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Nagolder Tagblak
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Mittwoch de» 19. 3«li 1922
Wieder eine ergebnislose Konferenz
Lloyd George hat entschieden Pech. Sagte er doch vor mehreren Monaten, das Zeitalter der Kriege sei vorüber. Statt Frieden und Verständigung hätten sie nur Haß und Rache gebracht. Mit Genua sollte eine neue Zeit der Menschheit anheben: die Zeit der Konferenzen, d. h. der gegenseitigen friedlichen Zusammenarbeit der Völker der Erde.
Gesagt — getan. Am 10. April kamen die Vertreter so ziemlich aller Völker der Erde in Genua zusammen. Mitte Mai ging man wieder nach Hause und hinterließ ein — „Torso", ein Stückwerk, ja noch weniiger als das: das einzig Greifbare, was in Genua erreicht wurde, das mar der deutsch-russische Vertrag von Rapallo, den man übrigens in Berlin genau so gut fertig gebracht hätte, ohne daß man sich in so große Unkosten zu stürzen brauchte.
Halt! daß wir die volle Wahrheit sagen: man hat auch mit den Russen angeLündelt, ist aber nicht handelseinig geworden, und Lloyd George schlug vor: Fortsetzung im Haag am 15. Juni.
Eine „internationale" Konferenz in des Wortes voller Bedeutung war zwar dieser Völkerkonoent nicht, so wenig wie es der Wilsonfche „Völkerbund" ist. Denn erstens fehlten die Deutschen. Die hat man von vornherein „ausgeladen", weil sie ja ihren Vertrag mit Moskau bereits in der Tasche hätten. Die Amerikaner wollten auch nicht mittun, so wenig und noch weniger als ,n Genua- Erstens sei Haag eine Fortsetzung von Gsnra und' zweitens, mit einem bolschewistischen Staat und seinem verrückten Eigentumsbegriff wolle man nichts zu- schaffen haben. Die Franzosen, dis ebenfalls auf die Bolschswn'i, die ihnen über 20 Milliarden Francs von der Vorkriegszeit noch schuldig sind, nicht gut zu sprechen sind, erklärten von vornherein, die Haager Konferenz müsse einen absolut unverbindlichen Charakter haben, also höchstens eine „Sachverftändigenkon- serecrz" sein. Und endlich die Italiener! Die waren nur mit halbem Herzen dabei, denn sie hatten bereits auch ihren Vertrag mit Moskau, wenn er auch noch nicht ratifiziert war (die Moskowiter vermißten darin eine glatte Anerkennung ihrer einzigartigen Staatsform), zusammen geschrieben
Auch in anderer Beziehung stand die Konferenz nicht auf der Höhe der Gleichberechtigung. Die Russen nämlich sollten erst nachher drankommen. Vorher wollten die Nichtrussen unter sich sein. Und so bildeten sich von Anfang ab zwei Lager: hie Russen, hie Nichtrussen.
Und nun, was wollten die Moskowiter und was wollten st« nicht? Zunächst — und das war ihnen die Hauptsache — Wollten sie G eld und zwar nicht weniger als 3224 Millionen Goldrubel (1050 für das Transportwesen, 920 für Landwirtschaft, 750 für den Wiederaufbau der Industrie, 500 für Handels- und Bankkredite).
