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Nr. 227

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Freitag de» 28. September 1S2S

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Tagesspiegel

Der Reichskanzler empfing die Berliner Vertreter de, ÄL vandsmächke. um mit ihnen im Anschluß an die Linstel- lung des passiven Widerstands über die innerpolitische Lag« des Reichs zu sprechen.

Poincare wird bei der Eröffnung des Generalrcrks der Mcas-epartemenk in Bar-le-Duc eine politische Rede Hollen.

Der Papst hat den Besuch des französischen Generals Lastelnau empfangen.

Die neue Regierung in Spanien hat Me Geschworenen- gerichle aufgehoben, da sie bestechlich gewesen seien.

Der Ansfchuh der amerikanischen Bankenvereinlgung er­klärte sich dagegen, daß die Regierung der Vereinigen Staa­ten sich von den europ äischen Angel egenheiten kern hockt»».

Bekanntmachung des WehrkreiskommandanLen

Uebertragung der vollziehenden Gewalt aus den militärischen Befehlshaber

Auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten hat -er Reichswehrminisler die vollziehende Gewalt im Wehrkreis 5 IHessen-Tlassau, Reg Dez. Erfurt, Hohenzollern, Württem­berg, Baden, Hessen, Thüringen und Waldeck) dem General­leutnant Reinhardt für den Bezirk dieses Wehrkreises über­kragen.

Hiezu bestimme ich:

1. Sämtliche Behörden bleibe« in ihrer Tätigkeit. Der Gang der Verwaltung bleibt unverändert.

2. Von der Bevölkerung erwarte ich, daß sie den etwa er- sorderlich werdenden Anordnungen unbedingt Folge leiste!; jeden Versuch, die öffentliche Ordnung und Ruhe zu stören, werde ich unterdrücken. .

Der militärische Befehlshaber: gez. Reinhardt, Generalleutnant, Befehlshaber im Wehrkreis 7 und Kommandeur der 5. Division.

Familienleben und WertbeständigLeit.

Inflation, Stabilisierung der Mark, Goldwährung, Rog­gensteuer, wertbeständige Löhne. Währungsverfall, Erfassung der Sachwerte, mit unbarmherziger Wucht Drängen sich solche Worte und Vorstellungen in unsere Gedanken hinein und er­füllen gerade die Frauen, die sich in diesen Begriffsbezirken heimatfremd fühlen, mit Grauen, und Entsetzen.

Was heißt es für zahllose Familienmütter, wenn dis Zeitung ihnen die Kunde bringt, daß die Milch plötzlich 6 200 000, die Butter 60 Millionen, das Einhertsbrot 8 Mil­lionen Mark kostet? Da das Einkommen des Mannes diesen Wettlauf mit dem Dollar" nicht mitmacht, wird die Milch­ration gekürzt der Butterpreis interessiert nur noch kleine Kreise unserer Bevölkerung der Brotverbrauch muß ganz erheblich eingeschränkt werden. Aber der Ehemann muß seine Mahlzeiten haben, die Kinder brauchen nicht nur Gerichte, sondern auch Nährwerte. Es beginnt das immer neue Rech­nen, wie das Mindestmaß von Lebensmitteln mit dem zur Verfügung stehenden Gelde zu beschaffen ist. Jeder Gang Mm Metzger, zum Kaufmann, zum Gemüsestand wird zur 2ual, und dieser Leidensweg muß an jedem Morgen von neuem angeireten werden. Wenn glücklich eingekauft ist, was sür den Tag reicht, dann geht im Hause das ängstliche Spähen «n, daß die Gasflamme auch ja nicht Heller brennt, als unbe­dingt erforderlich ist, daß das elektrische Licht nur angedrehl wird, wenn es sich nicht vermeiden läßt.

Sparsamkeit ist an sich gewiß nichts Beklagenswertes, aber die Art von Sparenmüssen, die uns durch die Zahlenentwicklung der letzten Monate auferlegt ist, macht kleinlich, vergrämt, verängstigt. Durch die Träume geht das Sorgen, wie lange die Stiefelsohlen der Kinder noch halten und was das nächste Besohlen kosten wird, geht das lieber- lagen, wie das Winterzeug für die Kinder beschafft werden kann, woher das Geld für die Kohlen und Briketts kommen soll. Nein, das stolze HuttenwortEs ist eine Lust zu leben" Hot sich r»cchrüch für unzählige deutsche Menschen verkehr* w das ohnmächtige EmpfindenEs ist eine Last zu leben."

