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Mittwoch, den 3. Juni 1936.
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101. Lahrgang
Sieg Briands in der Kammer.
Die Finanzdebatte vertagt.
Niederlage der Radilalsozialisten.
TU Paris, 2. Juni. Die gestrige Kammersihung wurde unter ungeheurem Andrang des Publikums eröffnet. Es lagen mehrere Interpellationen vor. an erster Stelle die des Radikalsozialisten Hulin, der auf sofortige Festsetzung des Datums der Beantwortung einer Interpellation bestand. Darauf ergriff Briand das Wort und erklärte, daß die Regicmng genau wie vor 8 Tagen so auch heute eine Finanzdebatte nicht wünsche. Das Parlament müsse sich auch über die parteipolitischen Erwägungen stellen. Eine nationale Einigung sei unerläßlich. Aufgabe der Abgeordneten sei es, als gute Franzosen sich um die Regierung zu scharen, wenigstens solange die Finanzschwierigkeiten nicht behoben sind. Später könnte dann der Kampf um die politischen Doktrinen wieder ausgenommen werden. Die Regierung bedürfe jetzt einer stabilen Mehrheit. Eine Regierung, deren Dasein in einer so ernsten Lage des Landes nur an einem Faden hänge, könne die schwere Verantwortung nicht auf sich nehmen. Wen» eine augenblirlliche Einigung nicht erzielt werden könnte, so bleibe der Regierung nichts anderes übrig, als znrückzutrcten. Das Schlimmste, was es für das Kabinett gebe, sei die gegenwärtige Ungewißheit. Worauf es jetzt ankomme, sei die methodische Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung. Hulin erwiderte, er sei bereit, seine Interpellation zurückzuziehen, wenn die Regierung die Zusicherung gtt>e, daß st« in keiner Weise zur Neubildung des nationalen Blockes beitragen werde. Darauf ergriff Nogaro das Wort. Der Redner vermutet, daß die Regierung gegenüber der Bank von Frankreich zu weitgehende Verpflichtungen übernommen habe. Diesen Ausführungen widersprach der Finanzminister. Der Sozialist Vincent Auriol kritisierte die Zusammensetzung des Sachverstän-
digenkomitecs, in dem die Vertreter der Hochfinanz das Ueber- gcwicht hätten. Die Sitzung wurde darauf unterbrochen.
Bei Wiederaufnahme der Sitzung schritt man zur Abstimmung.
Die Regierung beantragte die Veriagung der Interpellationen und stellte die Vertrauensfrage. Der Antrag wurde mit 313 gegen 147 Stimmen angenommen. Die Radikalen haben sich der Abstimmung enthalten mit Ausnahme von 20 Abgeordneten, die für die Regierung stimmten. Die Regierungsmehrheit setzt sich sonst nur aus Rechtsclementen zusammen. Ungefähr 140 Abgeordnete nahmen an der Abstimmung nicht teil.
Es wäre verfehlt, das Abstimmungsergebnis als eine stabile Mehrheit für das Kabinett Briand aufzufassen, und es liegt auf der Hand, daß das starke Eintreten der Rechtsparteien für das Kabinett die Lage der radikalsozialistischen Kabinettsmitglieder noch mehr erschwert. Immerhin hat das Kabinett Briand für die nächste Zeit Ruhe. Die neue Entscheidung wird erst am Ende des Monats bei der Eröffnung der sachlichen Finanzdcbatte fallen. ^ _
Frankreich» Loearno und der deutsch-russische Vertrag.
TU Paris, 2. Juni. Die Kommission für auswärtig« Angelegenheiten im Senat ist am Dienstag zusammengetvsten, um über die Einführung der Locarnoverträge zu beraten, die am Mittwoch in öffentlicher Sitzung zur Sprache kommen wird. Der Präsident der Kommission Hubert berichtete über die Demarche, di« er unternomvien hat, um von der Regierung Aufklärung über die Dokumente des deutsch-russischen Vertrages zu erlangen. Der PrwsiDcnt erklärte, daß, abgesehen von dem Vertragstext und dem angefüglen Briefwechsel zwischen Stresemann und Tschilscherin keine Aktenstücke über den Abschluß des deutsch- ruffischen Vertrages veröffentlicht worden seien.
