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Nr. S7

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Freitag, den 27. April 1V2S

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S7. Jahrgang

Tagesspiegel

Nachdem zwei Monate im Reichsfinanzministerium mit den Vertretungen der Beamten und Arbeiter der Reichsver- waliungen verhandelt worden war. ist nun ein Aebereinkom- men üÄr die örtlichen Sonderzulagen getroffen worden. Var- nach sollen ab 1. März d. I. Zuschläge von 26 bis 624 Prozent gewährt werden. Die höchsten Sähe erhalten Orte im besetz­ten Gebiet, wo eine völlig neue Ortsklaffeneinteitmig getroste« wurde.

Die Polizei in Mailand und Rom soll nach Blakte» Meldungen eine sozialistische Verschwörung, deren Haupt eia Vesce sei, gegen Mussolini und seine Anhänger entdeckt haben. 300 Personen sollten nach der schwarzen Liste ermor­det werden.

Die Gefahr von Lausanne

MrstchastHragen und Ruhrkonslikt

Ein Schweizer Mitarbeiter, der die neu« Laufarmer Konferenz als Pressevertreter besucht, schreibt mir: Die zweite Orientkonferenz hat begonnen, in aller Stille, ohne große Reden und Fanfaren. Man arbeitet in den Kom­missionen da weiter, wo man Anfang Februar unterbro­chen worden ist. Die Delegation aller beteiligten Staaten sind wieder anwesend mit Ausnahme Rußland, dessen wei­tere Beteiligung von England nicht gewünscht wird, weil ja die Dardanellenfrage erledigt fei. Aber die Russen wuß­ten sich zu helfen. Sie entsandten wieder den Pressechef Ahrens von der Berliner Sowjetvertretung. Er bezeichnet sich setzt als Journalist, amtet jedoch als Horchposten. Der Kampf geht um die wirtschaftlichen Bedingungen des tür­kischen Friedensverträgs, an denen die erste Lausanner Kon­ferenz bekanntlich scheiterte. In Len Gebietsfragen wird wohl einzig der italienische Anspruch auf die Insel Castello- ritza dicht an der kleinasiatischen Küste zu einer Streitigkeit Anlaß geben. In allen übrigen Gebietsfragen haben die Türken nachgegeben oder sind sie bereit, nachzugeben. Nicht bereit sind sie, sich durch die Zauberkunst der wirtschaftlichen Bestimmungen um ihre nationale Unabhängigkeit bringen zu lassen. Sie sehen es ja bei Deutschland, wie unerfüllbare wirtschaftliche Bedingungen die Handhabe zu immerwährenden Eingriffen geben. Einer solchenEnt­schädigungspolitik" wollen sie, dieUnbesiegten", sich nicht aussetzen. Aber es wird ein heißes Ringen werden. Die Türkei will ihr schwer erschüttertes Wirtschaftsleben wieder aufbauen und dabei nichts von ihrer im Krieg mit Griechen­land errungenen Selbständigkeit verlieren. Sie hat dabei zunächst weniger mit den Westmächten, als mit dem auslän­dischen Großkapital zu kämpfen. Allerdings wird sich bald zeigen, wie weit der Einfluß des Großkapitals auf die Regierungen der Großmächte und vor allem auf die Frankreichs reicht und welche Verwicklungen wieder dadurch eintreten müssen.

Weiches sind nun die wirtschaftlichen Bestimmungen. Erstens die Zinszahlungen der Ottomanischen Vorkriegs­schulden; sie sollen in Gold geleistet werden. Jsmsd Pascha hat aber den Franzosen, den Hauptgläubigern der Türkei, wiederholt erklärt, daß die Zinsen der türkischen Schulden, wenn überhaupt, dann nur in Papierfranken bezahlt werden können. Die Zinszahlungen in Gold würden drei Viertel aller Einnahmen der Türkei verschlingen. Also undurch- stihrbar! Unannehmbar! Zweitens: Die Türkei soll alle wirtschaftlichen Zugeständnisse, die die Sultansregierung in Konstantinopel nach dem Waffenstillstand von 1918 an An­gehörige der Siegerstaaten gab, anerkennen. Bis heute weiß die türkische Abordnung in Lausanne noch nicht, welche Zugeständnisse das sind. Sie weigert sich also, Unbekanntes anzuerkennen. Außerdem hat die Regierung des Sultans damals unter dem Druck der Verbündeten war doch Kon­stantinopel besetzt Gerechtsame in Anatolien erteilt, in emem Gebiet, über das sie gar keine Gewalt hatte. Di« Inhaber sollen sich nun unmittelbar an die jetzige türkische Regierung wenden und diese Verhandlungen sollen bis zum Ende der neuen Lausanner Konferenz abgeschlossen sein, sonst droht die Entente mit Diktat. Aber die Türkei hat nicht das geschulte Personal, um in so kurzer Zeit alle die Konzessionen auf ihre Berechtigung und Erträglichkeit für das Wirtschaftsleben der Türkei zu prüfen. Die Deutschen fehlen! Drittens: Die Türkei soll die (von den Deutschen gebauten!) anatolischen Bahnen zurückkaufen. Woher aber

