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Nr. 295
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Serbreitetjt« Zettungim Oberamtsbezirk. — Anzeigen find daher von beste« Erfolg.
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Iiagolder Taghlak
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Montag den 17. Dezember 1928
87. Jahrgang
Tages ? piege
Leber Paris erfährt man aus Berlin, der Staatssekretär tm Auswärtigen Amt Frhr. v. Mal ha hu, der Verfasser des Besoldungsbeschwerdebriefs, sei für den verwaisten Posten des Botschafters in Paris ausersehen, Botschafter i» London solle der ehemalige Reichskommifsar für das befehle Gebiet, der von der Rhsinlandkommission abgesagte Fürst Hahfetd-Wildenburg werden, während der ehige Londoner Botschafter Sthamer nach Washington sehe, um der; zurücktrekenden Wiedfeldk zu ersehen.
Poincare empfing am Samstag vormittag den deutschen Geschäftsträger v. Hösch in einer Unterredung, die eine halb« Stunde dauerte.
Lloyd George spricht sich in einem Artikel des „Daily Lhronicle" gegen eine Verbindung der Liberalen mit der konservativen Partei aus. Dagegen sei festzuslekten, daß ein Teil der Ziele der Arbeiterpartei mit denen der Liberalen Übereinskimme. Wenn sie den Geist der Verfassung nicht lerlehe, könne sie auch die Regierung übernehmen. Sollte »ber die konservative Regierung versuchen, am Ruder zu bleiben, so dürfe das neue Parlament nicht säumen, sich ihrer )urch eine gemeinsame Mihtrauenssrklärung der Liberalen »nd der Arbeiterpartei zu entledigen. ...
Rach einer Reukermeldung haben die mexikanischen Re- ksierungstruppen die Aufständischen im ersten größeren Kampf besiegt.
Hai die deutsche Industrie versagt?
Ja, sagte der amerikanische Handelssekretär Hoover, darum verdiene Deutschland keine Lebensmittel- kredite. Jedenfalls müsse man mit deren Bewilligung vorsichtig sein und sich die erforderlichen Sicherheiten geben lassen.
Niemand hörte das lieber als F r a n k r e i cb. Gleich war die französische Presse bei der Hand und verstärkte Hoovers Bedenken. Man schlug wacker aus Landwirtschaft und Industrie in Deutschland los und machte sie an Stelle des Versailler Vertrags, des eigentlichen Hauptschuldigen, verantwortlich für den Zusammenbruch der deutschen Finanzen, für unsere Verarmung und unser Elend. Wie stehts mit diesen . Vorwürfen oder besser mit diesen Verleumdungen? Wie stehts mit den angeblich großen Dividenden, welche die vielen deutschen Fabriken und Maschinen abwerfen sollen? Ist das alles wirklicher Gewinn? Oder haben wir nicht vielmehr, sobald wir jene Papier-Dividenden auf den Friedenswert umrechnen, nur einen kleinen und kleinsten Bruchteil der ge- vöhnlichen normalen Friedensgewinne vor uns?
Und dann die deutsche Kohlen frage, die von aus- chlaggebendem Wert für unsere Wirtschaft ist! Man hat uns bas Saargebiet genommen. Der Völkerbundsrat hat uns den besten Teil Oberschlesiens widerrechtlich abgesprochen. Und seit 11. Januar hat Poincare unsere beste und reichste Kohlen- isuelle, das Ruhr gebiet, verstopft. Seither sind wir aus ausländische Lager angewiesen. Die Folge davon war. daß die Friedenseinfuhr aus England sich verdoppelt hat. Und wenn nun auch durch das Industrie-Abkommen unsere Zechen notdürftig ihre Arbeit im Ruhrgebiet wieder aufnehmen können, so sind die Entschädigungslieferunaen an Frankreich (20—30 Prozent von Kohlen und Koks), die Ab- gabn für die restliche Förderung (10 Goldmark für die Tonne' und die nachzuholende Kohlensteuer, Leistungen, für welche die Zechenbesitzer zunächst keinen Ersatz erhalten, so riesengroß, daß unsere Industrie noch lange nicht auf ihre Rechnung kommen wird.
