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erDÄsbezirk Lag
Nagolder TagblaS
Lüzrtstirtrun,, Druck NU» Serlckü von G. W. Zatier <Nar! Zalser) Siageld.
Donnerstag, den 21. Dezember 1822
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86. Jahrgang
T 6 g 2 s s p i e g e l"
Die AnstsM irn smnzösischen Senat über die Politik der Regierung, die am Donnerslsg statlsinden sollte, wird nach dem „Echo de Paris" verschoben, angeblich weil der Frage- steiler Senator Vikmn erkrcrnkt sei. In Wirklichkeit sollen dis im Gang befindllchsr, Dechandlungea mit Amerika nicht gestört werden.
Wegen beleidigender AnMfse in der bskSscherr Kammer hat der Kolorualmirris^r Franck den AbgeordrÄen Hyrnan sum PifiolenMeikcmrps herMsgefoxderl.
Deutschland und Frankreich
Der Franzose ist grausam wie der Tiger und boshaft wie der Asse. Voltaire.
Unsere Zukunft ist zunächst wieder, wie zwischen dem Westfälischen Frieden und der Bismarckschen Reichsgründung, aus die Auseinandersetzungen mit den Franzosen gestellt, und richtige Wertung des französischen Bolkscharakters ist die erste Vorbedingung für eine gesunde deutsche Politik. Kennzeichnend für Wesen und Art des französischen Volkscharakters ist ein bis zur religiösen Inbrunst gesteigerter Glaube an den Staatsgedanken, der nichts anderes ist, als das Erbe des römischen Staatsgedankens. Dieser Staatsgedanke umschließt im Kern einen unveräußerlichen Anspruch auf politische und geistige Vorherrschaft über Europa, zum mindesten Westeuropa und das Mittelmeer. Das ist es, worauf es für uns Deutsche ankommt. Eine Versöhnung, eine Verständigung mit den Franzosen gibt es für uns Deutsche nur in der Form, daß wir uns ihrem Anspruch auf Vorherrschaft unterwerfen, im Geistigen wie im Politischen.
Der französische Drang nach Ausdehnung gründet sich also weit mehr auf eineu geschichtlich, überlieferten A n s p ruch, als auf eine staatspolitische oder wirtschaftliche Notwendigkeit. Das Problem, womit das Deutsche Reich sich hermn- zuschlagsn hatte und an dessen Lösung es scheiterte, hatte sich schließlich dahin zugespitzt: wie gewinnt man auf dem gleichen Boden, der einst 40 Millionen nährte, die Lebensdedingungen für 65 Millionen? Aehnliche Schwierigkeiten hat das neuere Frankreich nie zu bewältigen gehabt. Es hat es, bei seiner stehenden Bevölkerung und seinem natürlichen Bodenreichtum, nie nötig gehabt, sich in dem Maß zu industriealisieren wie Deutschland. Es hatte es, um leben zu können, nicht nötig, ein Riescnl'olomalreich über See zusammenzuerovern. Cs war nur der überlieferte Anspruch auf Vorherrschaft, der dazu erieb. und die Furcht vor den „20 Millionen Deutschen zu viel", die diesem Anspruch entgegenständen. Aber schon zu einer Zeit, als die 20 Millionen Deutscher zuviel noch mch! da waren — die auszurotten das hohe Menschheitsziel des Versailler Vertrags ist — war es dem französischen Voiks- charakter durchaus geläufig, daß um einer. Anspruch willkürlichster Art ein Vernichtungskrieg geführt werde. Der französische Dichter Flaubert schildert in seinem Werk „Salambo" den Kampf ums Dasein, den Karthago, zwischen den: ersten und zweiten punischen Krieg, gegen aufrührerische Söldner zu führen hatte. Der Roman ist ein Meisterwerk der französischen Literatur nicht nur, er gehört, durch die unvergleichliche Kraft seiner sachlichen Darstellung in die Weltliteratur. Aber so stark der Roman in der Schilderung einer fremdartigen Umwelt ist, so schwach ist er im Seelischen. Warum wird der Völkerkampf a-ü Leben und Tod schließlich geführt? Um ein Mädchen! Um Salambo, die Tochter Hamilkars, die der Sötdnerführer Matho liebe' Dem geschichtlichen Söldneraufstand haben selbstverständlich ganz andere Triebkräfte.zugrunde gelegen, aber daß sie sich inr Kopf eines großen Künstlers so, zum persönlichen Anspruch auf ein schemenhaft gehaltenes Weib, umbiegen können, das ist wohl kennzeichnend für den Franzosen. Was für diesen sentimentalen Kraftmenschen Matho der Anspruch auf Salambo. das war für den Franzosen von 1870 bis 1918 der Anspruch auf „Revanche". Nicht in wirtschaftlichen Lebensnot- wenüigkeiten war dieser Anspruch begründet, sondern lediglich im fanatischen Glauben an ein angeblich gekränktes Rech! auf Vorherrschaft. Daß Bülows unselige Marokko-Politik, 35 Jahre nach der notwendigen Waff-mentscheidung zwischen Deutschen und Franzosen, dann alles tat, das Gefühl der Kränkung frisch aufzupeitschen, steht auf einein besondereil Blatt.