Deutschland und die Arbeitskonferenz.
Eine Rede des deutschen Vertreters ^ in Genf.
Sin Arbeiterschutzgejetz des Reichsarbeitsministeriums.
TU Dens, 2. Juni. In der gestrigen Vollsitzung der in Genf tagenden internationalen Arbeitskonferenz nahm der deutsche Re- gieruugsvertreter, Ministerialrat Feig, das Wort, um den deutschen Standpnukt darzulegen. Er drückte zunächst dem Direktor d^ Internationalen Arbeitsamtes seine Anerkennung für den wertvollen Inhalt sein .s Berichtes aus. Dieser Bericht entwik- kelte sich immer mehr zu einem inernationalen Handbuch der Sozialpolitik, das einen wertvollen Einblick in den Stand der sozialen Gesetzgebung und der sozialen Verhältnisse in den verschiedenen Ländern gewähre. Nicht ganz zutreffend sei allerdings dte Angabe, daß Deutschland seit längerer Zeit seine Schiffswerften Unterstütze und ihnen zur Zeit 80 Millionen Mark als Darlehen gewährt habe. Tatsächlich sei von Unterstützungen keine Rede gewesen. Es Hab« sich vielmehr nur um «inen einmaligen Kredit zur Linderung der Arbeitslosigkeit auf den deutschen Schiffswerften gehandelt. Ministerialrat Frech ging sodann auf die Beziehungen der internationalen Arbeiterorganisationen zu den christlichen Gewerkschaften ein und besprach dann die neue Zeitschrift „Die Chronik der Unfallunterstiitzung", mit deren Herausgabe sich das Internationale Arbeitsamt hervorragende Verdienste erworben habe.
Ministerialrat Feig beschäftigte sich dann mit der Frage der Ratifizierung des Arbeitszeitabkommens. Er erklärte, es fei darauf hingewiesen worden, daß die Erklärungen der Regierungs- Vertreter sich sehr ähnlich seien. Seit kurzem sei aber ein sehr wichtiges Ereignis eingetreten, in dem zweifellos auch die Regierungen der Konferenzteilnehmer einen wesentlichen Fortschritt auf dem Wege der Ratifizierung des Achtstuudentags-Ueberein- kommens erblicken würden, di« Konferenz in London, Die deutsche Regierung sei für die Initiative des englischen Arbeitsministers sehr dankbar gewesen mrd sic glaube, daß die Einigung der wichtigsten Industriestaaten über die Auslegung verschiedener strittiger Punkte des Washingtoner Abkommens den Wog für die Ratifizierung dieses Abkommens ebnen werde. Die deutsche Regierung habe es daher auch begrüßt, daß der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes an dieser Konferenz teilgenommen ander Internationalen Arbeitskonferenz eingehend über die Ergebnisse der Londoner Besprechungen Bericht erstattet habe. Dte deutsche Regierung habe nicht gezögert, aus dem Ergebnis «er Konferenz vo» London dir Folgerungen zu ziehen. Schon vorher sei im deutschen Reichsarbeitsministerium der Entwurf eiues Gesetzes vorbereitet worden, in dem außer dem Arbeiterschutz die Arbeitszeit geregelt werden solle. Dieser Entwurf sei auf Grund der Ergebnisse der Londoner Konferenz umgearbeiiet worden: Es handle sich um einen vorlmffigen Entwurf, der innerhalb des
Arbeitsministenums ausgearbeitet worden sei, über den aber noch keine Beschlußfassung des Kabinetts stattgefunden habe. Dieser Entwurf werde gerade in diesen Tagen mit den Regierungen der deutschen Länder sowie mit den Finanzverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besprochen. Es sei bestimmt zu hoffen, daß er noch im Laufe dieses Sommers dem Kabinett und von diesem den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werde. Deutschland stehe auf dem grundsätzlichen Standpunkt, kein Abkommen zu ratifizieren, ehe nicht seine Gesetzgebung in volle Uebereinstimmung mit dem Inhalt des geschlossenen Abkommens gebracht wurde. Der gegenwärtig ausgearbeitete Entwurf des Arbeitcvschutzgesetzes sei so gefaßt, daß er die Ratifikation einer ganzen Reihe von internationalen Ucbereinkommen, insbesondere aber des Achtstundentages ermöglichen würde. Der Vollzug der Ratifikation werde von der gleichzeitigen Ratifikation durch die anderen Hauptindustricstaaten abhängig sein.
