Erscheint an jedem Wert« »ag Pcsieliunstenuehmen sitmiliche Postanstalten znd Bostbolen entgegen.
Bezugspreis mi Juni 3600.—
Hinzelnummer 200.
Anzeigen-Webühr für die Mspaltige ZeUe aus ge- wöbnlicher Schrift ode. Heren Raum bei einmali- ,er Einrückung 300.-, Familienanzeigen,, WO.-, z-i mehrmaliger Rabatt mch Tarif. Bei gerecht!. Beitreibung ».Konkursen ist der Rabatt hinfällig.
er Gesells
Amls^ Md Mzelgeblall sür den vbemMlsbezirk Vagold
Legründek LSA Aemsprecher 7lo. 2g.
«a»rtft>etn>»,, *r»ck »»» »»«ca« von ». » Patter <Narl 8a«Ier> «a,»i»
«ei breiretstc Zeitung im Oberamtsbezirk. — Anzeigen sind daher von bestem Erfolg.
ze. Austrütz, wti- -I> isrl«! Atwchr Lbe'.«»«»r--.. Pt wird kein« »-wLdr M- N: riromme!,, da» i--r Reklamen >r brstturm'-- tueaabe« oder an der .-> sünschleil Sl«ae erlcheta-i - )n Fällen den hü derer ? - --air deftebt tein Slulpriud a--> Nelrrung der gctiung ober s
»ü<t»!ibl«n, d.ve»ua»vrett>e
Telegramm-Adresie: Gesellschafter Nagold.
Postscheckkonto: Stuttgart 5113.
Nr. ' 43 Freitag, den 22. Juni 1923 97. Jahrgang
Am Scheideweg
Muß Deutschland den Wog Oesterreichs oder gar Rußlands gehen? Es muß nicht, wenn bestimmte Voraussetzungen innerer und äußerer Art erfüllt werden. Dazu gehört vor allem, daß Vertrauen im Innern vorhanden ist und daß im inländischen Verkehr nicht die fremden Zahlungsmittel (Devisen) als inländische Zahlungsmittel in Schwang kommen, was, wie in Oesterreich, die Auflösung und allgemeine Verarmung bedeutet. Denn diejenigen Volksteile, die in der Markwährung verdienen und bezahlen müssen — und das ist immer die Mehrzahl —, werden dann, wenn das eigene Zahlungsmittel nicht mehr Waren heranzuschaffen vermag, zu Ausschreitungen geneigt sein, die das allgemeine Elend bringen. Deshalb ist die Grundregel für jeden, der einsieht, daß er sich nicht außerhalb der Volksgemeinschaft stellen kann, die eigene Währung zu stützen. Der Regierung freilich fällt dabei die wichtige Aufgabe zu, die Urproduktion vor allem der Landwirtschaft mit allen nur denkbaren Mitteln zu fördern und sie nicht durch Zwangswirtschaft geradezu zu ersticken. Das deutsche Volk hingegen soll seine Michelei nicht soweit treiben oder sich in sie Hineintreiben lassen, daß es sich um Bagatellen auseinanderstreitet.
Wenn heute die österreichische Krone, die vor dem Krieg einen Wert von 85 Goldpfennig hatte, zwei Reichsmark wert ist, so sehen wir, man möchte fast sagen mit einem gewissen Neid, wie der Valutarausch — allerdings nachdem die Börsenjobber das Volksvermögen gründlich ausgeplündert haben — sich dort mehr und mehr verflüchtigt und die Krone eine, wenn auch niedrige, so doch wertbeständige Grundlage für Wirtschaft und Verkehr bildet. In Deutschland dagegen hat sich die Lage nach innen und außen entschieden Jahr für Jahr verschlechtert. Viele Hunderttausende können den unaufhaltsam sinkenden Markwert oder den steigenden Preisen nicht mehr folgen, während in der Börse ein zügelloses Treiben einsetzt und auf den Straßen und in Vergnügungsstätten widerlicher Luxus sich breit macht.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse, wie sie die Vernichtung der Kaufkraft des deutschen Geldes schafft, sind der beste Nährboden für die Auslösung. Russische und französische Hetze wirken in der gleichen Richtung, und das Ausland setzt sich"durch die Käufe an deutschen Wertpapieren in den Besitz eines großen Teils der sog. deutschen „Substanz"^
Gegenüber diesem Schlagwort von der Erhaltung der Substanz, die seit Jahr und Tag gepredigt worden ist, ist ein neues aufgetaucht mit einer nicht geringeren Werbekrast, well es von weit größeren Schichten ausgeht als das von ver Erhaltung der „Substanz". Es ist das von der Wert- crhaltung der Arbeitskraft, das jetzt Gegenstand von Erörterungen und Beratungen ist zwischen der Reichsregierung und den Gewerkschaften.
