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Mittwoch, den 16. Mai 1923
Berbreitetste Zeitung im Oberamtsbezirk. — Anzeigen find daher von bestem Erfolg.
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97. Jahrgang
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Nr^ 112"
Die französische GewalLpoiitik an der Saar
Im englischen Parlament. Da hört sich doch alles aus. Nicht im deutschen Reichstag, nicht einmal im bayerischen Landtag kam dieser Skandal zur Sprache. Kaum las man etwas in der Presse. Nein, ausgerechnet die Engländer mußten es sein, englische Parlamentarier, wie Simon, Asquith, Cecil und Mac Neill, welche ihre Regierung, welche die Welt auf jene traurigen Porgänge aufmerksam machen mußten. Und wir Deutsche mußten davon über London hören, obwohl es ein urdeutsches und echt- deutsches Ländchen ist, das von Frankreich, dem Namen nach allerdings von der Völkerbunds-Kommission, genannt „Saarregierung", in rücksichtslosester Weise behandelt wird, so schlimm, Laß Asquith am letzten Freitag im Unterhaus wörtlich erklärte, „man könne alle Annalen des Despotismus in den schlimmsten Tagen der russischen Geschichte durchsuchen, ohne ein solch ungeheuerliches Beispiel despotischer Gesetzgebung zu finden." —
Das ist wahrhaftig stark. Und wir Deutsche, wir wiederholen es, schweigen uns darüber aus! Freilich, uns brennen gegenwärtig andere Fragen auf den Nägeln, vor allem die Lebensfrage der Besetzung von Rhein und Ruhr und alles, was damit zusammenhängt: der Essener Massenmord vom Karsamstag, das Angebot Cuno vom 1. Mai, das Wordener Schandurteil vom 8. Mai und ganz neu: der Düsseldorfer Justizmord vom 11. Mai. Auch die Pfalz ist in Gefahr. Alles das lastet und drückt so zentnerschwer aus der armen geschlagenen deutschen Volksseele, daß sie keine Zeit findet, nach den traurigen Vorgängen im Saargebiet sich nmzuschauen. Das dient zu unserer Entschuldigung. —
Freilich, um die Saar sollten wir Deutsche uns noch viel mehr kümmern, als es tatsächlich geschieht, nicht daß es scsiließlich mit dem Saargebiet ebenso geht, wie mit Oberschlesien. Die „Saarvereinigung" und ganz besonders der von ihr herausgegeben« „Saarfreund", die beiden sorgen dafür, daß das deutsche Volk fortgesetzt auf dem Laufenden erbalten bleibt über alle die unsauberen Dings, welche die „Saarregierung" mit ihrem französischen Präsidenten Rault treibt, über die fortgesetzten Verdrehungen des Versailler Vertrags, über die französische Propaganda, die Einführung der Frankenwährung, den Bergarbciterstreik u. doch mehr recht unerfreuliche Vorgänge und Mittel, mit Lenen Frankreich planmäßig das Saargebiet früh,zeitig mürbe machen will auf den Tag, wo es durch Volksabstimmung zwischen Frankreich oder Deutschland wählen soll. —
Doch zurück zu den Verhandlungen im englischen Unterhaus! Simon fragt an, ob die englische Regierung über die Notverordnung vom 7. März unterrichtet sei? W-rum denn der englische Vertreter im Völkerbundsrat zu diesem unerhörten Erlaß geschwiegen hätte? —
Und nun gings los gegen den Pöl kerb und. As- qu: ih versetzte ihm einen Schlag nach dem andern, so wuchtiger Art, daß kein gesunder Fetzen von dieser Wilson- schen Mißgeburt noch übrig bleiben sollte. Der Völkerbund sei, wie ec augenblicklich zusammengesetzt ist und geführt wird, „ein Phantom, eine Farce und ein Betrug." Er werde von den Franzosen betrieben und beherrscht.
So ist's recht. Schade, daß man nicht auch einmal von Berlin aus derartiges zu hören bekommt. Wahrlich wir Deutsche hätten allen Grund dazu. Man denke an Euven und Malmedy, und wie man unsere Beschwerde über die damalige „sogenannte" Volksabstimmung in Genf aufnahm! Man denke, wie der famose Völkerbundsrat. auf französisches Kommando hin, das beste Stück Oberschlesiens, wider alles Recht und alle Natur, uns vor der Nase abgerissen und dm räuberischen Polen zuaeworfen hat. Man denke an Danzig, an Memel, an die Weichseldörfer, kurz an alle unsere wohlbegründeten Beschwerden, die der Völkerbundsrat einfach in seinen großen Papierkorb befördert hat. Wahrlich, ein langes und schlimmes Sündenregister.
