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Bezugspreis im Juni ^ 36<X>. Wnzelnummer 200.

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Gegründet 1S2S

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Nagolder Tagblatt

samstittm»«, L>r»a u»» »rri», von ». » «atirr («ari 8a«er) «a»»l».

Zcrnsprecher Ro. 2S.

Berdreitetste Zeitung im Oberamtsbezirk. An­zeigen sind daher von bestem Erfolg.

SSr I«m. «ufträg» wird «et» arrlei »»wähl über»»«»«-. »» wird ketu» »«währ dasti» iibrrnommen, dat Sliqete»» »der Reklamen t« brlttmmr»« »ulaaben »de» an der r->» -»ünschtea Stelle erfchetnen- zu 8-illr» »o« ddderer »«' «alt besteht ket» «nspruch an« Sieserung »er grtruug oder auf va<k,adlime d.Rezusdpr»«--^

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M. 131

Tagesspieye!

Die Arbeitgeber der englischen Juleindustrl» nehmen von zg 000 Ausgesperrten 25 000 Arbeiter wieder aus.

Das Ministerium in Peking ist zurückgstreten. Der Grund soll in finanziellen Schwierigkeiten der Regierung liegen.

Rach dem Pariser «Journal" soll eine Konferenz der Verbündeten in Ostende vorbereitet werden.

Das neue Angebot

Vor der Aeberreichung

Am Donnerstag haben die deutschen Gesandten ln Lon­don, Paris, Rom und Brüssel den verbündeten Regierungen das neue Entschädigungsangebot überreicht. Am Freitag erfolgt die Veröffentlichung. Vorläufig ist also die deutsche AM noch «Amtsgeheimnis". Aber es ist unmöglich, eins diplomatische Kundgebung wochenlang mit Dutzenden von Sachverständigen, Interessenten und Wirtschaftsführern durchzusprechen, sie dann einigen hundert Parlamentariern bekannt zu geben, ohne daß das Siegel der Verschwiegen­heit sich lockert. Die deutsche Note wurde denn auch schon seit einigen Tagen im ganzen Ausland, besonders in Eng­land mit einer Ausführlichkeit behandelt, als sei sie schon amtlich herausgegeben. Soll man in der deutschen Oeffent- iichkeit den Aneingeweihten spielen?

Also ganz vertraulich: Dr. Cunos Ergänzungsnoke baut ihre neuen finanziellen Vorschläge auf Iahreszahlungen auf, vermeidet es aber, eine bestimmte Geldsumme zu nennen. Sie bringt ausführliche Einzelheiten in der Zah- lungsweise und deutliche Abänderungen der ersten Note, geht aber dabei von dem Gedanken aus, daß eine Erfüllung des neuen Angebots nur möglich ist, wenn sowohl die Jah­resraten als auch die Gesamtschuld an der Wirtschaftslage Deutschlands nachgeprüft werden und zwar nicht einmal, sondern wiederholt, und nicht von einer parteilichen Seite, sondern von einem möglichst allseitig zusammengesetzten internationalen Ausschuß, in dem Deutschland mitvertreken ist. Dadurch allein können neue Meinungsverschieden­heiten innerhalb des Verbands und neue Erpressungen gegen Deutschland verhindert werden. Das Kernstück der deutschen Denkschrift bilden gründliche Auseinandersetzun­gen über das Vürgschaftsangebot. Dabei wird genau unter­schieden zwischen staatlichen und privaten Bürgschaften. Als private Bürgschaften hat die Aeichsregierung nicht einfach die freiwilligen Angebote der Industrie, der Landwirtschaft, der Banken übernommen, sondern sie bestimmt die Vor­schläge in der Rote aus eigener Verantwortlichkeit heraus. Die gesetzliche Festlegung der privaten Bürgschaften ist der innerpolitischen Arbeit überlassen.

Daß das Kabinett Cuno die Gesamkziffer des Angebots nicht verändert hat, war sie der Klugheit und ihrer Würde - das einzige, was einer Regierung in so trauriger Lage übrig bleibt schuldig. Hätte sie statt der früheren 30 Mil­liarden jetzt vielleicht 35 Milliarden nennen sollen? Dann stände das erste Angebot unter dem Verdacht der Unauf­richtigkeit, und auch die neue Ziffer erschiene nicht als ehr­lich, da die Reichsregierung gleichzeitig darauf Hinweisen muß, daß ihre Zahlungsfähigkeit seit dem ersten Angebot durch den verstärkten Rnhrkrieg und die drei- bis vierfach entwertete Währung tatsächlich bedeutend geringer gewor­den ist. Wie man auch die Zahlenschraube hin- und her­dreht, die Endsumme wie die Iahreszahlnngen hängen gar nicht mehr vom guten Willen Deutschlands, auch nicht von den weiteren Sankkionsdrohrmgen Frankreichs, sondern einfach von dem Maß der wirtschaftlichen Freiheit ab, das inan künftig dem deutschen Schuldner gibt und worüber sich die Verbündeten zu allererst einmal in ihrem eigenen Kreis einigen müssen.

