einstweiligen Fortführung der Geschäfts beauftragt.

Me letzten Parkeiverhandlungen

Berlin, 27. Mai. Die Deutsche Volksparkei faßte in einer Fraktionssitzung gestern nachmittag den Beschluß, bas Reichskabinett zum Rücktritt auf­zufordern, da dies der einzige Weg sei, die Lage zu klären. Der Beschluß wurde sofort um 6 Uhr den Fraktion nen des Zentrums und der Demokraten mitgeteilk und er, regte hier größte Aeberraschung, zumal bekannt war, daß der Beschluß nicht im Sinne Stresemanns sei. Nach andert­halb Stunde« traf der einstimmig gefaßte Bescheid der deutschnationalen Fraktion, die um 7 Uhr zusammengetreken war, ein. Ueber den Inhalt wurde nur bekannkgegeben, daß die Deutschnationalen daran festhalten, daß eine geeig­nete Persönlichkeit, wie Tirpitz, die außenpolitischen Schwie­rigkeiten besser lösen könne, als ein durch Hin- und Her­handeln entstandenes Programin. Ueberdies dürfte dieser Persönlichkeit nicht durch ein festes Programm die Hände gebunden sein. Die deutschnationale Fraktion sei grundfäh- ich bereit, in die Regierung einzukreken, in der sie ent- prechend ihrer Stärke vertreten zu sein wünsche. In die- em Fall würde nicht ohne weiteres die bisherige Linie d« Politik abgerissen werden müssen. Weiterhin hält die Frak­tion den Anspruch auf den Posten des Reichstagspräsiden- len aufrecht.

Darauf kraken die Fraktionen der Mikkelparkeien zu einer Besprechung zusammen, der auch der Reichskanzler und Minister Skresemann beiwohnten, Zentrum und Demo­kraten waren der Auffassung, daß die Deukschnakionalen eine Absage gegeben haben. Die Deutsche Bolksparkei widersprach dieser Meinung. Schließlich wurde es von allen drei Fraktionen für zweckmäßig erklärt, daß dis Regierung zurücktrete. Der Reichskanzler und Skresemann begaben sich in das Aeichskanzlerpalais, wo das Kabinett versammelt war. Gegen 11 Ahr wurde dis Mitteilung vom Rücktritt des Kabinetts ausgegeben.

Wie das «B. T." erfährt, lehnt die Fraktion der Baye­rischen Bolksparkei, die den Abg. Leicht zum ersten Bor» fitzenden gewählt hak, ab, an einer Regierung ohne die Deutschnationalen sich zu beteiligen.

In den Kreisen der demokratischen Fraktion wird er» Mrt, das Amt des Reichstagspräsidenten könne keinem Deutschnationalen übertragen werden, denn der republika­nische Reichstag könne keinen Präsidenten haben, der di« Republik ablehne.

Die Parteiführer beim Reichspräsidenten

Berlin, 27. Mal. Reichspräsident Ebsrt empfing heute vormittag nacheinander mit Ausnahme der Deutschoölkischen und Kommunisten Führer der für die Regierungsbil­dung in Bettacht kommenden Fraktionen nach deren Stärke und zwar Herzt (Deutfchnat.), Müller-Franken (Soz.), Feh­rettbach (Ztt.), Scholz (D. Volksp.), Koch (Dem.) und Leicht (Bayer. Volksp.). Die Besprechung sollte dem Reichspräsi­denten Aufschluß über die Stellungnahme der Parteien ver­schaffen. Man glaubt, daß Dr. Ntarx (Ztt.) wieder mtt der Kabinettsbildung bettaut wird.

Der Eröffnung des Reichstags heute nachmittag M die Regierung ferngebttebea.

Letzte Beratungen.

Wie die Blätter Mitteilen, traten Montag abend unmittel­bar nach Empfang der deutschnationalen Antwort, die Führer der Mittelparteten zusammen. Während die Demokraten und das Zentrum der Meinung waren, daß mtt der deutschnatio­nalen Antwort die Verhandlungen mtt den Deutschnationalen abgebrochen seien, glaubten die Vertreter der deutschen Voiks- partei, aus dem Wortlaut der deutschnationalen Erklärung auf die Möglichkeit weiterer Verhandlungen schließen zu können. Im übrigen waren alle drei Mittelparteten darin einig, daß nunmehr der Reich» Präsident die Initiative zur Kabinetts­neubildung zu ergreifen habe. In volkspartetlichen Kreisen soll man dem Reichspi äsidenten die Erteilung de» Auftrags zur Bildung des Kabinetts an den Führer der deutschnatio- nalen Fraklion, Dr. Hergt, empfehlen. Man glaube, daß vielleicht bet den Bemühungen der Deutschnationalen um die Bildung einer Regierungsmehrheit mit den Mittelparteien über die Durchführung des Sachverständigengutachtens eine gemeinsame Linie gefunden werden könne. Zentrum und Demokraten sollen dagegen, wie im Reichstag verlautete, dem Reichspräsidenten Vorschlägen wollen, den Reichskanzler Dr. Marx aufs Neue mit der Regierungsbildung zu betrauen. Eine Antwort der Mittelparteten soll, den Blättern zufolge, auf die deutschnationale Erklärung nicht erfolgen.

