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Nr. 303
Tagesspiegek
Im Ianuur finden im Reichsarbeiksrmuisierimn wieder Verhandlungen über eine neue Erhöhung der BerMrbeiter. löhne statt.
Mussolini Heck Mitteilen lassen, daß er nickst nach Paris kommen werde, wenn England nicht auf die Verbomdsschul- den verzichtet und die Verbündeten sich über ihr Vorgehen einigen. Er habe so viel Wichtiges in Rom zu besorgen, daß er seine Zeit nicht in Paris vertrödeln könne. Er begnüge sich, sich durch die Botschafter in Paris und London vertreten zulasten. - -"" —
Quälereien ohne Ende "
Ingolstadt und Passau — sie verschwinden immer noch nicht aus den Spalten unserer Blätter. Die Reichsregierung hat „gesühnt", was nur auch möglich war, Nach unserer Auffassung weit über Gebühr. Eine Million Goldmark (jetzt etwa Milliarden Papiermark)! Wahrlich eine reichliche, um nicht zu setzen, unsinnig groß« Sühne für Anrempelungen auf der Straße, wobei einem Offizier die Nasenhaut ein wenig geritzt wurde. Aber eitl Offizier der hohen Entente-Kommission ist etwas anderes als ein gewöhnlicher Boches.
Also das Deutsche Reich bezahlte dis Million Goldmark. Und die hohe Votschafkerkonferenz bescheinigte mit Not« vom 20. Dszcrnber die Zahlung. Aber — rnit folgendem Zusatz:
„Es muß absolut klar sein, Laß die von der deutschen Regierung ausgesprochenen Entschuldigungen sowohl im Namen der Reichsregierung als auch im Namen de« bayrischen Regierung und der lokalen Behörden vor Passau und Ingolstadt ausgesprochen sind."
Es sei daher der Text dieser Entschuldigung -amtlich in der Presse zu veröffentlichen und dabei zum Ausdruck zu bringen, daß sie für die bayrische Regierung und die Lokalbehörden von Passau und Ingolstadt mitgelten. Außerdem müsse berichtet werden, ob die Sühnemaßnahmen tatsächlich und vollständig ausgesührt worden seien, namentlich wie es mit der amtlichen Enthebung und dienstlichen Verwendung der verantwortlichen Polizeibeamten, der in Frage kommenden Offiziere und des Leiters der Munitions- anstalt gehalten worden sei.
Nun siehe, Frankreich — denn der treibende Geis! dieser Note ist Poincare, auch wenn sie formell dev Kopf der Botschafterkonferenz trägt — läßt nicht locker. Am liebsten wäre es diesen Herren gewesen, wenn wir dir Million glatt ab gelehnt hätten. Das wäre eine „Verfehlung" im Sinn des Versailler Vertrags gewesen, also «i» greifbarer Vorwand zu „Sanktionen", womöglich zur längst beabsichtigten Besetzung des Ruhrgebiets. Denn daß die Herren Clemenceau, Poincare, Millerand, Bordier so etwas im Schilde führten und heute noch führen, da« sieht bombenfest, und wenn sie es auch hundertmal ableugneten.
Und dann die Sache wegen Bayern!^ Alles lauf! hinaus auf eine Entzweiung zwischen Berlin und München und damit auf eine Zerstückelung des Deutscher Reichs. Erst dann ist Frankreichs Raserei befriedigt Erinnert man sich noch an Varthou und wie dieser di« Ablehnung des Versailler Vertrags begründete? Man hätte, meinte er damals, nicht mit dem Deutschen Reich, sondern man hätte mit Bayern, Württemberg, Hessen, Preußen kurz mit den einzelnen Bundesstaaten Verträge abschließe» oder besser ihnen solche diktieren sollen. So aber habe mar nur zur Befestigung und Verewigung des Bismarck'scher Werks von der Reichseinheit briaetragen.
