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Amt!

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Nr. 202

Donnerstag» den 30 August L928

Tagesspiegel

Zur Festlegung gemeinsamer Richtlinien für Lobnver- Handlungen soll aus Vertretern der Arbeitgeber und Arbeit­nehmer ein engerer lohnpolitischer Ausschuß unter Mt- Wirkung des Rcickswirtfchasisrats gebildet werden, der ins- besondere Wege für die Angleichung des Reallohns an die gegenwärtigen Verhältnisse suchen soll.

Rach dem Pariser Fachblatt der französischen Industriellen «Zournee Industrielle" sind in der Zeit vom 11. bis 20. Auq. aus dem Ruhraebiet nach Frankreich und Luxemburg 34 566 Tonnen kohlen. 67 266 Tonnen Koks und 606 Tonnen Braunkohlen, zusammen 162 366 Tonnen, abgeführt worden.

Die englische Admiralität wird eine neue Verkeilnna der britischen Kriegsflotte vornehmen in der Weise, daß Groß, britannien wieder, wie vor dem Krieg, die stärkste Kriegs­flotte >m Mittelmeer unterhalten wird. Einige Wockien vor Kriegsausbruch ist bekanntlich der größte Teil der briti­schen Mttelmeerflotte zur Bedrohung DeulMand in die eng­lischen kriegshüfen berufen worden.

Rach einer Havasmeldung aus Athen sollen 36 italieni­sche Mitglieder einer Grenzfestsetzungskommission an der albanisch-griechischen Grenze auf griechischem Boden in einen Hinterhalt gefallen und ermordet worden sein.

Der Schieber und die Notverordnung

Ein Loch im Netz

Was ein Schieber ist, weiß jedermann. Es ist jene zeit­gemäße Wirischaftsexisienz, die durch den Ruin der Währung und durch die Verarmung von Millionen Menschen reich geworden ist. Als er noch .Kriegsgewinn­ler" hieß, suchte ihm die Steuerpolitik das erraffte Ver­mögen durch Wertzuwachssteuer, progressive Einkommen­steuer, Kapitalfluchtgeseh usw. wieder abzujagen. Aber sehr vergeblich. Neureich zog sich in seine geschmacklos, aber üppig ausgestaktete Behausung zurück, hielt sich Telephon rurd Auto oder auch zwei, und raffte weiter. Sein wachsen­des Vermögen legte Herr Raffke diese Bezeichnung ist durch ein Preisausschreiben berühmt geworden entweder in Maren an, die er nicht zu versteuern brauchte, oder in Devisen, die er verschweigen konnte.

Als man in der vorigen Woche daranging, den Zusam­menbruch von Staat, Wirtschaft und Volk in letzter Stunde durch außerordentliche Steuergesehe zu verhüten, war Ge­legenheit gegeben, das Drückeberger-Heer der Schieber an ihre tiefe Schuld gegenüber dem Vaterland, soweit sie Deutsche sind oder vom deutschen Elend leben, zu erinnern. Es ist wieder nicht geschehen! Meder das neue Sleuerge- seh noch die Devisenverordnung des Finanzministers Hil- ferding wendet sich an die Schieber. Die Rhein-Ruhrab­gabe? Sie knüpft an die Vorauszahlung der Einkom­mensteuer an. Der Schieber hat sein Einkommen nie richtig angegeben und man kommt ihm niemals auf die Schliche. Die Besteuerung der Betriebe? Der Schieber hat keinen Betrieb. Er macht höchstens Betrieb. Die Landwirkschaftssteuer? Was hat der Schieber mit der Landwirtschaft zu tun? Rur, soweit er vielleicht da und dort eine Ernte aufkauft und sie zurückhält oder im Ketten­handel verschiebt. Diese Steuer aus der hungernden Stadkbevölkerung streicht er ganz allein ein. Endlich die Automobilsteuer. Sie tut ihm nicht weh. Meist hat er schon bei dem bisherigen Steuersatz einen Trick gefunden, um wenig oder nichts zu bezahlen.

