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Nr7225
Amts- und Auzelgeblatl fük den OberamlsbeM Snß-K»
« Nagolder Tagblatt
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Lchrtsti-imn«, Druck »ad «erlag vo» ». W Zatfer (Karl Zaifer) Nagold.
Dienstag, den 26. September LS22
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96. Jahrgang
TagesspiegeL
Zwischen dem unabhängigen Staat Turkesian und Afghanistan ist ein Bündnis, und AeeundschafisvertroA abgeschlossen worden. — Der Vertrag ist ein weiterer Schritt in der Politik des neuen Herrschers von Turkestan, Enver Pascha, die mohammedanischen Völker in selbständigen Staaten mit der Türkei an der Spitze zu einigen.
Ein britisches Kriegsschiff ist im Marmarameer nach einem Zusammenstotz mit einem holländischen Schleppschisj gesunken. 10 Mann sind mngekommen, 87 wurden gerettet.
In Sofia sollen am Freitag und Samstag hlutige kämpf« der Nationalisten gegen die Kommunisten und die Bauernpartei staltWfunden haben. 50 Personen, darunter verschiedene Abgeordnete und Parteiführer seien getötet, über 100 verwundet worden. Die bulgarische Regierung hat über Sofia den Belagerungszustand verhängt. Der Führer der lnat-onaüstischen) Oppsitionsxartei ist verhaftet worden.
Der französische Sondergesandke Franklin-Bouillon, der im vorigen Iahr dm Geheimvertrag mit den Türken in Angora abgeschlossen hat, wird nach Smyrna reisen, um kemal Pasch-a zu überreden, die Friedensbcdingungen der Verbündeten anzunehmen. — Die französische Regierung Hai den Türken in dem Angora-Vertrag anscheinend viel mehr versprochen, als die Pariser „Orienkkonferenz" ihnen nun angeboren hat.
Der französische Botschafter Laurent in Berlin ist von seinem Posten zurückgetreken.
Die Verhinderung des Wiederaufbaus von Nordstankreich
Die Franzosen regten sich gewaltig auf, wenn man ihner vorwarf, das zumeist von französischen und englischen Granaten verwüstete Kriegsgebiet, — man denke nur an St. Quentin oder St. Mihiel — wäre schon längst wieder auf- gebaut, wenn die französische Negierung nur gewollt und e- nicht vorgezogen hätte, die Tkümmerfelder als Paradestückc für die „deutschen Greuel" zu bewahren. Inzwischen sind die Franzosen aber doch etwas zurückhaltender geworden: die Neutralen sind nachgerade hinter den Bluff gekommen und das Jammern über die deutschen Greuel macht keinen Eindruck mehr.
Die Versailler Lüge aber, die Deutschland die „Wiedergutmachung" aller Kriegsschäden aufgebürdet hat, dir besteht weiter. Und weiter besteht auch die Not der durch den Krieg obdachlos gewordenen Franzosen, die immer noch keine Arbeitsstätte gefunden haben. Es ist daher sehr angebracht, daß die „Süddeutschen Monatshefte" in der Folge der von Oberstleutnant von Stülpnagel herausgegebenen Veröffentlichungen „Die zerstörten Gebiete" eine Sondernummer herausgebracht haben, welche die „Verhinderung des Wideraufbaus 'durch die französische Regierung" behandelt. Die Ursachen, daß heure noch in weiten Gebieten so gut wie nichts für die Wiederherstellung geschehen ist — so ist in Bailleul, La Bassee, Albert von den 1500. 2000 bzw. 3000 Häusern, die sie vor dem Krieg besaßen, in zwei Jahren auch nicht ein einziges wiederaufgerichtet worden —, liegen, wie schon gesagt, vollkommen klar. Ihre harmloseste ist die französische Organisations- u n f ä h i g k e i t, für die nach französischen Quellen sehr kennzeichnende Beispiele beigebracht werden. So hat die Ent- fchädigungskommission im Departement Pas de Calais in der Zeit vom Januar 1920 bis Januar 1922 an Verwaltungs- kosten sast 2 5 5 Millionen französischer Franken ausgegeben, ohne daß dadurch zwei Steine aufeinandergestellt sind. Ein einziges Nebenbureau dieser berühmten Kommission, das 15 untergeordnete Angestellte beschäftigt, verbraucht dafür nach heutigem Kursstand über 6 Millionen deutscher Mart in einem Monat. Der Deutsche zahlt ja doch alles! Damit die „Verwaltungsarbeit" in reibungsloser Ordnung verläuft, sind eine ungeheure Anzahl von Automobilen für die Angestellten der Entschädigungskommission nötig.. 28 000 Kraftwagen stehen dauernd zu ihrer Verfügung, davon 2269 für die „persönlichen Bedürfnisse" der Beamten, für. deren jedes schon 1921 d^r inzwischen wesentlich erhöhte Unterhaltungsbeitrag von 30 000 Franken bezahlt wird. Alles auf deutsche Kosten; jeder Schreiber macht im eigenen Auto Spazierfahrten mit seinen Dameiis aber niemand zerbricht sich den Kopf darüber, wie viele Häuser, die immer noch in Trümmern liegen, für diese ungeheuren Summen längst hätten aufgebaut sein können.