Und was wollten sie nicht? Vor allem einmal nicht die Vorkriegsschu Iden glatt anerkennen — und daran hatte das tiefverschuldete Frankreich (das allein Amerika 24 Milliarden Dollars zahlen soll) das allergrößte Interesse. Sie wollen auch nicht dem westeuropäischen ..Eigentu m s b e g r i f f" zustimmen. Für die Sowjetmänner gibt es nur einen „Staatskapitalismus", jedenfalls die Nationalisierung der Bodenschätze, des Transportwesens und der lebenswichtigen Großindustrie. , Endlich weigerten sie sich, das „nationalisierte", auf deutsch: geraubte Eigentum der Ausländer zurückzugeben. Im günstigsten Falle wären sie bereit, ihnen eine Entschädigung zu zahlen. Und bezüglich -er Bodenschätze (z. B. das Erdöl) war man in Moskau zu Wirtschastszugeständnissen bereit. Die waren aber so heikel, daß sie keine Anziehungskraft auf-die Ausländer auszuüben vermochten. —
Kurz: man wurde eben nicht handelseinig. Nicht in den drei Unterkommissionen (für Kredite, Schulden und Eigentum), vollends nicht in der Vollsitzung. Me Nichtrussen war- sen dem Gegner „unversöhnliche Haltung" vor, Litwi- nosf erwiderte, daß nur die Nichtrussen an dem Mißlingen der Konferenz schuld seien; dies« wieder meinten, sie wür-, den die Türe nicht ganz zuschließen. Nur müßten die Herren von Moskau „neue Tatsachen und neue Vorschläge" Mitteilen. Litwinofs darauf: Die Russen hätten keine neue Vorschläge zu machen. Man machte sich noch einige gegenseitige Vorwürfe wegen der einseitigen Berichterstattung in der Presse. —
Und damit Schluß! Am 15. Juli reisten d-e Russen ab. Ohne Geld. Was wird man dazu in Moskau sagen? Rußland braucht Geld und zwar umgehend, sonst geht es unerbittlich zugrunde. Geld aber wird es nur bekommen, wenn es seinen Eigentumsbegriff aufgibt. Letzteres aber
heißt „sich selbst ausgeben". Denn der Bolschewismus sieyi
und fällt mit seinem kommunistischen Glaubenssatz. —
Es ist ein einziger Ausweg möglich. Die Deutschen und die Italiener haben ihn bereits beschriften: nämlich den der E i n z elo e r t r ä g e. ist.
Der Zahlungsausschub eine Strafmahnahme '
Die Schlinge wird fester gezogen.
Wie vorauszusehen war, weigert sich Frankreich, dem Zahlungsaufschub an Deutschland zuzustimmen, wenn nicht vorher die „absichtliche Verfehlung" des Reichs festgestellt würde, die seine Zahlungsunfähigkeit herbeigesührt habe, und wenn nicht alle für den Zinsendienst der inneren deutschen Anleihen bestimmten Beträge für die Kriegsentschädigung nutzbar gemacht wären. Poincare hat den französischen Vorsitzenden der Entschäüigungskommission, Dubois, ausdrücklich angewiesen, die Zahlungsfähigkeit Deutschlands von Zeit zu Zeit seststellen zu lassen, ob nämlich alle Einnahmequellen Deutschlands, besonders die für den Zinsdienst der inneren Schuld bestimmten Summen vorzugsweise für die Kriegsentschädigung verwendet würden.
Frankreich stellt sich also auf den Standpunkt, daß der Zahlungsaufschub nicht gewährt werden dürfe, solange Deutschland nicht seine letzten Zahlungsmittel an den Feindoerband geopfert habe, und dazu gehören, wie Poincare schon früher wiederholt in der französischen Kammer gesagt hat, auch die Verzinsungsmittel für die inneren deutschen Anleihen. Selbstverständlich würde die Einstellung der Verzinsung d. h. der innere Staatsbankerott des Reichs den vollständigen wirtschaftlichen Zusammensturz zur Folge haben; denn darüber darf man sich keinem Zweifel hingeben, daß mit der Anleihezinsen auch die Rentenzahlungen aufhören würden, selbst wenn Frankreich diese nicht auch noch ausdrücklich für verfallen erklärte. So Mt Poincare für die Entschädigungskommission die Zinsgelder einsordert, kann er auch die Rentengelder in Anspruch nehmen, die ja nur eine andere Form der Sparanlagen sind. Solang- aber Deutschland diese seine äußersten und letzten Mittel nicht für seine Kriegsverpflichtungen aufwendet, sagt der Gemütsmensch Poincare, beruht jede Zahlungsunfähigkeit Deutschlands auf einer „absichtlichen Verfehlung". Liegt aber absichtliche Verfehlung vor, so gibt der Friedensvertrag da; Recht, gegen Deutschland mit Strafmaßnahmen oder „Sanktionen", wie die französische Rabulistik sie nennt, vorzugehen Entschließt sich aber Frankreich trotzdem großmütig, wie e; nun einmal ist, und auf das entschiedene Drängen der schwergeschädigten anderen Verbündeten in den Zahlungs-mfschuk einzuwilligen, so ist es nicht mehr als billig, als daß diese; arme Frankreich dafür anderweitig entsprechende Entschädigungen und Pfänder erhält. Daß diese Pfänder in dem linksrheinischen Gebiet und in der Ruhrindustrie bestehen, wisser wir ja zur Genüge. Und daß daneben die Sachliefe- rungen und Arbeitsleistungen nach dem Wiesbadener Abkommen in erhöhtem Maß betrieben werden sollen, versteht sich von selber. Der Strafaufschub nimmt alsc in dieser Gestalt, wie Pertinax im „Echo de Paris" selbst feststellt, die. Form einer Strafmaßnahme an.