Es ist selbstverständlich, daß irgend etwas geschehen muß, damit derjenige, der arbeitet, von der Devisenkatastrophe, die er nicht verschuldet hat, geschützt wird. Freilich wird die Verwirklichung dieser Forderung sich nur so lange aufrechterhallen lassen, als Deutschland von Entschädigungszahlungen nicht bedrückt ist, wie das gerade im Augenblick der Fall ist. Wird aber die Entschädigungsfrage in irgendeiner Form gelöst und wird diese Lösung ins Praktisch-Wirtschaftliche übersetzt, das heißt auf die Schultern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern abgewälzt, so würde sich zeigen, daß mit der einfachen Anpassung der Löhne an die Teuerung es nicht getan ist. Ja, es wird sich zeigen müssen, daß ein Volk, das besiegt ist, und das aus dem Friedensvertrag Lasten zu tragen hat, eine Herabminderung seiner Lebenshaltung sich gefallen lassen muß. Die wichtige Frage wird die sein, wie auch dann ein gerechter Ausgleich gefunden wird, taß nämlich nicht ans Kosten einer einzelnen Schicht der Ausgleich gesunden wird. Es ist dann die Zeit, wo für Luxus und Wucher kein Platz in Deutschland mehr ist, und wo die Regierung eine Steuerpolitik betreiben muß, die an der richtigen Stelle ihre Einkünfte einzuziehen versteht.
Das ist das Bild nach innen. Die andere Seite ist die auswärtige Lage. Wir in Deutschland können in dieser Hinsicht im Augenblick nichts tun als warten. In der Tätigkeit der englischen Regierung, eine Verhandlungsmöglichkeit zwi- chen Frankreich und Deutschland zu schassen, liegt der Schliffst! für den Ausgang der außenpolitischen Wirrnisse, in die Deutschland, in die Europa verstrickt ist.
Wird Italien sich von Frankreich losmachen?
Alles kommt heute auf den passiven Widerstand an, sehr vieles auf die Haltung Englands, nicht wenig auf das muslolmische Italien, und ob dieses ein Gängelband Frankreichs bleibt?
Der Krieg und das Kriegsende hat die beiden lateinischen „Schwesternationen" zusammengefügt, Mer als es dem italienischen Teil lieb war. Dieses „herzliche Einvernehmen" wurde für Italien um so peinlicher, je rhehr das englisch-französische Band sich lockerte. Zu wem ach halten? Nur zu Frankreich? Unmöglich! Italien war
mit seiner Kohlcnversorgung, mit seinen Mittelmeerplänen, mit seinen Kolonialinteressen auf die allgewaltige Meerbeherrscherin Schritt für Schritt angewiesen. Das wußte man auch in London. Und immer deutlicher kam von dorther die nicht mißverständliche Zumutung: „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich."
Andererseits hat Italien auch Frankreich zu fürchten. Es geht ihm da kein Haar besser als England. 800 000 Bajonette, 10 Regimenter Kampfwagen, 1552 Frontflieger: das sind böse Zahlen. Wer hätte den Mut, mit einer solchen Militärmacht es verderben zu wollen? Vollends wenn man bedenkt, daß Frankreich mit seinen Tauchbooten der italienischen Seemacht in kürzester Zeit den Garaus machen könnte.
Und doch weiß es Italien nur zu gut, daß es tn mehr als einer Hinsicht der französischen Schwester mindestens ebenbürtig ist. Schon der Einwohnerzahl noch. In Italien wohnen mehr als 40 Millionen Italiener und im Ausland 8 Millionen. Dabei ist ein stetes Anwachsen der Bevölkerung wahrzunehmen, so daß jetzt bei 310 000 Geviertkilometer 130 Bewohner auf 1 Geviertkilometer kommen. Frankreich aber hat weniger als 40 Millionen Einwohner. Außer Frankreich gibt's streng genommen kein« Franzosen, abgesehen von den französischen Beamten und Militärs in den Kolonien. Dazu kommt noch der unheimliche Geburtenrückgang, im Januar und Februar ein solcher von 11 Prozent gegen die gleichen Monate im Vorjahr. Die Sterbefälle überwiegen bei weitem die Geburten, und so kommen bei einer Fläche von 550 000 Geviertkilometer besten Bodens nur 60 Franzosen auf den Geviertkilometer.