3n dieser Richtung ist in den letzten Tagen auf seiten Englands offenbar manches geschehen. Die englischen sachverständigen, sowohl privat hinzugezogene, als auch die <nnt!ich berufenen Fachleute der verschiedenen britischen Ministerien haben ein neues Programm, das System Baldwin ausgestellt. Welche Bestandteile des alten Bonar Law-Programms dabei aufrecht erhalten wurden, das dürfte man bereits aus den Erklärungen heraushören, die Außen­minister Lord Curzon auf Einladung des Führers der Oppo­sition, Lord Grey, im Oberhaus abgab. Außerdem hat man durch dis aufsehenerregende Unterredung des Ministerpräsi- cmten Baldwin mit Philippe Millek als Vertreter des .Petit Parisien" erfahren, daß die Londoner Regierung cutschlossen ist, das Problem der Friedenssicherung i'-ttschen Frankreich und Deutschland gleichzeitig mit den '-'M n Entschädigungsbrsprechungen zu behandeln.

Der Gedanke, Entschädigung und Sicherung zu trennen, >st also aufgeaeben. Eine große Rolle spielen in der öffent- > chen Erörterung in England zurzeit die Vorschläge des Eenerals Spears, eines der tüchtigsten Militärsachverständi- lm, über eine Entmilitarisierung der Rheinschranke. Wenn <"'.ch diese Vorschläge auf deutscher Seite starken Einwändrn segnen werden, so ist doch die Tatsache bedeutungsvoll, die Regierung Baldwin die Spearsschen Gedanken- -'-.§e zur Aufstellung eines Sicherungsplans benutzt und lmß Lord Robert Cecil für die in Genf begonnene Tagung

Freitag» den 8. Juni 1923

des Völkerbundsrats entsprechende Abrüstungsvorschläge miknehmen konnte. _

Der Raubkrieg im Ruhrgebiet

Zwei Personen erschossen

Krefeld, 7. Juni. Bei Kerchen-Broich wurde ein junge» Mann von einem belgischen Vahnposten durch einen Schutz tödlich verletzt.

Trier. 7. Juni- Auf dem Bahnkörper TrierKürenZ wurde der Ortsfremde Eilenz, der den Anruf nicht beachtet^ von einem französischen Posten erschossen.

Der Sonderbündler Reuter gibt zu, den Schuß ab­gegeben zu haben, dem in der Fronleichnamsnacht ein Btt i namens Diez zum Opfer siel. Er will in Notwehr ge­bandelt haben, was durch Zeugen widerlegt wird. Dis Franzosen lassen seine Verhaftung nicht zu.

Beamten, die das Paßvisum für die Reise nach dem un­besetzten Gebiet von den Franzosen haben wollen, wird dieses ohne Angabe der Gründe verweigert.

Dir Prussrl-- Besprechung

Brüssel, 7. Juni. Poincare kam mit dein Finanzminister De Lasteyrie und dem Wiederaufbauminister Le Troque» und 'einigen Mitarbeitern aus Paris hier am Nach einer Vorbesprechung Poincares mit den belgischen Ministern Thsunis und Jaspar fand.um drei Uhr die Beratung mit den anderen Ministern statt, die bis 6 Uhr dauerte. Es wurde folgende amtliche Bekanntmachung veröffenlicht:

Die belgische und französische Regierung haben heute die gemeinsame Prüfung verschiedener durch die Ruhrbefetzung entstandener Probleme fortgesetzt. Sie haben die früheren Beschlüsse in vollem Umfange aufrecht erhalten, im beson­deren in be-ng auf die Bedingungen, unter denen die Räu­mung der Ruhr nach Bezahlung der Reparationen statt­finden soll und mit bezug auf die Verpflichtung Deutschlands, den passiven Widerstand auszugeben, bevor irgendwelche Prüsung seiner Vorschläge stattfinden kanm Die beiden Regierungen haben außerdem das Programm der neuen Maßnahmen festgesetzt, die zu ergreifen sind, um den Druck zu verstärken und um Deutschland zu einer raschsn Erfüllung seiner Verpflichtungen zu zwingen."