' Dazu kommt seine völlige Unfähigkeit in der .Hauptaufgabe, die ihm satzungsgsmäß gestellt ist und in der Frage der Abrüstung. Wie unsagbar tranrm und erbärmlich hat er sich da aufgeführt! Wie lächerlich hilflos in andern Fragen, die zu Kriegen — wir erinnern nur an den polnisch- litauischen Krieg führten! Daß eine solche ärmliche Einrichtung — und mögen auch 50 Staaten im Völkerbund vertreten lein — die denkbar ungeschickteste Verwalterin eines Gebietes ist. wie die Saargegend, dis Frankreich um jeden Vrr-is uns wegschnapven will, liegt ans der Hand. —
Kein Wunder, daß die Herren der Saarregierung — bekanntlich sind es deren fünf Stück — alles nur keine ge- w'sfenhafte „Treuhänder" ihres Auftraggebers, des Völkerbund« sind. Und so haben sie in der beklagten Notverordnung u. a. schon d'e Kritik am Völkerbund mit mehrmona- t!äm Gefängnisstrafen, somit leichte Vergehen mit „absurden Strafen" bedroht (Simon). Ja, sie haben in Ergän- Firng dieser berüchtigten Verordnung, als der B e r g a r b e i- trr streik ausbrach, sogar jedes Streikpostenstehen, jede Verleitung zum Streik mit hoben Strafen verboten. —
Allerdings haben sie mit all ihren drakonischen Maßnahmen irichts ausgerichtet. Die Zahl der Arbeitswilligen beträgt trotz der langen Dauer des Streiks noch kein« 3 Dro-
zeni, und unter Ihnen sind viele Nichtbergleute. Und obwohl die Bevölkerung mehr unter diesem Streik leidet als die Streikenden selbst, so steht trotzdem alle Sympathie des Volkes auf Seiten der Bergleute, denen man mit opferbereiter Unterstützung beispringt. — (Der Bergarbeiterstreik ist denn auch gestern mit einer Niederlage der Saarregie- runa beendet worden. D. S.)
Wir begegnen also im Saargebiet äbnlichen Vorgängen wie in den Rbeinlanden, wie im Ruhrgebiet, wie am Rhein und in der Pfalz. Ueberall derselbe Abwehrkampf gegen Frankreich. Und ie frecher und grausamer der Franzmann, dessen eigener Landsmann Voltaire ihn bekanntlich mit dem Bilde zeichnete: „halb Affe, bald Tiger", auftritt. desto enaer schließen sich die Reihen der Kämpfenden zusammen. Nirgends in dielen Gebieten Spuren und Anzeichen einaetretener Erschlaffung oder nödenden Zusammenbruchs. Wenn es je dazu käme, dann gings der Anstoß vom Hinterland, von der Etappe, vom unbesetzten Deutschland aus. —
Dann aber wären wir erledigt. Und England, dessen Parlament sich wiederholt unserer Sache angenommen und wiederholt Frankreichs Vorgehen scharf gerügt hat, würde keinen Finger rühren für ein Deutschland, auf welches kein Verlaß ist. Nur der starke Wille flößt Achtung ein. Der Schwächling findet keine Teilnahme. England kann nur dann der französischen Eroberungslust wirksam ent- gegsntreten, wenn es sich auf ein widerstandsfähiges Deutschland stützen kann. — * XV. bl.
Saarländischer Protest gegen dis Nolversrdrmng
Saarbrücken, 15. Mai. In der heutigen Sitzung des Landesrats gaben sämtliche Parteien eine gemeinsame Erklärung ab, in der gegen die sogenannte Notverordnung der Regierungskommission und gegen die am 2. Mai erlassene Verordnung betreffend Einschränkung des Streikposien- stehens in der entschiedensten Weise protestiert wird. In der Erklärung wird die Regierungskommisfion vor aller Welt angeklagt, daß sie ihre vornehmste, durch den Versailler Vertrag gestellte Ausgabe, für die Wohlfahrt der Saarbevölkerung zu sorgen, wiederum in der unerhörtesten Weise verletzt habe. Sie mache die Bevölkerung zum Objekt ihrer einseitigen politischen Bestrebüngen und das Saargebiet, das einzige, der Obhut des Völkerbunds anvertraute Land, zu einer Einöde, einer Sklaverei. Zum Protest gegen diese Verordnungen der Reaierunqskommis- sion lehnte der Landesrat es ab, heute eine Sitzung abzuhalten.
