Erscheint an jedem Werk­tag. Bestellungen nehmen sämtliche Postanstalten und Postboten entgegen.

Bezugspreis im Februar X 1200. Einzelnummer 50.-

Anzeigen-Gebühr für die einspaltige Zeile aus ge­wöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmali- ger Einrückung 80., bei mehrmaliger Rabatt nach Tarif. Bei gerichtl. Betreibung u. Konkursen «st der Rabatt hinfällig.

«-gründe« 1«S

Nagolder Tagblatt

GchrtstleUun,. Druü and S erlag von G. « 8 aller (Narl 8»Uer> Nagold.

A>r>lprechir Do» 2A

Verbreitetste Zeitung im Oberamtsbezirk. An­zeigen sind daher von bestem Erfolg.

Für ,«l-s. Aufträge »tro let- aerlet Gewähr übernommen. »» wird kein« Gewtthr dafrlr äbernommen, dah Anzetge» «der Reklamen ln bestimm!«« «udgabrn oder an der s>- wünschien Grell« erlcheine«. An Fallen von HLHerer Ge­walt besteht kein Anspruch aus Lieferung »er Zeitung »der arf Aück,ahlung d. Bezugspreise«.

Lelegramm-Adreffe:

Gesellschafter Nagold.

Postscheckkonto: Stuttgart 5113.

Nr. 26

Das englische Loch

Wieviel hak man doch immer von dem bösen «Loch km Westen' gesprochen, in dem unsere «ehrbaren' Schieber Vieh und andere Nahrungsmittel, die wir so gut brauchen könnten, spurlos verschwinden lassen. Jetzt handelt es sich um ein anderes Loch, das Stück im Nheinlande, das von den Engländern besetzt ist und an dem wir möglicherweise recht froh sein müssen.

Die räuberischen Franzosen und Belgier wetteifern zur Zeit ln der löblichen Absicht, das Ruhrgebiek von dem übri­gen Reich, also nach dem Süden und Osten abzuschnü - ren. Starke Truppenmassen ziehen die Linie in einem Bogen von Nordosten bis Südwesten. Sie bilden zugleich die Zollinie. Die Folge davon wären Raub der Kohlen, des Kokses und der Kohlenskeuer, Ausräubung der Staats­forsten, Raub der Zölle, der Ausfuhrabgaben und der De­visen und nicht zuletzt auch Einfuhrverbot von Lebensmit­teln, also eine Hungerblockade für das ohnehin schwer­geprüfte Ruhrgebiet.

Bis jetzt ist die Absicht nur unvollkommen gelungen. Namentlich hapert es ganz gewaltig mit dem Eisenbahn­verkehr. Der Fahrplan kam in Anordnung. Kohlen- züge entschlüpften ins Reich wider den Willen der Be­lagerer, und wo sie gar die Lokomotiven mit ihrem Per­sonal besetzten, da hat es mehrfach Entgleisungen gegeben.

Aber derartige anfängliche Mißerfolge werden die Schergen eines Poincare nicht abhalten, den begonnenen Plan hartnäckig fortzusetzen, bis er gelingt. Poincare weiß, daß an dem Gelingen seines Unternehmens alles hängt, seine Stellung, der Abschluß seines Lebenswerks, sein europäi­scher und weltgeschichtlicher Ruf. Also «Biegen oder Brechen'!

Rur eine Stelle gibt es, an der das brutale und all­mächtige Frankreich verwundbar ist: das ist die e n g l i s ch s Besetzungsfront. Es kommt nämlich alles daraus an, wie sich die Engländer zu einem etwaigen Versuch der Einschränkung dieses ihres Besetzungsgebiets verhalten wer­den. Wenn BonarLa w^ie englischen Truppen, so wie es Harding mit den amerikMischen Soldaten gemacht hat, zurückzöge, dann läge die Sache einfach. Dann würde Poincare die entstandene Lücke sofort mit französischen Truppen ausstopfen, und die Frage der Abschnürung wäre rasch und glatt gelöst.

Aber offenbar trägt sich die englische Regierung noch keineswegs mit dieser Absicht. Erstens will sie den fal­schen Glauben nicht aufkommen lassen, daß der Versailler Vertrag für England nicht mehr bestehe. Zweitens wollen sie den bösen Schein vermeiden, als ob die ohnehin schon wacklige Entente endgültig in die Brüche gegangen sei.