Sollten die Verbündeten aber nicht auf den Plan Poin- cares eingehen, so will Frankreich für sich Vorgehen. Du Begegnung zwischen Lloyd George und Poincare wird denn auch von französischer Seite an die Bedingung geknüpft daß vorher eine (geheime) Verständigung über die Absichten Frankreichs erzielt wird. Die französische Regierung ha! bereits der Reichsregierung „vorgeschlagen", mit dem nachträglich verärften — Wiesbadener Abkommen am 20. Juk zu beginnen. Natürlich weiß man in Frankreich, daß das sich jetzt nicht so schnell bewerkstelligen läßt, und der „Peti! Parisien" spricht es auch offen aus, aber man will die verlorene Zeit einholen und — den bösen Willen Deutschland; Nachweisen. Frankreich will also die 950 Millionen Goldmarkt in Sachlieferungen, von denen man bisher nur fift 5 Millionen bar bezogen hat, im Lauf des Jahres 192? einzutreiben.
Die Reichsregierung erklärte nun aber den Verbandsregierungen in einer Note, Deutschland sei nicht mehr in dei Lage, die Zahlungen für das Ausgleichsverfahren zu leisten; die jährlich 600 Millionen Goldmar! oder nach dem heutigen Kurs 66 Milliarden Papicrmarl erfordern. Die Reichsregierung beantragt ferner, wenn eine Pariser Korrespondenz recht berichtet, die Jahreszahlungen von bisher 2 Millionen Pfund (40 Millionen Goldmark) auf 0,5 Million überhaupt herabzusetzcn, sie aber bis einschließlich 1924 einzustellen.. — Frankreich dagegen will das französisch-deutsche Abkommen vom Juni 1921 kündigen, nach dem ein Teil der für das Ausgleichsverfahren bestimmten Summe durch den Verkauf des beschlagnahmten deutschen Privateigentums in Frankreich hereingebracht werden soll. Frankreich will ferner, daß von Verbandswegen Deutschland verboten werden soll, seine Staatsangehörigen für ihre Verluste im Ausland zu entschädigen, solange die Forderungen der Verbündeten im Ausgleichsverfahren nicht erfüllt seien. Endlich fordert Frankreich die Aufhebuna des deutschen Gesetzes.
Lerbrettetste Zeitung tm Oberamtsbczirk. — Au» zeigen find daher von bestem Erfolg.
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96. Jahrgang
wonach das Reich die Berluste ersetzt, die uer Kurssturz der Mark deutschen Staatsangehörigen verursacht, solange das Reich Schulden aus der Kriegszeit zu bezatz» len hat.
Wojclech Korsanty
Der neue Lenker Polens.
Ein alter Deutsch-Oberschlesier schreibt mir: Zu den schweren Schicksalsschlägen, die aus das vielgeprüfte Deutschland niederregnen, gehört auch der Aufstieg Wojciech (Albert) Korfantys zum Ministerpräsidenten Polens. Dem Protest des Staatschefs Pilsuoski gegen diese merkwürdig« Wahl des polnischen Reichstags (219 gegen 206 Stimmen) kann man sich vom deutschen Standpunkt nur cnschließen, freilich aus Gründen, die nicht in der inneren Politik Polens, sondern im Charakter und in der-persönlichen Gefährlichkeit dieses Deutschenfeinds liegen. Was wir nach dem Krieg blutenden Herzens in Oberschlesien erlebt haben, di« Zerreißung in zwei feindliche Völker, die sich nicht mehl verstehen, das ist zum allergrößten Teil das Werk, das Kor- fanty in mehr als Mähriger Hetz- und Wühlarbeit auk- gebaut hat.