Geradezu ins Fäustchen aber lacht sich der Schieber an- pesichts der Devisenabgabe. Mit seiner auf das Wesentliche dieser bitteren Zeit gerichteten Intelligenz hat er längst heraus, daß die Notverordnung sich auf diejenigen Steuerzahler beschränkt, die zur Zwangsanleihe veranlagt md und die sog. Brokabgabe leisten müssen. Nur bei die­sen Steuerzahlern vermutet der Staat Devisenbesih. Das u>ar steuertechnisch die praktische Lösung der eiligen Auf­gabe. Aber gerade durch dieses Loch im Netz schlüpft hohn­lachend der Schieber. Er ist nicht oder doch nur ganz ge- ^lug zur Zwangsanleihe veranlagt, weil er sein wirkliches oermögen verschwiegen hak. Er wird also nicht nach Devi­sen befragt. Er kommt nicht zum Eid. Aber gerade er ist der große Devisen-Hamster. Er hat die fremden Bank­noten in heimlichen Sofas oder zwischen den Blättern sei­ner ledergebundenen, goldschnittverzierten Bibliothek. Wo­oer er die Edelvaluken hat? Nicht von der Bank, dort uonnte er sie jedenfalls seit einiger Zeit nicht mehr kaufen, voudern aus ganz privaten Quellen, von den Angehörigen °er Frcmdenindustrie, von Kellnern, Hotelportiers, Friseu- dsn, Pensionsinhaberinnen, von kleinen Leuten, die auch

buchen Hamstern und spekulieren wollen, dann aber pwMich wieder deutsches Geld brauchen, weil die Teuerung beigt. Die Kleinen werden gefressen. Der Schieber in heißt er immer noch Haifisch hält ans.

Wie kommt man nun dem Schieber bei? Wie Holk man °us ihm die Devisen heraus? Wie stopft man die Lücke im ^sth? Antwort: Durch schärfere Beobachtung des wilden vrmsenverkehrs, durch Ueberwachung der Devisenklassen

und der schwarzen Börsen vor den Wechselstuben, welch letztere ja heute in den Straßen der Großstädte so häufig zu finden sind, auch durch gelegentliche Polizeijagden in den Luxusgaststätten, wo man sich nicht langweilt und wo neuer­dings fast nur noch Schieber zu treffen sind, endlich Aus­dehnung der Eidespflicht auf alle Banksafesinhaber und solche Personen, bei denen man Devisenbesih vermuten kann. Polen, ein Emporkömmling-Staat, dem man nicht viel Weisheit und Erfahrung zutraute, hak mit seinem Feldzug gegen die Schieber guten Erfolg erzielt. Sollte das in Deutschland nicht möglich sein?er.

Lom Nuhrkrie^

Neuer Mord

Mavkenstein, 29. August. Das 10jährige Mädchen Pieper, das in Flensburg zur Erholung gewesen war und zu ihren Eltern in Ecken-Echwick-zurückkehren wollte, wurde von einem französischen Posten ermordet. Auch dieser Mörderfranzose war offenbar .geistesgestört."

Belgische Mordbrenner

Brüssel, 29. August. Die Antwerpener Ortsgruppe '.er belgischen Vereinigung hat die deutsche Gesandtschaft in Brüssel brieflich benachrichtigt, daß auf jedenverbrecheri­schen Anschlag" der Deutschen im besetzten Gebiet die Orts­gruppe Kommandos aussenden werde, um in Deulschland zur Vergeltung Häuser in Brand zu stecken. Auf die Beschwerde des deutschen Geschäftsträgers hat das bel- g'sche Justizministerium die Bande vernehmen lassen. Sic gaben die Absendung des Briefs zu und erklärten, daß sie ih.- Vorhaben unter allen Umständen ausführen rnerdr-i

Ruhr und Typhus

Duisburg. 29. August. Unter den 'Arbeitern der Fricd- rich-Albrecht-Hütte'ist die Ruhr ausgebrochen. 15 Kranke wurden ins Hospital eingeliefert. Aus verschiedenen ande­ren Orten werden Typhuserkrankungen gemeldet.