Was wird nun die Reichsregierung tun? Hoffentlich wird sie aus diese neuen Quälereien mit einem lauten unt runden „Nein" antworten. Was die Neichsregicrung erklärt hat, das hat sie verfassungsgemäß selbstverständliih auch für Bayern und für jede deutsche Stadt und für jeder deutschen Reichsangehörigen getan. Es ist genug an einsi Entschuldigung und Demütigung. Wir sind satt den fort- gesetzten Fußtritten, mit denen dieser blindwütige Poin- care uns traktieren will. —
Dann war noch etwas! G c g e n li ste h e r a u s! Uw ser neuer Reichskanzler soll einmal alle die Untaten unk Schandtaten, die nacherwiesenermaßen weiße und schwarz« Franzosen und Belgier im besetzten Gebiet, auch seinerzeit in Oberschlesien, an Deutschen verbrochen hatten, di« „Sühne", die wir für die einzelnen Fälle erhielten, und di« von Deutschen begangenen und geahndeten Straftaten, i» einwandfreier Weise zusammenstellen, sie der hohen Botschafterkonferenz und dem Völkerbund vorlegen und allen zivilisierten Völkern Mitteilen.
Die Welt soll endlich einmal erfahren, was nicht alles sich das deutsche Volk von brutalen „Siegern" gefallen lassen muß. . M. lh
Die Maske Poincares
Im englischen Unterhaus ist der Verdacht ausgesprochen worden, mit den Ruhrplänen sei es Poincare gar nich! ernst; sie seien nur eine Maske für seine wirklich« Politik, die ouf die Abtrennung der Rheinland e ziele. Das ist ohne Zweifel richtig. Poincare weiß ganz genau, daß die öffentliche Meinung Englands keiner englischen Regierung erlauben würde, in seine Ruhrplän« einzuwilligen, und wenn er sie trotzdem wieder hervorholt, so kann der Grund nur der sein, seine Rheinpläne um so sicherer Lurchzudrücken. Hier liegt die Hauptgefahr. Der Engländer weiß' allgemach genau, was eine französische Besetzung des Ruhrgebiets, die Frankreich 60 v. H. alles Eisens und 69 v. H. aller Kohle Europas in die Hände spielen würde, auch für England bedeutete; er versteht aber nicht annährend so gründlich die große wirtschaftliche und politische Bedeutung des Rheinlands, und der Widerstand wäre daher geringer, mit dem eine englische Regierung zu rechnen hätte, die dem Streben Frankreichs, den Rhein Schritt um Schritt unter seine Herrschaft zu bringen, nachgeben wollte.
An sich fielen natürlich die französischen Rheinpläne nicht weniger als die Ruhrpläne unter Bonar Laws bekannte Bestimmung des Unzulässigen, die er mit den Worten aussprach: „Wir können keinem Unternehmen gleichmütig zusehen, von der uns wahrscheinlich erscheint, oder von der wir glauben,
daß sie die Wirkung haben würde, nicht Entschädigungen zu bringen, sondern es schwieriger zu machen, sie zu erhalten, oder sie vielleicht ganz unmöglich zu machen." Denn Deutschland könnte den Rheinplänen Poincares so wenig zustimmev wie seinen Ruhrplänen, und ihre Ausführung würde Deutschlands Zahlungsfähigkeit und Kredit einen weiteren vernichtenden Schlag versetzen. Man darf aber nicht vergessen, daß schon auf der Londoner Konferenz ein Vermittlunasvorschsac englischerseits nicht unbedingt abgewresen wurde,- der daraus zielte, zwischen dem Fälligkeitstag 15. Januar und ein« etwaige Besetzung des Ruhrgebiets eine Zeit einzuschalten, mit der Bestimmung, die Besetzung des Nuhrgebiets solle erfolgen, wenn Deutschland in dieser Zwischenzeit gewisse Be- dingungen des Zahlungsaufschubs nicht erfüllen würde. Uni was noch gefährlicher war, Bonar Law hatte sich damals bereit erklärt, die „produktiven Pfänder", in die zu willige» Lloyd George im August abgelehnt hatte, in wohlwollend« Erwägung zu ziehen. Damals wurde die Lage dadurch gerettet, daß Poincare sich mit dem, was er im August gefordert hatte, nicht zufrieden geben wollte, sondern auf Lei Ruhrbesetzung bestand. Hat ihn Kriegsminister Derby nu» überredet, auf den damaligen gefährlichen Verrnittlungsvor- schlag zurückzukommen?
