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Nr. 141

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Nagolder Tagblatt

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Mittwoch, den 20. Juni 1S2S

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97. Jahrgang

Tagesspiegel

Der amerikanische Botschafter in London, Harwey. bei zurzeit in Urlaub in Washington weilt, wird nach der »Chi cago Tribüne" im Juli nach London zurückkehren und ir nichtamtlicher Eigenschaft die englischen Bemühungen Um di« Erledigung der Entschädigungssraze unterstützen.

Die dritte Tagung des ständigen internationalen Gerichts Hofs ist am Montag im Znedrnspalcsk im Haag eröffnet worden. Der Gcrichflhsf m'rd sich zunächst mit der Frag, von Oskkarelicn sfinnisch-rirssische Lt'.'?>tfrrwe). mit der Fra«n . der deutschen Siedlungen in und mit der Verweigerung r«- DnrchksSrk den D-rmpst-"-- den Bord-

d-lftekana! b:"den Polen Mmllon n ' '.'

Balttsche Konferenz

Der Friede im Osten.

Ein erfahrener Ostpolitik er und Kenner des Bal­tikums schreibt mir: Eine neue Nandstaatenkonferenz in Reval, dem nordischen Nürnberg, steht bevor. Es ist ein bedeutsamer Zufall, daß die Konferenz zeitlich mit den letzten verzweifelten Bemühungen der Ententemächte, den Frieden im Westen zu sichern, zusammentrifft. Die Revaler Konse- mz hat keinen anderen Sinn und Zweck, als die Frie­denssicherung im Osten. Vorbereitende Zusammen­künfte haben bereits in Helsngsfors und Riga stattgefunden und zwar waren es die Minister der eigentlichen Rand- staaten, die dort Zusammenkamen: Estland, Lettland, Litauen und Finnland. An diese Zusammenkünfte reihten sich ein­gehende Aussprachen der diplomatischen Vertreter der Rand­staaten mit Abgesandten aus Skandinavien (Schweden. Nor­wegen, Dänemark) und Polen!

Man kann nicht sagen, daß die Friedenssichsrung des Osten­weniger verwickelt und schicksalsschwer sei, als die de- Westens. Vergleichsweise ausgedrückt: Was im Westen di« deutsch-französische Abgrenzung, das ist im Osten die Wacht und die Macht an der Oftse e. Tatsächlich wird auch eir Hauptantrag aus der Revaler Konferenz lauten: Neutrali­sierung der Ostsee, Abrüstung der Üstseefestungen mit Aus­nahme de Küsten des Sunds und der Belte. Keine Kriegs­schiffe, nur noch Polizeiboote.

Die Nachkriegszeit hat eben die alte Ostseefrage in ihrem ganzen Umfang wieder aufgerollt. Nachdem infolge des russischen Zusammenbruchs im Baltikum sich die unabhän­gigen Staaten Litauen, Lettland, Estland gebildet haben und Polen durch seinen Korridor und durch die Rechte, die ihm der Vertrag von Versailles im Freistaat Danzig verleiht, an der Ostsee Fuß gefaßt hat, steht Europa vor der Frage, ob und wie es gelingen wird, gesicherte Verhältnisse an dev OMsten des Baltischen Meers zu schaffen. Wie die Dinge heute im Osten liegen, bilden sie eine fortgesetzte Gefahr für die friedliche Entwicklung. Die Ostsee ist ein politischer Brand­herd geworden, ein neuer Balkan. Die russischen Bolsche­wisten haben, wenn auch vergeblich, versucht, die Rand­staaten wieder an sich zu reißen, und das Erholungsbedürf­nis Sowjetrußlands läßt eine Wiederholung kriegerischer Abenteuer nach dem mißglückten russisch-polnischen Krieg nach Westen hin vorläufig nicht erwarten. Aber wird das kiinftige Rußland sich aller Ansprüche auf die baltischen Län­der begeben?