LautGermania" kam in einer Tagung des ReichSpar- teivorstandes der Zentrumspartei folgende Willensmetnung zum Ausdruck: Die Zentrumspartei muß der gegenwärtigen Schicksalsstunde in sachlicher aufrichtiger Politik gerecht werden. Parteitakttsche Ueberlrgungen dürfen ihre Beschleunigung nicht beeinflussen. Soweit es in ihrer Macht lttgt, muß sie alles daran setzen, um auf Grund de» Sachverständigengutachtens zu einer Regelung der Entschädigungsfrage zu gelangen.

Französische Stimmen

Paris, 27. Mai. Der Rücktritt des Reichskabinetts rdttti mrn den Blättern ziemlich kühl ausgenommen. Der recht» »radikaleGaulois" sagt dagegen, man könne sich zu dem Es folg der Nationalisten in Deutschland nur beglückwünsche» denn nichts wäre gefährlicher, als wenn die wahren Gefühl Deutschlands augenblicklich versteckt würden, um die Ver« kündeten vertrauensselig zu machen. Eine Auflösung d« Reichstags würde noch größere Schwierigkeiten bringen Marschall Petain habe recht gesagt, daß 60 Millionen Deutsche von nichts anderem als Rache träumen. Was d»qh die Franzosen für ein schlechtes Gewisicu haben!

Deutscher Reichstag

Berlin, 27. Mai. 1. Sitzung. Schon lange vor Begimi der Sitzung sind die Tribünen des Publikums überfüllt. 3a der Diplomatenloge sieht man den englischen Botschafter Lord d'Abernon, den amerikanischen Botschafter Houghtenj Mitglieder der französischen, italienischen, belgischen, pol­nischen, tschechoslowakischen Gesandtschaften usw. Schon vor 3 Ahr erschienen viele Abgeordnete im Saal; einige Neu­linge erkennt man an der brennenden Zigarre, die sie ab- zulegen versäumt haben. Der Kommunist Epstein, mit einem schwarzen Faszistenhemd angetan, sitzt schon lange mtt dampfender Pfeife auf seinem Platz. Auf der Pressetribüne Haben sich zahlreiche Photograpyen eingefunden. Die Bänke der Reichsminister sind leer, die der Landesregierungen stark besetzt, auch der Aeichsrak hak sich fast vollzählig eingefun- Len. Anker den Abgeordneten befinden sich die bisherigen Minister Skresemann und Geßler. General Ludendorff Hai als einer der ersten seinen Platz eingenommen. Als die Vor­kämpferin auf dem Gebiet der Heimarbeit, Frau Behn» ><D.nat.), erscheint, begrüßt er sie aufs herzlichste. Bald dar­aus betreten Admiral v. Tirpitz und Fürst Otto v. Bismarck den Saal, von ihren Parteifreunden lebhaft begrüßt.

Nach dem Eintritt Ludendorffs in den Saal wird von einigen jungen kommunistischen Abgeordneten ein mit Blut befleckter Rosenstrauß (nach einem beigefügten Zettel fSi den sozialdemokratischen Abgeordneten Erhard Auer aus München bestimmt), eine blaue Brille (für Ludendorff) und ,ain zerknitterter Handschuh auf den Tisch des Hauses nie-, Hergelegt, der nach einem beigefügten Zettel die verdorrt« "Hand Scheiöemanns darstellen soll.

Um 3.10 Uhr nimmt der Alterspräsident Abg. Bock« .Golha (Soz.) den Präsidentenstuhl ein.

Der Reichspräsident wird, wie wir hören, henke nach, Wittag um 5 Ahr den Reichskanzler Marx cmpsangeir.

Zur Eröffnung des Reichstags Berlin, 27. Mai. Anläßlich des Zusammentritts des neuen Reichstags fanden im evangelischen Dom und in der katholischen Hedrvigskirche Gottesdienste für die Mitglieder des Reichstages statt. Der Reichstag war schon vormittags von einer zahlreichen Menge umlagert, die vergeblich ver­suchte, Eintrittskarten zu erhalten. Der Reichstag war von einem großen Aufgebot von Schutzpolizisten gegen Störun­gen gesichert. Beim Eintritt zum Reichstagsgebäude wurde die Kartenkontrolle sehr streng gehandhabt. Fast alle Frak­tionen hielten am Vormittag Sitzungen ab.