Das Ende des Saarbergarbeiterstreiks
Saarbrücken, 15. Mai. Auch der Alte Beraarbeiterver- band hat heute in einer Revierkonferenz beschlossen, die Arbeit zu den gemeldeten Vereinbarungen wieder aufzunehmen. Damit hat der Streik der Saarberaleute nach einer Dauer von genau 100 Tagen sein Ende genommen.
Neuer Raubzug der Franzosen
Die deutschen Anilinfabriken beseht
Ludwigshafen, 15. Mai. Heute morgen kurz nach 5 Uhr haben französische Truppenteile die Werkcmlagen der Badischen Anilin- und Sodafabrik besetzt. Den Arbeitern, die zu ihren Arbeitsstätten gehen wollten, wurden die Ausweise zum Betreten des Werkes abgenommen. Außer den Direktions- und Verwaltungsgebäuden sind auch die Fabrikanlagen in Lndwigshafen und in Oppau, sowie die zu dem Werk gehörende Beamtenkolonie Friesenheim von den Franzosen besetzt worden. Vor dein Haupteingang des Ludwigshafener Werkes sind Maschinengewehre ausgestellt. Die Beamten- und Arbeiterschaft ist von den Besetzungstruppen aufgefordert worden, ihre Arbeitsstätten zu verlassen. Ueber den Zweck der heute vormittag erfolgten Besetzung der Badischen Anilin- und Sodafabrik durch französische Truppen wird von der Besatzungsbehörde in Ludw'gshafen mitgeteilt, daß die Besetzung erfolgte zur Beschlagnahme und zum Abtransport der Farbenprodukte, die Deutschland gemäß dem Frieden sv er trag an Frankreich und Belgien schulde. Die Besetzung verfolge zwei Ziele:
1. Um die Frankreich und Belgien geschuldeten Produkt« festzustellen.
2. Um die geschuldeten Produkte zu beschlagnahmen und abzutransportieren. Die Operation werde etwa 8 (acht) Tage in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit würden die Fabrikgebäude, in denen die in Betracht kommenden Produkte untergebracht sind, besetzt bleiben. Die Arbeiter und Angestellten dieser Fabrikbetriebe dürfen während dieser Zer der Besetzung ihre Arbeitsstätten nicht betreten.
Wie die französische Besatzungsbehörde in Ludwigshafev weiter mittelst, soll es sich bei der Badischen Anllin- und Sodafabrik nicht um eine Sanktions-Maßnahme, sondern um eine sogenannte Wiedererstattungsmaßnahme handeln. Um Ansammlungen in der Nähe der Fabrik während der heute früh erfolgten Besetzung zu vermeiden, wurden von der Besatzungsbehörde verschiedene Sicherheitsmaß- nahmen getroffen.
Wie der französische Bezirksdelegierte in Ludiwgshasen weiter mitteilt, sind heute früh zu dem gleichen Zweck, d. h. zur Beschlagnahme von Farbenoorräten die Farbenwerke
von Höchjt unv Viebrich am Rhein von französischen Truppen besetzt worden.
Da von dem gesamten Betrieb der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen, sowohl von dem alten Werk, als auch vo ndem Werk Oppau wegen der durch die französische Rheinzollgrenze heroorgerufenen Ausfuhrsperre ins rechtsrheinische Deutschland und ins Ausland seit vier Monaten fast nur aus Lager gearbeitet werden konnte, sind di« Vorräte an Farbstoffen' und Stickstoffen in den Silos der Fabrik sehr groß. Es handelt sich um Milli arden- werte.
*
Ludwigshafen, 15. Mai. Ueber die militärische Besetzung der Badischen Anilin- und Sodafabrik wird noch folgendes mitgeteilt:
Heufe früh gegen 4 Uhr wurde französische Kavallerie in der Nähe des am Rhein gelegenen Bezirksamtsgebäudes zur Besetzung der Fabrik bereitgestellt. Gegen '/-6 Uhr früh wurde der Oberbürgermeister, der Rechtsrat und der Polizeirat der Stadt Ludwigshafen sowie der Vezirksamtmann von Dolmetschern benachrichtigt, daß sie sich um 7 Uhr beim französischen Bezirksdelegierten einzusinden hätten. Den Spitzen der Stadtverwaltung und dem Bezirksamtmann wurde von dem französischen Bezirksdelegierten Mitteilung über die Besetzung der Badischen Anilin- und Sodafabrik und der Zweck der Besetzung gemacht. In dem in der Nähe des Ovpaiier Werkes gelegenen Städtchen Ogaersheim ist ein« Abteilung französischer Infanterie in Stärke von etwa 500 Mann eingetroffen.
