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Nr. 129

Schristlkttung, Druck und «erlag v»» ». W. Zaller <«arl Z-ts-r) Nagold.

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Dienstag den 8. 3rmi 1922

Berbreitetste Zeitung in> Oberamtsbezirk. Ar» zeigen find daher von bestem Erfolg.

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96. Jahrgang

Dis Eisend o

Poincares neuester Krieg

Von unserem Berliner Mitarbeiter.

Am selben Tage, an dem alle West etwas aufatmen wollte, weil die Gefahr des französischen Vormarsches ins Ruhrgebiet gebannt zu sein schien, hat Poincare einen neuen Krieg angesagt. Den Eisenbahnkrieg am Rhein. Er tut es in der scheinbar unpersönlichen Form einer schon vor längerer Zeit angekündigten Note der Botschafterkonferenz und er stützt sich dabei auf den äußerlich recht harmlos aussehenden Artikel 43 des Versailler Vertrags. Schon in der ersten deutschen Veröffentlichung der Note wurde halbamtlich be­zweifelt, ob dieser Artikel 43 die rechte Stütze für Las un­erhörte Vorgehen des Ententemilitarismus biete. Der Zwei­fel ist durchaus berechtigt. Im Artikel 43 steht kein Wort von den Eisenbahnen. Die Bestimmungen über das Eisen­bahnwesen find in den Artikeln 368 bis 378 zusammenge­faßt. Sie betreffen die internationale Beförderung, die Ber­ner Konvention, das rollende Material (System der Bremsen), Abtretung von Linien (»in gutem Zustand") usw. Nirgends ist von dem Verbot strategischer Strecken etwas gesagt. Ar­tikel 43 verbietet auf dem linken Rheinufer und in der sog. neutralen Zone die Unterhaltung oder Zusammenziehung einer bewaffneten Macht, alle militärischen Uebungen und die Aufrechterhaltung irgendwelcher materiellen Vorkehrun­gen für eine Mobilmachung. Hätten Clemenceau und Lloyd George seinerzeit bei den Beratungen des Versailler Ver­trages dem deutschen Eisenbahnwesen besondere Ketten un­ter dem Vorwände des Verbots strategischer Linien anlegen wollen, so wäre dies sicherlich in dem Abschnitt über Eisen­bahnen (Art. 365 ff.) oder in dem Abschnitt über das linke Rheinufer (Artikel 4244) zum Ausdruck gekommen. Es gehört also, gelinde gesagt, die ganze Phantasie eines Poin­care dazu, um den Begriffmaterielle Vorkehrungen" des Artikels 43 instrategischer Eisenbahnen" zu verdrehen. Die Botschafter-Note sie ist ja doch nur Poincares Ge- schoß verlangt teils die Zerstörung teils dieEntmilitari­sierung" einer ganzen Reihe bestehender oder im Bau be­findlicher Linien. Sie werden ganz genau bezeichnet. Man sieht förmlich, wie die französischen Generäle am grünen Tisch im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet haben, um Strecken (viergleisig) zu ziehen, soweit sie einen französisch- belgischen Aufmarsch in Deutschland erleichtern, solche aber grimmig zu streichen, soweit sie nicht diesem militärischen Zweck, sondern nur dem Ausbau des deutschen Wirtschafts­verkehrs §ienen. Das Peinlichste ist der versteckte Hohn, mit dem uns dieses neue Bukett aus dem Versailler Blumenflor übereicht wird. Die vollständige Anwendung des Artikels 43, so heißt es in dieser heuchlerischen Entrvaff- nungsnote, würde den verbündeten Regierungen noch zahl­reichere und bedeutendere Zerstörungen gestatten, aber man habe sich bemüht, dem rheinischen Vahnnetz seine ganze kommerzielle Ausbeute zu erhalten. Wie gnädig! Und der Gipfel schäbiger Lüge: Deutschland spare ja soviel durch Einstellung von Eisenbahnbauten. Las komme seiner fi­nanziellen Lage zugute. Man weiß wirklich nicht, ob man darüber lachen oder ausspucken soll. Die Herren vom Botschafterrat sind doch wirklich nicht so dumm, uns dumm machen zu wollen. Sie wissen doch ganz genau, daß die sog. Militärbahnen am Rhein, während des Kriegs zu Verpflegungszwecken gebaut, längst den wirtschaftlichen Bedürfnissen der rheinischen Gebiete eingeordnet sind. Sie wissen ferner, daß unsere 100 000 Reichswehrsoldaten überall im Reich gut und gern auf eingleisigen Strecken befördert werden können und daß Militärbahnen ohne Militär ein Unsinn an sich sind. Sie wissen endlich, daß " . . Le"' " ..

