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Gegründet IMS

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Nr. 35

Dr» »»» ^srtatz von V.. -Zaifor (Karl -jalser) RLagoU.

Montag den 11. Februar 1S24

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S8. Jahrgang

Tüstesspreael ?

Das Relchskabinelk keilte dem Aürrfzehneranss hast des s Reichstags mit, daß an der dritten Rotsieuerverordnung in- , haltlich nicht mehr geändert werden dürfe. Die denwkrati- ! schen und sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses > wollen bekanntlich die Verordnung nicht anerkennen. Dann j hätten sie aber auch der Regierung nicht die Ermächtigung j dazu geben sollen. !

Die Sonderbündler sind nach der Saarbr. Ztg. aus Trier - abgezogen.

Der neue deutsche Botschafter in Paris v. Höfch hak am Samstag sein Bezchnrbiguugsschreibeu dem Präsidenten Mil- ; lerand überreicht. !

Rach demDaily Telegraph" wird die britische Regierung : die neuen Vorschläge Pomcares über die Verwaltung iu der Pfalzin freundliche Erwägung ziehen".

Der englische Botschafter Lord Crewe ist nach Paris zurück- gekehrt.

Das PariserJournal" erfährt, die Moskauer Sowset- -egierung wolle mit Belgien wegen der Anlage eines Slütz- ,mnkts für die russischen Handelsschiffe in Antwerpen unter- sMadeln. !

Fieberwahn? j

Lloyd Georges Enthüllungen j

Unser Berliner er-Mitarbeiker schreibt uns: j

lieber dem Grabe Wilsons ist ein merkwürdiger Streit !

entbrannt, ein Streik wie alle Händel in der letzten Zeit: ! zwischen Frankreich und England. Deutschland ist dabei zum Teil unparteiischer Beobachter, zum Teil wie immer das j Opfer, auf dessen Rücken die Sieger ihre Machtfragen aus- i Klopfen. Lloyd George enthüllt ein Wilson-Geheimnis aus dem April 1919. In jenen Tagen hatte die Pariser Frie­denskonferenz ihre schwerste Krise zu bestehen. Wilson ließ damals seinen Dampfer «George Washington" aus Amerika nach Brest kommen, um durch die Drohung sofor- tiger Abreise eine» Druck auf feine herzlich Verbündeten auszuüben.

Anglückseligerweise mußte Lloyd George zur selben Zeit die Konferenz verlassen, um in London mit seinem intimsten Feind Norkhcliffe einen Strauß auszufechten, der nebenbei gesagt, später auch zu seinem Sturz führte. Seine Abwesen­heit von Paris, so behauptet nun Lloyd George in einer auf­sehenerregenden Veröffentlichung der «Äewyork World", toll der Tiger Clemenceau benutzt haben, um den arm«» i Wilson aufzufrefsen. Oder sagen wir: herumzukriegen. ! Gcmz heimlich habe Wilson ein französisch-amerikanisches j Sondercchkommen unterzeichnet» worin er sich nicht nur mit ! der Aebergabe des Saargebiets an Frankreich» sondern auch mit der Besetzung des linken Rheinufers durch die Berbün- ! beten einverstanden erklärte. Ja, Lloyd George geht noch i weiter. Er verrät, Frankreich habe sich jetzt nach dem Tod Wilsons, der zu seinen Lebzeiten strengste Wahrung seines Ko-nferenzgeheimnisses gefordert habe, an ihn, Lloyd Georg« mit der Bitte gewandt, jenes Abkommen veröffentlichen zu dürfen.

Das war zuviel auf einmal für die Herren vom franzö- s pschen Außenamk. Poincar« erließ sofort eine Erklärung, ! !n der sein Freund und ehemaliger Kollege Lloyd Georg« , förmlich mit Peitschenhieben Lügen gestraft wird: Me fran­zösische Regierung habe durchaus nicht den Tod Wilsons abgewarkek, um sich mit England über die Veröffentlichung des sogenannten Gelbbuchs zu verständigen. Das Gelbbuch enthält die Schriftstücke, die sich auf die Ausarbeitung des Friedensvertrags «in Betreff der Sicherheit Frankreichs" beziehen. Schon am 24. Dezember 1923 habe der französi­sche Botschafter in London die diesbezüglichen Weisungen erhalten und die notwendigen Schritte vor dem 8. Januar 1924 unternommen. (Dieser Hieb geht wiederum gegen Mac Donald, der am 8. Januar sein Amt ankrat!) And nun das Tollste: Die französische Regierung kenne überhaupt keine Dokumente, von denen Lloyd George in seinen Andeutungen rede. Kein geheimes Abkommen sei zwischen Wilson und Clemenceau abgeschlossen worden. Alles sei offen mit rech­ten Dingen zugegongen.