Außerdem hat sich auf unseren Jsilandsmärkten eine starke Verschiebung vollzogen. Die breite Masse des Volks ist zufrieden, wenn es die Kosten für die allernötigsten Lebensmittel und täglichen Bedarfsgegenstände aufbringt. Die Geschäfte mit Luxuswaren werden meist nur noch von Ausländern hgsucht. In demselben Verhältnis erfuhr auch der Absatz auf den Asts landsmärkten einen geradezu bedrohlichen Rückgang, der in der überaus ernsten Tatsache zum Vorschein kommt, daß während der letzten Monate des Ruhrkampfs Deutschlands Ausfuhr von 600 000 auf 10S Millionen Goldmark zurückgegangen ist. Ueberhaupt beträgt heute die Kohlenausfuhr kaum 7 Milliarden, müßte aber zum mindesten sich auf 14 Milliarden stellen, um die gesteigerte Einfuhr an Lebensmitteln einigermaßen auszugleichen.
Wie es in Wahrheit mit dem Rückgang unserer Industrie bestellt ist, das beweisen einige erschütternde Zahlen. Unsere Ausfuhr an Eisen- und Stahlwaren betrug kn Monat Dezember 1922 699 533, im Mai 1923 aber nur doch 369 516 Doppelzentner. Während Deutschland in den ersten vier Monaten des Jahres 1922 aus Amerika 40 000 Tonnen Kupfer gekauft hatte, konnte es in demselben Zeitraum 1923 nur noch 26 000 Tonnen beziehen.
- Der beste Maßstab aber, um den Grad der Kapitalneu- bildung feftstellen zu können, ist die Berechnung der Einlcuzen bei den Sparkassen und Banken. So sind die Spartassenguthaben von 20,54 Milliarden Eoldmark Ende 1914
auf 3,69 Milliarden Ende 1923 zurückaegange'n. Bei den Bankguthaben steht's nicht besser. Dieselben betrugen bei 195 deutschen Bankinstituten im Jahr 1914 nicht weniger als 12,82, 1919 aber waren sie auf 7,81 und 1920 auf 6.3.3 Milliarden Goldmark zusammengeschrumpft. Und welche ungeheure Entwertung ist seither eingetreten!
Aber wie steht es mit der unleugbarem Erweiterung der deutschen Industrieanlagen? Haben wir es hiebei nicht mit einer wirklichen Vermehrung unserer Vermögenssubstanz zu tun? Nein. „Man hatte vielmehr Anlagen geschaffen, die weit über die Möglichkeit produktiver und rentabler Ausnutzung hinausgingen, während andererseits di« Betriebsmittel zu fehlen begannen, die zur Aufrechterhaltuna Mer selbst stark eingeschränkten Erzeugung erforderlich waren." Warum geschah das? Man wollte sich vor der Geldentwertung schützen und suchte-deshalb das Unbeständig« kn wertbeständige Anlagen umzusetzen. Aber Gewinn, d. h. Vermehrung des Volksvermögens war und ist es nicht.
Und daß unsere Industrie trotz aller Intelligenz und trotz Ülen Fleißes nicht vorwärts kommt und die Leistungsfähigkeit Deutschlands nicht steigert, daran ist nicht sie selbst schuld. Rein, daran ist schuld einzig und allein der Versailler Bertrag, der planmäßig' darauf angelegt ist, uns wirtschaftlich zu runinieren. 14.
Oesterreich als Lehrschule?
Dearnkenabbau und Beamkenskreik
Das „gerettete" Oesterreich soll die Lehrschule des Beamtenabbaus und der Sparpolitik für Reichsdeutschland werden. So hat man es sich wenigstens bis vor kurzem sowohl in Wien als auch in Berlin gedacht. Noch am Dienstag dieser Woche hielt der österreichische Ersporniskoinmissar Präsident Hornik — auf Einladung der Reichsregierung — im Ber- Mer Reichstagsgebäude einen Vortrag, zu dem der deutsch« Sparkommissar Saemisch einen Kreis beteiligter Staatsbeamter geladen hatte. Hornik schilderte den österreichischen Personalabbau, der sich im Lauf eines Jahrs glatt und ohne Kämpfe vollzogen habe und zwar aus vierfache Weise: durch freiwilliges Ausscheiden der Beamten, durch Zwangsabbau, durch Annahmesperrung neuer Anwärter bis 1925 und durch Beamtenausgleich unter den verschiedensten Behörden. Das Verfahren des österreichischen Abbaus sei wiederholt vereinfacht und den freiwillig Ausscheidenden seien zwei Jahres- vezüge zugesichert worden. (Kostenpunkt?) Die Zahl der Wiener Ministerien wurde von 12 aus 7 verringert — das war die gescheiteste Maßnahme. Bis Ende 1923 sind 70 000 Beamte aus dem österreichischen Staatsbetrieb ausgeschiedcn. Ein großer Erfolg der Regierung Seipel, so schloß die Rede, den man- den Berliner Amtsstellen nur wünschen könne.
