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Samstag, den 11. November 1822

Wochemundschau

Bayern hat wieder einen Mini st srpr äst best« ken. Am 8. November wählte der zur Wahl einberufene Landtag mit großer Mehrheit den von der Bayerischen Bolksparkei (Zentrum) in Borschlag gebrachten Landtags- abgeordneken Dr. Eugen von Knilling zum Nachfolger des Grafen Lerchenfeld. Knilling. geboren 1865 in München, war vom 12. Februar 1912 bis zum Ausbruch der Revolu­tion Kultusminister, in der letzten Zeit Leiter der Zweig­stelle München des Neichsausgleichsamts und bayerischer Vertreter des Reichskommissars für Auslandsschäden. In ihm hak Bayern wieder einen Ministerpräsidenten bekom­men, der in den Bahnen des Herrn von Kahr wandelt. In seiner Antrittsrede im Landtag am 9. November erklärte er ausdrücklich, daß Kahrs Programm die maßgebende Grundlage auch der neuen Negierung bleibe. Er führte dies im weiteren in seiner Nede aus, die allerdings ebensogut Zerr von Kahr hätte halten können. Gegen jede Anzweif­lung der Neichstreue Bayerns lege er Verwahrung ein, aber er hoffe, daß von Berlin aus Bayerns Aeichsfreudig- keik nicht wieder einer solchen Belastungsprobe ausgeseht werde wie z. B. im vergangenen Sommeer anläßlich der Ausnahmegesetze; in der Verteidigung der Selbständig­keit Bayerns würde er jedenfalls seinen Mann stellen. Aus dem Reich einen Einheitsstaat machen zu wollen, sei geschichtlich, politisch und kulturell ein Unding, vielmehr solle man zu den alten bewährten Grundlagen des Bundesstaats zurückkehren. Cr verlange eine ziel- bewuszte, von natürlicher Würde getragene Neichspolitik, die Schluß mache mit der unbedingten Erfüllungs- polikik, die entschlossen den Kampf gegen die Kriegs­schuldlüge und die unerfüllbaren Entschädigungsforde­rungen des Verbands ausnehme. Zu den süddeutschen Staaken werde er frenndnachbarliche Beziehungen pflegen. Mit besonderer Schärfe betonte der Ministerpräsident, die Negierung-werde die Skaatsaukoritäk zur Geltung zu bringen wissen und Versuchen des gewaltsamen Umsturzes unter­schiedslos mit allen Mitteln begegnen und den dunklen Be­strebungen, das Verhältnis Bayerns zur Neichsregierung durch erlogene Meldungen zu vergiften, aufs schärfste zu Leibe zu gehen.

Solche Meldungen waren in der letzten Woche wieder äufgekaucht und herumgetragen worden, und Graf Lerchen­feld und der Reichskanzler selbst sollen, in gutem Glauben, ihnen zum Opfer gefallen sein. Es hieß, die bayerischen «Faszisten" d. h. die national-sozialistische Partei, die in Bayern sich stark ausbreiket und namentlich ln Arbeiter- Kreisen Boden gewinnt, bereite unter Führung des Kapi­täns Erhard und des Generals Lüttwih, die sich heim­lich in Bayern aufhalten sollen, einen Staatsstreich gegen die Republik vor. Das Gerücht hat tatsächlich in Berlin nicht geringe Erregung verursacht. Ohne Zweifel hängt es mit dem Regierungswechsel zusammen, daß die Staatsanwaltschaft in München nun gegen die Urheber und Verbreiter aller derartigen Gerüchte wegen Landesverrats vorzugehen beschlossen hat. Es wird kaum jemand geben, welcher Richtung er auch angehören mag, der nicht wünschte, daß die finstere Werkstätke der Lügenschmiede einmal recht grell beleuchtet werde; sie haben schon viel Unheil gestiftet, diese Kujone, in ihrem Unter­fangen, zwischen Nord- und Süddeutschland ihre Spreng­kapseln einzulegen und die deutsche Einheit zu zerreißen. Man wird sich aber auch-nicht verwundern, wenn auch in diesem Fall wieder, wie im Prozeß gegen Fechenbach, Fäden aufgedeckk werden, die in irgendeine der zahlreichen feindlichen Spionage st akionen einmünden. Was in dieser Beziehung alles geleistet wird, ist nicht auf eine Kuhhaut zu schreiben. So konnte man am 9. November, dem Gedenktag der Revolution, der übrigens, entgegen der ursprünglichen Absicht der Linken, aus poli­tischen Gründen nicht als Arbeiksruhetag gefeiert wurde, in Stuttgart auf den Straßen hören: Wissen Sie es schon? Der Reichskanzler ist abgeseht, ja er soll er­mordet worden sein.