.. ^oldmillionen nehmen? Die Verbündeten wären so gnädig, das Geld vorzustrecken, wenn siesolange in die Verwaltung der neuen türkischen Staatsbahnen einrücken", dicht man den Beschluß? Viertens: Die Verbündeten ver­langen Entschädigung für ihre Staatsangehörigen, die wäh­rend des Weltkriegs in der Türkei zu Schaden gekommen N- Gut sagt die Türkei, ihr habt 1918 in Berlin und Wien 7 Millionen türkische Pfund der türkischen Schulden­verwaltung in Gold weggenommen. Außerdem dat Eng­land im August 1914 (die KriegserUärung der Türkei er­folgte erst Anfang November 1914) zwei dort gebaute und von der türkischen Regierung bezahlte Großkampfschiffe be- Alagnahmt. Wert: 4'/. Millionen Pfund. Macht zusammen ii/» Millionen Pfund. Nebnft diese,.,als Entschädigung.

Aber die Engländer rechnen anders. Werden sie so lang- rechnen, bis es der französischen Diplomatie gelungen ist, den Ruhr st reit nach Lausanne zu verpflanzen und ihn dort wieder unlösbar mit Orientfragen zu verflechten? Das fft di« größt« Gefahr der neuen Konferenz von Lausanne-t

«Die Deutschen haben es auch nicht anders gemacht"

So die Franzosen, wenn man ihnen die SchandNchkeiten jcm der Ruhr und am Rhein vorhält. Sie hätten schon im deutsch-französischen Kriege 1870/71 und nachher in der drei­adrigen Besatzungszone übel gehaust. Sie hätten erst recht abscheulich im Weltkrieg in den besetzten Teilen Nordfrank­deichs und Belgiens hantiert.

Leider wird das nun von Deutschen nachgesprochen. Dreierlei wird dabei übersehen: Erstens, daß die Deutschen Pch damals im Krieg mit Frankreich und mit dem aller­größten Teil der Welt befanden, also in einem Verzweis- prnaskampf schlimmster Art, einem Zustand, wo die Leiden­schaften hüben wie drüben aufs höchste bis zur Unzurech­nungsfähigkeit, erregt waren. Zweitens, daß die Fran­zosen aber jetzt in reinstem Uebermut ihre kulturwrdrigen Schandtaten verüben. Nicht die Not treibt sie dazu, di« Deutschen an der Ruhr und am Rhein zu martern und zu morden, nein, es ist der leichtfertigste Uebermut, und die ge­meinste Rachsucht, die hinter dem abscheulichen Tun stecken. Drittens ist es überhaupt nicht wahr, daßdie Deutsche» auch nicht anders gemacht haben". Vielmehr ist genau » Gegenteil wahr.

Ein ehemaliger Offizier, Otto v. Stülpnagel, v«n- entljchie vor «irrigen Monaten in denSüddeutschen onatsheften" einen hochbsdeutsame« Artikel: «Wer,

Heck zerstört?" I« dieser Sache etsiyeink nun in denSM deutschen Monatsheften" ein neuer Artikel:Die Deut­schen haben esauch nicht anders gemacht", der di« weiteste Verbreitung oerdient. Und was liest man da', Lauter Urkunden, wörtlich aus dem Französischen in- Deutsche übersetzt, genau mit Datum und Unterschriften ver­sehen, Urkunden von Privaten und von Behörden, in denen, den Deutschen bezeugt wird, wie sie sich in Len besetzten Ort­schaften gegen die französischen Einwohner verhalten hatten. Und dabei hat man es mit einer kleinen Auslese zu tun. Dem Herarsgeber stshen noch Tausende von ähnlichen Urkunden zur Verfügung.