Das klang sehr schön. Aber merkwürdig: Ain Tag des Berliner Vortrags war in Wien der große Streik der Post-undTelegravhenbeainten ausgebrochen, und was man von diesem Kriegsschauplatz und der Taktik des Kanzlers Seipel hört, läßt leider weder auf Geschicklichkeit noch auf Erfolg schließen und dürfte mr die reichsdeutschen Verhältnisse kein nachahmenswertes Beispiel abgeben. Die ausständigen Postbeamten haben der Wiener Regierung am Mittwoch abend ein Ultimatum gestellt: Falls ihre Forderungen nicht innerhalb 48 Stunden bewilligt sind, wird der Streik auf weitere Berwaltungszwcige ausgedehnt. Womit vor allem der gefürchtete Eisenbahnerstreik gemeint ist. Tatsächlich haben sich sofort die drei österreichischen Radiostationen dem Streik angeschlossen. Ebenso sind die Führer der Ministerautos in einen Sympathiestreik ein getreten und haben nicht nur dem Bundeskanzler Dr. Seipel, sondern auch dem Völkerhundskommissar Dr. Zimmermann — bekanntlich ein Holländer — die Führung von Kraftwagen versagt. Gegen Dr. Zimmermann, dem es „in Oesterreich sehr gut gehe" und der die Staatsangeftellten in Not bringe, richten sich die Hauptangrisse der Berfammlungsredner. Der Geschäftswelt «st der Weihnachtsgewinn verdorben. Der Nachrichtendienst der Presse mußte an di« »mgarisch« Grenze gebracht und von da ms Ausland telephoniert werden. Di« Bankfirmen halfen sich mit einem schnell eingerichteten Luftverkehr. Der Post aber bracht« jeder Streiktag drei Milliarde« Kronen Verlust, genau so viel, als die Regierung für sämtliche 120000 Bundesbeamte an Wechnachtszulagen aus- wersen wollte, während nach dem Wunsch der Streikenden etwa 14 Milliarden nötig wären.
Das merkwürdigste ist nämlich, daß dieser Streik, den außer den Sozialdemokraten auch die großdeutschen und die christlich-sozialen Beamtenverbänd« betreiben, nicht wegen des neuen Besoldungsgesetzes und seiner Gehaltsherabsetzungen, sondern lediglich wegen der Weihnachtszulage ausge- brochen ist. Ferner-ist auffallend, daß die Eisenbahnangestell- ten, denen unverständlicherweise allein die vollen Zugeständnisse gemacht wurden (vielleicht in der Absicht, die Staatsbeamten in zwei Lager zu spalten), trotzdem höchst feindselig mit dem Sympathiestreik drohen.
Hinter dieser Feindseligkeit steckt vermutlich ein großangelegter Widerstand gegen den Beamtenabbau und gegen die von der Wiener Regierung eingeleitete Sparpolitik. Ist
dieser Jnteressenltreik mitten im Gesundungsvrozetz ein leuchtendes Vorbild für das, was nächstens in Reichsdeutschland geschehen soll? Wir glauben kaum. Was gegen den Beamtenstreik als Kampfmittel oorzubringen ist, wurde anläßlich des Lokomotivführer-Aufstands in der deutschen Presse gesaAl Dene Warnungen gelten heute mehr noch als damals. Ms Reichsdeutschen Beamten sind durch die von der Regierung Marx beschlossene Besoldungsresorm gewiß aufs grausamsH enttäuscht. Aber sie werden sich dem Vorgang ihrer öfters reichischen Kollegen hoffentlich nicht anschließen. Solcher Strnt birgt nur die Gefahr neuen Zusammenbruchs. —er.