Der Reichskanzler lebt aber noch. Und er ist auch nicht .abgesetzt', trotz der Hetze, die gegen ihn in dieser Woche von den Pariser Blättern auf höhere Weisung be­trieben wurde. Mit der Enkschädigungskommission, wenig­stens mit Herrn Barkhou und folglich auch mit Herrn Poincare scheint es der Reichskanzler verdorben zu haben, seit er sich die Meinung erlaubt hat, erst müsse das deutsche Volk Brok haben, ehe es Kriegsentschädigungen zahlen könne. Das sei ein glatter Workbruch des Kanzlers, der nach dem Londoner Ultimatum im Mai 1921 bei *cknem Amtsantritt die uneingeschränkte .Erfüllung' aller Ver- tragsverpflichkungen versprochen habe. Mit einer solchen

Regierung verlohne es sich nicht, weiter zu verhandeln, man müsse ihr den Ernst zeigen usw. Alles ist im Fluß, alles ist veränderlich, sagte vor mehr als zwei Jahrtausenden ein alter Grieche. Das hat nun auch der Reichskanzler erfah­ren, dem Pvincare einst in der französischen Kammer gnä­dige Lobsprüche gewidmet hak. Er wird sich zu trösten wissen. Uebrigens so ganz unerklärlich ist es nicht, wenn die Enk­schädigungskommission, die die große Reise nach Berlin mit Sack und Pack nicht gescheut hak, in eine üble Laune ge­raten ist. Was nämlich der Reichskanzler namens der Reichsregierung auf die wißbegierigen Fragen zum besten gab, wie man sich in Deutschland die Regelung der Ent­schädigung und was drum und dran hängt, vorstelle, das war alles nur kein Plan; die Kommission erfuhr nichts als einige Schlagworte, die sie schon dutzendmal gehört hatte. Herr Barthou wurde ordentlich grob, daß er die Reichs­regierung so wenig vorbereitet finde, da ihr doch der.Be­such' schon seit Wochen angekündigt war. War das gering­schätzige Gleichgültigkeit oder Ratlosigkeit ober Aneinigkeit? Herr Barkhou, der von sich und seiner Kommission keine geringe Meinung hat, witterte und die Pariser Presse wet­terte pflichtschuldigst auf den Reichskanzler los. Die Lage wurde sehr gespannt. Für die Börse eine Prachts­gelegenheit zu einem grandiosen Fischzug. So einige Mil- liärdchen dürften wieder in ihren Netzen hängen geblieben sein, schnellte doch der liebe Dollar von 7500 bis über 9200 Mark in weniger als 24 Stunden hinauf diesmal ohne die sichtbare Hilfe der Amerikaner, denn die hakten am 7. November großen Wahlfeiertag und die Börsen­kurse stiegen in Berlin bis zu 11 000, in Worten elf - tausend Prozent. Fatal, daß auch der franzö- sischeFrankendie Reise in die Tiefe mitmachen mußte, just in dem Augenblick, wo die französische Regierung in Amerika große Getreideeinkäuse zu machen genötigt war, denn auch in Frankreich ist die Ernte miserabel ausgefallen. Das .Poilu" (Poalü gesprochen, d. h. des bärtigen Franz­manns) dürfte sich durch das Mißgeschick, hinter dem die Pariser Presse neben anderem auch einen spitzbübischen Freundschaftsdienst der Londoner Börse vermutet, um 20 bis 25 Prozentchen verteuern. Für die deutsche Mark war aber die französische Reisebegleikung vielleicht auch so eine Art Glück im Anglück, denn nachdem die Börsen auf ihre Art ihre Meinung über die Berliner Konferenz ausgedrückl hakten, ging der Dollar am 9. November urplötzlich wieder auf 7800 herunter.