Also die Engländer bleiben vorerst am Rhein. Und so lange das der Fall ist, werden Frankreich und Belgien wohl oder übel ihr Absperrungsgebiet nach der englischen Seite hin offen lassen müssen. Dadurch hätte Deutschland die Möglichkeit, auf diesem Wege, unter Vermeidung der Zollinie, mit dem Ruhrgebiel in Verbindung zu bleiben. Poincares Plan hätte also ein bedenkliches Loch, und das Durchhalt;n des Ruhr­gebiets wäre nicht unerheblich erleichtert, ja vielleicht dauernd gesichert.

Allerdings fragt es sich, ob England hierin festbleibk? Wir glauben, daß Bonar Law nach der seitherigen Me­thode seiner Politik gar nichts anderes übrig bleiben wird. Er hak auf der Pariser Konferenz mit seinem be­kannten Vorschlag das Tischtuch zwischen sich und Poin­care gründlich durchschnitten. Bradbury hat in der Enk- schädigungskommission gegen das von Frankreich bean­tragte .Schuldig" wegen «absichtlicher Nichterfüllung" ge­stimmt. England ist kurz darauf zwar nicht Frankreich in den Arm gefallen, als Poincare ihn zum Schlag gegen das Ruhrgebiet ausholke, aber es hat wenigstens nicht mikge- kan. Es stellte sich vielmehr mißbilligend, jedenfalls «zu- wartend" bei Seite. Endlich hat es am 26. Januar sich der Stimme enthalten, als die drei anderen Kollegen in der Kommission, also als Frankreich, Belgien und Italien auf eine «allgemeine Verfehlung" Deutschlands erkannten.

Wir erwarten nicht von England, daß es sofort mit beiden Füßen in unser Lager springt. Das wird England überhaupt nicht tun, kann's nicht tun, da es uns immer noch haßt und daher uns auch keine wirtschaftliche Er­starkung gönnt. Aber wenn Bonar Law in die letzte Ab­sicht Frankreichs, also ln den Plan einer völligen Ab­schnürung des Ruhrgebiets willigen würde, dann würde er aus seiner in den letzten Wochen befolgten Politik der Neutralität gegenüber dem französischen Ruhrangriff herausfallen. Zu einem derartigen grundsätzlichen System-

Donnerslag. den 1. Februar 1S2S

All die Mliilgslkser ii WilktteMg!

Das Zeitungsdrockpapler, das lm Januar bis auf SSO Mark für eia Kilo, also auf annähernd das 27üvfache der Vorkriegs­zeit. gestiegen war, wird durch die infolge der Ruhrbesehung erheblich fortgeschrittene Geldentwertung und die damit zusam­menhängende enorme Steigerung der Holzpreise, Kohlenpreise» Frachtensähe, Löhne und Gehälter eine erneute Verteuerung 4n einem Ausmaß erfahren, wie sie bis jetzt nicht annähernd dagewesen ist. Dabei werden die Holzpreise weiter in der uner­hörtesten Weise hinaufgekrieben, so daß es heute in Deutschland »ichkS gibt, was annähernd so teuer ist, wie das Holz.

Die übrigen Herstellungs- und Verkriebskosten der Zeitungen bürden den Verlegern Lasten auf, unter denen sie bestimmt zusammenbrechcn müßten, wenn ste nicht wenigstens einen Aus­gleich der entstehenden reinen Mehrkosten herbeiführen würden. Es bleibt den Zeitungsverlegern nichts anderes übrig, als di« Bezugs- und Anzeigenpreise wiederum zu erhöhen. Wenn in den meisten Fällen eine Verdoppelung der bisherigen Gebühren einkrilt, so bitten wir, darin das Geringste zu erblicken, was die Zeitungsverlage zur Bestreitung ihrer gewaltig angewachsenea Unkosten unbedingt nötig haben.

Es ist wirklich eine verzweiflungsvolle Lage, in der sich die Zeitungen befinden, während sich andererseits gerade in diesen Tagen, in denen es sich um Sein oder Nichtsein Deutschlands handelt, zeigt, daß die deutsche Presse als wertvollste Waffe im Kampf gegen eine schändliche Fremdherrschaft nicht entbehrt werden kann. Es darf deshalb auch zu der würktembergischea Leserschaft das Vertrauen gehegt werden, daß sie unter ein­sichtsvoller Würdigung der bestehenden Schwierigkeiten ihren Zeitungen in jeder Hinsicht die Treue bewahren werden.

Der Vorstand

des Vereins Würkt. Zeitungsverleger.

Der Bezugspreis des Nagolder TagblausDer Gesell­schafter- muß ans Grund drS geschilderten unauihö lichen An­wachsens der Teuerung auf 1200 Mark im Monat Februar festgesetzt werden.