Und wenn man nur diese verhältnismäßig wenigen Briefe liest, so könnte man als Deutscher tatsächlich ordentlich stolz werden. Wahrlich, wir hatten in Frankreich drüben ein recht anständiges Heer, das dem deutschen Namen, mit weni­gen Ausnahmen, alle Ehre machte.

Nur einige wenige Beispiele. Während die Franzosen heute an der Ruhr alles in Unordnung bringen und täglich Millionemverte in unsinnigster Weise zugrunde richten, be­zeugten die Einwohner von Tirlemont am 24. August 1914 dem deutschen Kommandanten:Obwohl Herr von Veltheim allen militärischen Notwendigkeiten Rechnung trug, hat er sich bemüht, unserer Bevölkerung Ruhe und Ordnung zu sichern. Er hat die lobenswertesten An­strengungen gemacht, um Industrie, Handel und Ackerbau wieder in Gang zu bringen und unsere Stadt hat unter seiner Verwaltung ein Mindestmaß der Leiden, die die Besetzung hervorbringt, erfahren."

Einem Kapitän Müller-Hickler wird bezeugt, daß er als Kommandant der Gebietedie Einwohner gütig und geradezu väterlich behandelt" habe

Die Leute von La Balles aux Bleds rühmen der deutschen Kommandantur nach, sie hätteihr Möglichstes getan, um den zivilen Bewohnern angenehm zu sein und daß die Be­völkerung keine Klagen vorzubringen" hätte.

Fast durchweg liest man, wie die deutschen Soldaten mit Takt und Wohlwollen",schonend und gütig" die Franzosen behandelt, wie siedas Eigentum eines jeden schützten", wie sie die Leiden der Bevölkerungim Rahmen des Möglichen mildenen", wie sie sichgut und edelmütig gegen alle ge­zeigt", wiedie Armen und Unglücklichen von ihnen gespeist und unterstützt" wurden.

Ja, der Bürgermeister van Charleville schreibt sogar: Ich weiß nicht, ob sich die ganze Blüte des deutschen Volkes hier bestndet, aber man kann sich gar nicht genug wundern über dos feine, gesittete und vollkommen biedere Wesen, für das die Führer das Vorbild abgeben, und sie tun viel Gutes. Jeder bewundert die gute Haltung, die Ordnung, die bei den Truppen herrscht und ihre Höflichkeit gegen jerdermann."

Ein Gefangener schreibt:Jeder Mann im Gefängnis hat mir sebr viel Hochachtung bewiesen."

Und nun vergleiche man damit, was die Rote-Kreuz- Schwester aus Duisburg neuerdings über die Behand­lung von 150 deutschen Gefangenen berichtet hat! Welch« Mißhandlungen, wieviel Hunger und Durst, wieviel Gemein­heiten ekelhaftester Art diese unglücklichen Unschuldigen Tag für Toa erleiden müssen! Und zwar nur deshalb, weil si­chrem Vaterland und ihrer deutschen Obrigkeit treu bleiben. Und dabei wird kein Unterschied gemacht: ein Oberbürger­meister nicht etwa rücksichtsvoller behandelt als der einfache Bahnarbeiter.

Ob General Degouttc auch dieSüdd. Monatshefte"

zu lesen bekommt? ll.

Die Ausbeulung Deutschlands

Die Entschädigungskommission in Paris veröffentlicht fol­gende Mitteilung: Laut Beschluß der Kommission vom 21. März 1922 wurde Deutschland die Verpflichtung auf­erlegt, während des Jahrs 1922 Sachlieferungen im Werl von 1450 Millionen Goldmark zu bewirken. Hiervon soll­ten an Frankreich 950, an die übrigen Verbündeten 500 Millionen gehen. Das Finanzabkommen vom 11. Mär- 1922 bestimmte, daß die 500 Millionen nach Abzug von 24 Prozent, also von 120 Millionen Goldmark, die aus England entfallen, im gleichen Verhältnis, wie es das Ab­kommen von Spa vorfah, unter die übrigen verbündeten Staaten verteilt werden sollten. Nach den bisherigen Aus­zeichnungen der Kommission haben die verschiedenen Staa­ken noch Anspruch auf Sachleistungen in folgen­der Höhe: Großbritannien für 120 Millionen, Italien für l.46 Millionen, Japan für 11 Millionen, Belgien für 117 Millionen, Griechenland und Rumänien zusammen für 22 Millionen, Serbien für 73 Millionen, Portugal für 11 Mil­lionen.

