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Nr. 49
Samstag den 16. Febrvar 1924
98. Jahrgang
M IentWO erhsittli geblieben ist
Nicht nur in Deutschland werden viele Bücher über den Krieg und seine Folgen geschrieben, mindestens ebenscwie'. auch in den uns feindlichen Ländern, je nach der Persönnch- keit des Verfassers mehr oder weniger wertvoll und sachlich
Mr. I. H. Morgan ist seines Zeichens Professor des Ver- kassungsrechts an der Londoner Universität; er erwarb fick aber den Titel eines Brigade-Generals während des. Krieges, wo er für die britische Werbearbeit in Belgien und Frank- reich nach sogenannten deutschen Greueln herumsuchte. Nack dem Kriege war er vier Jahre lang eifriges' Mitglied der militärischen Kontrollkommission in Deutschland und zeichnete ich hier durch gleichen Eifer und gleiches Talent aus. Em olcher Mann braucht also wohl kaum a-usdrücklch zu ver- ichern, Laß er kein Deutschenfreund sei. wie er es in seinem eben erschienenen kleinen Buch: „Tke present State ot Ocr- many" tut, und wie er es durch manche sehr törichte und sehr ungerechte Bemerkungen in dem Buch selbst beweist. Aber sein» unfreundliche Einstellung gegen Deutschland und das deutsche Bolk macht das Zeugnis ft nes Buches um so wert- soller, und dieses Zeugnis geht dahin, daß der Versailler Vertrao auch soweit ein Mißgriff ist. wie er eine dauernde Ohnmacht und Wehrlosigkeit Deutschlands anstrebte. Mor- gans vierjährige Erfahrungen in der Ausführung der Ent- wassnungsbestimmungen des Versailler Vertrags haben ihn Werzeugt, „daß materielle Entwaffnung nie vollständig oder sicher sein kann, solange moralische Entwaffnung sie nichi unnötio gemacht hat." Und von diesem Gesichtspunkt aus und nicht aus irgend welchen Sympathien für Deutschland warnt er die Verbündeten eindringlich vor weiterer Aufreizung des deutschen Nationalgefühls und befürwortet Zugeständnisse an Deutschland.
Morgan kann nicht genug betonen, daß die Wiederbekeh- >'ung des deutschen Volkes zum Evangelium der Gewalt das Werk der Verbündeten sei, und daß auch das verstümmelt; Deuischland noch ein Riese sei, der zur Verzweiflung getrieben, Europa in ein Trümmerfeld verwandeln könne. „Bilde! euch doch ja nicht ein", ruft er aus, „wie das so viele unfrei Freunde jenseits des Kanals tun, daß ein Zustand der Anarchie in Deutschland eine Sicherheit für den Frieden Frankreichs ist". Auf den Einwand: Ja, aber Deutschland ist doch entwaffnet, antwortet Morgan:
Gewiß, wir zerstörten deutsche Kanonen — einige 35 000, wir zertrümmerten Gewehre — einige Millionen —, wü sprengten Festungen in die Luft, wir legten Dynamit in Pulverfabriken, wir schleiften Krupps Waffenfabriken. Aber es gab drei Dinge, deren Zerstörung uns- nie gelang und nicht
Magnus Wörland und seine Erben
M *
39 d Roman von Günther von Hohenfels
.Es geht nicht — ich kann nicht — ich kann ihn nicht Wiedersehen, solange seine Ehre nicht rein ist?
.Aber Wörland-"
„And wenn er ein Genie ist, wenn er Millionen verdient, — dreihundert Jahre unbefleckter Kaufmannsehre! And wenn sie alle ihn mit offenen Armen empfangen, es brich* mir ja selbst das Herz, ich verzehre mich in Sehnsucht nach meiner Tochter, aber ich kann nicht! Und Bremen Kann auch nicht! Glauben Sie, ich bin blind? Ich weiß recht gut, öffentlich wagt sich niemand mit der Sprache heraus, wenn ich heut käme und ihnen sagte, macht das oder das, mein Schwiegersohn hat es eingeleitet, sollen mal sehen, wie die Herren stumm werden und nach Borwänden suchen."