Hierin liegt eine ganz bedenkliche Schwäche der französischen Nation, nicht bloß uns Deutschen gegenüber, sondern im gleichen Verhältnis zu den Italienern. Und dennoch besitzt Italien nur 2 Millionen Geviertkilometer Kolonien mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern. Frankreich aber beherrscht ein Kolonialreich von 12 Millionen Geviert» krlometern mit 50 Millionen Einwohnern, die zu einem guten Teil zum Heeresdienst herangezogen werden.
Unter diesen Umständen begreift man, daß Italien mit recht gemischten Gefühlen der Vormachtstellung Frankreichs gegenübersteht. Warum soll Frankreich immer und über- all besser wegkommen als die ihnen ebenbürtige italienische Großmacht? Wieviel hat -der Vertrag von Versailles den Franzosen an Land und Leuten zugeworfen, währen- Italien nur wenig und obendrein armes Land bekommen hat. Und wie gings nur auch mit den deutschen Kolonien? England, Frankreich, Portugal, Japan und die südafrikanische Union teilten sich in die fette Beute. Italien erhielt nichts.
So wurde überall Frankreich bevorzugt, Italien als Aschenbrödel bei Seite geschoben. Ja, zum Arbeiten wären die Italiener ganz recht. Italien soll, nach einem Vorschlag des halbamtlichen „Temps", dem auch der „Matin" und der „Figaro" zustimmen, den Franzosen Arbeitskräfte zur Verfügung stellen und dafür Eisen und Kohle erhalten.
Dazu nehme man noch, wie Frankreich die Italiener wiederholt vor den Kopf gestoßen hat. In Oberschlesien sielen italienische Soldaten im Kampfe mit den Polen, mi! denen die Franzosen unbedenklich unter einer Decke spielten. Den von den Italienern so verhaßten Südflaven pumpten die Franzosen 400 Millionen Francs. Mussolinis Vorschläge auf der Lausanner Konferenz scheiterten an dem Widerstand der Franzosen. In Tunis und Marokko wurden einfach 150 000 Italiener durch einen Gewaltakt „naturalisiert" d. h. zu französischen Staatsangehörigen umge- stempelt. Außerdem wurde den dortigen Italienern verboten, Land zu erwerben und italienische Schulen einzu- richten.
Dies und anderes hat Mussolini zu denken gegeben Er fühlte mit zunehmender Gewißheit, daß Italien im' europäischen „Konzert" stark in's Hintertreffen geraten war. Daher seine Losung für dis auswärtige Politik: Mehr Selbständigkeit und Würde! Ist Mussolini franzosenfreundlich oder franzosengegnerisch? Er bat unlängst im Senat erklärt: „Italien ist 1919 bei der Verteilung der Welt so gut wie leer ausgegangen, es kann zum mindesten verlangen^ daß Gebietsveränderungen, die irgendwelche militärische, politische oder wirtschaftliche Vorherrschaft herbei führen könnten, unterbleiben: Deutschland soll zahlen, was es wirklich kann (die „Stampa" hat ausgerechnet, das Deutschland 1923 höchstens eine Mertelmilliarde werde leisten können), die Zahl wird allerdings mit den seinezell genannten Ziffern von Hundert und mehr Milliarden kein« Aehnlichkeit mehr aufweisen: die Ruhrbesetzung hatdieMöglichkeiteinerver ständigen Regelung der Entschädigung erheblich erschwert/
Das klirrst stark sranzofenaegnerisch. Je weiter Italien von Frankreich abrückt, und je enger es an England sich anschließt, desto besser für Deutschland. 14.
Amundsens Nordpolflug aufgegeben
^'.ach einem bei der norwegischen Regierung eingelaufenen Telegramm hat sich, wie berichtet, der kühne Nordpolforscher Roald Amundsen entschließen müssen, infolg« des sehr unbefriedigenden Ergebnisses des Probeflugs vom 11. Juni diqe 3600 Kilometer weite Luftfahrt über den Nord
pol aufzu-geben. Einer der kühnsten Träume ist zuschander geworden. Die Vorgeschichte des Unternehmens ist lang unk reich an Mühen und Entbehrungen. Schon 1918 zog Amun-d, senmit , seinen Begleitern auf dem kleinen Motorschis! „M-aud" aus, wurde aber durch eine Folge schlechter Eisjahre stark gehemmt. 1919 bis 1920 waren sie beim Ka« Tschelsukin, dem nördlichsten Punkt des asiatischen Festlands, eingefroren. Im Frühjahr 1921 verließ Amundsen die nock festliegende „Maud", fuhr im Hundeschlitten an der sibirischen Küste südwärts und langte am 4. Juni 1921 in Seattb an. Durch Unterstützung von seiten der norwegischen Regierung sowie private Hilfe wurde es ihm ermöglicht, seinem ursprünglichen Plan den Nordpolflug anzugliedern.