Skandhafke Belegschaft

Dsrkmund, 29. August. Die Franzosen haben der Be­legschaft der beschlagnahmten Kokerei Dorstfeld das Angebot gemacht, es sollen jedem Arbeiter die Lebensrnit­tel für sich und seine Familie täglich geliefert werden, wenn die Arbeit wieder ausgenommen würde. Die Belegschaft hat das Angebot einstimmig abgeiehnk.

In Kamen; veranstalteken die Arbeiter drohende Kundgebungen vor den Wohnungen derjenigen Familien, die sich zur Aufnahme von Ruhrkindern bereit erklärt hat­ten. Sie wurden gezwungen, ihre Zusagen zurückzunehmen.

Ein deutscher General zum Tod verurteilt

Varls. 29. August. Das Kriegsgericht in Nancy hat den Generalmajor Otto von Jäger, Kommandeur der 9. bayerischen Jnfanteriebrigade,wegen Brandstiftung, Ban­denplünderung und Gewalttätigkeit" in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Die französische Regierung braucht immer wieder Mittel, um das Volk in der gewünschten Stimmung gegen Deutschland zu erhalten.

Das belgische Militärgericht in Aachen soll sich im Ein­vernehmen mit dem Chef des belgischen Generalstabs für die Umwandlung der Todesstrafe in Freiheitsstrafe bezüglich der deutschen Schutzpolizisten ausgesprochen haben, die we­gen angeblicher Ermordung des belgischen Leutnants Grass zum Tod verurteilt worden waren.

Kapitulation?

Berlin, 29. August. DerVorwärts" verbreitet einen Bericht, den der Sekretär der sozialistischen Arbeitsinternatio­nale in London, Thom Shaw, nach einem Besuch im Ruhr­gebiet seiner Partei gemacht hat. In dem Bericht wird, nach demVorwärts", die Stellungnahme der frei gewerkschaft­lichen und Parteivertrauensmänner des Ruhrgebiets folgen­dermaßen zusammengefaßt: 1. Keine Regelung ist annehm­bar, die nicht denArbeitern die Freiheit gibt, die sie auch unter der französischen Besetzung verlangen. 2. Keine Re­gelung ist annehmbar, ohne daß die ausgewiesenen und ein- gekerkerten Arbeiter nach Hause zurückkehren können. 3. Die gegenwärtige Unsicherheit, die es ermöglicht, daß der Arbeiter auf plötzlichen Befehl von einem Augenblick zum andern ausgewiesen werden kann, muß aufhören. Was die Summe der Entschädigungszahlungen anlange, so bedeu, ten für die Arbeiter im Ruhrgebiet einige Millionen Goldmark nicht allzuviel. Sie verlangen, daß die Gütererzeu­gung und Verteilung in deutschen Händen bleibe und daß nicht französische und belgische Bajonette die Leute zur Arbeit zwingen. Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, wären die Arbeiter an der Ruhr bereit, den passiven Widerstand sofort aufzugeben.

DerVorwärts" sagt dazu, diese Bedingungen der Ruhr­arbeiter verdienen die eingehendste Beachtung, denn sie wei­sen den Weg, die europäische Politik aus der Sackgasse zu befreien.

Verbreitetste Zeitung tm OberamtSbezirk. An­zeigen find daher von bestem Erfolg.

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Aerntznecher Ro.

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97. Jahrgang

Französische Urteile

Düsseldorf, 29. August. Das französische Polizeigericht verurteilte 43 Deutsche zu 58 Millionen Mark Geldstrafe, weil sie in Düsseldorf nach 11 Uhr abends auf der Straße betroffen wurden. Zwei Kaufleute wurden zu 5 bezw. 20 Goldmark verurteilt, weil sie in ihren Geschäften die Waren­preise nicht ausgehängt hatten.

Durch eine Verordnung des Generals Degoutte ist es den Deutschen bei schwerer Strafe verboten, je i Kilometer vor oder hinter den Zollwachen bei Remscheid zu verkehren oder sich aufzuhalten, soweit sie nicht an dem betreffenden Ort wohnen. Was müssen die Franzosen für eine Angst haben! Oder ist eine neueSanktion" in Vorbereitung?

Der Steuerassistent Wielgen er vom Finanzamt Herne ist beim UeLerschrerten der Grenze ins unbesetzte Gebiet von Franzosen erschossen worden.