.Klein ist Bremen, — aber Ehre haben sie alle, alle!"
Schumann lachte.
.Ich fürchte, Sie irren: geben Sie ihnen Millionen zu verdienen, und sie sind gar nicht so wählerisch."
.Iustizrat, Sie find mein Freund, Sie sind auch ein guter Jurist, aber — von Kaufmannsehre versiehe ich mehr."
.Was wollen Sie also?"
.Ich weiß nicht."
«Etwa gar fallen lassen?"
Wörland machte ein Gesicht, als schäme er sich dessen, ivas er sagen wollte.
.Ich hatte die Absicht, heut nach Berlin zu fahren und einmal bei der Regierung anzuklopsen, wie die über die Pläne denken würde."
.Recht, das ist ein Anfang."
«Ich weiß noch nicht genau."
Ein Kontordiener trat ein.
«Herr Senator, hier ist die Karte für den Mittagszug Nach Berlin."
Schumann lächelte.- .Ei - ei —'
ffettngk« konnte — Mannschaften, Invustrie und Wissenschaft. Von dem Problc.v der Mannschaften, de: dienstfähigen Mannschaften, spreche ich nicht ganz ruhig: denn «ls Vizepräsident des Unterausschusses für die Mannschasten- destände war es eine meiner Haupccmfgaoen, die Demobilisierung der alten Armee und die Beschränkung der neuen durchzusetzen. Und eine vierjährige Erfahrung gab mir. die Ueberzeugung, man könne nicht Höffes, durch irgend ein Mittel, dos hinter einer militärischen Besatzung des ganzen Landes zurückbleibe, die dienstfähigen M mnschasten einer großen Armee zu beschränken, wenn man nicht die öffentliche Meinung dieser Nation für sich gewinnen kann. Was die Industrie anbelangt, so gibt es nur ein Mittel, um eine große industrielle Nation zu entwaffnen, und das ist die Zerstörung seiner Industrie. Der Krieg ist jo technisch, ja mechanisch geworden, daß jede große Maschinmfabrik ein mögliches Arsenal ist und die Betriebsanlage, die eine Röhre >ür gepreßte Luft oder einen Propellerschaft hec-iellt, kann beinahe ebensogut dazu verwandt werden, ein Kanonenrohr herzustelle!!. Bor einem Jahr verschickten wir an unsere Offiziere in den deutschen Jndustriebezirken ein Rundschreiben mit einer Reihe von Fragen dahingehend, wie l-Mge Deutschland nach Abzug der Kommission brauchen würde, um seine größte Kriegsproduktion von Waffen und Munition zu erreichen. Ich kann die Antworten nicht geben — sie sind geheim — aber sie würden Erstaunen erregen,
Was die Wissenschaft anbelangt, ft weist Morgan daraus, hin, wie weit Deutschland andern Nationen in der Chemie voraus ist und' wie es unter dem Versailler Vertrag nur verpflichtet sei, den Verbündeten die Beschaffenheit und Herstellungsart aller Spreng- und Giftstoffe oder andern chemischen Präparate, die von seiner Regierung im Lause des Krieges angewandt oder zu dieser Anwendung vorbereitet worden seien, mitzuteilen, aber nicht, was fest dem Krieg getan worden sei. In der Beantwortung der «indringendste» Fragen, welche die Kontrollkommission gestellt habe, Harden sich die deutschen Gelehrten und Professoren sehr dumm gestellt, und tatsächlich habe die Kommission sehr wenig herausgefunden. Man könne eia Pferd zum Hibben,
Mer es «ickt zwingen M trinken. ^