Als Sohn eines Bergmanns ergriff einst der junge Kor- fanty die Feder, um die polnische Masse auf den Kohlenfeldern im äußersten Südostwinkel Schlesiens zum Kamps gegen die verhaßten Deutschen zu führen. Die polnischen Bergleute liefen ihm in Hellen Hausen zu. Die preußischen Behörden, die hohe Geistlichkeit in Breslau sahen aus einmal mit einem Gemisch von Staunen und Beklemmung, daß das polnische Volk national interessiert wurde. Es war für die Deutschen in Schlesien ein böses Erwachen aus einem langen schönen Traume, daß die „Wasserpol-cken" gegen die polnische Bewegung unempfindlich wären. Durch die planmäßige Heranbildung einer wenn auch dünnen Schicht von Gebildeten polnischer Abstammung hatte die großpolnisch« Wühlerei auch auf den Besitzungen -er Fürsten Pleh und Ratibor, der Henckel-Donnersmarck und des Grafen Ballestrem festen Fuß gefaßt. Und in dem Bergmannssohn Korsanty fand sie den rechten Führer, der sie in dem Deutschen nicht nur den nationalen Gegner sondern auch den „Ausbeuter" sehen ließ. Die Wahlen des Jahrs 1898 hatten noch so gut wie gar keine polnischen Stimmen im Regierungsbezirk Oppeln gesehen; 40 Stimmen wurden für einen Zählkandidaten abgegeben. 1903 gaben 44 000 Wähler polnische Stimmzettel ab, 1907 115 000. Also eine Aufwärtsentwicklung einer Partei, wie sie in Deutschland ohne Beispiel dasteht. Als erster Abgeordneter der oberschlesischen Polen zog Pan Korsanty im Jahr 1903 in den Reichstag ein. Di« Blockwählen des Jahrs 1907 sahen dann den größten Triumph der „Wasserpolacken", die 115 000 Stimmen aufbrachten und 5 Abgeordnete in den deutschen Reichstag schickten. 1908 wurde Pan Korsanty auch in das preußische Ab- geordnetenhaus gewählt. Bei den Reichstagswahlen des Januars 1912 verschwand er zwar in der Versenkung. Aber er wühlte unterirdisch weiter.
Dann kam der Krieg, und es fiel manchem auf, daß Korsanty plötzlich eine ungeheure Liebe für die deutsche Sache zeigte. Er ersuchte das Wolffbureau, ihm jede wichtige Siegesnachricht sofort direkt und persönlich zuzusprechen. Polen stürzte sich damals mit Begeisterung in den Kamps auf seiten der Mittelmächte, von denen es seine Befreiung vom Zarenjoch erhoffte. Als der deutsche Mohr seine Schuldigkeit getan hatte, schlug sich Korsanty wieder auf die andere Seite. Er wurde der Putschist des oderschlesischen Bürgerkriegs, setzte die polnischen Einfälle ins Werk und baute sich seinen Festungsturm im Hotel Lomnitz zu Beuchen. Von diesem Fuchsbau ging dann alles Unglück aus. Korsanty wurde zwar als der von ihm entfachte Aufstand im Mai vorigen Jahrs losbrach, von der Entente seines Postens als Volksab- stimmungskomissar enthaben, aber das hat ihm nichts geschadet. Die Woydwodenwürde (Gouverneur oder Präsident) über den polnisch gewordenen Teil Oberschlesiens lehnte er kürzlich großmütig ab. Er sah ein anderes höheres Ziel vor sich und dieses hat er jetzt erreicht. Wieviel Unheil wird er nun wieder anrichten! -er.
Deutscher Reichstag
Die Zwangsanleihe
Schluß. Berlin, 18. Juli.
In der gestrigen Sitzung ging man dann zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Zmangsanleibe über.
Abg. Dr. Heisse rrch (Dntl.) erkennt an, daß die Regierungsvorlage im Ausschuß eine wesentliche Verbesserung erfahren habe. Die grundsätzlichen Bedenken seiner Freunde gegen das Gesetz beständen jedoch fort. Die ungeheuere Belastung der deutschen Wirtschaft mit 70 Milliarden sei in der jeßigen Zeit der Geldknappheit unerträglich. Tatsächlich bestehe eine Geldknappheit. Die deutschen Aktienkurse haben seit November vorigen Jahrs das Steigen des Dollars nicht mehr mitmachen können. Die neuen Aktien können garnicht untergebracht werden. Industrie und Landwirtschaft haben