Wechsel scheint uns ein Bonar Law, bei aller Franzosen-? freundlichkeit und Deutfchfeindlichkeit, doch nicht fähig zu sein. Würde es es dennoch machen, dann hätte England auf seine altbewährte Ueberlieferung, nämlich auf die Regel, sich niemals als Handlanger einer Festlandsmach? mißbrauchen zu lassen, endgültig verzichtet. V/. Ich '

Sabotage

Die neueste Form des Ruhrkrieges

Aus Mülheimo. d. Ruhr erhalte ich folgenden Sollt»! berbericht: Das nervenzermürbende Ringen im neubesetz-s ten'Gebiet nimmt mehr und mehr die Form der Sabo­tage, d. h. der absichtlichen Zerstörung der Technik unh Wirtschaft an. Wir meinen damit nicht etwa von deutscher! Seite ausgehende Maßnahmen. Es ist keine Sabotage, wenn, das Telephonfräulein Fernsprechverbindungen, in denen fran­zösisch geredet wird, kurzerhand abbricht. Ebensowenig, wenn der Ladenbesitzer sich weigert, seine Ware an Franzosen ab­zugeben. Es ist auch keine Sabotage, wenn die Gruben­arbeiter die neu geförderte Kohle nicht in die von den Fran­zosen vorgehaltenen Wagen, sondern auf abseits liegende Halden schütten oder wenn überhaupt nicht mehr gefördert, sondern nur noch an der Verschalung der Stollen gearbeitet wird. Sabotage ist es nicht, wenn die Eisenbahndirektion ihre besten Lokomotiven schleunigst nach dem unbesetzten Gebiet abschiebt, um sie vor der drohenden Beschlagnahme zu retten. Einem so furchtbaren Aderlaß wie im Waffenstillstand muh vorgebeugt werden. Alle diese Schritte fallen noch unter den Begriff des passiven Widerstands.

Dagegen läßt sich nachw eis en, daß die Franzosen, di« in ihrem Aerger, nicht weiterzukommen, wutschnaubend über deutsche Sabotage zetern, gerade damit selber erst an gefangen haben. Die Franzosen haben das Rheinkabel bei Steele und bei Düsseldorf durchschnitten. Das war Sabotage. Der Re­gierungspräsident erbietet sich, die Ausbesserung vornehmen zu lassen, wenn die Franzosen die von ihnen besetzten Um­schaltestationen räumen. Das tun sie nicht, und der Krieg geht weiter. In Len Rangierbahnhöfen können die französischen Ingenieure nicht mit. dem Stellsystem umgehen. Sie stellen die Geleise mit Brecheisen. Die Folge: Die Weichen werden ruiniert. Die Wagen entgleisen. Ist das keine Sabotage? Die fortgesetzten Verhaftungen von Beamten und Betriebs­direktoren sind natürlich Sabotage. Denn wo plötzlich der Leiter und Vorgesetzte fehlt, wird jede werteschaffende Arbeit zerstört,

Was soll aus den sabotierten Betrieben werden? General Weygand und Arbeitsminister Le Trocquer sind abermals in den Kriegsschauplatz eingereist. Diesmal hoben sie außer dem Erubendirekkor Guilleaume auch den Generalsekretär des franz. Eisenbahnrats Benoit mitgebrachk. Zweck dieser zwei- ten Besichtigungsfahrt scheinen die Vorbereitungen für den großen Schlag zu sein, der in der Nacht vom 31. Januar