Morgan kann nicht genug betonen, wie sehr der Einmarsch der Franzosen ins Ruhrgeoiet, an dessen Unrccht- mäßigkeit er als der Verfasser des Rheinlandabtommens trotz seiner französischen Sympathien nickt Zweifelt, in Deutschland den Geist ein«« feurigen Patriotismus neu belebt hat, und er verrät an mehr als einer Stelle, einen wie tiefen Eindruck die Anzeichen dieser Reubelebung aus ihn machten- Er schreibt: Was während aller der Jahre meines Aufenthalts m Deutschland den bleibendsten Eindruck auf mich machte, ist diese Einheit aller Verschiedenheit der Stämme, diese
Würdergeburk eine s neuen nationalen Bewußt s e i u s. Wenn ich eine Schar Studenten :n Reih und Glied mit ihren Stöcken statt Gewehren marschi::en sehe — und ich sah das hundertmal — so sehe ich nicht, wie gewisse Alarmisterr, den Stamm eines Regiments oder den Embryo eines Armeekorps. Nicht, was ich sehe, macht Eindruck auj mich, sondern was ich nicht sehe. Nicht die Dinge, die man sieht, sondern die Dinge, die man nicht sieht, bestimmen menschliches Schicksal, nicht was zeitlich ist. sondern was ewig ist. Und zu diesen Dingen gehört die Seele einer Nation, Nicht die militärischen Uebungen Lw.srr jungen Leute, die dem einen pathetisch, einem andern lächerlich und einem dritten unheilvoll erscheinen, beunruhigen mich, sondern de: Geist, der sie belebt. „Dreimal gewappnet ist der, dessen Streb gerecht ist", und wenn ich sehe, wie eine große Nation wie ein Mann von dem Gefühl beseelt ist, daß ihr bitter Unrcch! geschehen ist, dann sehe ich Sine Nation, die die Fesseln, du fie binden, zerreißend alles vor sich herfegen mag in dc: Durchsetzung ihres Rechts zu leben.
Ein andermal beschreibt der Engländer, wie er im Weimarer Kirchhof das schöne Denkmal für dis Gefallenen de, Stadt Weimar sah, oder wie er in de: Nikolaikirche in Berlir einem Trauergottesdienst des Deutch-.n Osfizierbundes bei wohnte, und fährt dann fort: In solchen Augenblicken mn diesen glaubt der fremde Eindringling plötzlich den Puls schlag einer Nation zu fühlen, ihr Gefühl zu verstehen, ihr, Gedanken zu ahnen und beinahe den Schlag ihres Herzen; zu hören. In solchen Augenblicken ist er wie gebannt — ei muß hören, ob er will oder nicht —, und er begreift beinah, lntuttw, daß nichts je die Seele einer Nation ausköscheo konnte und kann, daß jenes mystische Bild Burkes, das dm Leben einer Nation als eine Gemeinschaft zwischen den Le benden und den Toten malt, welche kein menschliches Werkzeug auflösen kann, keine Fiktion politischer Spekulationen sondern der Ausdruck einer unsterblichen Wahrheit ist Manche Nation ist durch ihre eigene Hand umaetommen aber keine durch die Hand einer andern. Das ist eine Intuition, die mir nicht einmal, sondern oft im Laufe der letzter vier Jahre kam — auf der Höhe der Wartburg, als ich einr Gruppe Studenten „Ein feste Burg ist unser Gott" singen hörte, Unter den Linden, als ich die Musik eines Jnfanterie- bataillons das Nationallied spielen hörte, im Theater, ai- alle Zuhörer das feierliche Lied m'ftangen, das Friedrich- Soldaten auf dem Schlachtfeld von Leutben gesungen haben, vnd ganz besonders, als mich wie eine leise, klein- Stimm« auf einem Kranz am Grab eines gefallenen Soldaten in einem Dorffriedhof in Thüringen die Worte seiner Kinder be- grüßten. „Gewidmet von Deinen dankbaren Kindern."
Man sollte dieses beachtliche Buch einem größeren Kreis in Deutschland zugänglich machen können.