Trotzdem so gut wie nichts gebaut worden ist, ist der Materialschwund doch ungeheuer. Für 67 Millionen Frankenbeschaffte Baumaterialien wurden
„unbrauchbar", ohne daß aus ihnen auch nur ein einziger Schuppen aufgerichtet wurde. Dennoch meinte der Abgeordnete d'Anbigny in der französischen Kammer, daß die vielbesprochenen Veruntreuungen doch wohl weit überschätzt würden. Sie betrügen noch ,erer Schätzung „nur" etwa eine Milliarde Franken!
In diese Beträge sind aber die Summen nicht eingerechnet, die für erschwindelte Kriegsschädenrech- nungen ausgegeben worden und die einstweilen unübersehbar sind. Hat sich an diesem ehrenwerten Geschäft doch sogar ein französischer General bese ligt, während es bei Industriellen an der Tagesordnung ist, daß sie das Zehn- odsr Hundertfache ihrer wirklichen Verluste anmelden und ausbezahlt bekommen oder gar, daß sie sich Millionen auf Fabrikanlagen bezahlen lassen, die niemals bestanden haben.
Dies alles aber könnte den Wiederaufbau entgegen dem Willen der obdachlosen Bevölkerung der Kriegsgebiete dennoch nicht völlig vereiteln, wenn nicht das französische Unternehmertum alles daran gewendet hätte, die werktätige deutsche Hilfe, mit der allein Nordfrankreich wieder erstehen kann, fernzuhalten. Daß diese Unternehmer unter dem Schutz des Herrn Loucheur tatsächlich lieber die beschädigten Landstriche in ihren Ruinen liegen lässig wollen,' als in die Gefahr geraten, die überlegene deutsche Arbeit vorbildliche Musterdörfer, wie sie die Franzosen niemals bauen können, aufstellen zu sehen, das haben Franzosen selbst ganz offen erklärt. Einige schlagende Beweise werden in der Zusammenstellung der „Süddeutschen Monatshefte" angeführt. Sie ließen sich leicht vermehren
Aber auch die Widerspenstigkeit und der Eigennutz des französischen Unternehmertums könnte den Wiederaufbau auf die Dauer, nicht so rettungslos durchkreuzen, wie es bisher geschehen ist, wenn nicht als letzte und stärkste Kraft dis französische Regierung selbst jeden Fortschritt hintanhielte. Sie braucht die Ruinen, um ihre Politik des Hasses weiter betreiben zu können, und das ist der eigentliche Grund, warum bisher auch die werktätige Hilfe deutscher Arbeiter entgegen dem Wunsch der Geschädigten immer wieder, trotz aller Vorverhandlungen, ferngehalten worden ist. Man hat zu eindrucksvolle Erfahrungen mit der Vesträndigung von Mensch zu Menschen während des Krieges gemacht. Das gute Verhältnis, welches die deutschen Soldaten während der Schlachten mit der Bevölkerung der besetzten Gebiete herzustsllen wußten, hat den französischen Regierenden zu denken gegeben. Die Haßpolitik würde die schwerste Einbuße erleiden, wenn deutsche Arbeiter friedlich zwischen den obdachlosen Franzosen für diese neue Häuser und Städte aufmauerten. Der Umgang mit den Deutschen könnte die schlimmsten Folgen auf die „Begehrlichkeit" der französischen Arbeiter haben, wenn sie die sozialen Fortschritte beider Länder miteinander verglichen.