Inzwischen ist den russischen Ansprüchen der polnisch« Wettbewerber erwachsen. Im neuerstandenen Polen sind alle Großmachtträume früherer Jahrhunderte erwacht. Der Korridor zur Ostsee genügt der Warschauer Politik schon lange nicht mehr. Seitdem im März dieses Jahres die Pa­riser Botschafterkonferenz die im Rigaer Vertrag festgelegt« polnisch-russisch-litauische Grenzführung anerkannt hat, sind Stadt und Gebiet Wilna endgültig Polen zugesprochen Das Wilnagebiet mit dem im Osten angrenzenden polnischer Landstrich bildet mit dem westlichen polnischen Korridor di« beiden Arme, mit denen Polen früher oder später Litauer an sich zu reihen hofft, um dann auch das litauisierte Memel- Ubiet und Ostpreußen in das polnische Interessengebiet zi ziehen und an der Ostfee Fuß zu fassen. Und damit nichi genug, der baltische Staatcnbund, dessen Gründung gerade Polen so auffallend eifrig betreibt, soll Polen dazu dienen seine Vormachtstellung an der östlichen Küste des Baltischer Meers fest zu begründen.

Wie kann dem polnischen Ausbreitungsdrang begegne! werden? Einmal dadurch, daß die Randstaatsn sich vor den Eintritt in ein Vertragsverhältnis mit Polen untereinander eine Rückversicherung schaffen, die sie vor dem Vasallentum schützt. Dazu ist zum mindesten erforderlich, daß der bal­tische Dreibund Litauen, Lettland, Estland durch den Bei­tritt Finnlands zu einem Vierbund erweitert wird. Sodanr müssen sich mit einem solchen baltischen Vierbund auch di-, skandinavischen Staaten zu einem Ostsee verband zusammen- schliehen. Aber wo bleiben Deutschland und Rußland? Für diese beiden großen Ostseestaaten muß ein Ring offen ge­lassen werden- Die deutsche Diplomatie sollte trotz ihrer west­lichen Not den Augenblick im Osten nicht versäumen. Ha! man im Auswärtigen Amt zu Berlin schon an die Rigaer Konferenz gedacht?er.

Das System Tardieu

London, 19. Juni. Die vielgelesene ZeitschriftOutlook' wird von dem früheren amerikanischen Mitglied der Rhein­landkommission Sheerpont Noyes zu der Mitteilung er­mächtigt über eine Aeußerung, die Tardieu ihm gegenüber ir der Kommission gemacht hat:Sicherheit? (nämlich di« Sicherheit Frankreichs vor Deutschland) Sicherheit interessieri mich nicht. Wenn i ch und meine Freunde die Macht in dei Hand hätten, würden wir 200 000 Mann ins Ruhrgebie! legen statt 50 000. (Die 50 000 sind inzwischen weit über­schritten.) Ich würde zu den Besitzern der deutschen Kohlen­gruben sagen:Ihr liefert von morgen ab reichlich Kohle« oder eure "Gruben werden übermorgen ersoffen sein. Ebenso würde ich mit den deutschen Fabrikanten verfahren. Wen« man sie vor die Wahl stellen würde, ruiniert zu werden oder für Deutschland zu arbeiten, würden die Deutscher sicherlich recht bald für Deutschland arbeiten."

DasSystem Tardieu" scheint von der französischen Ne­gierung mittlerweile ja nun übernommen worden zu sein. Verwunderlich ist das nicht, da er schon als Auslandsredakteur des PariserTemps" er schrieb unter dem Namen Georges Villiers den größten politischen Einfluß in Frankreich hatte und gewissermaßen tonangebend war. Non dieser Stelle nahm er die Leitung der ganzen französischen Pressehetze gegen Deutschland auf und mit großem Erfolg verlegte er sich aus die Beeinflussung der amerikanischen Presse in deutschfeindlichem Sinn. Der Regierung wurde indessen der Bundesgenosse Tardieu in Paris denn doch zu igefährlich und man machte ihn zum Vorsitzenden der Rhsin- landkommission, die sich um dieRuhraktion allerdings in den letzten Wochen unsterbliche Verdienste erworben hat. Es ge­nügt, an die 55 000 Ausweisungen, an die Millionen- urckl Milliardenstrafen, die Milliardendkebstähle, die Todesurteil« und sonstigen Gewalttaten, Beschlagnahmen der Zechen usw., kurz auf die berüchtigtenOrdonnanzen" hinzuweisen, die all« demSystem Tardieu" entspringen. Ineinem aber irrt Tardieu: wenn er glaubt, daß die Deutschen lieber sin Frankreich arbeiten, als sich ruinieren lassen. Er hatte Ge­legenheit gehabt, die Westfalen besser kennen zu lernen.