Die Tabargroßhandlung Sch äff er u. Wetter in Ludwigshafen hat von der französischen Eisenbahnverwaltnng die Verkaufsbuden auf verschiedenen pfälzischen Bahnhöfen gepachtet und dafür an die Franzosen 36 Millionen Mark für ein Jahr bezahlt.

Neue Nachrichten

Die Rok der Städte und Gemeinden

Berlin, 29. August. Bei einer Besprechung im Reichs- finanzministerium legten die Vertreter der Bundesstaaten, des Deutschen Städtetags und des Landgemeindetags die finanzielle Notlage der Verwaltungen dar, die sich in den letzten Wochen durch die Geldentwertung, die erschwerte Notlage des Erwerbslebens und die Anpassung der Ge­hälter und Löhne an die Geldentwertung außerordentlich verschärft habe. Einmütig wurde gefordert, daß die viertel­jährliche Vorausbezahlung der Beamtsngehälier sofort ab­geschafft werde, da sonst die Beschaffung der Zahlungsmittel für die Gemeinden und das gewerbliche Leben immer mehr gefährdet werde.

Das Reichsfinanzministerium teilt mit, zur Besserung der finanziellen Notlage müsse auch die Beamtenschaft ihr Teil beitragen. Damit die an jedem Bierteljahrsersten eintretende große Steigerung der schwebenden Schuld des Reichs und die mit ihr verbundene weitere Markentwertung vermieden werden, müsse von der vierteljährlichen Vorauszahlung der Veamtengehälter künftig Abstand genommen werden.

Die Löhne der Reichsarbeiker

Berlin, 29. August. In den Verhandlungen im Reichs­finanzministerium wurde die Meßzahl für die Lohnberech­nung der Reichsarbeiter usw. auf 1500 festgesetzt. Demnach beträgt in Ortsklasse K der Stundenlohn des gelernten Ar­beiters 581 000 Mk., des ungelernten 540 000 Mk.

Der sozialistische Konflikt mit havensiein

Berlin, 29. August. Die Gewerkschaften haben gestern abend verbucht, Havensiein persönlich aufzusuchen. Ihr Emp­fang ist jedoch von Havensiein abgelehnt worden. Es ver­lautet, Havensiein werde nur auf einen Beschluß des Reichs- bankdirektoriums gehen, er lehne es ab, sich dein Willen des ihm nicht übergeordneten Finanzministers zu fügen. Ebenso weise er Ratschläge und Vorschriften der Gewerkschaften zurück.

Verhaftungen

.,.Derkin, 29. August. Nach einer Durchsuchung der Ge­schäftsräume der von der preußischen Regierung aufgelösten kommunistischen Betriebsräte-Hauptstelle wurden mehrere Personen verhaftet, darunter vier kommunistische Stadtoer. ordnete und ein Stadtrat.

Das Spielen mit dem Feuer

Dresden, 29. August. Die Kommunisten veröffentlichen einen Aufruf, daß sich am 2. September alle proletarischen Kompagnien in Alarmbereitschaft zu halten haben, da es wahrscheinlich gelte, gegen die .Hakenkreuzler" eine Schlacht zu wagen.

Oehme verurteilt

Leipzig, 29. August. Der kommunistische Tagesschrift­steller Wolter Oehme aus Berlin wurde vom Reichs­gericht wegen versuchten Verrats militärischer Geheimnisse und Spionage unter Zubilligung mildernder Umstände zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt. Von der Strafe werden 5 Mo­nate als durch die Untersuchungshaft verbüßt erachtet.

England zeigt sich spröde

London, 29. August. Die Antwort der belgischen Regie­rung auf die englische Note ist in London übergeben worden. Darin wird u. a. der Borschlag gemacht, eine zwanglose Be­sprechung der Minister der Verbündeten abzuhalten. Reuter ist dagegen zu der Mitteilung ermächtigt, nach englischer Auf- fassung können wichtige diplomatische Erörterungen über die Entschädigungsfrage von Großbritannien nur wieder aus­genommen werden, wenn die Verbündeten den klaren Wunsch nach einem Uebereinkommen ausdrücken und bereit