Das klassische Meisterwerk der Salambo gibt aber noch über andere Äiten des französischen Bolkscharakters Aufschlüsse, für die wir Deutschen von heute ein güchärftes Verständnis haben sollten. Der Roman ist 1862 erschienen, also zu einer Zeit, wo noch kein Franzose 'Anlaß hatte, sich durch das Dafein eines geeinten Deutschen Reiches dauernd gekränkt zu fühlen, ja zu einer Zeit, wo der Ruf nach „Rache fü,
Sadowa", nach französischer Rache für den preußischen r-ieg über Oesterreich-Ungarn, noch gar nicht erklungen war. Unk doch durchzieht schon diese Schilderung eines Vernichtungskriegs der ausgeprägte Hang zur Grausamkeit, der sm die französische Haßpropaganda während des Kriegs kennzeichnend war, und der Deutschland heute wehrlos ausgefetz! ist. Freilich, es sind Karthager und „Barbaren", die einander im Roman nach allen Regeln der Kunst abschlachten. Aber es bleibt doch eine Wahrheit, daß jedes echte Kunstwerk ein Stück Natur ist, geschaut durch ein Temperament. In diesem Fall nun ist das formende Temperament das eines echten Franzosen gewesen, und ob es nun Punier oder Söldner formte, im Kern ihres Wesens aber blieben es Franzosen. So wie Goethes und Grillparzers Griechen und Schillers Franzosen — in der Jungfrau von Orleans — im Kern ihres Wesens Deutsche sind. So ist denn auch der Gedanke, daß das aufrührerische Söldnerheer bis auf den letzten Mann vernichtet werden müsse, ein echter Ausfluß des fanatischen Glaubens an den scanzös'.':'. :n Slaatsgedanksn. Dieser letzte Mann ist der gefangene Söldnerführer Matho, und echt französisch ist die Todesart, die Flaubert ihm ersinnt, und die liebevolle Kleinarbeit, womit er sie ausmalt. Das ganze Volk der karthagischen Spießbürger soll dabei mithelfen, den wehrlosen Feind langsam zu Tode zu martern. Kein Mensch, auch der kräftigste nicht, könnte den Todesweg, den Matho bei Flaubert zu gehen hat, aufrecht bis zu Ende gehen. Aber auch das ist offenbar echt französisch: der kühle Beobachter Flaubert hat seine Franzosen nur zu gut gekannt.