Reichsrec;;srrmg und Nenten-ank
Wie die Expreß-Korrespondenz erfährt, fanden in der letzten Zeit wieder Verhandlungen zwischen der Reichsregierung und der Rentenbank über die Einführung der Rentenmark im besetzten Gebiet statt. In den Besprechungen vertrat hie Rentenbank den Standpunkt, daß im Interests der Erhaltung des innern Werts der Rentenmark eine Einführung von Rentenmark im besetzten Gebiet so lange nicht erfolgen kann, solange von französischer Seite nicht gewährleistet wird, daß der Umlauf der Renienmark ungestört bleibt und irgendwelche Beschlagnahmen und Zugriffe nicht eintreten. Ferner stellte di« Rentenbcmk die Bedingung, d^ß der Besitz im besetzten Gebiet ebenso zur Stützung der Rentenmark heran- gezogen wird, wie es im unbesetzten Gebiet geschieht. Me Besetzungsbehörden haben dies aber entschieden abgelehnt. Da die Reichsregrerung hierüber keine Gewähr übernehme« kdrmte, verbleibt es dabei, daß die Rentenmark nicht ins besetzte Gebiet abgegeben wird.
Die Reichsregierung hat verschiedentlich den Versuch gemacht, von der Rentenbank höhere Kredite zu erlangen, abs die 900 bzw. 1200 Millionen Goldmark, die gesetzlich f^- -elegt sind. Die Rentenbank hat das Ansinnen jedesmq? «bgelehnt, weil die Kreditüberschreitung nur wieder zu d«t alten schrankenlosen Pumpwirtschaft und damit von selber Meder zu neuer Inflation (Geldentwertung) ohne Grenzen führen würde. Es wurde darauf hingewiesen, daß Reich»- finanzminister Dr. Luther in der Reichstagssitzung vorm 6. Dezember ausdrücklich das bindende Versprechen abgegeben habe, daß die Regierung auch nicht mit der Waffe des neuen Ermächtigungsgesetzes den Versuch wagen werde» die Rentenbcmk noch einmal um Darlehen anzufordern. Rwr auf diese Zusicherung hin ist der Antrag zurückgezogen, dcH die Rentenbank ausdrücklich von den Vormächten des Ermächtigungsgesetzes ausgenommen sein soll.
Neue Nachrichten
Umstellung der Lisenbahnverrvaltung
Berlin, 16. Dez. Im ständigen Ausschuß des Eisenbahn« rats wurde die Tarifpolitik des Reichsverkehrsministerium» und die schlechte Finanzlage der Eisenbahnen ausführlich erörtert. Es- wurde festgestellt, daß die seitherige Betrieb« weise nicht länger beibehalten werden könne. Weiter wurdst eine HerabsetzungderEisenbahngebührenfiul Güter, besonders für Kohlen und Eisen verlangt und die Einführung von Ausnahmegebühren für die Ausfuhr über ds« „trockene" Grenze empfohlen, um die Aussuhrindustrie zu unterstützen. Der Verkehrsminister teilte mit, daß «in Eise« bahnsinanzgesetz in Vorbereitung sei, das die Loslösung des Betriebsverwaltung (auch der Post) vom Reichshaushalt, die feit dem 15. November schon der Form nach vollzogen ist, in finanzieller Hinsicht regelt. Di« Uebertragung der Eisenbahner» an eine Privatgesellschaft unter Beteiligung des Reichs werde m dem Gesetzentwurf abgelehnt.
Auch die Reichsverwaltuntz wird eine finonzpoSs tische Umstellung und Loslösung erfahren. Die Postverwal- tuna plant, die Fernsprechämter mit selsttütigen Apparat«» vollständig auszchftatten, um Personal zu ersparen, und das Kabelnetz in der Weis« auszubauen, daß die Deutsche Kabel- gesellschast zu einer gemeinwirtschastlichen 'mgeseüschafk unter umsangreicher Beteiligung -er 'Psstverwaltung mnge- staltej whd.
Der Personalabbau
Berlin, lg. Dez. Me Reichspostverwaltung wird aus Gründen -er Sparsamkeit demnächst die ZaK der Tele- graphenarbeiter um ein Viertel verringern.
Der Kanter und die Tagesschriftstekler
Berlin, 16. Dez. Me Berliner Presse veranstaltete eine Kundgebung mit dem Leitwort „Schicksalsfragen der deutschen Presse". Reichskanzler Dr. Mar x, der mit vielen andern Reichsbeamten erschienen war, hielt eine Ansprache und drückte vor allem der Presse des besetzten Gebiets den .Dank aus; sie habe in schwerer Zeit ihre Aufgabe, die Vaterlandsliebe zu pflegen, voll erfüllt. Me Presse stelle sich in besonderer Weise als die Erzieherin des ganzen Volke dar. Me Durchführung ihrer hohen Aufgaben im nationa len Leben werden allerdings durch die Unsicherheit der soziale.