Nach dem PariserJournal" soll die Einführung einer rheinischen Frankenwährung im besetzten Gebiet nicht länger mehr hinausgeschoben werden. Die Besitzer der Koks­brennöfen, die gelöscht sind, sollen aufgefordcrt werden, die Oefen sofort wieder in Brand zu setzen, widrigenfalls ihr Vermögen eingezogen würde.'

Havas fügt hinzu, da Frankreich und Belgien entschlossen seien, die Kapitulation Deutschlands zu verlangen, ehe man in Verhandlungen eintrete, bleibe England und Italien nichts übrig, als diese Grundbedingung anzunehmen, wenn die Einheitsfront des Verbands bald wieder hergestellt wer­den solle. Die französischen und belgischen Behörden im be­setzten Gebiet haben sich verständigt, den Druck zu verschär­fen, indem die Verwaltung von Bergwerken und Brücken erweitert werde.

Nach Schluß der gestrigen Besprechung hatte Poincare eine lange Unterredung mit dem König.

Die deutsche Rote nicht befriedigend

Paris, 7. Juni. DerMatin" meldet aus Brüstet, der belgische Außenminister Jaspar habe gestern nachmittag telegraphisch aus Berlin den Inhalt der neuen deutschen Note voraus erfahren und ihn Poincare mitgeteilt. Poin­care sei in seinem Wollen bestärkt worden, die Note nicht zu berücksichtigen, bevor der passive Widerstand nicht abgebrochen sei. Die Note sei in keiner Weise befriedigend und enthalte weder ein besseres Angebot noch genauere Bürgschaften. Ueber den passiven Widerstand enthalte sie nur eine verworrene Anspielung, keine unzweideutige Er­klärung, ihn beenden zu wollen.

Paldwins Plan

Paris, 7. Juni. Ein Berichterstatter desEcho de Paris" schreibt dem Blatt aus London, das französische Volk müsse sich vor dem Irrglauben hüten, daß eine Aenderung in der englischen Politik eintreten könne und daß Baldwin Len Franzosen Zugeständnisse machen werde. Baldwins Regie­rung sei von Dauer. Ln dem neu abgeänderten englischen Entschädigungsplan werde sich die Forderung eines Zah­lung s a u fs ch u b e s für Deutschland finden, die in Frank­reich so unbeliebt sei. In England hege man Mißtrauen gegen diePf ände r" und sei der Ansicht, daß man die imrch die Besetzung des Ruhrgebiets verminderte Leistungs­fähigkeit von neuem abschätzen müsse. Man wünsche eine allgemeine endgültige Regelung der Entschädigungs- frage. Dagegen werde Baldwin wahrscheinlich gegen die französischen Forderungen bezüglich der staffelmäßigen Räu­mung des Ruhrgebiets und des Aufgehens des passiven Widerstands keine Einwendungen erheben, wenn Frankreich und Belgien eine annehmbare Ausdrucksweise dafür finden. Die englische Regierung sei geneigt, alles Mögliche zur Sicherung Frankreichs zu unternehmen.

97. Jahrgang

Neue Nachrichten

Vom Reichstag

Berlin, 7. Juni. Der gestrigen Sitzung des Reichstag lag ein Gesetzentwurf über Umwandlung der Strafe gerichte, nach dem zur Strafrechtspflege in weit höherem Maß als bisher Nichtberufsrichter herangezogen, die Abur­teilung einer neuen Art der Schöffengerichte überwiesen und nur schweren Verbrechen den Schwurgerichten Vorbehalten werden sollen. Der frühere Reichsjustiznunister Abg. Dr. Radbruch (Soz.) bemängelte den Gesetzentwurf scharf: es gebe dann nicht weniger als 5 Strafgerichte erster Instanz Den Ausführungen Radbruchs wurde entgegengehalten, daß doch gerade die Sozialdemokratie immer den Berufsrichtern nachsage, sie seien welffremde, in Klaffenvorurteilen besam gene Leute, die keinen Sinn und kein Verständnis für den Volksgeist haben. Jetzt sollen die Nichtberufsrichter weit, gehende Befugnis erhalten und nun sei es wieder nicht recht. Iustizminister Dr. Heinze macht den Abg. Radbruch daraus aufmerksam, daß die von ihm jetztSystemlosigkeit" bezeichn nete Umwandlung von ihm (Radbruch) selbst angeregt wor, den sei, solange er noch Minister war. Die Radbruchschen Anregungen seien fast vollkommen in den vorliegenden Ent­wurf übernommen worden. Die Vortage wird dem Rechts- ausschvß überwiesen. Dann geht das Haus zu dem Antrag über, den wegen des bekannten Eisenbahnerstreiks gemah- regelten Eisenbahnern gewissermaßen in Anerkennung der wackeren Haltung unserer Eisenbahner in den besetzten Ge­bieten Strafbefreiung zu gewähren.

