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Rr. 198

E.'.ündet 1826.

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Sch-iftirUuns, Druck «ns B«r!c>« «so «. W Zatser <Narl Kaiser) Nagold.

Freitag, den 25. August 1922

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Tagesspiegel

Heber die Verhandlungen der Reparattonsdelegierker, mit der deutschen Regierung herrscht vollständiges Dunkel, jedoch kann man au? dem furchtbaren Markskurz nichts Gutes schließen. Frankreich besteht nach wie vor auf dey Lohlev und Forsten, ohne die es kein Moratorium gebe-

Rach Meldungen der Morgenblätter wird der Reichs- kanzler Dr. Mrth die Führer der gewerkschaftlichen Spitzen- Organisationen empfangen, um mit ihnen die gegenwärtig« Wirtschafts- und Finanzlage zu besprechen.

Die bayeris he Regierung hat die Rolfordecung .zum Schuhgeseh aufgehoben, der bayerische Konflikt ist damit end­gültig behoben.

Bei der Durchführung der Gekreideumlage sind wesent liche sachliche Schwierigkeiten aufgeireken.

Die Slusweisungsmaßnahmen Frankreichs im Elsaß wer­den aufrecht erhalten, dagegen wird voraussichilich die Re- schlagnahme der Bankguthaben aufgehoben werden

In Men kam es anläßlich einer Arbeitslosendemon- siration zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Der Dollar Wer LN9

Innerhalb der letzten 24 Stunden stieg der Dollar vor 1460 auf 2050 Mark, das ist also sine 482fache Steigerung gegenüber der Friedensmark. Md zwar gehr diese Mark Verschlechterung von Newyork aus, beruht also keineswegs auf irgend welchen spekulativen Machenschaften, das Aus­land hat einfach das Vertrauen in die Mark verloren. Dar ist die Wirkung der französischen Reparationspolitik, uni über die Gesichter der Poincare, Tardieu, Barthou und Ge nassen wird beim Lesen der Nswyorker Marknotierunger ein befriedigendes Lächeln huschen.

Dr. Wirth bezeichnete erst kürzlich einem englischen Zei­tungsvertreter gegenüber als erstes Ziel der deutschen Re gierungspolitik:Erst Brot, dann Repararione n/ Geschieht nicht irgend ein Wunder, dann wird es mit unserer fast wertlos gewordenen deutschen Mark, die jetzt noch etwc einen Fünstel-Friedenspsennig gilt, überhaupt nicht mehr möglich sein, auch nur Brot zu schaffen. 45 Prozent unfere- Getreidebedarfs müssen wir vom Ausland beziehen, und da­können wir jetzt nicht mehr kaufen. Unsere Fabriken, unser« Eisenbahnen sind gezwungen, mit englischen Kohlen zu ar­beiten, Eisenerze müssen aus Frankreich und Schweden ge­holt werden, dis Baumwolle, die unsere in überragenden Maße in Süddeutschland heimische Textilindustrie verarbei­tet, wächst in Amerika. Bei einer 500fachcn Verschlechterung unseres Geldes können wir aber dies alles.nicht mehr m notwendigen Umfang einkaufen, und damit werden die Ar­beitslosigkeit und der Hunger in Deutschland landauf land­ab ihre grauenvollen Wirkungen ausiösen. Ein zermürbtes willen- und wehrloses Deutschland wird dann als leicht« Beute einem Poincare zufallen, was ja Ziel und Richtung der ganzen französischen Nachkriegspolitik seit Versailles ist

Noch ist das Schlimmste vielleicht nbzuwendcn, wenn di« vernünftig denkende Welt, vor allem Amerika, sich zu eine« entschlossenen Tat aufrafft. Oesterreichs Minister treffer , heute auf ihrem Bittgang, auf dem sie die Selbftändigkei ihres Landes gegen Brot und Arbeit zum Austausch an­bieten, bei ihrem ehemaligen Todfeind Italien in Veronc ein. Wie lange wird es noch dauern, bis auch unsere Re­gierung auf eine solche traurige Reise gehen muß?