die kostspielige Zerstörung wertvoller Bahnkörper in einer Zeit, in der man uns für Cntschädigungszahlungen wieder leistungsfähig macken will, geradezu Heller Wahnsinn wäre. Die Verbündeten sind ganz einfach auf ein Bedürf­nis Poincares hereingefallen, auf das Bedürfnis, der fran­zösischen Heldenkammer im Augenblick, da die Eroberung des Ruhrgebiets abgesagt ist, mit einer neuen Kraftgeste als Ersatzvorstellung zu kommen. Weniger als zwei Jahrs sind es noch bis zur ersten Räumung am Rhein, bei Köln. Der kluge Pomcare baut vor. Geht Deutschland nickt auf die Kastrierung seiner rheinischen Bahnen ein, so lassen sich die Raumungsfrlsten hinausschieben. Hoffentlich mißlingt dieser mehr als schlaue Plan. Die deutsche Diplomatie steht schon wreder vor einer wirklich'dankbaren Aufgabe, dis m London zu losen wäre.

Wichtige Entscheidung zur Umsatzsteuern

Verschiedene Finanzämter hatten in Hessen mit Billi- gung des Landesfinanzamts zahlreiche Gewerbetreibend« unter Androhung von Ordnungsstrafen aufgefordert, bin- nen kurzer Zeit Verzeichnisse von Lieferanten, Kunden, Wa- ren, Mengen und Preisen einzureichen. Gegen diese Auf- lorderung waiM mehrfach Beschwerden eingereicht worden, aber sie blieben erfolglos, auch eine solche des hessischen yandelskannnertags beim Landesfinanzamt. Im Einver­nehmen mit der Handelskammer hatte nun eine Weingroß- üandlung in Worms BMrperde bei. dein Reichsfjnanzhof

erhoben, um eine grundsätzliche Entscheidung Herbeizufuh­

ren. Der Reichsfinanzhof hat nun nicht allein die Aufforde­rung der Finanzämter aufgehoben, sondern auch ausge­sprochen, daß der Erlaß des Reichsfinanzministers vom 11 Mai 1921 eine unzutreffende Auslegung des ß 177 der Reichsabgabeordnung darstelle. Der Absatz 1 dieses Para­graphen gebe dem Finanzamt nicht das Recht, zur Ermitt­lung von unbekannten Umsatzsteuerfällen von jedem beliebi­gen Gewerbetreibenden eine Liste seiner Lieferanten einzu- iordern.

Die Notlage der pensionierten Offiziere

Zur Kennzeichnung der Notlage der pensionierten Offiziere zeben dieMünchener Neuesten Nachrichten" folgende Stellen aus einemOffenen Brief an den Herrn Reichspräsidenten" nieder:Um vielen meiner, der drückendsten Not ausgesetzten Kameraden und mir Recht zu verschaffen, wende ich mich an die Persönlichkeit des Reiches, die die oberste Verantwortung trägt. Ich bin bis zum heutigen Tage immer noch nicht im Besitz der mir zukommenden Pensionsbeträge. Der Reichs­militärfiskus schuldet mir rund noch einige tausend Mark. Auf dringende Eingaben bekam ich nicht einmal eine Antwort! Wissen Sie, was es heißt, wenn man einem Menschen im Oktober 1921 tausend Mark für sofort verspricht und sie im Jahre 1922 nicht auszahlt. Wissen Sie, was verlorener Zins- mtgang oder gar notwendig gewordene Zinsentschädigung für zwangsaufgenommenes Kapital bedeutet? Wissen Sie, daß infolge der Nichtauszahlung längst bewilligter Ruhegehaltc Familienschätze, die Jahrhunderte hindurch wie der Augapfel gehütet wurden, verkauft werden mußten, und daß dafür, der Staat noch Umsatzsteuer erhebt? Wissen Sie, daß der heute oon mir eingeschlagene Weg nicht der eines Querulanten ist, iondern der eines Mannes, der für seine Kameraden und sich keinen anderen Ausweg mehr sieht? Wenn Sie das alles Bissen, Herr Reichspräsident, dann greifen Sie einl Major a. D. Meisner, früher kgl. preuß. Hauptmann im Feldart.-Reg. 80."