Dr. Stresemann über die politische Lage.
TU Rvsteck, 2. Juni. Auf der Landesversammlung der Deutschen Bolkspartei in Rostock sprach Reichsaußenminister Dr. Strc- semann über die politische Lage. Er führte u. a. aus:
Graf Westarp habe in seiner Rede in Schwerin zum Ausdruck gebracht, daß die Deutsche Volkspartei sich dem Zentrum gegenüber verpflichtet habe, die neue Regierung nach links zur großen Koalition zu erweitern. Der Beschluß dieser beiden Fraktionen besage, daß die Erweiterung der Regierung nur erfolgen könne durch Parteien, die die Garantie böten für eine Fortführung der bisherigen Außenpolitik und für Anerkennung der bestehenden internationalen Verträge. Wenn Graf Westarp das als ein Bekenntnis zur Heranziehung der Sozialdemokratie ausche, so müsse angenommen werden, daß er durch diese Ausführungen flir die Derrtschnationale Volkspartei die Garantie der Fortführung der internationalen Verträge ablehnc. Daß angesichts der bevorstehenden Entscheidungen auf dem Gebiet der auswärtigen Politik eine andere Politik als die der Fortführung der gegenwärtigen Außenpolitik gar nicht in Frage komm«, sei allmählich Allgemeingut der Anschauungen weitester Volkskrei.se bis tief in die D.Bp. hinein geworden. Graf Westarp erklärt, daß ohne die Deutschnationale Dolkspariei und di« dahinter stehenden Kreise keinesfalls regiert werden könne. Er werde aber wohl selbst nicht erwarten, daß diejenigen Parteien, an die er mit diesen Worten appelliere, gewillt seien, sich ihrerseits ans den Bahnen der von ihnen als richtig erkannten Außenpolitik verdrängen zu lassen. Zur Frage dr Fürstenabfindung bemerkte Dr. Strese- mann, ein Sieg des Volksentscheids würde von unübersehbaren kotzen Kr die innerstaatliche «nd innerpoKttffch» Entwicklung lein.
Tages-Spiegel.
Man rechnet mit der Vorlage des Abfindnngseutwurfes der Regierung im Reichstag zu Beginn der nächsten Woche.
Die Ratifikationsurkunden zu dem Handelsabkommen zwischen der» Deutschen Reiche und Spanien sind am 31. Mai in Madrid ausgetauscht worden DaS Handelsabkommen ist gestern in Kraft zetteten.
Ter deutsche Vertreter auf der Genfer Arbeitskonferenz legte Inder gestrigen Vollsitzung dm Standpunkt der Reichsrcgierung dar.
Briand setzte gestern nach zwei Reden in der Kammer die Vertagung der Finanzdebatte mit der Unterstützung der Rechten durch.
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Der Kandidat der PilsudskianhSnger Prof Mosricki ist im zweiten Wahlgang zum polnische« Staatspräsidenten gewählt wottwn.
