Allgem. Orts- (Bezirks-) Krankeikaffe Nagold.
Der Vorstand der Kasse unter Zuziehung von Vertretern deS Ausschusses beschäftigte sich gestern mit der finanziellen Lage der Kasse mit dem vertragslosen Zustand zwischen Aerz- ten und Krankenkassen in Württemberg. Während die Kasse bisher schon kaum mehr in der Lage war, ihren Verpflichtungen rechtzeitig nachzukommen, weil die Ausgaben größtenteils zu leisten waren, bevor die Beiträge verfallen und eingezogen waren und weil dar Betriebskapital der Kasse den gegenwärtigen Anforderungen nicht gewachsen ist, werden nunmehr die Finanzen der Kasse noch mehr geschwächt dadurch, daß zufolge einer Verordnung der Reichsregierung die KrankenverstcherungSbeiträge nicht mehr aus dem vollen Wochenlohn, sondern nur noch aus dem tatsächlich bezogenen Verdienst berechnet werden. Da in dm meisten größeren Betrieben Kurzarbeit eingeführt ist, bedeutet die neue Vorschrift eine Verminderung der Einnahmen um mindestens 30—35°/o. Der Kassenvorstand war daher in die Zwangslage versetzt, entweder die Beiträge prozentual zu erhöhen oder die Mehrleistungen (Familienhilfe) abzuschaffen. Mit Rücksicht daraus, daß nun auch die Kassenmttglieder gesetzlich verpflichtet sind, an den Apothekerkosten lO°/o selbst zu tragen und, weil eS den Versicherten bet ihren Löhnen aus Kurzarbeit absolut unmöglich ist, Arzt-, Apotheker- und Kran- kenhauSkosten für erkrankte Familienangehörige zu bezahlen, trat die Mehrheit im Vorstand nach lebhafter Debatte entschieden dafür ein, ab 12. November die Beiträge von 7,5°/o auf 9°/o zu erhöhen (Norzuschlag) und zu versuchen, so lange als irgend möglich die Familienhilfe in dem bisherigen Umfang bcizubehalten. Dabei muß daran erinnert werden, daß die Familienangehörigen eines Versicherten wie bisher die Hälfte der fast unerschwinglichen Apoltzekerkosten aus eigener Tasche zu bezahlen haben. Selbst von denen, die für die Sozialversicherung nicht viel übrig haben, muß zugegeben werden, daß die Abschaffung der Familienhilfe gerade in der heutigen Zeit eine ganz bedeutende Schädigung der allgemeinen Volksgesundheit Hervorrufen würde, weil eS nur noch einem sehr kleinen Teil der Betroffenen möglich wäre, im Krankheitsfall ärztl. Hilfe in Anspruch zu nehmen. — Um die Betriebsmittel der Kaffe nach Möglichkeit zu stärken, wurde oorbehältlich der nachträgl. Zustimmung deS Ausschusses folgende einschneidende SatzungSändeiung beschlossen: Mit Ausnahme der Brbeit- geb-r, welche die Beiträge an dem dem jedesmaligen Lohnzahltag folgenden Tag bei Vermeidung der Aufwertung einzuzahlen haben, sind von sämtl. Arbeitgebern, freiw. Versicherten und unständig Beschäftigten die Beiträge wöchentlich und zwar jeweils am Montag der nächsten Woche an die Kaffe zu entrichten (Bringschuld). Werden die Beiträge nicht etnbezahlt, so werden sie 1 4tägig von der Kaffe etngezogen, jedoch erfolgt die Berechnung tm Hinblick auf die Geldentwertung so, daß die Beiträge für die erste Woche in gleicher Höhe wie für die zweite Woche zu bezahlen sind. — Was da» Verhältnis zu den Aerzten anbelangt, so bedauert eS der Kassenvorstand, daß die beiden Landesverbände über die Honorarfrage keine Einigung erzielen konnten; er bedauert, eS außerordentlich, daß der Aerzteoerein Calw-Nagold das Anerbieten der Kassen Calw Nagold, die Bedingungen des Schiedsspruchs vorbehaltlos anzuerkennen und darnach zu honorieren, anscheinend aus Organisationsgründen ablehnte. Er wurde in der Sitzung mitgeteilt, daß der Vertrag zwischen der Arbeitsgemeinschaft Württ. Kconkenkassenverbände und dem Württ. Aerzteoerband desvalb in die Brüche ging, weil die Vertreter der Kassen den Schiedsspruch nur mit Zusatz umrahmen, daß die Durchführung des Schiedsspruchs den Kossen außerordentliche Schwierigkeiten bereiten werde und baß abzuwarten sei, ob sie zur Zahlung der verlangten Honorare in der Lage sind. Die von den Vertretern der Aerzte gestellten Bedingungen bezügl. der Honorare waren größtenteils an sich nicht unbillig und die meisten Kassen der Landes hätten die Honorare schließlich aufbrtngen können, wenn die Kassen nichr unter der großen Ueberznhl der Kassenpraxis treibenden Aerzte (im Jahr 1914 etwa 700, jetzt annähernd 1200) in außerordentlicher Weise belastet wären. Es hat sich deutlich gezeigt, daß je mehr Aerzte in einem Kassenbezirk tätig sind, um so mächtiger die Ausgaben für ärztl. Behandlung, insbesondere auch für Arzneimittel sich gesteigert haben und daß diejenigen Kassen, in deren Bezirk eine annähernd normale Anzahl von
58) Der Kampf im Speffart.