Nms Memelland

Die Botschafterkonferenz hatte der litauischen Negierung mitgeteilt, daß sie grundsätzlich die cie-jure-Anerkennung Li­tauens beschlossen habe, aber die Bedingung daran knüvfer müsse, daß Litauen die Bestimmungen des Versailler Ver­trages über die Jnternationalisierung des Memelstromes an­erkenne. In einer soeben den alliierten Mächten übergebe­nen Note erklärt die litauische Regierung ihr Einverständ­nis mit dem Grundsatz der Notwendigkeit freier Schiffahrt Es heißt -dann in der Note weiter:

Die litauische Regierung spricht auch die Ueberzeugunc aus, daß nach der Anerkennung Litauens cie jure seitens der alliierten Mächte und der Vereinigten Staaten kein« Hindernisse mehr für den Anschluß des Memelge­bietes an Litauen bestehen werden. Die litauisch« Regierung erinnert mit Dankbarkeit an die Antwort der alli­ierten Mächte an die deutsche Delegation der Frie­denskonferenz. in der seitens der Alliierten erklärt

wurde, Laßdas erwähnte Gebiet stets litauisch war" und daßMemel und sein Gebiet den Alliierten und Vereinigten Staaten in Obhut gestellt wird, bis das Statut des litauischen Staates festgesetzt wird." In Anbetracht dessen, daß diese Bestimmungen mit der Anerkennung Litauens cie jure reali­siert wird, hofft die litauische Negierung, daß die Regierungen der alliierten Mächte und der Bereinigten Staaten den Entschluß fassen werden, Litauen entspre­chend dem 8 99 des Vertrages von Versailles sämtliche Rechte und Titel auf das Memel­gebiet zu übertragen.

In Deutschland hat man schon lange des Memelgebietes kaum mehr gedacht. Weite Kreise werden mit Ueberraschung hören, daß diese Grenzfrage noch nicht geregelt ist, daß auch hier mit neuen endgültigen Gebietsveclujten gerechnet wer­den muß. Mit ausgesuchter Perfidie hat der Versailler Ver­trag an allen unseren Grenzen Stücke ausgesucht, durch deren Zuteilung an die Nachbarn Deutschlands er zwischen diesen und uns für immer Feindschaft stiften will. Selbst die Gren­zen Deutschösterreichs hat man nicht vergessen. So soll das Deutschtum für ewige Zeiten durch einen eisernen Ring feindlich gesinnter Völker medergehalten werden. An un­serer äußersten Nordostgrenze war das bisher noch nichr ganz gelungen. Der Friedensvertrag (Art. 99) sieht nur vor, daß Deutschland aus seine Ansprüche auf das Memelgebiet ver­zichtet und daß später eine endgültige Entscheidung gefällt werden solle. Von Litauen istmitkeinem Worte im Friedensvertrag die Rede. Nun beruft sich die litauische Regierung in schlauer Weise auf eine der ten­denziösen oberflächlichen Anttvorten der Friedenskonferenz an die deutsche Delegation, in der es heißt: Memel wäre immer litauisch gewesen. Es handelt sich hier um eine jener groben Geschichtsfälschungen, wie sie auch mit dem Saargebiet versucht wurden. Niemals hat es früher im Memelland eine litauische Bewegung gegeben. Die ist erst später künstlich hineingetragen worden, umfaßt aber auch heute nur einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung. Eine Abstimmung würde zweifellos den Wunsch, bei Deutschland zu bleiben, mit überwältigender Stimmenmehrheit ergeben. Aber um das Selbstbestimmungsrecht dieses Landes küm­mert sich die Entente ebensowenig, wie um das vieler an­derer. Es handelt sich ja nur um deutsche Grenzen! Heute scheint es nun soweit zu sein, daß nur die beiden Möglich­keiten: Freistaot unter französischer Oberhoheit und mit der Gefahr, daß das Land später an Polen fällt und: Anschluß an Litauen in irgend einer Form, von den Entsntemacht- habern erwogen zu werden. Litauen hält offenbar dis Zeit für reis, um seine Ansprüche anzumelden. Leider hat man von der deutschen Regierungsseite aus noch keine Stellung­nahme dazu bemerkt. In erster Linie hat Deutschland An­sprüche auf das uns durch geschichtliche und ethnographische Fälschungen zwar abgesprochene, aber doch noch immer herrenlose Land geltend zu machen? Von dem Verlangen nach einer Volksabstimmung ist bisher nichts bekannt.