. Das gilt gar nicht nur für die Familien mit sehr be­schrankten Mitteln. Es trifft auch auf benschen mit einem Mtentsprechenden Einkommen zu. Welche Unruhe trägt allein °>evorteilhafteste Anlage" des Geldes ins Haus! Bringi

Hausherr eine größere Gehaltssumme einmal nach Hause, uann gehts sofort in die verschiedenen Geschäfte, um Vorräte awzukaufen. Zuerst wird die Speisekammer bedacht, dann "'a Bekleidung, und in der Angst, daß die nächste Dollar- antwicklung die einzelnen Gegenstände unerschwinglich macht,

wird manches erstanden, was nicht unbedingt erforderlich ist. Oder es werden, weil man ihrer Wertbeständtgkeit traut, nutzlose Dinge gekauft, nur um das Geld vor der Entwertung zu retten. Ein paar Tage dauert zumeist die Freude über den Besitz, dann setzen kritische Erwägungen ein, die sich ver­stärken, wenn das Bargeld durch die ersten großen Ausgaben knapp wird. Nun hebt das Wehklagen an um die unvernünf­tige Einteilung und das Sorgen um das Beschaffen der Mittel, die bis zum nächsten Gehaltsempsang wenigstens die tägliche Ernährung sichern. Alle diese Gefühlswirren trägi am tiefsten die Frau, und was ihr Gemüt bewegt, was ihre Gedanken beschäftigt, strömt auf die Familie über, wirkt sich in der Erziehung und in dem Beispiel aus.

Wir haben in unseren Schulen nicht nur körperlich, wir haben auch geistig unterernährte Kinder. Die Schule allein kann nicht die ganze für das geistige und seelische Wachstum erforderliche Kost verabreichen. Das Haus muh helfen. Wenn aber dis tägliche Unterhaltung Preisklagen ausmachen, wenn die Kinder nur von den Gegenwartssorgen, aber nichts mehr von den unverlierbaren Gütern unserer Geistesschätzs und unserer Naturschönheiten hören, dann verkümmert etwas in Seele und Gemüt, was nie mehr zum Leben erweckt werden kann, weil der Wachstumsboden unfruchtbar geworden ist.

In den ständigen Sorgen um das Gegenwärtige vergessen wir das Zukünftige. Wir denken auch nicht daran, daß die geistige Spannkraft der Hausmutter ebenso wichtig ist wie ihre körperliche Leistungsfähigkeit.

Es wird sich niemand der Täuschung hingeben, daß eine Markfestigung einen nachdrücklichen Preissturz bringt, oder daß wir gar zu Friedenspreisen zurückkehren werden. Frie­densverhältnisse, wie sie in unserer ausschmückenden Erinner­ung leben, blühen uns und dem nachkommenden Geschlecht nicht mehr. Aber es wäre schon unendlich viel gewonnen, wenn ein gewisses Gleichmaß der Preise uns von der Unrast der Zahlenangst erlösen würde. Wenn wir uns nicht mehr bei jeder neuen Verteuerung in eine zunehmende Verbitterung hineinsorgten.

Entbehrungen und persönliche Einschränkungen scheuen die Frauen nicht die heute noch sich berechtigt halten, eine üppige Lebensführung in Selbstgenügsamkeit und oberfläch­licher Genußsucht zu führen, scheiden aus jeder ernsthaften Betrachtung aus sie haben es in den Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit zur wahren Künstlerschaft gebracht in der Anpassung an immer neue Verhältnisse, in der Ein­stellung aus immer neue Voraussetzungen. Was aber für viele untragbar geworden ist, das ist die Papiergeld- Sintflut, die alles ruhige Ueberlegen überschwemmt, alle Deiche des klaren Bedenkens durchbricht. Wir müssen wieder Münzen haben, die nicht aus dem Weg vom Hause bis zum nächsten Laden an Wert einbüßen, wir wollen nicht mehr vor jedem Morgen zittern, weil jeder Morgen unerschwing­liche Preise bringt. Wir brauchen nicht nur um der Wirt­schaft, sondern vor allem um der Menschen willen die Wcrt- beftändiqkeit unseres Gelds. Gewiß kann sie allein uns nicht wieder Ruhe, Ordnung und Frieden im Innern, Achtung und Gleichberechtigung nach außen bringen. Aber die Vor­bedingung liegt darin.