^- 97. Jahrgang

aus den 1. Februar geführt werden soll: Die Abschnürui^tzHes

Ruhrlands vom übrigen Deutschland. Man weiß nur nach nicht, soll dies durch die Unterbindung der Kohlenausfuhr oder durch eine neue Zollinie oder durch beides erfolgen. -Die Zollinie allein hat ja schon die Wirkung, dqß man die Kohlen- züge in die Hand bekommt und außerdem an der neuen Grenze Goldzölle erheben kann. .Ohne neue Sabotage der Franzosen am deutschen Handel und Wandel wird Hgs nicht abgchen. Und wird es überhaupt gelingen? Für den ge­wöhnlichen Zolldienst ist ein zahlreiches geschultes, sprach­kundiges Personal notwendig. Soviel deutschsprechenoe El­sässer, die den Zolldienst verstehen, werden die Franzosen nichi ausbringen. Ferner bedarf es gewaltiger Truppenmengen, um die Ueberwachung der Linien und die Verbindung der Zyll- posten miteinander zu sichern. Dies alles in einer Art Kriegs­zustand, im Kampf mik 4 Will. Ruhreinwohnern und dem ganzen übrigen Deutschland! Zwischen diesem gegenseitigen Druck dürfte eine rechtswidrige, volksfeindliche Zollinie zer­malmt werden. Holland mit seiner verhältnismäßig günstigen Grenze brauchte während des Weltkriegs eine halbe Million Mann, um die Grenzüberwachung durchzuführen. Daraus kann man ersehen, wie groß der Bedarf Frankreichs für die sehr unregelmäßig verlaufende Grenze des gegenwätig be­setzten Gebiets sein wird. Dazu kommt noch das Besatzungs- Heer, das in dem militärisch sehr schwer zu beherrschenden Industriegebiet außerordentlich stark sein muß, um die Lag« zu beherrschen. Poincare wird um die im französischen Voll sehr gefürchtete Mobilisierung von einer oder zwei Jahres- klassen nicht herumkommen. Der Finanzminister Frankeichs wird immer tiefer in den leeren Beutel greifen müssen. Dollar und Pfunde werden an der Pariser Börse täglich teurer, und dem französischen Kleinrentner zerrinnt das er­sparte Frankenvermögen unter den Fingern. Wer hält das länger aus? Frankreich wird es in seiner wachsenden Nervosi- tät mit immer neuen Sabotagen versuchen. Aber gerat»« daran wird es scheitern, wenn auf deutscher Seite Unter­nehmer, Beamte und Arbeiter in einmütiger Abwehr Zusam­menhalten. Jeder französische Sabotagepfeil prallt ab und trifft den Schützen. _er.

Steuerabzug bei den weiblichen Angestellten

Bom 1. Januar 1923 ab ändert sich der Steuerabzug wie­der einmal infolge der durch die Gesetzesnovelle vom 23. De­zember 1922 erhöhten gesetzlichen Abzüge und dann auch in­folge der Heraufsetzuna des Wertes der Naturalbezüge (Be­köstigung, Wohnung usw.).

Der Steuerabzug für eine alleinstehende weibliche Haus­angestellte mit voller freier Station ist danach für größer« Städte, wenn beispielsweise der bare Monatslohn 1500 ^ beträgt, wie folgt zu berechnen:

Barlohn für den Monat 1 500 ^

Monatswert der vollen freien Station 9 000

Steuerbares Monatseinkommen zus.: 10 500

Der Steuerabzug hierauf beträgt lOv.H. 1050

Davon ab die gesetzlichen Abzüge: persönlicher Abzug 200

Werbungskosten-Pauschatsatz 1000 1200

Bleibt nichts.

Ist der Monatslohn höher und bleibt infolgedessen ein ein­zubehaltender Betrag, so ist dieser auf volle Mark nach unten abzurunden.

Zu dem vorstehenden Berechnungsbeispiel ist zu bemerken, daß die Bewertung der freien Station im Reich nicht einheit­lich ist. Hausfrauen wollen sich deshalb in ihrem Bezirk nach den Bewertungssätzen erkundigen. Im übrigen sind die Ab­züge bei alleinstehenden weiblichen Hausangestellten bis aus weiteres überall dieselben: Steuerabzug 10 v. H., gesetzliche Abzüge monatlich zusammen 1200

Im Interesse der Angestellten sei schließlich noch daraus hingewiesen, daß ihre Einkommensteuerveranlagung für das Steuerjahr (Kalenderjahr) 1922 durch den Steuerabzug als erledigt gilt, wenn das gesamte steuerbare Jahreseinkommen (in bar unter Hinzurechnung des Wertes der Naturalbezügel nicht höher war als 400 000 sofern es entweder aus steuer- abzugspflichtigem Arbeitslohn oder aus solchem Arbeitslohn und aus sonstigem Einkommen bis zu 5000 -ll bestanden hat.

Für 1923 ist diese Grenze von 400 000 -K auf 1 Million Mark und für das sonstige Einkommen von 5000 -lt aus 10 000 -ll erhöht worden.

Der Kampf im Westen

Die Verkehrslage im Westen

Da die linksrheinischen Eisenbahner zum großen Test in den Ausstand getreten sind, machen sie den Franzosen so viel schäften, daß sie das Ruhrgebiet notgedrungen vorläufig Ruhe lassen müssen. Linksrheinisch liegt der Personen^ und Güterverkehr gänzlich still auf den Linien RheydtM- GladbachKrefeld-KleveGeldern undHohen­

budberg, weiter die Strecken KoblenzBonn und Düren- Aachen, sowie KoblenzTrier. Die genannten Bahnhöfe sirü» von französischem Militär besetzt, und die französischen Eisenbahner, di« für das Ruhrgebiet bestimmt sind, bleiben aus den Strecken liegen. Im Ruhrgebiet selbst liegen Reck-