Erzählung von Levin Schücking.
„Aber was wollen Sie denn eigentlich, daß geschehe?" sagte er dann. „Sie können doch unmöglich begehren, daß man Sie so ohne weiteres und auf das gütige Versprechen hin, daß Sie jene Briefe ausliefern wollen, laufen lasse?"
Wilderich unterbrach ihn, indem er zu dem Tisch im Hintergründe des Raumes, auf welchem sich Schreibmaterialien befanden, schritt und ein Blatt nahm, um hastig einige Worte daraufzuschreiben.
„Was schreiben Sie da?"
Wilderich gab das Blatt an den Kapitän. Dieser las die Worte:
„Geben Sie diese Briefe, welche ich Ihnen anvertraute, an den Ueberbringer dieser Zeilen. Wilderich Buchrodt."
„Nun," fragte der Kapitän, „an wen ist dieser Zettel gerichtet ?" -
„Geben Sie mir die Freiheit, dann gebe ich Ihnen die Adresse. Mein Ehrenwort darauf gegen Ihr Ehrenwort!"
„Gut denn," versetzte Lessaillier, „ich will zum General gehen und ihn entscheiden lassen. Sind Sie damit einverstanden?"
„Völlig! Aber eilen Sie!"
Der Kapitän ging. Nach wenigen Minuten kam er zurück. Auf die Schwelle des Zimmers tretend, winkte er Wilderich zu stch. Dieser trat auf ihn zu.
„Kommen Sie," sagte Lesaillier, „die Adresse, dann können Sie gehen, wohin Sie wollen!"
„Ihr Ehrenwort, daß mich niemand hindern wird?"
„Sie haben es. Stellt sich jedoch heraus, daß die Adresse, die Sie geben, eine falsche ist, daß sie uns hintergehen wollen, so wird man Ihrer schon wieder habhaft werden und Sie ab- führen."