Der Haushaltausschuß des Reichstags hat die vereinbarte Neuregelung der Gehalts- und Lohnbezüge der Reichsbe- amten und Reichsarbeiter ab 1. Juni d. I. genehmigt.

Die neue Wuchcrverordmmg

Berlin, 7. Juni. Dem Reichsrat ist der Entwurf der neuen Wucherverordnung zugegangen, oer im allgemeinen an die bisherigen Bestimmungen sich anlehnt. Der Entwurf enthält 8 Abschnitte über Preistreiberei, Ein- und Ausfuhr. Erlaubnis für Einzelhandel, Notstandsversorgung, Preis­prüfungsstellen, Auskunftspflicht über Vorrääte usw. und Wuchergericht. Als neuer Begriff ist der Verordnung der Lsistüngswucher eiugeführt, der wucherischen Gewinn oder Verdienst aus Arbeitsleistungen usw. schwer bestraft. Als Höchststrafe ist Zuchthaus, als Mindeststrafe 10 000 Geldstrafe vorgesehen.

Das deutsche Dährungselend

Berlin, 7. Juni. Im Untersuchungsausschuß des Reichs­tags für den Marksturz führte Abg. Dr. Helfferich (Deutschnat.) aus: Die große Senkung des Markwcrts im vorigen Jahr hat ihren Ausgang genommen von dem schei­tern der Hoffnung auf eine glückliche Lösung der Entschädi­gungsfrage als, Bonar Law zur Regierung kam und damiil Poincare freie Hand für seine Sanknonspolitik und die Nuhr- besetzung erhielt. Für alle Waren, die nach England gehen, müssen 26 Prozent Abgaben an England entrichtet werden, Vas ist nach englischer Angabe mehr als die englischen Be­satzung:kosten. Den großen Fehlbetrag der deutschen Han- tielsvilanz können wir nicht abdecken und so sind wir zu fortgesetzten Markverkäufen im Ausland genötigt, was einen dauernden Druck auf den Markkurs mit sich bringt. Da die Rcichsbank an der Zahlungsbilanz nichts ändern konnte, «nutzte sie sich bei der Stützung der Mark auf untergeordnete techmsche Mittel beschränken. Die Golddecke ist allmählich schwacher geworden. Die Notenausgabe steigerte sich na­mentlich, weil die Reichsbank die Schatzwechsel der Nclchs- regierung mit Bargeld beleihen mußte. Doch ist es unr'ckt'a m der Inflation die Wurzel allez Nebels zu erblickem ck er Papiergeldumlauf betrug am 26. Mai d. I. 7 700 Mil­liarden Mark. Bei einer Entwertung der Mark um das 15 000fache sind das 500 Millionen Goldmark. Vor dem Krieg hat der Geldumlauf jedoch etwa 6 Milliarden (Metall und Papier) betragen. Von einerInflation", einer Aufblähung d r Wahrung durch übermäßige Geldmengen kann also kem'e Rede sein. Mit 600 Millionen umlaufenden Geldmitteln könnte die deutsche Wirtschaft gar nicht aufrschterhcilten werden. Reichsbankpräsident Havenstein stimmt diesen Ausführungen zu. Der Hauptgrund der Geldentwertung liegt nicht in der sogenannten Inflation, der Anstoß komm'- vicimehr von außen. Wenn man den Gesamtabschluß ziehe, jo sc! die Reichsbank der privaten Wirtschaft Geld schuldle, n:ch umgekehrt.

Die Mitwirkung des GroßhcmdAs

Berlin, 7. Juni. Eine Abordnung des Hauptverbands des deutschen Großhandels sprach dem Reichswirtschafts­minister Dr. Becker die Bereitwilligkeit des Großhandels aus, an den Entschädigungslasten und der SicherheiLsüber- aahme in angemessenem Verhältnis zu den übrigen Wirt- chaftsständen teilzunehmen. Die Beiträge seien indessen nur möglich, wenn die Eriragsfähigkeit der'Wirtschaft während )es Zahlungsaufschubs wesentlich gesteigert und dafür die mtsprechenö.u Borauszetzungen geschaffen weraen.