Die geheimen Miterzieher

ep. In einem bemerkenswerten Leitartikel über Schul­reform bespricht die Franks. Ztg. (Nr. 393) u. a. die Kluft, die sich in der Erziehung auftut zwischen Schule, Kirche und Familie im Gegensatz zu der starken Wirkung der Umwelt. In dem Artikel heißt es u. a.:Die Straße reißt nieder, was Schule und Familie bauen, darum müssen auch die Einflüsse der Umwelt planmäßig in den Umfang der Bil­dung einbezogsn werden. Wenn die Reichsverfassung ver­langt, daß die Erziehung des Nachwuchses zur leiblichen, seelischen und gesellschaftichen Tüchtigkeit oberste Pficht und natürliches Recht der Eltern ist, über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft wacht, so setzt das eine ausgedehnte Mitwirkung alles dessen voraus, was in der Erziehungslehre geheime Nliterzieher genannt wird. Vor der Jugend kein böses Wort, keine böse Tat, Veredlung und Reinigung aller Kulturzweige, Aufsicht des ganzen Volks auf Theater, Schau­fenster, Straße, Anlage; Jnzuchtnahme aller daheim und auf der Reise, edle Geselligkeit, Volksfeste in wahrhaftem Volks­charakter." Diesen Ausführungen kann man nur nach­haltigste Beachtung von allen Seiten wünschen.

Neue Nachrichten

Vom Reichstag

Berlin, 19. Juni. Der Sturz der Mark beherrschte gestern die Stimmung des Reichstags. Der Dollar 130 000'. Wehe denen, die Schulden in Gold abzutragen haben, wie es bei vielen Grundstücksbesitzern und Gemeinden besonders in Baden der Fall, die einst bei Schweizer Banken Hypothe­ken oder Darlehen in Schweizer Franken ausge­nommen haben. In der gestrigen Sitzung berichtete der badische Abgeordnete Dietrich (Dem.) über ein Zusatz­abkommen, das mit der schweizerischen Regierung über diese Schulden abgeschlossen worden ist. Nach diesem Ab­kommen ist den Schweizer Gläubigern die Zwangsvollstrek­kung gestattet, die Hypotheken müssen jedoch bis zum Jahr 1933 gestundet und von der Schuldsumme darf nur ein Fünf­tel als Eigentümerhypothek auf das Grundstück eingetragen werden, so daß der Haus- und Grundbesitzer wenigstens nicht sein ganzes Hab und Gut verlieren kann. Nachdem die Be­schlußunfähigkeit des Hauses festgeftellt und nach kurzer Pause eine zweite Sitzung anberaumt worden war, wird das Ab­kommen angenommen, obgleich es von verschiedenen als unzulänglich und überhastet getadelt worden war.

Daszerfahrene Steuerwesen" kommt mit dem Entwurf des Landes st euergesetzes wieder aufs Tapet. Es ist längst als ein unhaltbarer Zustand erkannt worden, daß durch die Steuerreform alle Einkünfte in die Reichskasse flie­ßen und die Bundesstaaten und Gemeinden sozusagen zu bloßen Kostgängern des Reichs herabgedrückt worden sind. Der neue Entwurf will nun die Steuern aus Grundvermögen,

Gewerbe, Fahrzeugen und Getränken an Staat und Ge­meinde zurückgeben und den Staaten von der Einkommen- und Körperschaftssteuer drei Viertel überweisen. Reichs­finanzminister Dr. Hermes entwarf in der Aussprache eick recht trübes Bild der Finanzen des Reichs. Die Beratung des Entwurfs wird abends 7 Uhr abgebrochen und das Ge­setz zur Bekämpfung der Geschlechtkrankheiten nach längerer Aussprache mit großer Mehrheit angenommen.

Die llnkersuchung über den Markftur;

Berlin. 19. Juni. Im Reichstagsausschuß für die Unter­suchung des Marksturzes erklärte Staatskommissar Lip­pe r t, die Börse im allgemeinen übe wohl keinen besonderen Einfluß auf die Börsenkurse aus. Zum Februarende habe der Bedarf an ausländischen Zahlungsmitteln nachgelassen, die Industrie habe sofortige Devisen abgegeben und Zeit­devisen für Mai und Juni gekauft, weil sie sich unbedingt Geld verschaffen mußte. Ws aber Ende März das ungünstige Ergebnis der Dollaranleihe und besonders am 3. und -t. April das starke Anwachsen des Notenumlaufs und der schwebenden Reichsschuld bekann wurden, sei auss neue eine Beunruhi­gung eingetreten; kritisch seien die Verhältnisse geworden, als am 14. und 15. April Zweifel entstanden, ob dis Mark­stützung sich noch aufrecht erhalten lasse. Eine sprunghafte Nachfrage nach Devisen sei vollends am 17. und 18. April ein­getreten, als die Rede des Außenministers v. Rosenberg eine so ungünstige Aufnahme in Paris fand. Die Zahl der Börsenbesucher, unter denen sich viele Ausländer befinden, habe sich sta r k v e r m e h rt. Bei der Ausschließung müsse man vorsichtig sein, um nicht die Bildung wilder Bör­sen zu begünstigen.