Flüchtlinge aus dem Elsaß

Die Leidensgeschichte unserer Landsleute in Elsaß-Loth­ringen ist noch nicht zu Ende. Als das ehemalige Reichsland französisch wurde, hatten die neuen Machthaber nichts Eilt- geres zu tun, als die Deutschen zu vertreiben. Die Fürsorge für diese Heimatlosen übernahm im Aufträge der Regierung das deutsche Rote Kreuz. Es richtete eine Flüchtlings- sürsorgeabteilung in Berlin und Unterabteilungen in de» Ländern und Provinzen bis herab zu den örtlichen Fürsorgr- stellcn ein. Dem Roten Kreuz trat helfend zur Seiteder Hilfsbund für die Elsaß-Lothringer".

Zunächst wurden die bei den'Uebernahmekommissariaten an der Grenze eintreffenden Flüchtlinge vorübergehend un- tsrgebracht, in Lagern oder bei einer Versorgung'sstelle Sie erhielten Kleider und Arbeitsgeräte. Dann wurde ihnen eine Erwerbsgelegenheit vermittelt. Das ging vielfach leich­ter als die Beschaffung einer Wohnung. Erwerbsunfähige Flüchtlinge, nicht selten auch Witwen und Waisen, mußten in Dauerfürsorge übernommen werden.

Auf diese Weise hatte das Rote Kreuz bis Ende 1921 etwa 150 000 elsässische Flüchtlinge versorgt wahrlich eine rühmliche Leistung. Da auf einmal kamen dieRS- torsionen" Poincares: Das deutsche Bankguthaben im Elsaß wurde gesperrt, die Möbel, die die Vertriebenen zu­rückgelassen hatten und für die wir seinerzeit ein« Lösegeld von 25 Millionen Mark bezahlt hatten, wurden beschlag­nahmt, undmißliebige" Deutsche, bis jetzt 500 an der Zahl, wurden ausgewiesen.

E-> waren lauter politisch harmlose Leute. Seit vielen Jahrzehnten lebten sie im Elsaß und hatten dort ihre zweite Heimat gesunden. Fast auf einmal mußten sie innerhalb 48 Stunden ihre liebgewonnene Heimstätte verlassen. Die Verheirateten durften 10 000 Mark, die Lediaen 5000 Mk.

nümshmeu. Was bedeutet das bei der jetzigen Valuta? So gut r-aie mittellos wurden sie in's Elend gestoßen.

Und warum? Nicht etwa, weil-wir unserer Verpflich­tung nicht Nachkommen wollten, sondern nur deswegen, weil wir vm- dem 5. August die Versicherung nicht geben konn­ten, daß wir am 15. August zahlen wollen. Also dieseRe- torsion-m" haben nicht einmal den Zahlungstermin abge- wartet. Poincare fehlte somit schon das formelle Recht zu jenen unerhörten Maßnahmen. Hätten wir sofort etwa Gleiches mit Gleichem vergelten sollen, alsbald 500 Fran­zosen aus den: deutschen Reichsgebiet ohne Sack und Pack hincm'ckwerfen, französische Bankguthaben beschlagnahmen. Miseren Ausgleichsämtern die sofortige Einstellung der Ver­rechnungen befehlen sollen und dergleichen mehr? Wir Ha­se« alles dies unterlassen. Wir haben nur protestiert, und im übrigen uns wieder einmal der Brutalität eines tob­süchtigen Feindes gefügt oder fügen müssen.

Freilich im Elsaß selbst war man allgemein über den neuen Streich des französischen Ministerpräsidenten höchlich entrüstet. Die gesamte Presse dort, voran dieStraßburger Zeitung", die katholischen und die sozialistischen Blätter sie alle waren einig in der restlosen Verurteilung derRe­torsionen". Ja die Kommunisten hielten letzten Freitag ein« große Protestversammlung gegen die Ausweisung jener Fünfhundert ab.