Die Amerikaner in Afrika
Am 28. Oktober 1921 wurde in Washington zwischen dem Präsidenten King der westafrikanischen Negerrepublik Liberia und dem Staatssekretär Hughes der Vereinigten Staaten von Amerika ein Vertrag unterschrieben, Lurch den sich du Vereinigten Staaten verpflichteten, der Republik Liberia ein« Anleihe von 5 Millionen Dollar zu gewähren. Der amerikanische Kongreß hat den Vertrag noch nicht genehmigt. Dei Vertrag bedeutet mehr als ein bloßes Geldgeschäft der amerikanischen Republik an ein politisch ohnmächtiges Gemeinwesen; er beleuchtet die weltpolitische Haltung der Vereinigten Staaten überhaupt als ein Hinübergreifen au! einen Erdteil, der bisher ausschließlich europäischer Kolonialbegehrlichkeit Vorbehalten war. Bestürzung herrschte in französischen Kolonialkreisen, als im März 192i die Bedingungen bekannt wurden.
Liberia grenzt im Westen an die altenglische Kolon« Sierra-Leone, liegt im übrigen eingebettet in den beider französischen Kolonien Französisch-Guinea und Elfenbeinküste Liberia zählt 1 500 000 Bewohner auf 95 000 Quadratkilometer, ist reich an Holz, Palmkernen und Kautschuk, biete vorzügliche Anpflanzungsmöglichkeiten für tropische Erzeug Nisse, birgt an Bodenschätzen Eisen, Zink, Kupfer, Diamanter und Gold. Als Deutschland infolge des Weltkriegs aus Li- beria ausschied, gingen die Vereinigten Staaten unter der geschickten Leitung des amerikanischen Geschäftsträgers Burdy Professor an einer der zahlreichen amerikanischen Universitäten, darauf aus, das liberische Geschäft allein zu machen ohne Frankreich und England. Liberia war ursprünglick als eine Niederlassung frei-gelassener amerikanischer Sklave: von den Vereinigten Staaten gegründet worden. Allmählich erlangte Burdy maßgebenden Einfluß. So erklärte Liberi« erst am 4. August 1917 den Krieg an Deutschland, nachden die Vereinigten Staaten in den großen Streit eingerreter waren. Im Lauf des Kriegs hatte Liberia ein wirkliche« Kriegsereignis: am 10. April 1918 bombardierte ein deutsche« Tauchboot mit gutem Erfolg die französische drahtlose Station in Monrovia. Liberia nahm auch an den Friedensverhandlungen teil, Unterzeichnete die Friedensurkunde.
Nach dem Krieg vcrf. cht« Frankreich, Len amerikanischer Einfluß zu,bekämpfen, mit dem Erfolg, von Amerika gänz
llch mattgesetzt zu werden. Aehnlich, und doch ganz ander« erging es England! Der englische Zollkontrollen,: trat End, Dezember 1919 seinen Heimaturlaub an und kehrte nicht mehr nach Monrovia zurück; sein Posten blieb unbesetzt. Bereit« -auf der Friedensversammlung hatte England eine auffallend, Neutralität gegenüber den amerikanischen 'Ansprüchen a» Len Tag gelegt. Aufklärung brachte dann ein Artikel de« „Temxs" vom 19. Dezember 1919. England hatte sein Interesse an Liberia zu Gunsten der Amerikaner gegen Zugeständnisse in Nordpersien aufgegeben; insbesondere hatte fick England verpflichtet, die liberische Angelegenheit nicht voj den Völkerbund zu bringen. Später verlor England da« nordpersische Einflußgebiet Lurch den Einfluß der Bolschewisten; der Schah kündete den englisch-persischen Vertrag So hatten die Amerikaner bei dem Präsidentschaftswechsei des Jahrs 1920 freie Hand. Unter dem cschutz des Sternen, banners wurde King zum schwarzen Präsidenten gewählt , Die Bedingungen der amerikanischen Anleihe sind sehr schwer. Die Anleihe dient der Abstoßung der alten Schulden, namentlich der englischen und französischen, der wirtschaftlichen Erschließung des Landes nach den Plänen einer amerikanischen Finanzkommission, ernannt vom amerikanische» Bundespräsidenten. Diese Kommission ist nunmehr die höchst« Macht im Lande, genießt besondere Rechte, Steuerfreiheit, iß unabsetzbar. Sämtliche Verwaltungsmaßnahmen der liberi- schen Regierung, soweit Finanzverhältnisse berührt werden; unterliegen der Genehmigung des Kontrolleurs. Sämtlich« Einnahmen des Landes dienen als Pfand für Kapital und Zinsen. Gesetze, die der Anleihe nachteilig werden könnten, dürfen nicht beschlossen, Konzessionen ohne Genehmigung de, Kommission nicht erteilt oder erweitert, fernere Anleihen nicht ausgenommen werden. Der jährliche Haushalt unterliegt der Genehmigung. Die liberische Landstreitmacht tttti unter den Befehl von vier amerikanischen Offizieren. Die Bedingungen sind in der Tat die Beschlagnahme des Landes, und zwar zu einem äußerst billigen Preise.