Neue Gewnltmaßnahmen
Münster, 14. Mai. In Fröntrop besetzten die Franzosen das Anschlußgleis zur „Guten Hoffnungs-Hütte". Das Weri ist dadurcki vollkommen abaeiverrt.
Als Sanktion für die letzte Sprengung sperrten die Franzosen die Eisci'.bahnstrecke Kirchderne—Bork aus acht Tage für jeden Verkehr.
Köln, 14. Mai. Gestern vormittag ist der Bahnhof Oekoven von belgischen Truppen besetzt worden. Ein Milchzug mit Lokomotive und Packwagen wurde beschlagnahmt. Durch die Besetzung fielen den Belgiern 150 zum -großen Teil beladene Wagen in die Hände. Der Personenverkehr geht zurzeit bis Rommerskirchen. Am Nachmittag forderten die Belgier die deutschen Eisenbahner aus, die Arbeit für sie auf- zunehmen oder den Bahnhof zu verlassen. Seither ruht der Betrieb.
Sprengungen
Berlin, 14. Mai. Nach einer Blättermeldung aus Essen wurde gestern nacht gegen )41 Uhr die militarisierte Strecke Bottrop-Osterfeld etwa auf 800 Meter nördlich des Rhein- Herne-Kanals gesprengt. — In Essen, das etwa sechs Kilometer von der Sprengstelle entfernt legt, erzitterten die Fensterscheiben infolge der gewaltigen Detonation. An der Sprengstelle trifft die Hauptstrecke mit Len militarisierten Nebenstrecken zusammen, die als Zubringerbahnen fungieren. Durch die Sprengung ist die nördliche Verbindung Wanne— Duisburg—Meiderich unterbrochen. Es bleibt den Franzosen jegl vorläufig nur noch die Verbindung über Kettwig—Wer- den. -- Auf der Eisenbahnlinie Oberhausen—Osterfeld wurde d:e Brücke über den Knnal und die Emscher durch Sprengung zerstört. Der Eisenbahnverkehr ist unterbunden.
200 Jahre Gefängnis
Darmskadk, 14. Mai. Seit dem Tage des Einbruchs in hessisches Gebiet sind von französischen Kriegsgerichten hessische Staatsangehörige zu insgesamt 123 Jahren und zwei Monaten Gefängnis und 35 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt worden. Rechnet man noch die vom Kriegsgericksi Mainz verurteilten andern nichthessischen deutschen' Staatsangehörigen hinzu, so erhöht sich die Gesamtzahl auf 200 Jahre Gefängnis, 72 Millionen Mark und 311000 Franken Geldstrafen.
Der neue Krupp-Prozeß
Berlin, 15, Mai. In der am 18. Mai in Düsseldorf zur Verhandlung kommenden Revision im Krupp-Prozeß meldet die „Vassische Zeitung", daß die Angeklagten zu dieser Verhandlung nicht erscheinen werden. Der Gerichtshof werde sich aus sieben höheren Offizieren zusammensetzen. Der Anklagevertreter sei der höchste französische Gerichtsoffizier, der sich bei der Okkupationsarmee aufhalte, namens Abert. Die Verteidigung liegt in den Händen des Rechtsanwalts Dr. Grimm in Essen. Die Revision stützt sich lediglich auf Versahrens- verftöße.
Deutscher Reichstag
Berlin. 14. Mai. Der Reichstag setzt heute die dritte Le- sung des Haushalt des Innenministeriums in Verbindung mit den deutfchnationalen Interpellationen fort. Bezüglick der Selbstschutzorganisationen erklärt der Minister Oeser, Laß die Regierungen von Sachsen und Thüringen zugssagt hätten, daß auch sie ihren Selbstschutz auslösen wollten in dem Mo- ment, wo die nach ihrer Meinung von Bayern drohende l . - fahr beseitigt sei. Hierauf findet ein Antraa Ledebour A,;-