Im englischen Kohlenstreil ist »och keine Entspannung eingetreten. Mardonald tadelte im Unterhaus die Haltung der Regierung.
Nach Meldungen aus Marokko hat die Kampstätigkeit in de» letzten Tage» weiter zugenommm. Unter dem Oberbefehl des Bruders Abd el Krims haben starke Riftruppm Tetuan angegriffen und sich der Borstädte bemächtigt.
Die Präfideritschafiswahl in Polen.
Moscicki panischer Staatspräsident.
TU Warschau, 2. Juni. Im -weiten Mahlgang der Wahl für den polnischen Staatspräsidenten in der Nationalversammlung erhielt Professor Moscicki 281 Stimmen. Der Posener Wojewodr Bninski, Kandidat der Rechten, erhielt 200 Stimmen, also « Stimmen weniger als im ersten Wahlgang. Der Sozialdemokrat Marek erhielt eine Stimme,- Stimmenthaltungen 6S. Die absolute Mehrheit betrug 243 Stimmen.
Präsident Moscicki in Warschau.
TU Warschau, 2. Juni. Der neue Staatspräsident MoscfiÜ traf am Dienstag nachmittag in Warschau ein und hatte sofort eine Zusammenkunft mit dem Premierminister Bartel bei Mar- lchall Pilsudski. Die etwa zweistündigen Verhandlungen dreht«« sich um di« Neubildung der Regierung, die gleich nach der Eidesleistung am Freitag voltzogen werden wird. Man glaubt, daß nur kleine Aenberungen im Rahmen des jetzigen Kabinetts statt- findsn werden. Die Juristen aus dem Lmseroativsn Lager unter Führung von Professor Österreicher von der Universität Krakau arbeiten an einem Gesetzentwurf über Aenderung der Verfassung. In Warschau spricht man in bestimmtester Form von der Möglichkeit, daß nach dem Rücktritt des provisorischen Ministerpräsidenten Bartel Pilsudski selbst di« Führung de» neuen Kabinetts übernehmen werde.
Die Lage in Portugal.
TU Berlin, 2. Juni. Wie die Morgenblätter aus Paris berichten, bereitet sich nach einer Havasmeldung aus Lissabon dar Avbeitcroerband daraus vor, in die Opposition zu treten, falls eine Militärdiktatur errichtet werden sollte. Die Truppen der Divisionen aus dem Norden und Süden unter dem Befehl des Generals Games Tosta marschieren auf Lissabon. Sie werden in der Umgebung der Hauptstadt bis zur Ankunft des Generals Feldlager beziehen. Di« Revolutionäre hoben den Senator Tories Novas und den Abgeordneten Tereira Osorio, sowie den Führer der vepublrkanischen Mtion in der Kammer Alvaro Castro festgenommen.
Rücktritt des Präsidenten von Portugal.
Der Präsident der Republik Portugal, Benardion Macho do, gab feine Demission. Man eriNMtt sich, daß dieser den Eintritt Porttbgals in dm Weltkrieg herbeigeführt hatte.
Stallen im Oftpakt?
Eine neue Europareise Tschitscherins.
TU Moskau, 2. Juni. Von gut unterrichteter Seite wird mit-- geteilt, daß Tschitschcrin Anfang August eine neue Europareise antreten wird, wobei er unter anderem Berlin, Paris und Nom einen Besuch «bstatten wird. Wie der Vertreter der Telunion erfährt, gilt diese neue Reise Tschitscherins hauptsächlich einer Zusammenkunft mit Mussolini, mit dem er über die Ostpaktpro- bleme verhandeln will. Der russische Botschafter in Rom Ker- schenzow habe, wie es heißt, Anweistmg erhalten, mit der italienischen Regierung bereits zu verhandeln, um Italien Kr den Ostpakt -u gewinnen. Dagegen wolle Rußland sich Italien gegenüber vewflichten, es tu seiner Kvlowialpolittt zu unterstütz».