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Frankreichs Rheinlandplane entschleiert
Von besonderer Seite wird der Berliner „Germania" geschrieben:
Wenn auch eine gewisse Entspannung der politischen Verhältnisse zwischen Deutschland und seinen Gläubigern verzeichnet werden kann, wäre es doch grundfalsch, sich jetzt einer sorglosen Hoffnungsstimmung hinzugeben. Die Gefahren bestehen unvermindert fort, die das Rheinland und damit die Einheit des Reichs überhaupt bedrohen. Der französische Ministerpräsident wird sich natürlich hüten, Frankreichs Raubpläne unverhüllt zuzugeben. Dies Geschäft besorgen die französische Presse und die französischen Militärpolitiker viel besser. Die französische Regierung wird indessen nicht in der Lage sein, die Pläne zu verleugnen, die ihr von Dariac, dem Präsidenten des Finanzausschusses der französischen Kammer, vorgelegt wurden. Dariac, der im Aufträge der französischen Regierung eine „Dienstreise" in das besetzte Gebiet unternommen hatte, ist kein Eigenbrödler, und das „Journal" gibt selbst zu, daß die Pläne Dariacs die völlige Billigung Poincares gefunden haben. Das „Journal" gibt aus dem Bericht Dariacs einen Auszug, in dem es heißt: „Wir haben einen großen Teil des Ruhrgebiets besetzt, ebenso einen Ruhr- und Rheinhafen, durch den die Hochöfen mit Erzen versorgt werden. Damit schneiden wir die Eisenindustrie mitten durch. Wenn wir wollen, können wir die von den Rohstoffen abhängigen und sie verarbeitenden Fabriken, im unbesetzten Deutschland, die nichts weiter tun, als diese 'Erzeugnisse fertigzustellen, von ihrer Kohle, ihren Erzen, ihren Eisen- und Stahlerzeugnissen abschneiden. So lange wir unsre gegenwärtige Stellung am Rhein innehaben, stellen wir also eine ständige Drohung für 10 bis 12 Herren der deutschen Industrie dar, die tatsächlich die finanziellen Herrscher Deutschlands sind."
Auf dieser Grundlage fußend, verlangt nun Dariac folgendes: Der erste Akt der aktiven französischen Rheinlandspolitik ist die finanzielle Organisierung des Rheinlands: Aus
richtung einer Zollgrenze im Osten gegen Deutschland, Niederlegung der Zollgrenze im Westen gegen Frankreich. Im Zusammenhang mit dieser finanziellen Organisation müßte die Trennung des Staatshaushalts der Rheinlunde von denen des Reichs und der Länder erfolgen, und gleichzeitig wird die Einführung einer gesunden Währung an Stelle der entwerteten Mark verlangt. In zweiter Linie verlangt Dariac den Ersatz der preußischen Beamten durch rheinische. Drittens wird die Erweiterung der Vollmachten der gewählten rheinischen Volksvertretung ge-' fordert. Das Hauptziel dieser Politik ist nach den eigenen Worten Dariacs, ein freies Rheinland unter dem militärischen Schutz Frankreichs u. Belgiens von Deutsch- landabzutre'nnen.
Knapper und deutlicher sind die französischen Absichten auf das Rheinland bisher nicht beschrieben worden,
Die neue Partei
Der geeinte Sozialismus
Man schreibt uns aus parlgmen torischen Kreisen: Drei Parteitage waren nötig, um die Einigung der Sozialdemokratie mit den Unabhängigen herbeizusühren, Augsburg, Gera und Nürnberg. Diese Tagungen haben viel Zeit und Geld gekostet. Die sozialdemokratische Parteileitung geht, wie man hört, mit dem Gedanken um, in Zukunft nur alle zwei Jahre einen allgemeinen Parteitag abzuhalten. In einer Zeit wie der heutigen erscheint es wirklich überflüssig, daß alljährlich Hunderte von Männern eine volle Woche und länger zu einem Parteitag Zusammenkommen, der, wenn man alles rechnet, Millionen kostet.