Am die Munde, die man dem englischen Freunde schlug, auch noch mit Pfeffer zu bestreuen, wurde in Paris Herr Tardieu, der einstige Berater Llemenceaus und Verfasser des Versailler Vertrags, vorgeschickt. Er muß in der Presse erklären: Lloyd Georges Anklage ist die Frucht einer im Fieberwahn befindlichen Einbildungskraft- Was Frankreich damals verlangte und was zu den Artikeln 428 und 432 des Versailler Vertrags (Besetzung des Rheinlands) führte, habe Lloyd George genau so wie Wilson vorgeleg! bekommen, nur eben infolge seiner Spritztour nach London 36 Stunden , später. Einen .Geheimverkrag" daraus zu machen, sei ent- weder eine ungeschickte oder eine böswillige Vorgangsweise, vielleicht auch beides.

Das ist allerdings starker Tabak. Der ganze Grimm, der sich zwischen Paris und London angesammelt hat, glüh! aus diesem Hahgescmg. Sachlich läßt sich bis jetzt folgende: !

feststellen: Erstens: Lloyd George,bekämpfte die Rheinland Besetzung. Zweitens: Wilson bekämpfte sie auch, wurde aber, während Lloyd George in London weilte, von Clemenceau umgestimmk. Drittens: Lloyd George stimmte, als er nach Paris zurückgekehrt war, ebenfalls bei, weil er ja schon über­stimmt war. Soll man nun von einem Geheimvertrag spre­chen oder nur von einem geschickten Manöver Llemenceaus? Wilson behauptete bekanntlich immer, er sei ein Gegner aller Geheimabkommen. Sollte er sich vor Clemenceau wirklich eine solche Blöße und etwas Schriftliches von sich gegeben haben? In jedem Fall: Lloyd George redet nicht im Fie­berwahn. Nur das Temperament ist wieder einmal mit ihm durchgegangen. Am 16. Februar will er in seinem alten Leibblatt «Daily Chronicle" noch einmal gründlich auspacken, Man kann darauf gespannt sein.

Der Vertreter derRewyork World", Spencer, dem Lloyd George seine Mitteilungen gemacht hatte, hält im LondonerDaily Dispatch" seine Behauptun­gen aufrecht. Er habe nicht sowohl Wllson als Clemen - ceau tadeln wollen, der die kurze Abwesenheit Lloyd Georges benützt habe, um Wilson völlig umzustimmen. Es '» unerhört, daß Staatsmänner hinter dem Rücken ihrer änder solche Geheimverträge abschließen, und um Geheim­oertröge handle es sich, daran werden keine Ableugnunger etwas ändern. Es muffe jemand da sein, der die Welt das wissen lasse. Er (Spencer) habe die Veröffentlichung für »ine Forderung der Wahrheit und des Anstands gehalten ans die Gefahr hin, daß man ihn des Vertrauensbruchs be ztchtige. Diesen Tadel nehme er um der Sache willen gern« hin. Er habe weniger gesagt, als Lloyd George ihm vor Zeugen mitgeteilt habe. Lloyd George habe in großem Zorn und ausdrücklich von Gsheimv ertragen gesprochen.

Llcyd George sandte die ihm von Mac Donald zur Be- gutachtung zugestellten französischen Schriftstücks des Parisei Gelb buchs, die zu der Enthüllung Anlaß gegeben hatten, zu rück mit dem Bemerken, er sehe keinen Grund, weshalb di« dmnzösifche Regierung die Schriftstücke nicht veröffentlichet! sollte. Pomcore hatte sie nämlich nach London gesandt un! ll« die Erlaubnis nachgesucht, sie veröffentlichen zu dürfen, dc

mich einem Abkommen von 1919 Schriftstücke aus den Go» beimoerharMungen von Versailles von keinem Verbündete» veröffentlicht werden sollen ohne die Zustimmung des betei­ligten anderen Verbündeten. Mit der Veröffentlichung wollte Poincarä beweisen, daß die Besetzung nach dem Fris- densoertrag Rechtens sei. Wie diesesRecht" aussieht, das hat nun eben Lloyd George ausgsplaudert. ^