Nachdem Lesaillier diese Antwort gegeben, wandte er sich
Aerzten vorhanden ist (wie z. B. im Nagolder Bezirk), kaum über sine allzugroße Inanspruchnahme der Kaffenmittel für ärztl. Behandlung zu klagen hatten. Diese Tatsachen haben die Reichsregierung neuerdings veranlaßt, den Kassen das Recht einzuräumen, unter gewissen Voraussetzungen nur noch die im Verhältnis zur Zahl der Kassenmitglieder erforderlichen Zahl von Aerzten zuzulassen. ES steht außer allem Zweifel, daß eine Beschränkung der Zahl der Kassenärzte wesentlich dazu beitragen würde, die Leistungsfähigkeit der Kassen zu erhalten, es ist aber ebenso verständlich, daß die Aerzteverbände im Interesse ihrer Mitglieder alles daran setzen werden, um die. Zulassung aller Aerzte zur KafsenproxiS zu erreichen bezw üetzubehalten. Er handelt sich um einen schweren Existenzkampf der Aerzteschaft und das ist in erster Linie der Grund für den Abbruch der Beziehungen zwischen Aerzten u. Krankenkaffen deS Landes. Ueber die Dauer des oertragSlosen Zustandes haben die Versicherten keinen Anspruch mehr auf ärztliche Behandlung ganz auf , Kassenrechnung (Sachleistung), sondern die Kaffe gewährt tm Rahmen der gesetzlichen Vorschriften einen Beitrag zu den Arztkosten (Barleistung), wobei in Ausnahmefällen, insbesondere bet schweren Operationen außerhalb des KrankenhaufeS, bei Entbindungen und SchwangerschaftSbeschwerden entsprechend höhere Beiträge geleistet werden. ES ist aber der Kaffe ganz und gar unmöglich — abgesehen davon, daß sie dazu nicht verpflichtet ist — Honorare nach Goldmark berechnet zu Übernehmen, weil auch die Beiträge der Arbeitgeber und Versicherten nicht nach Goldmark angesetzt werden und weil der Kasse, wie schön zuvor ausgeführt, infolge der Kurzarbeit bedeutende Einnahmen verloren gehen. Im Interesse beider Teile wäre eS gelegen, wenn in Bälde wieder ein Vertrag zustandekommen würde. Es ist aber auch dringend geboten, daß die Versicherten nur in wirklich notwendigen Fällen ärztl. Hilfe bezw. die Mittel der Kaffe beanspruchen, soll die Sozialversicherung überhaupt noch wetterexistieren können. ES muß in allen Teilen bestmögl. gespart werden, auch die Kosten der Verwaltung müssen trotz der immer mehr zunehmenden Arbeiten durch Verminderung der Bsamtenzahl kleiner werden! -b..
Allerlei
Bruderhilfe. Das Postamt 66 in Wien hat den Kollegen vom Postamt 66 in Berlin eine sehr beträchtliche Liebesgabe an Geld und Lebensmitteln gesandt.
Ein Opfer der Zeit. Das altbekannte Familienblatt „Ueber Land und Meer" muß nach 65jährigem Bestehen das Erscheinen einstellen.
Die Not der deutschen Aerzte. Die Aerzte von Jena und verschiedener umliegenden Ortschaften haben sich, wie Thüringer Blätter berichten, an die Gemeinden um Hilfe gewandt. Sie erklären, daß nach Abzug der zur ärztlichen Tätigkeit unentbehrlichen Berufskosten den meisten aus ihren Einnahmen weniger bleibt, als das nackte Leben erfordert.
Aerztchonorac. Der Nervenarzt Dr. Alfred Döblin in Berlin teilt denr B. T. mit, daß ihm von der Allgemeinen Ortsrrankenkasse in Berlin für die Behandlung eines kranken Kriegsbeschädigten durch Postanweisung eine Million Mark zugesandt worden sei. Das macht nach dem Kurs vom 3. November (421 Milliarden der Dollar) einen Tausendstel- Pfennig.
Zeichen der Zeit. In Wildeshausen (Oldenburg) wollten einige Mieter dem Hausbesitzer die mehrere 100 Millionen Mark betragende Miete bringen. Er wies das Geld zurück, da er doch nur einige Schachteln Streichhölzer dafür erhalten könne. So wohnen die Mieter umsonst!
Zulassung von Beamten und Gewerbetreibenden zum llniversitätsstndium. Der preußische Kultusminister hat an- zeordnet, daß Beamte und Personen, die dem Gewerbestand mgehören, zum Universitätsstudium vollberechtigt zugelassen werden können, wenn nachgewiesen ist, daß sie durch Beurlaubung vom Dienst oder durch Befreiung von ihrer beruflichen Tätigkeit über soviel freie Zeit verfügen, daß dis Durchführung eines gründlichen Studiums gesichert ist. Bek Beamten gilt der Nachweis als erbracht, wenn sie durch ihre Dienstbehörde minÄestpns von der halben Dienstzeit befreit ilNb. . .. . ,
' HWker M^dchrkschss PöEt'gi^mchkl Vor einfger ZeitHäk die' französksche'Regierung aus Grund des Vertrags vorr.Ver- sailles.chas besonders wertvolle Meißnevsche Patent zur Erzeugung" elektrischer! Schwingimgen mit Kathodenröhren,, das sich im Eigentum der TelesunkemGesellschaft befindet, enteignet. Nunmehr will auch die Tschechoslowakei das deutsche Eigentum ausheben. — Mit Hilfe dieser Erfindung war es der deutschen Gesellschaft immer gefimgen, die planmäßiAS Ausschließung bei internationalen Wetüxrwerben um große!