Anscheinend merkte auch die französische Regierung, daß sie einen schweren Mißgriff begangen hatte. DerTeinps" stellte in Aussicht, daß die Ausweisungen in verschiedener: Punkten gemildert werden sollen. Man nahm dieSaar­länder" von den Maßnahmen aus. Man spürte auch, daß derartige Schritte wenig geeignet wären, dis Sympathien der Rheinländer, die man doch je früher desto lieber französisierer, möchte, zu gewinnen.

Aber das ist uns zu wenig. Dieses bittere Unrecht mutz unter allen Umständen wieder rückgängig gemacht wer­den. Ist doch die Frage des Ausgleichsverfahrens durch die letzte Note der Reparationskommission bereits geregelt wor­den. Somit entbehren jene Retorsionen aller und jeder recht­lichen Begründung und Voraussetzung.

Abgesehen von der unmenschlichen Härte dieser Maß­nahme gegenüber den bedauernswerten Vertriebenen fällt es uns schwer, immer wieder neue Flüchtlinge bei uns auf­zunehmen. Außer den genannten vertriebenen Elsaß-Loth­ringern mußten wir bekanntlich auch Flüchtlinge aus Po­sen, Westpreußen, Oberschlesien, Nordschleswig, Eupen und Malmedy und dazu noch die vielen Auslanddeutschen, weiter­hin an die hunderttausend Ostjuden aufnehmen. Gingen vorher 121 Deutsche auf 1 Quadratkilometer, so sind es jetzt deren 131. Woher wollen wir die ausländischen Lebensmittel, di« allein jetzt schon 100 Milliarden Mark kosten, und woher gar die Wohnungen für sie beschaffen? Freilich, nach Cle- inenceau sind immer noch 20 Millionen Deutsche zu viel auj der Welt! XV. li.

Kleine politische Nachrichten.

Die endgültige!'. Abmachungen mit Bayern

Mönchen, 24. August. lieber die neuerlichen Besprechun­gen zwischen dein Reiche und Bayern in Berlin geht der Bayerischen Staatszeiiung" von amtlicher Seite ein Bericht zu, dem folgendes entnommen ist:

1. Beim Staatsgerichtshof wird ein süddeutscher Senat gebildet. Die Ernennung seiner Mitglieder erfolgt nach Be­nehmen mit den beteiligten Landesregierungen. Ihm wer­den drei bayerische Landesrichter und eine entsprechende Zahl bayerischer Reichsgerichtsräte angehören. Als Laien­richter können ausschließlich oder zum Teile Personen vorge­schlagen werden, die die Befähigung zum Richteramte be­sitzen. De Senat kann auf Grund eigener Beschlußfassung nach Belieben auch in einem süddeutschen Ort tagen.

2. In den Fällen, in denen die Zuständigkeit des süd­deutschen Senates gegeben ist. wird das Begnadigungs­recht vom Reichspräsidenten im Benehmen mit der Lan­desregierung oder aus deren Anregung ausgeübt.

3. Zur Fühlungnahme mit der bayerischen Regierung wird ein bayerischer Beamter der Reichsanwalt­schaft als Referent des Oberreichsanwalts bestellt.

4. Es wird neuerdings mit Nachdruck betont, daß di« Ueberweisung der Strafsachen an die ordentlichen Gerichte die Regel bilden wird.

ö. Weder die Reichsregierung, noch die Landesregierung darf auf eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs in Ver­waltungssachen irgendwelchen Einfluß nehmen.

6. Der bundesstaatliche Charakter des Rei­ches, die Staatspersönlichkeit und die Hoheit der Länder wurden neuerdings anerkannt. Diesen wurde wiederholt zugesagt, daß das Reich die Hoheitsrechte der Länder nicht unter Abänderung der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Reiches an sich ziehen wolle.

Der Ministerpräsident unterichtete heute die Führer der Koalitionsparteien über das Ergebnis der Berliner Ver­handlungen übe die dazu erfolgte Stellungnah,ne des Mini­sterrates. Die anschließende Aussprache ergab chie Ucber- einstimmung zwischen Ministercat und Koalitions- Parteien.