Weitere Enthüllungen

Berlin, 10. Febr. DieB. Z." glaubt die Enthüllungen Lloyd Georges über das Zustandekommen der Artikel 428 und 432 des Vertrags von Versailles (Besetzungsrecht) er­gänzen zu können. Zu den betreffenden Verhandlungen im Obersten Rat sei auch der damalige italienische Ministerpräsi­dent Orlando nicht zugezogen worden, der den Schriftsatz auch nicht unterschrieben Hab«, wie denn Italien sich nicht an der Besetzung beteiligte, Orlando war an dem Tag nach Italien cckgereist, um eine merkwürdige und höchst unge­wöhnlicheBotschaft" Wilsons über Fiume zu be­kämpfet». Die römischen Telegramme darüber legte Cle­menceau am 20. April 1919 Wilson vor und so gelang es ihm, den in feiner Eitelkeit verletzten amerikanischen Präsi­denten für die Artikel 428 und 432, die auch Orlando be­kämpft hatte, zu gewinnen. Wilson unterschrieb die Ent­rechtung und Knebelung Deutschlands in der Erwartung, daß Clemenceau dafür seine Botschaft über Fiume unter­stützen werde. Als Lloyd George am 21. April aus London nach Paris zurückkehrte, machte er Clemenceau Vorhaltungen, daß er das für die Konferenzoerhandlungen festgesetzte Abkommen gebrochen und entgegen dem Widerstand der anderen Mitglieder des Obersten Rats Wilson die beiden Artikel habe unterzeichnen kaffen. Die Schuld Wilsons, sagt B. Z., ist dem Sinne nach von Lloyd George ganz richtig gekennzeichnet worden. Es lag allerdings kein Geheim vertrag vor, aber geheime Verhandlungen waren der Anlaß zu dem Umfall Wilsons, drr schlimnter ist, als wenn er aus politischen Be­weggründen erfolgt wäre, denn die Erkaufung der französi­schen Hilfe diente nur einer Frag? der persönlichen Eitelkeit Wilsons. Die Schuld Lloyd Georges liegt darin, daß er die beiden Unterschriften Clemenceaus und Wilsons, gestützt auf die Berhandlungsbrstimmungen, nicht für ungültig erklärte und es unterließ, Orlando zu Hilfe zu holen, der, wie die B. Z. bestimmt zu wissen mr- sichcrt, die Ueberstimmung Llayd Eeo.c-s v.chi:,

Sache Mk VSrVerständigung" willen wieder zur llwye kommen lassen. Es ist doch wie ein Wink vom Himmel, daß das Mittel, das Poincare gegen die englischen Ein­sprüche gegen die Ruhrbesetzung als höchsten Trumps auszuspielen sich anschickte, zu einem vernichtenden Beweis für die verbrecherische Wühlerei in Versailles geworden, und daß ausgerechnet Lloyd Ge­orge es Vorbehalten gewesen ist, die Machenschaften, wenn auch ungewollt, an den Tag zu bringen. Dem damaligen Bevollmächtigten Deutschlands in Versailles, Freiherr von Lersner, waren die Verhältnisse bekannt; er hat im Zorn bekanntlich die Feder, mit der er das Protokoll unter­zeichnen sollte, auf den Tisch geworfen und hat den Saal verlassen. Die Berliner Regierung hat ihn dafür auf Ver­langen Clemenceaus bestraft und ihn aus dem Reichs­bienst entlassen. Schwamm darüber! Für Herrn Poin- care aber könnten sich jetzt aber leicht bittere Folgen er­geben und Herr Mac Donald ist vor die Probe gestellt, nicht für seine diplomatische Befähigung, sondern für den von ihm verheißenen ehrlichen Willen.

Die Mitteilungen der V. Z. scheinen auf italienische Quel­len zurückzugehen. Der Stein ist im Rollen; es kann eine Lawine daraus werden, wenn die Angelegenheit in Ber- l i n richtig behandelt wird. Auf keinen Fäll sollte man die

Sollen wir?