Stationsanlagen zu-Mchtreuzeml--^^ ^ „
< Ga ehemaliger französischer SrieMxfangener, der feb^ Nerzeit bei einem Bauern in Troßberg (Bayern) in Arbeit stand,, war nach dem 'Waffenstillstand eilig abgereist „und hatte vergessen,-daß er noch 300 Mark zu erhalten HabHf In Frankreich rechnet,man aber jetzt augenscheinlich mit der» baldigen Zusammenbruch Deutschlands, -. denn der MariÄ schrieb dieser Tage an den Bauern, er solle ihm schleuniW brieflich die 300 -K in Reichsbanknoten schicken. SiL^siM ihm vergönnt. __!___—__!_I— ,
Spende. Das Versandhaus Sears, RoAm'ck"ü7'Co."rrr Chicago hat für die deutsche Not 100 000 Dollar (63 Billionen Mark) gespendet.
Abstürze. Bei einer Kletkerpäriie auf den Pieperkopf in Len Oberstdorfer Bergen ist der Reichswehroberjäger Heupel von Leim tiDlich abgestürzt. — Bei einer Tour am Toten- kirchl ist der 15jährige Oberrealschüler Ernst Wolfgang Lander aus München, der die Tour allein mH ohne Führer unternommen hatte, tödlich abgestürzt, st ^
Ein elfjähriges Mädchen von einent Gänserich getökcb! Wie von der bayerischen Grenze geschrieben wird, trug sich in dem oberfränkischen Orte Niederricht ein ganz eigentümlicher Unglücksfall zu- Das elfjährige Töchterchen der Kriegerwitwe Anna Pickl trug Gänse zum Rupfen herbei. Ein kräftiger Gänserich bekam einen Flügel frei und schlug damit das Mädchen mit solcher Wucht oberhalb des Nasenbeines zwischen die Augen, daß es sofort zusammenbrach. Es stellte sich eine heftige Blutung ein. Das Kind lief ins Haus, berichtete über den Borsall, wurde dann aber bewußtlos und starb nach kurzer Zeit.
Meder ein Opfer des Iahkemvahnsinns. Ein Kaufmann, der die Lohnbuchhaltung in einem Fabrikbetrieb zu führe« hatte, hat sich erdolcht. Nervenüberreizthsit durch heutige Zahlenwirtschaft hat ihn zu der Tat getrieben.
Devisenschieber. In der Wohnung des polnischen Händlers Chaim Ringel, der im Jahr 1919 in Berlin zugezoge» war, wurde eine förmliche Devisenbörse entdeckt. Ausländische Zahlungsmittel im Betrag von etwa 10 000 Dollar sowie ein großer Korb mit über 216 Zentner Reichsbanknoten wurden beschlagnahmt und die ganze Familie verhaftet.
Seltsamer Selbstmord. In Landshut hat sich der vom Dienst suspendierte Friedhofsauffeher aus Aerger über seine Entlassung in einen Sarg gelegt und erschossen.
Eine MMon Lire verbrannt. In Genua hat ein junger Kassenbeamter einer Bank 1 MMon Lire verbrannt, um sich öafür zu rächen, daß ihm eine Gehaltserhöhung abgeschlagM worden war.
Zusammenbruch eines großen Londoner Warenhauses,
klus London wird berichtet: Im Jahr 1917 wurde in üeiv Dxforü-Straße ein großes Warenhaus errichtet, das rppiger Einrichtung selbst in London nicht seinesgleichen! hatte. Drei Jahre lang gehörten Maxsons Magazine zu de« bekanntesten Modepalästen Londons. Plötzlich begann jedoch das Riesenunternehmen zu schwanken und eines Tags way es bankrott. Der Eigentümer, ein Pole namens Mandel- witsch, der sich aber Maxson nannte, war spurlos verschwurt»! den. Seine prächtig eingerichtete Wohnung, einige Luxus« autos usw- wurden von den Gläubigern beschlagnahmt. Wogen Betrugs und Erwerbs einer Riesenmenge von Ware« unter falschen Vorspiegelungen wurde Mandelwitsch steck« brieflich verfolgt. In Amerika, Indien Singapore und China entdeckte man seine Spur, aber die Polizei kam immer zu spät. In voriger Woche wurde er endlich nach dreijähriger Jagd in Paris verhaftet. Er wird nach London ausgeliefert. ^
durch die offene Tür zum Flur zurück und sagte zu den zwei Soldaten welche als Posten sich davor aufgestellt hatten: „Ihr könnt gehen, Leute, der Mann hier ist frei."