Der Senator war richtig verlegen.-
.Offen gestanden, ich geniere mich."
.Etwa vor mir? Wenn Eie endlich etwas Vernünftiges tun? Also glückliche Reise und guten Erfolg. Wenn Sie mit dem Mittagszug fahren wollen, so ist nicht mehr viel Zeit."
Er ging und war guter Laune. Er trat in den Ratskeller und machte einen Frühschoppen, warum nicht, der alte Junggeselle brauchte sich an keine Zeit zu binden.
Wörland wollte eben in die Privakwohnung hinaufsteigen, als Reeder Sörensen eintrat.
„Ein seltener Besuch."
„Aber wieso, lieber Freund, — Sie sind es, der sich zn- rückzog, nicht ich."
„Sie wissen, ich habe zu tun."
„Gute Nachrichten von den Kindern?"
-War das ernst oder lauerte etwas dahinter?
„Danke, die besten."
" Sörensen hatte offenbar etwas auf dem Herzen, und Wörland war jede Minute kostbar.
„Lieber Herr Sörensen, seien Sie nicht böse, ich will nämlich in einer Stunde nach Berlin."
„Geschäftlich?"
„Zur Regierung."
„Natürlich. Sie werden noch Handelsminister."
„Danke dafür."
„Kann ich mir denken, — übrigens, Wörland, ich hätte eigentlich eine kleine Bitte, — freilich, wenn Sie keine Zeit haben —"
„Aber natürlich!"
„Ich habe da ein Holzgeschäft nach Litauen — Einfuhr — glänzende Sache, kann im Handumdrehen eine nette Summe verdienen, was will man machen, man muß heut alles Mitnehmen."
„Natürlich."
„Mir fehlen fünfzigtausend Mark, würden Sie nicht so gut sein, mir ein kleines Freundschaftsakzept auf drei Monate diskontieren, man geht nicht gern an die Oeffentlich- 1 aeit." ' I
Blitzschnell überlegte Wörland. Für die Summe war Sörensen immer noch gut — und abschlagen schwer — ein Akzept, er hatte nie eines gegeben, aber Sörensen gehörte doch trotz allem zu den angesehenen Männern von tadellosem Ruf.
„Sie überlegen? Wenn es Ihnen nicht angenehm ist —"
„Aber nein, ich dachte nur nach, mein Kassierer ist z« Tisch, aber ich habe in meinem Privatschrank-'
„Ich habe das Ding gleich mitgebracht."
Wöland las das Akzept genau durch, es war bereits akzeptiert.
.Hier ist das Geld, also wann?"
Er blickte noch einmal auf das Akzept.
„In drei Monaten, und nicht wahr. Sie lassen es 8»- gen?"
„Natürlich."
„Besten Dank und glückliche Reise."
Wörland hatte wirklich kaum noch Zeit, etwas zu esse«» dann fuhr er zur Bahn, er konnte eben dem Iustizrat, der gerade aus dem Ratskeller kam, noch einmal zuwinken. Dieser sah ihm vergnügt nach. Das war also ein Anfang zum Wiederaufwachen. Er ging in sein Büro und fand einen Brief, dessen Umschlag keinen Absender trug.
„Soll es Sie interessieren, daß Herr ten Winkel herck wieder in Bremen ist und im Zenlralholel wohnt?"
Keine Unterschrift, eine Handschrift, die ihm vollkommen unbekannt war.
Der Iustizrat haßte annonyme Briefe, aber diesmal, — eine Unterredung mit ten Winkel wäre vielleicht von größter Bedeutung. Er ging sogleich wieder fort.
Im Zentralhokel stand der Portier vor der Tür.
„Wohnt hier Herr ten Winkel aus Amsterdam?"
Der Mann schaute aus die Tafel.
„Nummer neun."
„Ist er zu Hause?"
„Ich denke."
Der Iustizrat schritt die Treppe hinaus.
(Fortsetzung folgt).