Im März 1922 stand der Vertrag zur Verhandlung im amerikanischen Kongreß. Hughes erklärte es für eine Ehren- angelegenheit der Vereinigten Staaten, Liberia durch ein« Anleihe zu unterstützen. In der Sitzung vom 28. März 1923 beschloß der Kongreß, die Angelegenheit zu verschieben, um über die Tragwette der Maßregel weitere Feststellungen zu treffen. Die Kommission, an die der Kongreß die Angelegenheit zu welkerer Prüfung überwies, hak dem Vertrag zugestimmt. So dürfte auch der Kongreß die Vorlage annehmen. Französische Blätter setzen ihre letzte Hoffnung auj den amerikanischen Senat, der einsehen müsse, daß das neue Festsetzen Amerikas notwendig neue Verwicklungen mit Alt- berechtigten zur Folge haben müsse.
Ein Familienzwist im Hause Parma
^Herzog Robert von Parma, der Vater der früheren KZlerin Zna, hat sein Gesamtvermögen seinem Sohne Elias von Bourbon Parma Hinterlasten und für seine letzt«j Frau, Herzogin Maria Antonia, dis Mutter der Kaiserin Zita, soMe für seine übrigen Kinder Renten ausgesetzt. Di« monatliche Rente, die Elias seiner Stiefmutter zu bezahle« hatte, wurde im Testament mit 20 000 Franken ansgesetzl und als Witwensitz wurde ihr das Schloß Schwarzau bei Wien zugewiesen. Bis zum Kriegsende wurde diese Mo^ natsrente von 20 000 Franken mit 19 100 österrrich. Kronen valorisiert. Seither hat der Prinz trotz mehrfacher Mahnungen die Summe trotz der ungeheuren Währungsverschlechte« rung nicht erhöht, so daß die Herzogin sich gezwungen gesehen hat, ihren Stiefsohn vor dem Zioillandesgericht in Wien zu verklagen. Nach jetzigem Kurs würden 280 Millionen Kronen monatlich zu bezahlen sein, wenn dem Klageanspruch Schweizer Franken zu Grunde gelegt und immer noch 137 445 000 monatlich, wenn französische Franken in Frage kommen. IN der Klagebeantwortung weigert sich der Prinz, die Währung anzuerkennen, und plauderte dabei allerlei Familiengeheim- niffe aus, indem er u. a. behauptet, daß die Herzogin nach Lern Tode verschiedener seiner Schwestern eigenmächtig deren Schmuck an sich genommen habe, ohne ihn hierfür zu «nt-« schädigen. Außerdem sei er nicht in der Lage, seiner Stiefmutter mehr als 19100 Kronen monatlich zu bezahlen Der! Senat kam zu dem Beschluß einer Schätzung des Erbes des Prinzen Elias nach dem Tod seines Vaters, worauf die Witwenrente festgesetzt werden soll. Prinz Elias ließ hiergegen einwenden, daß er nach Spanien zuständig sei. Aber La er in Oesterreich wohnt und ebenso seine Stiefmutter, so ist die Berechtigung zum Urteilsspruch für ein österreichisches Gericht gegeben. Prinz Elias hat während des Kriegs auf dev Seite Frankreichs gefachten und dadurch auch seinen Teil beigetragen, daß die österreichische Krone entwertet worden ist,- _ -. -
Me ue Nachrichten
Die Holzverfehlung '
Berlin, 28. Dez. Frankreich hatte eine Lieferung voß 55 000 Festmekern geschnittenes Holz bis 30. September und 200 000 Festmeter Telegraphenstangen bis 30. November verlangt. Davon waren bis 15. Dezember 35 000 Fesk meker Schnittholz und 65 000 Festmeker Telegraphensianger geliefert. 2n Verhandlungen, die anfangs Dezember, mit de,