Wenn das Hort Wahrheit werden soll, daß 5er Staat die erweiterte Füllte ist, dann muß der Gesimdungsprozetz auch bei der Familie beginnen. In das Familienleben muß wieder inner« und äußer« Ruhe durch ein richtiges Ver­hältnis zwischen EinnahiMi und Ausgaben gebracht werden, immer gesehen unter dem Gesichtspunkt der weitestgehenden Rechnungtragung unserer finanziellen und politischen Ab­lage. Opfern soll jeder, und das Entbehren muß zur selbst­verständlich»« Bürgertugend werden. Aber Opfer und Ent­behrung müssen wieder einen Sinn haben, sie dürfen nicht mehr hineingerissen werden in den Zahlentanmel der Devisen­spekulation und den Billionenehrgeiz der Geldscheinsabri- kation. F. R.

Diktatur in Bayern

Einsetzung v. Kahrs als Generalslaatskommlssar

München, 27. Sept. Der Ministerrat hat gestern nach­mittag beschlossen, die vollziehende Staatsgewalt einem G e - neralstaatskommissar zu übertragen und in dieses Amt den früheren Ministerpräsidenten, jetzigen Präsidenten von Oberbayern, Herrn v. Kahr, zu berufen. Durch Ver­ordnung des Reichspräsidenten sind verschiedene Artikel der Reichsverfassung, die die Freiheit der Person, der Versamm­lungen, der Presse usw. betreffen, aufgehoben, und auch für Bayern werden die entsprechenden Bestimmungen der Lan­desverfassung zeitweilig außer Kraft gesetzt. Die Behörden üben ihr: Tätigkeit weiter aus, haben aber den Anordnungen des Staatskommissars Folge zu leisten, mit Ausnahme üer Gerichtsbehörden. Der Kommissar ist berechtigt, Amtshand­lungen jeder Art vorzunehmen, P.eck.lsmiiiel leine An­ordnungen sind ausgeschlossen, auch kann er Schutzhaft, Aufenthaltsbeschränkung usw. verfügen.

Bekanntmachung v. Kahrs

Eeneralstaatskommissar v. Kahr erläßt folgende Bekanni- macbuna:

verbreitetste Zeitung i» Oberamtsbezirk. Ar>« zeigen find daher von bestem Erfolg.

»ar I«l°s. Auftrag« «trd t,t- a«:Iei »rwähr SbiNl««»n>< »» wir« leine «ewShr »ask» rb«m»«men, «ot Anzeige« ««er Reklame» tu d,st!»u»t«» Xuegabei: »der au der ge­wünschte» Stell» erschein» Au Füll» »»» höherer i>alt besteht lei» Anspruch a> f Siescrune »er Zeitung »der a> f »Unzahl«», d.»k>ug»pr»tt«-.

Te'egramm-Adresie:

Gesellschafter Nagold.

Postscheckkonto: Stuttgart 8113.

97. Jahrgang

,Än" ernster Stunde übernehme ich, meiner vaterländi­schen Pflicht folgend, das Amt des Generalstaatskommissars für Bayern. Meine Amtshandlungen werden getragen seist von heißer Liebe zur bayerischen Heimta, zum deutschest Wolke und zum großen deutschen Vaterland. Ich will mich dabei stützen aus alle Kreise, die deutschen Stammes sind und für ihr Vaterland, gleich mir, eintreten wollen gegen alle vaterlandsfeindlichen Handlungen und gegen Widerstand gegen meine Anordnungen, gegen die ich mit meinen Macht­mitteln rücksichtslos vorgehen werde."