Großbritannien und Serbien haben an Sachlieferungen mehr bezogen, als ihnen zustcmd, während die andern Staaten weniger anforderten. Im ganzen wurden für die Rutschen Lieferungen 695 606 800 Goldmark gutgeschrieben davon von Frankreich 209 064100 Goldmark, von den üb­rigen Verbündeten 486 542 700 Goldmark. Angefordert wür­ben dagegen von den Verbündeten für 1922 Lieferungen oon 851800 000 Goldmark, so daß von den Aufträgen 156 193 200 Mark noch nicht erfüllt sind und im ganzen noch Sachlieferungen in Höhe von 754 393 200 Goldmari lusstehen. *

Also mehr als vier Jahre nach Kriegsende fließt deutsches kolksvermögsn noch immer in ununterbrochenem Strom rach allen Windrichtungen ab. Wie Vampyre saugen all' üe großenSieger" an unserem Lebensblut. Und da mun­tert man sich, wenn Deutschland nicht mehr imstande ist, .. kntschädig-ungsangebote zu machen, wie sie gewünscht verde».

Lloyd Georges als Sturmkünder

In derNeuen Züricher Zeitung" veröffentlicht Lloyd ßeorge einen Artikel, der in England großes Aufsehen rregt. Die erregten Auftritte im Unterhaus, die von der lrbeiterpartei hervorgerufen wurden und bei denen Vonar taw nur durch das mutige Einspringen einiger Partei- reunde vor persönlichen Mißbandlungen bewahrt blieb, affen keinen Zweifel, daß Großbritannien vor einem Zeit­abschnitt von Stürmen, vielleicht von Orkanen stehe. Di« Zeit der Ruhe, die durch di« gemeinsame Ablenkung durch den Krieg und die folgende Erschöpfung gegeben war, sei abgeschlossen. Der kommende Kampf werde von nie da- gewesener Bedeutung sein. Die Arbeiterpartei habe di« Frage der Abschaffung des Privateigentums aufgeworfen, die eine ernsthafte Herausforderung an die Rechte mäch­tiger Klassen bedeuten und für die Interessen aller Klaffen von Lebenswichtigkeit seien. Man habe den mäßigenden Einfluß der Gewerkschaft überschätzt. Sein politischer In­stinkt lasse das englische Volk erkennen, daß es bei den nächsten Wahlen zu ernsten Entscheidungen berufen sei, da» her komme jetzt das große Interesse bei den Ersatzwahlen, Es gebe zwei Mittel zur Abwendung des Unheils: Die plan­mäßige Einpflanzung gesunder Lehren wirtschaftlicher Wahr­heiten in die Köpfe der Arbeiterbevölkerung und die Aus­rottung wirklicher sozialer Krankheiten, die von den Revo­lutionären zur Verbreitung ihrer Lehre vom angeblichen Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaft ausgenützt werden.

Bor diesen Stürmen stand England auch schon kn den Jahren 1893 und besonders 1913 und 1914. Und es mal nicht der unwichtigste unter den Gründen, die die britisch« Regierung veranlaßten, in den Weltkrieg sich hineinzuwa­gen, daß die inneren Gefahren beschworen werden sollten. Das Betäubungsmittel hat acht Jahre lang sein« Wirkung getan, die Krankheit selber wurde nicht geheilt, Lloyd George empfiehlt nun aber nicht eine neue Ablenkung nach außen, die wohl mehr im Sinne der gegenwärtigen Regierung besonders derDiehards", wie man die Ultra­konservativen und Franzosenschwärmer wie Balfour, Cur- zon, Derby u. a. nennt, läge, sondern er empfiehlt wirt­schaftliche und soziale Reformen, in denen das Land de, Hunnen und Boches der ganzen Welt um Jahrzehnte vor­aus ist.

Unerfreuliches aus dem Ruhrgebiet

Schandtaten

Trier, 26. April. Ein französischer Soldat verletzt« das achtjährige Söhnchen des Postschaffners Thiel in Föhren, das am Bahndamm spielte, durch einen Revolver­schuß schwer. Die Kugel drang in di« rechte Brustseite eiv