Manche werden sagen, die Meinungsäußerung der Börsc sei so kostspielig wie unnötig gewesen; im Grunde gehen si- die Konferenzen überhaupt gar nichts an und jedesmal Haber diese unbefugten Meinungsäußerungen der deutschen Marl- nur Schaden gebracht. Weit gefehlt! Ohne die vermit­telnde Auslegung der gerade in politischen Dingen sehr fein­hörigen Börse hätten wir bei der musterhaften Verschwiegen­heit der modernen Regierungen über den wirklichen Staut der Dinge kaum je die volle Wahrheit erfahren, und eS ist und bleibt das und der Verdienst der Börse, daß sic uns zu fühlen gibt, was uns zu hören versagt bliebe.

Die Börse war es auch, die zuerst dahinter kam, des ln der Reichsregierung nicht alles klappt: daß zwischen den Reichskanzler Dr. Wirth und dem Reichsfinanzministei Dr. Hermes in bezug auf die Möglichkeit und die Ar und Meise der .Erfüllung' und einige andere Dinge cir gewisser Gegensatz besteht. Aus den Pariser Blättcrr und in französischer Färbung hat dann die deutsche Prrssi das Feldgeschrei hie Wirth hie Hermes übernommen unt in der bekannten politischen Instinktlosigkeit im denkbai ungünstigsten Augenblick, als die Verhandlungen auf Nadel: Spitze standen, sich für oder wider ereifert und der verwun derten Kommission das Filmbild der Regierungs­krise an die Wand gemalt.

In den Gutachten der ausländischen Sach verständigen scheinen sich nun aber Wirth und Herme- geeint zu haben. Notwendigkeit der Festigung der Marl durch äußere Anleihe von 1000 Millionen Goldmark unkei hälftiger Beteiligung der Reichsbank auf ein Wertverhält nis von 3000 bis 3500 Mark zum Dollar, Rückkauf dei Papiermark aus dem Ausland, Verminderung der deuk schen schwebenden Schuld, d. h. der Schahwechsel, auf Grünt deren die Reichsbank dermalen in 21 Druckereien tägliä für 6 Milliarden Mark Banknoten Herstellen läßt, Ver einfachung und Sparsamkeit im Reichshaushalk, Erhöhunc der deutschen Arbeitsleistung über den Achtstunden tag hinaus, formelle Aeberwachung des wirtschaftlicher Reichsgetriebes durch die Entschädigungskommission, da aeben finanzielle Aeberwachung durch eine besondere Kom Mission von Finanzleüken des Auslands und ein mindesten- zweijähriger Aufschub aller Zahlungen und Einschrän kung der Sachleistungen das ist der Inhalt der Gutachten

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96. Iahrgarm

Die Neichsregierung hat sie sich in ihren neuen Vorschläge, in die Entschädigungskommission so ziemlich zu eigen gc macht, und es ist nun die Frage, wie die Kommission sich !>azu stellt. Die Börse scheint zunächst eine gute Mei­nung zu haben, denn der plötzliche Tiefsprung des Dollar- rm 9. November ist zum Teil gewiß auch auf die Anerken­nung, her Gutachten durch die Reichsregierung zurückzu- iühren. England und vielleicht Belgien würden vohl zufrieden sein, aber das Italien Mussolinis will ruf einmal auch seine .volleKriegsentschädigung' laben und Frankreich? Dariac. der Vertrauensmann Pom- mres, und Loucheur haben es erst ausgesprochen, daß es ohne )ie mehr oder weniger zeitlose Besetzung des Rhein - ind Ruhrlands keine Frankreich befriedigende Lösung rer Entschädigungsfrage gibt weil es das Großkapiial und !>ie Eisenindustrie Frankreichs so haben will, um den deuk- fchen Wettbewerb zu ersticken.