Der Bericht knillings

München. 27. Sept. Im gestrigen Ministerrat berichtete Ministerpräsident von Knill ing über die Verhandlungen der Ministerpräsidenten in Berlin. Er (Knilling) habe ganz bestimmte Forderungen zur Bedingung gemacht und erklärt, daß er sich auf den Willen der bayerischen Regierung, der Koalitionsparteien und der großen Mehrheit des bayeri­schen Volks stützen könne. Die Einstellung des passiven Wider­stands solle als innere Angelegenheit des Reichs betrachtet und dem Verband nicht amtlich mitgeteilt werden. Es sollte die Bedingung gestellt werden, daß die Eingekerkerten frei- gegeben und die Ausgewiesenen zurückgerufen werden. Als beide Forderungen von den übrigen Ministerpräsidenten abgelehnt worden seien, habeer gefordert, daß mit der Kapitulation wenigstens nicht die Erklärung verbunden werde, daß die Reichsregierung zu weitere« Verhandlungen mit Frankreich bereit sei. Auch diese Forderung wurde ab­gelehnt.

Die Betriebsräte Münchens beschlossen die Einberufung von Betriebsrats-Vertretern aus ganz Bayern. DieMünch. Post" berichtet, der völkische VerbandOberland" habe aus Freitag früh 4 Uhr einenAppell" in München angeordnet. Fürst Karl Wrede erläßt imVölkische« Beobachter" einen Ausruf an alle ehemaligen Kavalleristen, in Sturmreitrrab- teilungen sich zu melden.

Erklärung der bayerischen Industrie

München, 27. Sept. Ein Aufruf des Vorstands des bayerischen Industriellen-Verbands besagt die Vorgänge bezüglich des Ruhrgsbiets haben das Unglück des deutschen Bolks gesteigert. Die bayerische Industrie be­tone in dieser Stunde die Treue zum Reich und ihre Opfer- willigkeit. Aber alle Opfer seien zwecklos, solange nicht die Grundursachen des deutschen Wirtschaftselends beseitigt wer­den, vor allem der achtstündige Arbeitstag, der Mangel au Sparsamkeit in der Staats- und Gemeindeverwaltung und im privaten Leben, die zu große Veamtenzahl, die Ueberzahl -von Gesetzen und die überspannte Sozialgesetzgebung.

Die Errichtung der Diktatur ist in Bayern mit Ruhe oder Befriedigung ausgenommen worden. Man atmet auf, daß die Regierung einen entschiedenen Schritt unternommen hat, um die Ordnung im Lande zu sichern.

Ausnahmeverordnung des Reichs­präsidenten

In der Nacht zum 27. September wurde eine Verordnung des Reichspräsidenten veröffentlicht, die auf Grund des Art. 48 Abs. 2 der Reichsverfassung zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für alle Reichsgebiete bestimmt, daß die Artikel 114, 115, 117, 118, 129 rmd 153 der Reichsverfassung bis aus weiteres außer Kraft gesetzt werden. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Frei­heit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammilungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post». Telegraphen- und Fernsprech- geheinmis, sowie die Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig. Die vollziehende Gewalt geht auf den Reichswehr- minister über, der sie auch MMärbefehlshabern übertragen kann. Im Einvernehmen mit dem Rsichswehrminister des Innern bann der ReichswehrmtnMer zur Mitwirkung bei der Ausübung der vollziehenden Gewalt aus dem Gebiets der Zivilverwaltung Regierungskommissare ernennen. Für Jnwidevhcmdlimgen gegen die im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenen Anordnungen des Reichswehrministers oder des MWarbefchlshMers werden schwere Freiheit»- und Geldstrafe» angedroht. Wenn die Zuwiderhandlungen den Tod eines Menschen verursachen, wird der Täter mit dem Tode, bei mildernden Umständen mit Zuchthaus nicht untes zwei Jahren bestraft. Die im Strafgesetzbuch mit lebensläng­lichem Zuchthaus bedrohten Verbrechen werden mit dom Tods bestraft, wenn sie nach der Verkündigung der Verordnung begangen sind. Auf Ansuchen des Inhabers der vollziehenden Gewalt sind durch den Reichsjustszminister außerordentliche Gerichte zu bilden. Die Verordnung tritt mit ihrer Vertun* digung in Kraft.

Versammlungsverbot

München, 27. Sept. Der Siaatskomm'ssar v. Kahr hat di: sür heute abend ungesagten 14 Versammlungen der Na­tionalsozialisten verboten. Auch die von anderen Parteien beabsichtigten Perja,>»nlur'gen dürfen nicht abgehalten werden.