Denn das ist ein weiterer Vorzug dieses Ausklärungsmittels: der Dichter der Salambo war ein kühler Beobachter und Gestalter. Es stimmt also nicht, wenn deusche Phantasie- Politiker uns einreden wollen, die Grausamkeit, die die französische Politik gegen das wehrlose Deutschland kennzeichnet, beherrsche nur eine kleine Schicht. Sie ist ein allgemeiner Grundzug, der im französischen Volk: haraktsr schlummert und, wenn geweckt, nicht nür begrenzte Schichten, sondern das ganze Volk ergreift. Ein so echt französisches Kunstwerl die Salambo ist, so echt volkstümlich ist Poincares Politik in Frankreich. Wenn Flaubsrts Hamilkar den Widerstand des Söldnerheers durch eine Hungerblockade in einer Bergschluchl bricht, so wird man dafür ja auch in England riel Verständnis haben. Wenn er aber den Rest des Heers, der sich aus Gnade und Ungnade ergeben hat, in Einzelkämpfen sich selbst vernichten läßt, so ist diese Vorstellung ein wollüstiger Kitze! eigens für den französisch eia Volkscharakter. So d-enken die . Franzosen sich ja auch die Leipziger Prozesse gegen dir „Kriegsverbrecher"; Frankreich befiehlt, und das höchste deutsche Gericht soll dem verschwundenen deutschen Heer, ohne Rücksicht auf den Tatbestand, noch nachträglich die Ehre absprechen. Wenn die Ausrottung eines wehrlosen Feindeheute, wo jedes Geschehnis von Bedeutung binnen 24 Stunden der ganzen Erde bekannt ist, nur noch so bequekn zu machen wäre, wie in den Tagen des blühenden Molochsdienstes! Die 60 Millionen sollten Herrn Poincare nicht schrecken. Inzwischen tut man, mit anderen, zeitgemäßeren Methoden, was man kann, in Teilgebieten, im Rheinland, im Ruhrgebiet. Lest die Salambo, ihr, die ihr euch über den französischen Volkscharakter immer noch aus euren eigenen Einbildungen unterrichtet: in diesem, nun schon 60 Jahre alten Nomon laufen die Nollets zu Dutzenden herum.
Der Sturz des Dollars
Während noch zu Anfang vorige» Woche infolge des Rer laufs der Londoner Mimfterkonfcrenz, die mit einer Vertagung der Entscheidung endete, die Mark von neuem einc ungünstigere Bewertung erfuhr, hat sich im Lauf dieser Wech-. eine völlige Aenderung vollzogen. Die Nachrichten aus Amerika von der Absicht Hardings, in die Entschädigung^ angslegenheit einzugreifen, führten zu einer Besserung dei Mark, die zum Schluß der Woche eine geradezu stürmisch« Aufwärtsbewegung an der Neuyorker Börse brachte Zu Be ginn der Woche hatte der Dollar 8700 notiert, am Schluß dei Woche kam der Schlußrurs aus Neuyork mit 5076 und dei niedrigste Kurs ging sogar bis auf'5000.
Die günstigere Bewertung der Mark wird man zuuächsi politisch beurteilen, obwohl gerade bei Amerika die geschäftlichen Gesichtspunkte besonders in den Vordergrund zu rücken sind. Es ist jedenfalls höchst bemerkenswert, in welcher Weise die Sache eingeleitet wurde. Von derr Besuch Morgans im Weißen Haus an bis zu der Meldunc von der „großen Anleihe von 11L Milliarden Dollar", di« Amerika etwa Deutschland gewähren will, zeigt sich das Ein- , greifen gewisser finanzieller Kreise in die europäischer Verhältnisse. Eine Anleihe in der genannren Höhe nach . deutschen Milliarden würde, in Papiermark ausgednickt wenn der Dollar um 5000 herum steht, 7 bis 8 Villioner i Papiermark bedeuten, falls nicht, wie anzunehmen ist, di< j
berühmten amerikanischen Milliarden gemeint sinv. m« auf 100 statt 1000 Millionen lauten. Man wird also di« richtige Zahl abwarten müssen. Bei der letzteren Annahme nämlich daß es sich um amerikanische Milliarden handelt, käme ja in der Tat nur die für die Festigung dei Mark verlangte internationale Summe von 500 Millionen Goldmark heraus. Eine solche Anleihe wird man als irr Bereich des möglichen anzusehen haben und daher kann mar das ganze Eingreifen des finanziellen Amerikas auch nichi allein als eine 'Börsenmache hinstellen, wie man es sonst auf den Anhieb wohl zu tun geneigt sein wäre.
Lange genug haben die Amerikaner und sonstigen Ve sitzer an ihren Markbeständen Verluste erlitten, so daß es nicht überraschen kann, wenn sich diese Aufbesserung der Mark schließlich doch nur als eine vorübergehende von finanziellen Drahtziehern betriebene Erscheinunc erweisen sollte. Bei der Großzügigkeit, mit der amerikanisch« Finanzgeschäfte auch politisch umkleidet werden, muß mar wenigstens auch mit dieser Möglichkeit rechnen. Wenn ihr« Markbestände zu gutem Kurs ausverkauft sind, kann da- Interesse bei den heutigen Drahtziehern schnell beendet seir- und dann ist die Mark wieder sich selbst überlassen. ?!eden- falls ist das so unvermittelte Auftreten Amerikas nicht bloß politisch, sondern wirtschaftlich und wie bemerkt, auch rein finanziell zu erklären.