Kleine politische Nachrichten.

Die Ernährungsminister

Berlin, 5. Juni. Am 20. Juni treten die deutschen Er­nährungsminister in Würzburg zu einer Besprechung der Ge- treideumlage und der Freigabe der Lebensmitteleinfuhr zu­sammen. Diese Besprechungen sollen künftig alle Vierteljahre stattfinden.

Schiffs- Sachleistungen

Berlin, 8. Juni. Für die französische Chinalinie wird gegenwärtig auf der Weserwerft in Bremen ein Dampfer von 17 000 Tonnen, und auf der Werft Tacklenborg in Geeste­münde für die Jndienlinie ein solcher von 10 000 Tonnen ge­baut. Für ersteren soll 8)4, für letzteren 6 Millionen Gold­mark auf die Kriegsentschädigung ungerechnet werden,

Verkehrsstreik in Hamburg

Hamburg, 5. Juni. Die Angestellten der Hoch- und Straßenbahn und der Alsterdampfer sind wegen Lohnforde­rungen in den Streik getreten.

Der bayerische AUnisterrat für die Getreideumlage

München, 5. Juni. Gegenüber einer Mißtrauenserklä- rung der bayerischen Bauernkammer gegen den Landwirt­schaftsminister Wuzlhofer erklärte sich das Gesamtmini­sterium mit diesem einig, womit einer politischen Krisis der Boden entzogen sei. Das Kabinett hält es für nötig, einen Teil der Getreideernte zu beschlagnahmen. Auf jeden Fall soll versucht werden, durch Verhandlungen zu einer Regelung der Brotversorgung im Sinn einer freiwilligen Ablieferung durch die Landwirte zu gelangen.

Enkschädigungskommission gegen Anleiheansschnft

London, 5. Juni. Ueber die Tatsache, doß es bei den Verhandlungen in Paris zu Reibungen gekommen ist, die die Vertagung des Anleiheausschusses vecanlaßten, erfährt dieTimes", es Handke sich um die Frage, ob der Ausschuß befugt sei, die Kreditfähigkeit Deutschlands mit Berücksich­tigung der großen Kriegsentschädigungspflichten zu prüfen. Die Entschädigungskommission betrachte dies als eineG un­zulässigen Eingriff in ihre Befugnisse. Der Anleiheausfchuß stellt sich dagegen auf den Standpunkt (mit vollem Recht, D. Schr.), wenn Deutschland Geld geliehen werd'n soll, so müßten die Gläubiger den Gesamtumfang der deutschen Ver­pflichtungen in Rechnung ziehen. In der Cntschäk'gungL- kommission fehlt es nicht an Stimmen, di?,die Berechtigung dieses Standpunkts bejahen, aber di« Franzosen und Belgier-l

Die verbandsfchuLcn an Amerika

London, 5. Juni. Reuter. Die Verhandlungen über die Umwandlung dex Schulden der Verbandsstaaten an die Ver­einigten Staaten in eine feste Anleibefchuld sollen mit England

als dem Hauptfchuldner geführt werden. Nach dem Muster dieses Abkommens sollen dann die Verhandlungen mit den andern Staaten geführt werden. England will die auf 25 Millionen Pfund Sterling angelaufenen rückständigen Schuldzinsen im Herbst bezahlen.

Reichsregierung und Völkerbund

Berlin, 2. Juni. Die deutsche Regierung steht auf dem Standpunkt, daß es ihr nicht möglich ist, eher ein Aufnahme­gesuch an den Völkerbund zu richten, als zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens muß sicher sein, daß die Aufnahme in den Völkerbund ohne irgendwelche Abstimmung erfolge, zweitens muß Deutschland die Zusicherung dafür haben, daß es nicht als eine Macht zweiten Rangs innerhalb des Völ­kerbunds betrachtet wird, d. h. daß es vor allem auch Auf­nahme in den Völkerbundsrak findet. Nach den Entschei­dungen, die der Völkerbundsrat bisher in der oberschlesischen Frage sehr zu Ungunsten Deutschlands gefällt har und ange­sichts dessen, daß dem Völkerbund noch in einem großen Teil der Welt die Anerkennung fehlt, steht die deutsche Regierung weiterhin auf dem Standpunkt, daß wesentliche innere Neu­regelungen den Völkerbund noch so um gestalten müssen, daß er wirklich für die Welt zu einem Instrument des Friedens werden kann.Südd. Ztg."