Für den Polflug erwarb er im vorigen Jahr einen ganz, metallenen Junkers-Eindecker, für den er nach sorgfältige« Untersuchungen einen Punkt am Nunuwak-Fluß, etwa k Meilen südlich von der Barrow-Spitze (an der Nordküsb von Alaska, Nordamerika) als günstige Abflugstelle ermittelte. Mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen haben würde, war schon nach den einfachsten Berechnungen ersichtlich. Die Tragfähigkeit eines solchen Eindeckers beläuft sich auf 5200 Pfund, d. h. also, daß nach Aufnahme Meies Personen, der Btriefsstoffe, Materialien und notwendigen Instrumente grade noch Raum für den Lebensmittelbedars von ein bis zwei Tn gen und ein P aar Gewehre mit Munition zur Verfügung blieb. Der Flugversuch selber also mußte notwendig aus einen engen Zeitraum begrenzt bleiben. Amundsen hat damit gerechnet, ihn innerhalb 24 Stuneen oder weniger durchführen zu können. Aber so rasch und willig läßt sich der vielumworbene Pol nicht zwingen,
Vom Ruhrkieg
Görkes Todesurteil bestätigt
Düsseldorf, 21. Juni. Das französische Revisionsgerichi hat heute den Antrag aus Revision des gegen den Landwirtschaftslehrer Görke erlassenen Urteils des Mainzer Kriegsgerichts verworfen und dadurch das Todesurteil bestätigt.
Unerhörte Frechheiten französischer Soldaten
Mannheim, 21. Juni. Heute früh Mischen 1 und 2 Uhr überfielen nach dem Polizeibericht in dem unbesetzten Teil der Stadt französische Soldaten die Vorübergehenden und riefen mit vorgehaltenen Revolvern: „Hände hoch!" An einer Frau haben sie sich dabei in gemeinster Weise vergangen, anderen Personen Kragen und Krawatte abgerissen usw. Als von diesen Polizei herbeigeholt wurde, verzogen sich die Franzosens nach dem Luisenring (unbesetztes Gebiet). Die Polizei verwies einen Franzosen ins besetzte Gebiet, worauf er sofort seinen Revolver zog. Ein anderer gab auf der Flucht einenj Schuß ab. Vom besetzten Gebiet aus wurde nun ein regelrechtes Schützcnfeuer auf die Polizei eröffnet, wobei ein Beamter verwundet wurde. Darauf drangen französische Wachen! bis in die innere Stadt vor. Die französischen Soldaten scheinen ganz sich selbst überlassen zu sein und jeder kann treiben, was er will. Um die Mannszucht im französischen Heer ist er» offenbar schlecht bestellt.
Ausweisungen u a.
Mainz, 21. Juni. In den letzten Tagen wurden wieder 68 Beamte und Eisenbahner mit 201 Angehörigen aus der» Pfalz ausgewiesen.
In der Gegend von Andernach und Remagen wurde,« zahlreiche Bürgermeister, Beigeordnete und Gemeindebeamte! wegen der auf der Linie Koblenz—Köln erfolgten Schienensprengungen verhaftet.
Der französische General in Dortmund hat die Niederschlagung des Strafverfahrens gegen die beim letzten Aufruhr Verhafteten verlangt.
In den Kreisen Bittburg und Daun (Eissnbahndirektions- bezirk Trier) leisten mehrere Gemeinderäte den Franzosen durch Uebernahme des Strecken- und Schrankenwärterdienstes Beihilfe.
In Suderwich bei Recklinghausen wurde die Frau des Schuhmachers Schubert von französischen Soldaten überfallen und vergewaltigt.
Der Landrat des Kreises Heinsberg (Bez. Aachen), Glossen, ist von den Belgiern zu 6 Monaten Gefängnis und fünf Millionen Mark Geldstrafe verurteilt worden.
Die innere Krise in Frankreich
Paris, 21. Juni. Die Parteileitung oer Radikalen hat di« der Partei angehörigen Minister Sarraut, Strauß und den Unterstaatssekretär Assont aufgesordert, aus dem Kabinett Poincarä auszutreten.
Neue Nachrichten
Dom Reichstag
Berlin, 21. Juni. Das Landes st euergesetz wurde gestern in dritter Lesung angenommen, nachdem der wiederholte And ig der Sozialdemokraten, die Konsumvereine von der Umsatzsteuer zu befreien, mit 190 gegen 160 Stimmen