Die neue Völkerbundsfrage )

Ern bewährter Außenpolitiker schreibt uns: Am 12. Febr. wird die neue encsiische Regierung Ramsay Mac Donald im Unterhaus, Lord Parmour im Oberhaus eine Erklä­rung abgeben, aus die alle Welt mit Spannung wartet. Die Erklärung wird sich beziehen emmal auf die von Mac Donald geplante internattonale Konferenz zur Erledigung der Ent- fchädigungs- und vielleicht der Kriegsschuldenfrage, womit nicht mehr und nicht weniger angekündigt ist, als die Aend e- rung des Versailler Vertrags. Sodann wird die britische Regierung verlangen, daß der Völkerbund Deutsch­land gegenüber an die Stelle der alten Plagegeister, der Bot- lchafterkonferenz und der Militärüberromhungskommiffion tritt. Endlich wird Mac Donald dies wußte derDaily Telegraph" zu melden, als seine Lösung der Frage der Sicherheit" die Freihaltung des Rheinlandes von Garniso­nen unter Aufficht des Völkerbunds vorschlagen.

Damit ist das eigentliche Stichwort noch nicht gegeben. jT» lautet: Aufnahme Deutschlands indenVöl- kerdund. Ob die kommende englische Regierungserklärung frank und frei den Antrag stellen wird, ist fraglich. Der An­trag auf Zulassung zum Völkerbund ist rechtmäßig allein ja von Deutschland zu stellen. Es käme also zunächst auf eine Nntadung, «ne Ermunterung an. Hiezu scheint Mac Donald bereit M sein. Er hat einem Pressevertreter erklärt, eine der ersten Aufgaben feiner Regierung werde es sein, zu veran­lassen, daß Deutschland und Rußland in den Völkerbund auf- tzettommen werden. Mt Rußland werde man noch Schwie­rigkeiten haben, aber auf Deutschlands Beitritt müsse be­standen werden. Damit tut Mac Donald dasselbe, was Bald- «ün und dessen Vorgänger getan haben: Er ermutigt die deutsche Diplomatie und überläßt es ihr, Ach mit dem fran­zösischen Widerstand auseinanderzusetzen.

Irgend einen Schritt ist man damit noch nicht weiter ge- ko.nmen. Ueber dar Für und Wider des Eintritts zu strei­ten, hat keinen Zweck. Es gilt, sich m rein sachlicher PrÄs stmg aller Momente darüber klar zu werden, welche Stet-i brng Deutschland künftig zum Völkerbund einzun chnren hat. Es kommt auf die Frage an, in der es heute zum Eintritt auf- üefordert wird, und auf die Bedingungen, unter denen seine künftige Zugehörigkeit steht.

Wir Deutsche brauchen den Völkerbund nicht so nötig, bls der Völkerbund uns. Er soll der Gerichtshof werden, der tzu der von Mac Donald geplanten Aendermig des Versailler Vertrags führen soll. Es gibt aber eine Bedingung, dis Deutschland den Eintritt m den Völkerbund schon an de, Schwelle verwehren könnte. Das wäre die Forderung, ei» neues Schultbekenntnis abzulegen. Eeinem Auf- nahmegefuch Deutschlands wäre zwar heute die nötige Zwei­drittelmehrheit gewiß. Aber es ist di« Frage, ob Frankreich nicht abermals versuchen wird, sich dem Eintritt Deutschlands zu widersetzen, auszuwerfen. Der Widerstand Frankreichs Ist Ulster Pomcare von Jahr zu Jahr stärker geworden. Ver­hindern kann er zwar die Ausnahme nicht. Wohl aber könnte er mit Erfolg di« Zulassung zum Völkerbunds­rat aufhalten, ohne die Deutschland als Mitglied zweiter, Klaffe gebrandmarkt würde. Aus diesem Grund sind dis französischen Botschafter bei den Verbündeten angewiesen, worden, zu erklären, daß Herr Pvincaregrundsätzlich" nichts gegen den Ausbau des Völkerbunds emzuwendem habe. Aber von den weiteren Absichten Frankreichs wird geflissentlich geschwiegen. Sollte Poincare noch Pfeile im feinem Köcher haben, mit denen er Deutschland im Völker- bund erschießen wU, so würde er damit nur verraten, daß jes führ ihn eine friedlich«, gerechte und der Allgemeinheit zu­trägliche Lösung der Entschädigungsfrage nicht gibt. Man muß noch einige Tage abrvarten. Der Wortlaut der eng­lischen Regierungserklärung wird ms! entscheiden. Das Er- gebms der Berliner Beratungen der Sachverständigenaus- schüsse steht ebenfalls noch aus. Herr Stressmann, der im Sommer vorigen Jahrs als Reichskanzler auf die englischen Winke nicht reagierte, weil er den Augenblick nicht für ge­kommen hielt, wird setzt als Außenminister zu entscheiden