Berlin, 19. Juni. Wie verlautet, hat die Reichsregierung durch die Botschafter in England und in den Vereinigten Staaten wegen einer finanziellen Unterstützung durch die be­treffenden Banken Verhandlungen einleiten lassen.

Vertreter des Zentrums und der Gewerkschaften wiesen in Unterredungen mit dem Reichskanzler und dem Reichsfinanz­minister auf die schweren inneren Gefahren hin, die der Mark­sturz nach sich ziehen würde, wenn nicht sofort entschiedene Schritte zur Stützung der Mark unternommen werden.

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Tirol gegen den deutschen Auswerkauf

Innsbruck, 19. Juni. Die Tiroler Landesregierung erläßt folgende Kundgebung: Der gegenwärtige Marksturz hat wie vor einigen Monaten ein starkes Anschwellen des Reisever­kehrs aus Oesterreich in das benachbarte Bayern bervorgeru- fen. Es ist zu befürchten, daß es wieder wie vor kurzem zu jenen maßlosen Mißbräuchen im Ankauf deutscher Waren m München und ander-n deutschen Städten durch Ausländer kommen werde. Die Tiroler Landesregierung oat daher in­ländischen Reisenden nachdrücklich verboten, die deutsche Gast­freundschaft zu mißbrauchen und im übrigen verfügt, daß In­ländern, die den österreichischen Behörden wegen Schmuggels von Waren über die deutsche Grenze angezeigt werden, di« Reisepässe abgenommen werden, und daß sie ihnen die Aus­stellung neuer Pässe verweigert.

Lohnanpassung an die Teuerung

Berlin, 19. Juni. In den Verhandlungen des Reichs finanzministeriums mit den Gewerkschaften wurde folgend« Einigung erzielt: Stundenlohn in Ortsklasse ^ ohne Ortslohn- zulage 4560 Mark für gelernte und 4272 Mark für ungelernt« Arbeiter. Die erhöhten Beträge für die letzte Woche werde« am Freitag ausbezahlt. Der höchste Satz für die Ortslohn- zulage beträgt künftig 58 Prozent. Ueber die Forderung d« wertbeständigen Löhne wurde keine Einigung erzielt. Dar Schlagwort der Goldlöhne wird unbedingt abgelehnt, da s« schlechterdings unmöglich sind. Die Verhandlungen mit dev Vertretern der Reichsbeamten und Angestellten wurden fort­gesetzt.

Verschärfung der Streiklage iu Oberschlesien

Breslau, 19. Juni. Infolge kommunistischer Aufreizung sind von 18 Zechen 40 Prozent der Arbeiter im Ausstand. Ln Beuthen wurde ein geheimes Lager von 4000 Waffen und viel Munition entdeckt.

In Mitteldeutschland sind 15 Gruben im Ausstand. In Senftenberg kam es zu Ausschreitungen.

Die endlose Friedenskonferenz

Paris, 19. Juni. In amtlichen Kreisen wird erklärt, bl« Regierungen Englands, Frankreichs und Italiens werden der türkischen Abordnung in Lausanne bestimmte Vorschläge zur Regelung aller noch nicht gelösten Fragen übergeben und deren Beantwortung in allernächster Zeit verlang:n.

Russische Bemühungen um Anerkennung

London, 19. Juni. Nach Blättermeldungen bemüht sich die Sowjetregierung aufs neue, in England und Japan ihr« Anerkennung zu erwirken.

Erweiterung der amerikanischen Einwanderung?

Paris, 19. Juni. Nach derChicago Tribüne" 'oll Sena­tor Reed nach einer Reise durch den Staat Pennsylvanicn einen starken Mangel an Arbeitskräften festgestc-llt haben.