In w i r t s ch a f t l i ch er Beziehung hat dieSorgeurv den Absatz amerikanischer Rohstoffe an dir valutaschwachen Länder wohl dazu bsiqetragm, daß man sich in amerikanischen Wirtschaftskreisen sür eine Besserung der kranken Währungen, namentlich der Hcmptabnehmerstaaien in Europa zu interessieren beginnt. Für Getreide, Schmalz und Baumwolle ist der deutsche Markt immer weniger aufnahmefähig geworden, so daß unbedingt etwas geschehen muß, wM man nicht auf der einen Seite in den Vorräten, wie man sagt, ersticken, während in Europa die Völker und vor allem Deutschland, am Hungertuch nagen. Es ist also nicht reine Nächstenliebe, die zur Markbesssrung in Amerika geführt hat, sondern eine gehörige Portion rein nüchterner geschäftlicher Erwägungen spielt die Hauptrolle.
Allerdings ist für Deutschland mit dieser Markbesserung die bekannte Gefahr nahegerückt, daß die d e u t s ch e n A u s - fuhrwaren sür den Weltmarkt zu teuer werden, was zu einer großen industriellen Krise sichren kann, so daß Deutschland selbst mit einer — dann zu spät gekommenen — finanziellen Hilfe Amerikas gegen die wirtschaftlichen Erdrosselungsversuche der Entente nur wenig gedient sein kann.
Inzwischen ist der Dollar wieder stark gestiegen und hat stark zwei Drittel des Absprungs eingeyolt.
Neue Nachrichten
Dauteneinschränkung der Reichseisenbahn
Berlin, 20. Dez. Das Reichsverkehrsministerium hat von der Ausführung vieler geplanten Vahnbauten Abstand genommen. Es sollen nur noch solche Bauten ausgeführt werden, die unmittelbar vor ihrer Fertigstellung stehen und wo zwingende Betriebsgründe oder wirtschaftliche Gründe wie in den Kohlengebielen vorliegen. Etwa 1800 Kilometer bleiben demgemäß unausgeführt. Auch auf den drei- bezw. viergleisi- gen Ausbau der Strecken Berlin-Halle und Koblenz-Trier wird verzichtet. — Der Entschluß dürfte auf die Einwirkung der Cntschädigungskommission bezw. Poincares zurückzuführen sein, der unlängst in einer Kammerrede sich wieder scharf gegen die deutschen Eisenbahnbauten wandte.
Ein polnisches Stücklein
Berlin. 20. Dez. Die polnische Negierung hat, wie der „Kreuzzeitung" gemeldet wird, von Deutschland die monatliche Lieferung von 1,6 Millionen Tonnen Kohlen und entsprechend viel Holz „auf Entschädigungsabrechnung" verlangt. Die Reichsregierung erklärte die Lieferung für unmöglich: die Holzlieferungen könnten schon wegen der Beförderungs- Unmöglichkeit nicht ausgeführt werden. — Die Polen haben die besten Kohlengruben in Oberschlesien erhalten und besitzen im eigenen Land unermeßliche Koylenschätze. Die Forderung ist also eine Unverfrorenheit sondergleichen.
Neues deutsches Angebot?
Berlin, 20. Dez. Nach dem „Verl. Lokalanz." soll der Hamburger Bankier Melchior in Paris gewesen sein, um der französischen Regierung eine Eesamtentschädigung von 20 Milliarden Eoldmark anzubieten.
Berlin braucht Reichshilfe
Berlin, 20. Dez. Oberbürgermeister Böß erklärte dem Reichskanzler Enno, die finanzielle Lage Berlins sei schlecht geworden, daß die Stadt ohne Reichs Hilfe nicyl mehr durchkommen könne. Der Reichskanzler versprach, daß die Reichsregierung alsbald über Hilfsmaßnahmen beraten werde.
Die Forderungen der Reichsarbeilcr abgelehnt
Berlin, 20. Dez. Diei Gewerkschaften der Reichsarbeiter verlangten im Reichssinanzrninisterium einen weiteren Teuerungszuschlag sür die zweite Dezemüerhälfte. Es wurde ihn:, geantwortet, daß die Finanzlage des Reichs nicht gestatte, au!