Die Entschädig»,,gsfrage im Unterhaus

London. 1. Juni. Bei der Besprechung der Entschädigung^ frage im Unterhaus sagte der Arbeiterführer Elynes, Eng- land sei der wahre Freund Frankreichs. Die Sicherheit Frank- reichs könne aber nur auf der Durchführung der Grundsatz, )es Völkerbunds beruhen. England habe auch in Frankreich Hoffnungen erweckt, die sich als vollkommen undurch­führbar erwiesen. Er frage, für welche Zeit der Einmarsch ins Ruhrgebiet aufgeschoben sei. Die Drohung mit militäri- icher Gewalt sei ein ernstliches Hindernis für das wirtschaft­liche Wiederaufleben Englands. Jetzt sei wohl die Zeit für Üe Aufhebung der Besetzung gegeben. Welche Einwände be- itehen gegen die von Deutschland vorgeschlagene Anleihe, die rs instand setzen, doch wenigstens einen großen Teil der Kriegsentschädigung zu bezahlen? Durch ein Schiedsgericht ließe sich dies besser erreichen als durch Waffengewalt,

Kenworthy führte aus, wenn man eine Besserung volle, so müssen vor allem die Besatzungstruppen zurück- zezogen werden, statt daß man mit immer neuen Besatzungen )rohe. Diese Heere haben schon mehr gekostet, als man von Deutschland erhalten habe

Ministerpräsident Lloyd George erwiderte, man könne annehmen, daß der gefährliche Punkt der Entschädi- zungsfrage für den Augenblick vorüber sei. Es bestehe kein Grund zu einem Streit zwischen England und Frankreich- Erfreulicherweise bemühe sich die deutsche Reichsregierung, deK Forderungen der Entschädigungskommissicn entgegenzukom? nen. Er glaube, daß die gegenwärtige Regierung sich ehrlich bemühe, den Friedensvertrag durchzuführen,-.und das sei am ^erkennen, umsomehr, als sie mit erheblichen politischen Schwierigkeiten zu kämpf m habe. Eine Politik der Nicht­erfüllung des Friedensvertrags würde eine Politik sofortiger Unheils für Deutschland sein. Zweifellos würde Frankreick allein Vorgehen, wenn Deutschland den Vertrag nicht beachte» würde, und wenn in Deutschland eine Regierung zustand, käme, die dem Friedensvertrag Widerstand leistete, so würd« England zusammen mit Frankreich Vor­gehen. England sei für eine Politik der Mäßigung, aber auch der Erfüllung. Jedes alleinige Vorgehen eines der Ver­bündeten würde für den Verband unheilvoll sein.

keine Mniskerzulagen

Dresden, 2. Juni. Die Vorlage der Regierung an den Landtag, den nicht in Dresden wohnenden Ministern eine einmalige Zulage von 30 000 -4t zu gewähren, wurde in der Presse heftig angegriffen. Die Vorlage wurde wieder zurückgezogen.

Der Anleiheausfchuß beanstandet die Betriebsräte

Paris, 2. Juni. Bei der Besprechung der Bankierkom­mission über die deutschen Finanzverhältnisse wurde nach demMatin" u. a. die Einsetzung der Betriebsräte und die dauernde Schaffung von Veamtenstellen beanstandet. Durch derartige Maßnahmen steigern sich die Auslagen des deut­schen Reichshaushalts in unzulässiger Weise. Sodann wur­den die deutschen Kriegsanleihen und die Kriegsxensionerr besprochen. Der Ausschuß vertagte sich darauf bis 7. Juni,

Geringe Hoffnung auf den Anleiheausfchuß

Paris, 2. Juni. DerMatin" schreibt, die Unterbre­chung der Arbeiten des Anleiheausschusses könne als vor­läufiges Scheitern der Beratungen betrachtet werden. In der Zwischchizeit werden die Regierungen unter sich ver­handeln, es sei aber wenig wahrscheinlich, daß sie zu einer Lösung kommen.

Arbeitslosigkeit in Schweden

Stockholm» 2. Juni. Der Staatsausschuß des schwedi­schen Reichstags beschloß einstimmig einen Antrag, zur Be­kämpfung der Arbeitslosigkeit in Schweden außer den be-