Lord Curzon, der britische Außenminister, richtete in riner Londoner Wahlrede eine sanfte Warnung an Frank­reich, die Finger vom Ruhrgebiek zu lassen, allein das wird Herrn Pvincare nicht in Verlegenheit bringen, zumal dei britische Erstminisker Bonar Law offenbar noch gar nicht recht weiß, wie er sich in der Entschädigungsfrage verhal­ten soll. Er muß den verehrlichen Freund doch bei der tür­kischen Stange halkeir, denn die Angoratürken sind unversehends wieder recht unbequem geworden, ohne Zwei­fel auf Ermunterung von Moskau her. Sie haben den Sultan Mohammed (türkisch: Mehmed) VI. des Throns und des Kalifats für verlustig er­klärt und verlangen, daß die Verbündeten Konstan- kinopel räumen, ihre Schiffe entfernen und sonst einiges mehr. In Konstantinopel gabs Anruhen, einige Engländer wurden verhauen, kurz gespannte Lage wie nur je. England sucht nun die Mohammedaner in Indien und Aegypten gegen die Türken mobil zu machen wegen des am Kalifen begangenen »Frevels.' Aber das will nicht recht verfangen. Es mag dort ja die Entthronung vielleicht nicht gerade gern gesehen worden sein, aber man weiß auch, daß Mehmed einfach eine Kreatur Englands ist und den wahren Grund der britischen Entrüstung kennt man auch. So braucht also England wieder die französische Unterstützung dringend; die französische Diplomatie spielt aber ein meisterhaftes Spiel: heute richtet es eine Drohung an die Angoraleute, morgen eine Warnung an England, die Türken nicht zu reizen. And so schwabbelt Bonar Law in Furcht und Hoffnung hin und her. Soll er die Trumpf­karte der Entschädigungsfrage, mit der man für Jahr­zehnte Frankreich gegenüber etwas machen könnte, aus der Hand geben? Aber Pvincare sagt: ohne Rhein keine Dardanellen. Was geht uns Franzosen die Festigung der Mark an, dafür soll Deutschland selber sorgen. Also: entweder oder. Trotz aller öffentlichen Freundschafts­beteuerungen wächst sich nun so der verborgene englisch- französische Gegensatz doch langsam aus, das denkt dic Mehrzahl der Engländer. Einer, der Arbeiterführer Ewer, hat sogar offen ausgesprochen, daß im Jahr 1925 oder 1926 der «von allen Engländern vorausgesehene' EnkscheidungS- krieg zwischen den beiden Ländern ausgefochken werde.

Neue Nachrichten

Abreise drr Entschadigungskommission

Berlin, 10. Noo. Die Entschädigungskommission ha, gestern der Neichsregierung mitgeteilt, daß nach Uebergabe der neuen deutschen Vorschläge die Verhandlungen beende! seien. Die Beschlußfassung wird voraussichtlich am Diensiac in Paris stattfinden. Man glaubt an die Möglichkeit eine, Verständigung. Heute nachmittag ist die Kommission von Berlin abgereist, nachdem sich die Mitglieder vom Reichs­kanzler verabschiedet hatten.

Das abgeänderke Einkommensteuergesetz

Berlin, 9. Nov. Der Reichsrat hat die von der Regierung eingebrachte Abänderung zum Einkommensteuergesetz ange­nommen. Die Grenz« des steuerbaren Einkommens, für die nur 10 Prozent zu erheben sind, wir- auf das Vierfache er höht- Die allgemeine Einkommensteuer ermäßigt sich um je 2400 ^ für den Steuerpflichtigen und dessen Ehefrau, wenn das steuerbare Einkommen nicht mehr als 400 000 beträgt und um 4800 für minderjährige Kinder. Außerdem sind besondere Ermäßigungen für Steuerpflichtige über 60 Jahre vorgesehen, deren Einkommen 200 000 ckt nicht übersteigt, Für 1922 wurde in der Regierungsvorlage lediglich der allge­meine Steuertarif etwas ermäßigt. Der Betrag, bis zu dem die Steuer nur 10 Prozent beträgt, wurde von 100 000 auf 250 000 -K erhöht. Die Abzüge von der allgemeinen Ein-