Die Hauptsache ist die nun vollzogene Einigung der beiden sozialistischen Parteien. Es ist bekannt, daß die Partei der Unabhängigen vor ihrem Zusammenbruch stand und
durch die Einigung mit der alten Sozialdemokratie gerettet wurde. In der sozialistischen Zeitschrift „Der Firn" wird das deutlich gesagt. Das Zentralorgan, die „Freiheit", ent- ging von Monat zu Monat mit knapper Not dem Bankrott; die finanziellen Nöte der Partei vergrößerten sich vpn Tag zu Tag, die Absplitterung nahm immer stärkeren Umfang an. Ledebour, der die Einigung für sich und seinen Anhang ablehnte, erklärte auf dem Parteitag in Gera, di« U.S.P.D. werde nicht als gleichberechtigt in die S.P.D. ausgenommen, sondern sie werde aufgesaugt.
Dies ist wichtig für das Hauptproblem der nächsten Zeit, für die K o a l i t i on s p o l i ti k. Für die deutsche Parteipolitik kommt es jetzt darauf an, wie sich die neue verstärkte Sozialdemokratie zum Eintritt der Deutschen Volkspartei in die Regierungskoalition verhält. Während in Gera die Unabhängige Toni Sender erklärte, die Koalitionspolitik der Mehrheitssozialdemokratie sei das Haupthindernis der Einigung des Proletariats, trat in Breslau der Zentralvorstand und die Fraktion der Deutschen Volkspartei zusammen, um zur Koalitionssrage Stellung zu nehmen.
Wie wird sich nun die neue Sozialdemokratie verhalten? Auf dem Augsburger Parteitag wurde darauf hingewiesen, die Scheidung zwischen rechts und links in der neuen Partei werde nicht in der Weise vor sich gehen, daß die bisherige Sozialdemokratie den rechten Flügel und die Unabhängigen den linken Flügel bedeuten. In der alten Sozialdemokratie gibt es vielmehr große Gruppen, die weit mehr links stehen, als so mancher, der bei den Unabhängigen bisher auf dem rechten Flügel saß. Die Einigung wird also zu einer Mischung führen, die sich im Augenblick noch nicht berechnen läßt. _ —er.
Die Note der Verbündeten
Der Verband kann auch bitten
Paris, 25. Sept. Havas. Die Konferenz der Verbündeten (Lord Curzon, Poincare und Graf Sforza) sandte folgende Note an die türkische Regierung in Angora:
Die drei verbündeten Regierungen bitten die Regierung von Angora, sie gefälligst wissen zu lassen, ob sie geneigt ist, unverzüglich einen bevollmächtigten Vertreter zu einer Zusammenkunft zu entsenden, die in Venedig cder anderswo stattfinden soll und zu der mit den Vertretern der Türkei gleichzeitig Bevollmächtigte Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Japans, Rumäniens, Jugoslaoiens und Griechenlands eingeladen würden. Die Versammlung hätte das Ziel, über einen endgültigen Friedensvertrag zwischen der Türkei, Griechenland und den verbündeten Mächten zu verhandeln und ihn abzuschließen. Die verbündeten Regierungen ergreifen diese Gelegenheit, um zu erklären, daß sie dem Wunsch der Türkei, Thraziens bis zur Maritza und Arianopel w:eder zu erhalten, günstig gegenüberstehcn. Unter der Bedingung, daß die Regierung von Angora während der Friedensbesprechung nicht in das Gebiet Truppen sendet, dessen vorläufige Neutralität die verbündeten Negierungen seinerzeit erklärt haben, werden die drei Regierungen gerne auf der Konferenz die Zuteilung dieser Grenze an dis Türkei unterstützen, wobei vorausgesetzt wird, daß gemeinschaftlich in dem Vertrag Maßregeln getroffen werden zur Wahrung der Interessen der Türkei und ihrer Nachbarn durch E n t in i l i t a r i s i e -