„Also die Adresse!" wandte er sich dann an Wilderich zurück.
„Uebergeben Sie den Zettel an Fräulein Venedicte Vollrath!" antwortete Wilderich.
„Die Briefe sind in ihren Händen?"
„So ist es, Herr Kapitän. Und nun auf Wiedersehen!"
Wilderich grüßte leicht und schritt davon. Der Kapitän eilte mit seinem Zettel zum General hinauf, den er umdrängt von Menschen und Geschäften oben in seinem Zimmer und wie einen zornigen Löwen dazwischen auf- und abrennend fand.
Dreizehntes Kapitel.
Eine Viertelstunde später hatte Wilderich mit Hilfe des ehrlichen Sachsenhäusers seinen Braunen aus dem Stalle im Grauen Falken gezogen und saß im Sattel, um heimwärts in seinen Spessart zu reiten. Hatte der arme Klepper bei dem Herritt sich scharf zusammennehmen mästen, so war es jetzt bei der Rückkehr zehnmal ärger. Die Wege waren durch den Marsch so vieler Truppenkolonnen, Geschütze, Proviant- und Munitionswagen und was alles sich mit einer Armee dahinwälzt, in einen fürchterlichen Zustand geraten. Nur gut, daß die Straße von diesen Zügen selbst freier war als am gestrigen Tage und am Morgen, der weitaus größere Teil dessen, was von der Sambre- und Maasarmee durch den Spessart gezogen, war rechtsab in die Wetterau marschiert oder hatte seinen nächste« Bestimmungsort, Frankfurt, erreicht. Nur noch di» Marodeurs und Nachzügler begegneten Wilderich, der in gestrecktem Lauf, ohne sich viel um sie zu kümmern, meist mitten durch ihre Haufen hindurchtrabte. So erreichte er Hanau am tiefen Abend; er ließ dem Pferde in Wein getränktes Brot geben, und es trug ichn weiier, unermüdlich, bis in die tiefe Nacht hinein,
bis nach Aschasfenburg. Hier aber drohte es zusamm'enM- brechen. Wilderich mußte sich entschließen, abzusteigen und es über holperiges Pflaster am Zügel durch ein paar Straßen zs führen, bis er ein Wirtshaus entdeckte, vor dessen noch geöffi netem Einfahrtstor eine Laterne brannte. Da fand es StcüH Streu und Rast. Wilderich aber fühlte, daß an Rast und Ruh? für ihn nicht zu denken sei; er ging, nachdem er gesehen, wich sein Tier von einem verschlafenen Hausknecht versorgt wordene in das große gewölbte Gastzimmer neben dem Eingangsflur! d»s Hauses.
Es war still und menschenleer, das weite Gastzimmer zunt Goldenen Faß in der Schmiedstrcße zu Aschaffenburg. Auf der Bank am Kachelofen lag ein halbwüchsiger Junge, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, den Kopf auf die Brust gesenkt; er war nach des Tages Last und Mühen selig entschlafen. Nur ein verspäteter Gast war noch da; ein starker Mann mit einem dreieckigen Hut auf dem vollen, runden und stark blatternarbigen Gesicht, in dem die kleinen Augen fast ganz verschwanden, saß am Ende des langen Raumes, die Leiden Ellbogen auU den Tisch vor sich stemnnrch und nachdenklich jn Mn Kalbge-' leertes Vierglas blickend.
Sr erhob den Köpf, als Wilderich eintrak, schob den -reiH eckigen Hut leise mehr aus den Hinterkopf zurück, als ob ers so den Fremdling besser beobachten könne, und folgte ihm mik seinen blinzenden Blicken, während dieser den schlafenden Burschen aufrüttelt« und ihm auftrug, Wein und Brot zu holen.
Wilderich letzte sich dann in einiger Entfernung von dem anderen Gaste a« den Tisch.
Dieser nickte ihm freundlich zu.
„Nix deutsch?" fragte er lächelnd.
„Ich spreche deutsch!" antworrete Wilderich.
(Fortsetzung folgt.)